DIW Wochenbericht 24 / 2019, S. 410-415
Claus Michelsen, Guido Baldi, Geraldine Dany-Knedlik, Hella Engerer, Stefan Gebauer, Malte Rieth
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Die Weltwirtschaft behauptet sich in unsicheren Zeiten: Zwar verdeutlichen mancherorts verhaltene Entwicklungen von Exporten und Investitionen bereits, wie sehr die schwelenden Handelskonflikte und der Protektionismus Gift für die Wirtschaft sein können. Der nach wie vor sehr unsichere Fortgang des Brexit tut sein Übriges. Allerdings stemmt sich die Binnenwirtschaft in vielen Ländern gegen einen Abschwung auf breiter Front. Die Lage auf den Arbeitsmärkten ist insgesamt weiter gut, Beschäftigung und Löhne steigen und veranlassen die privaten Haushalte, das zusätzliche Geld im Portemonnaie zumindest teilweise auch auszugeben. Mit jeweils 3,7 Prozent Wachstum der Weltwirtschaft erwartet das DIW Berlin für dieses und kommendes Jahr nur eine leichte Entschleunigung der Konjunktur. Damit bleibt die Prognose im Vergleich zum Frühjahr weitgehend stabil.
Die Weltwirtschaft expandierte im Auftaktquartal 2019 wieder etwas kräftiger als zum Ende des Vorjahres. Sowohl in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften als auch in den Schwellenländern erhöhte sich das Wachstumstempo etwas (Abbildung 1). Vor allem in den USA und im Euroraum kam die Konjunktur besser in Schwung. Getragen wurde die Entwicklung zumeist von den binnenwirtschaftlichen Kräften. Die Arbeitsmärkte entwickeln sich weiterhin gut und die Konsumentinnen und Konsumenten blicken noch zuversichtlich in die Zukunft. Der Außenhandel und die Investitionstätigkeit der Unternehmen verlief hingegen bereits in weiten Teilen schleppend, in erster Linie aufgrund der durch die schwelenden Handelskonflikte ausgelösten Unsicherheiten.
Dies dürfte sich fortsetzen. Die USA erhöhten im Mai abermals die Zölle auf Importe aus China. Zudem drohten sie mit Schutzmaßnahmen gegenüber europäischen und japanischen Automobilen und Autoteilen. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in den von den Zöllen betroffenen Ländern dürfte der Protektionismus auf dem Wirtschaftsgeschehen lasten. Zum einen werden die Verbraucherpreise wohl weiter steigen, zum anderen zeigen sich Unternehmen zunehmend verunsichert. Teilweise dürften Investitionsentscheidungen zurückgestellt werden, und die nachlassende Außenhandelsdynamik wird wohl die Konjunktur insbesondere in asiatischen und lateinamerikanischen Ländern belasten.
Aufgefangen werden diese Belastungen in den meisten Ländern von einer robusten Konsumnachfrage, so dass die Wachstumsraten der Wirtschaftsleistung insgesamt nur allmählich zurückgehen. Die Arbeitsmarktlage verbessert sich vielerorts weiter – wenngleich der Beschäftigungsaufbau an Tempo verliert. Die Löhne steigen kräftiger als im vergangenen Jahr, bislang bleiben die Kerninflationsraten zumeist niedrig. Allerdings dürfte die Gesamtteuerung im Prognosezeitraum etwas anziehen, vor allem weil die Energiepreise in Folge der politischen Spannungen im und um den Nahen Osten gestiegen sind.
Für die Zentralbanken ergibt sich kaum Handlungsbedarf. So dürfte die geldpolitische Ausrichtung global expansiv bleiben. Zwar machen sich in den Vereinigten Staaten die vergangenen Zinsanhebungen aktuell leicht bremsend bemerkbar. Für den weiteren Verlauf ist dort aber eher mit Leitzinssenkungen zu rechnen; zumal, wenn sich die Konjunktur in Folge der Handelskonflikte stärker als angenommen eintrüben sollte. Im Euroraum dürfte die Neuauflage der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte die Kreditvergabe an Unternehmen stützen. Mit Leitzinsanhebungen ist auch hier erst für das Ende des Prognosezeitraums zu rechnen.
Die Finanzpolitik dürfte global etwas expansiver als zuletzt ausgerichtet sein. Zwar laufen in den USA die stimulierenden Effekte der Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen langsam aus. Aber in China sowie in großen Ländern des Euroraums dürften die jeweiligen Regierungen schon bald finanzpolitische Stimuli auf den Weg bringen.
Alles in allem dürfte sich die globale Produktionsausweitung in diesem und im nächsten Jahr auf 3,7 Prozent abschwächen (Tabelle). Das DIW Berlin hält seine Prognose damit weitgehend stabil.
In Prozent
Bruttoinlandsprodukt | Verbraucherpreise | Arbeitslosenquote in Prozent | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent | ||||||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | |
Euroraum | 2,5 | 1,7 | 1,2 | 1,4 | 1,4 | 1,8 | 1,4 | 1,7 | 9,0 | 8,2 | 7,7 | 7,6 |
ohne Deutschland | 2,5 | 1,8 | 1,3 | 1,4 | 1,4 | 1,8 | 1,3 | 1,5 | 11,4 | 10,4 | 9,9 | 9,8 |
Frankreich | 2,3 | 1,6 | 1,3 | 1,4 | 1,1 | 1,8 | 1,3 | 1,6 | 9,4 | 9,1 | 8,6 | 8,3 |
Italien | 1,8 | 0,7 | 0,3 | 0,7 | 1,3 | 1,2 | 0,9 | 1,1 | 11,3 | 10,6 | 10,4 | 10,5 |
Spanien | 3,0 | 2,6 | 2,4 | 1,8 | 2,0 | 1,7 | 1,2 | 1,7 | 17,2 | 15,3 | 14,2 | 14,1 |
Niederlande | 3,0 | 2,6 | 1,8 | 1,7 | 1,3 | 1,6 | 2,4 | 1,8 | 4,8 | 3,9 | 3,5 | 3,6 |
Vereinigtes Königreich | 1,8 | 1,4 | 1,3 | 1,3 | 2,7 | 2,4 | 2,0 | 2,0 | 4,5 | 4,2 | 4,1 | 4,2 |
USA | 2,2 | 2,9 | 2,5 | 1,8 | 2,1 | 2,4 | 1,8 | 2,0 | 4,4 | 3,9 | 3,7 | 3,5 |
Japan | 1,9 | 0,8 | 1,0 | 0,8 | 0,6 | 0,8 | 1,0 | 1,2 | 2,8 | 2,5 | 2,4 | 2,4 |
Südkorea | 3,1 | 2,7 | 1,7 | 2,4 | 1,9 | 1,5 | 1,1 | 2,7 | 3,7 | 3,8 | 3,3 | 3,0 |
Mittel- und Osteuropa | 5,1 | 4,5 | 3,8 | 3,4 | 1,7 | 2,2 | 2,4 | 2,8 | 4,6 | 3,7 | 3,4 | 3,3 |
Türkei | 7,4 | 2,7 | −2,5 | 2,8 | 11,1 | 16,4 | 17,1 | 16,2 | 10,9 | 11,0 | 14,0 | 13,5 |
Russland | 1,8 | 2,0 | 1,5 | 1,9 | 3,5 | 3,1 | 4,7 | 4,1 | 5,1 | 4,7 | 4,4 | 4,3 |
China | 6,8 | 6,5 | 6,2 | 6,0 | 1,4 | 1,7 | 2,2 | 2,2 | 4,0 | 3,9 | 3,7 | 3,7 |
Indien | 6,9 | 7,4 | 6,6 | 6,3 | 4,0 | 3,9 | 5,5 | 6,1 | ||||
Brasilien | 1,1 | 1,1 | 0,8 | 1,0 | 3,4 | 3,7 | 4,7 | 6,5 | 12,8 | 12,3 | 10,2 | 9,2 |
Mexiko | 2,3 | 2,0 | 1,6 | 1,4 | 6,0 | 4,9 | 4,2 | 3,2 | 3,4 | 3,3 | 4,8 | 4,8 |
Entwickelte Volkswirtschaften | 2,3 | 2,2 | 1,9 | 1,5 | 1,8 | 2,0 | 1,6 | 1,9 | 5,3 | 4,8 | 4,6 | 4,4 |
Schwellenländer | 5,7 | 5,6 | 4,9 | 5,0 | 2,9 | 3,3 | 4,1 | 4,4 | 5,2 | 5,0 | 4,8 | 4,5 |
Welt | 4,3 | 4,2 | 3,7 | 3,7 | 2,5 | 2,8 | 3,1 | 3,4 | 5,3 | 4,9 | 4,7 | 4,5 |
Quelle: Nationale statistische Ämter; DIW Sommergrundlinien 2019.
Das größte Risiko für den Ausblick sind die von den USA ausgehenden Handelskonflikte. Sollte sich die Auseinandersetzung mit China verschärfen und sollten Europa sowie Japan noch stärker in einen Zollstreit gezogen werden, dürfte dies die Unternehmensstimmung, den Außenhandel und die Investitionen auch in Europa stärker als bisher belasten. Ein weiteres Risiko stellen die nach wie vor ungeklärten Modalitäten des Brexit dar. Sollte es zu einem ungeordneten Austritt kommen, dürfte hierunter nicht nur die Wirtschaft in Großbritannien, sondern auch die seiner engsten Handelspartner – vor allem auch Deutschlands – leiden. Auch aufgrund des erneut aufflammenden Haushaltsstreits zwischen der EU-Kommission und der italienischen Regierung könnte sich insgesamt die Konjunktur im Euroraum schwächer als erwartet entwickeln.
Im ersten Quartal hat die Wirtschaft der Vereinigten Staaten kräftig um annualisiert 3,1 Prozent zugelegt. Dies ist auch auf einen Sondereffekt zurückzuführen: Die Importe haben sich deutlich verringert, nachdem es im Schlussquartal 2018 aufgrund befürchteter Zollerhöhungen noch zu Vorzieheffekten kam. Deshalb trug der Außenhandel in den ersten drei Monaten dieses Jahres per saldo kräftig zum Wachstum bei. Im Prognosezeitraum wird die US-Wirtschaft wohl weniger deutlich expandieren. Vor allem die Eskalation im Handelsstreit zwischen den Vereinigten Staaten und China belastet das Wachstum.Nachdem sich im Laufe des Frühjahrs 2019 die Positionen der beiden Regierungen zunächst angenähert hatten, kam es im Mai zu einer weiteren Eskalation im Handelskonflikt. Am 10. Mai wurden die US-Sonderzölle auf diverse chinesische Produkte von zehn auf 25 Prozent angehoben. Zudem hat die US-Regierung damit gedroht, auf bislang noch nicht von protektionistischen Maßnahmen betroffene Importe aus China einen Sonderzoll von 25 Prozent zu erheben. China reagierte mit einer Anhebung der Zölle auf verschiedene amerikanische Produkte ab Anfang Juni. Schwer belastet wird die Beziehung zwischen den beiden Ländern zudem durch amerikanische Sanktionen gegenüber dem chinesischen Technologiekonzern Huawei, die mit Sicherheitsbedenken begründet werden. Auch gegenüber anderen Ländern hat die US-Regierung die Einführung von Sonderzöllen angedroht.Der Europäischen Union drohen Sonderzölle auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile, falls bis Mitte November keine handelspolitische Einigung erfolgt. Auch gegenüber Mexiko haben die Vereinigten Staaten damit gedroht, Sonderzölle zu erheben. Die amerikanische Regierung will damit erreichen, dass Mexiko Migrationsströme aus Zentralamerika in Richtung USA unterbindet. Ob eine Anfang Juni erzielte Einigung dauerhaft Bestand hat, bleibt fraglich. Diese Entwicklungen dürften die Investitionsbereitschaft der Unternehmen dämpfen. Zudem laufen die stimulierenden Effekte der im Winter 2017/2018 beschlossenen Steuersenkungen aus.
Vor diesem Hintergrund ist auch mit einer etwas weniger dynamischen Entwicklung am Arbeitsmarkt zu rechnen; in den vergangenen drei Monaten wurden aber durchschnittlich immer noch 151 000 neue Stellen geschaffen. Angesichts eines niedrigeren Wirtschaftswachstums und einer geringen Inflation dürfte die Geldpolitik der US-Notenbank etwas expansiver werden. Es ist geplant, den Prozess der Bilanzverkürzung im Herbst des laufenden Jahres zumindest vorläufig zu beenden. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Leitzinsen im Prognosezeitraum geringfügig gesenkt werden. Alles in allem dürfte die US-Wirtschaft im Jahr 2019 um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen. Im Jahr 2020 wird die Wachstumsrate wohl nur noch bei 1,8 Prozent liegen.
Der Produktionszuwachs in Japan zog zum Jahresauftakt leicht an. Das Wachstum lag bei 0,5 Prozent. Dies ist allerdings vor allem auf einen positiven Außenhandelsbeitrag zurückzuführen, da die Importe merklich sanken. Auch die Ausrüstungsinvestitionen waren rückläufig, sodass die heimische Nachfrage insgesamt an Dynamik verlor.
Im Prognosezeitraum dürfte die binnenwirtschaftliche Aktivität das Wachstum stützen, wenngleich weniger stark als zuletzt. Insbesondere die weiterhin anziehende Dynamik der Bauinvestitionen wird die Konjunktur wohl begünstigen. Vorzieheffekte aufgrund einer angekündigten Mehrwertsteueranhebung dürften dem privaten Konsum zunächst Schwung verleihen. Wird die Mehrwertsteuer im Oktober dieses Jahres um zwei Prozentpunkte erhöht, dürfte dies den privaten Verbrauch im weiteren Verlauf des Prognosezeitraums jedoch etwas dämpfen. Daneben wird sich die Auslandsnachfrage wohl trotz in Kraft getretener HandelsabkommenDas transpazifische Handelsabkommen (CPTPP) und das Japan-EU-Free-Trade-Agreement. nur moderat entwickeln, vor allem aufgrund einer schwächeren Auslandsnachfrage aus China. Insgesamt wird das japanische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr wohl um 1,0 Prozent und im kommenden Jahr um 0,8 Prozent steigen.
Zu Jahresbeginn verlor die chinesische Konjunktur weiter leicht an Tempo; das Bruttoinlandsprodukt wuchs im ersten Quartal um 1,4 Prozent. Dabei fiel der positive Wachstumsbeitrag der Nettoexporte stärker aus als im Schlussquartal 2018. Hingegen schwächte sich die binnenwirtschaftliche Nachfrage etwas ab.
Der private Verbrauch und die Investitionen dürften im Prognosezeitraum aber wieder etwas an Fahrt gewinnen. Vor allem werden wohl umfangreiche finanzpolitische Maßnahmen wie Steuer- und Abgabesenkungen, aber auch Infrastrukturinvestitionen die binnenwirtschaftliche Nachfrage stützen. So sieht der chinesische Haushaltsplan für das laufende Jahr ein Defizit von 2,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vor; dies sind 0,2 Prozentpunkte mehr als im letzten Jahr. Der Handelskonflikt mit den USA dürfte die Konjunktur hingegen dämpfen. Die jüngste Verschärfung beinhaltet beidseitige Ausweitungen protektionistischer Maßnahmen. Diese werden die chinesischen Exporte wohl zusätzlich belasten, sodass mit geringeren Wachstumsbeiträgen des Außenhandels zu rechnen ist. Insgesamt dürfte das Wirtschaftswachstum mit 6,2 Prozent im Jahr 2019 und 6,0 Prozent im Jahr 2020 etwas an Dynamik verlieren.
Das Wirtschaftswachstum im Euroraum gewann im ersten Quartal dieses Jahres etwas an Fahrt. So legte das Bruttoinlandsprodukt zu Jahresbeginn um 0,4 Prozent zu. Gestützt wurde die Expansion vor allem von einem merklichen Anstieg des privaten Verbrauchs. Die Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen stiegen hingegen nur moderat.
Auch im Prognosezeitraum wird der Außenhandel die Konjunktur im Euroraum zwar stützen, allerdings wird der Wachstumsbeitrag aufgrund verschiedener Unwägbarkeiten in den kommenden Quartalen niedriger ausfallen als im vergangenen Jahr. Einerseits werden die schwelenden globalen Handelskonflikte die weltwirtschaftliche Nachfrage zunehmend belasten. Daneben dürfte sich auch der weiterhin unklare Fortgang des Brexit sowie die schwächere Entwicklung in einigen Schwellenändern, etwa in der Türkei, wie schon zuletzt negativ auf den europäischen Außenhandel niederschlagen (Abbildung 2). Hingegen wird der anhaltend niedrige Außenwert des Euro die Nachfrage aus Drittländern nach Gütern und Dienstleistungen aus dem Euroraum wohl begünstigen.
Eine schwächere Auslandsnachfrage dürfte in den kommenden Quartalen auch die Investitionstätigkeit bremsen. Aufgrund der zuletzt rückläufigen Auslastung bestehender Produktionskapazitäten in einigen Mitgliedstaaten (Abbildung 3) und der anhaltend hohen politischen Unsicherheit werden sich Unternehmen mit größeren Investitionsausgaben wohl vorerst zurückhalten. Zur Verunsicherung von Unternehmen und Haushalten dürfte zuletzt neben dem Brexit der erneute Haushaltsstreit zwischen der EU-Kommission und der italienischen Regierung beitragen.Die EU-Kommission entschied Anfang Juni, ein Defizitverfahren gegen Italien anzustrengen. Hingegen dürften weiterhin gute Finanzierungsbedingungen sowie eine insgesamt leicht expansiv ausgerichtete Finanzpolitik die Investitionen stützen. Insgesamt wird die Investitionstätigkeit damit wohl positiv zum Wachstum beitragen.
Auch der private Verbrauch wird voraussichtlich durch finanzpolitische Impulse in einigen Mitgliedstaaten begünstigt werden. So dürften die jüngst angekündigten Maßnahmen der französischen Regierung – insbesondere die Anpassung der Einkommensteuer – etwas expansiver wirken als zuletzt erwartet. Für Spanien ist ebenfalls von positiven Wachstumseffekten der Finanzpolitik auszugehen. Allerdings wird es im Zuge der noch ausstehenden Regierungsbildung zu weiteren Anpassungen des Haushaltsentwurfs und zu Verzögerungen beim Haushaltsbeschluss kommen. Die gute Lage auf dem europäischen Arbeitsmarkt dürfte den Verbrauch der privaten Haushalte zudem anregen, wenngleich die zuletzt gestiegenen Ölpreise die Kaufkraft der privaten Haushalte leicht belasten werden. Im Prognosezeitraum dürfte sich der private Konsum somit insgesamt solide entwickeln und die Konjunktur im Euroraum stützen, hierauf deutet eine zuletzt gestiegene Zuversicht der Verbraucherinnen und Verbraucher hin.
Aufgrund der moderaten Preisentwicklung und der geringeren konjunkturellen Dynamik wird die Europäische Zentralbank ihren expansiven geldpolitischen Kurs daher wie angekündigt zunächst beibehalten und die Leitzinsen annahmegemäß erst im kommenden Jahr schrittweise erhöhen. Darüber hinaus wird europäischen Banken ab September 2019 im Rahmen der Neuauflage gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG) erneut Zugang zu vergünstigten Zentralbankkrediten gewährt werden.
Das Bruttoinlandsprodukt im Euroraum dürfte in diesem Jahr um 1,2 und im kommenden Jahr um 1,4 Prozent steigen.
Das Bruttoinlandsprodukt ist im Vereinigten Königreich im ersten Quartal 2019 um 0,5 Prozent gestiegen. Sowohl der private als auch der öffentliche Verbrauch trugen etwas stärker als in den Vorquartalen zur Expansion bei. Der Wachstumsbeitrag der Bruttoinvestitionen stieg zwar merklich, dazu trugen neben einer erhöhten Investitionstätigkeit des Staates aber vor allem Verzerrungen in der amtlichen Statistik bei.So wurden die Bruttoinvestitionen vor allem durch einen kräftigen Anstieg nichtmonetärer Goldbestände getrieben. Zudem ist der Anstieg der Unternehmensinvestitionen von einer Umstellung der Bilanzierungsmethodik zu Jahresanfang beeinflusst, die zu Revisionen führen kann. Befragungen legen hingegen eine vor allem aufgrund der anhaltend hohen politischen Unsicherheit nur moderate Investitionstätigkeit der Unternehmen nahe. Vgl. etwa Befragungen der britischen Notenbank (online verfügbar hier und hier; abgerufen am 6. Juni 2019).
Aufgrund der neuerlichen Verschiebung des Austrittstermins sowie des angekündigten Rücktritts der britischen Premierministerin dürfte die politische Unsicherheit zunächst hoch bleiben. Die Unternehmen und Haushalte werden sich daher wohl weiter mit größeren Ausgaben zurückhalten; Produktionszuwächse im verarbeitenden Gewerbe dürften – wie in den vergangenen Monaten – zunächst verstärkt in die Lagerbildung fließen. Die Unternehmen sichern sich offenbar gegen mögliche Lieferengpässe infolge eines ungeregelten EU-Austritts ab.Monatliche Umfragen im Rahmen des IHS-Markit-UK-Manufacturing-PMI deuten seit Ende letzten Jahres auf eine höhere Neigung der Unternehmen zu Lagerbildung hin. Zwar werden die anhaltend hohe Beschäftigung sowie weitere Zuwächse bei den real verfügbaren Einkommen den privaten Verbrauch wohl leicht stützen. Die privaten Haushalte dürften jedoch einen Teil der Einkommenszuwächse zur Ersparnisbildung nutzen. Somit dürften der Preisauftrieb im Prognosezeitraum schwächer als im Vorjahr ausfallen und die Leitzinsen länger als zuletzt erwartet unverändert bleiben. Auch der Außenhandel wird aufgrund einer schwächeren weltwirtschaftlichen Dynamik wohl trotz der Abwertung des britischen Pfund kaum zur Produktion beitragen. Ein Rückgang der politischen Unsicherheit dürfte vor allem ab der zweiten Jahreshälfte 2020 wieder zu höheren Wachstumsraten führen.
Außer in Tschechien war das Wachstum in der Region im Auftaktquartal 2019 kräftig. Insbesondere der private Konsum dürfte bei hoher Beschäftigung und steigenden Einkommen zugelegt haben. Die Lage am Arbeitsmarkt spannt sich jedoch an. Die bislang moderate Teuerung hat in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen; hierauf hat jedoch nur die tschechische Zentralbank mit einer Erhöhung kurzfristiger Zinssätze reagiert.
Im weiteren Verlauf dürften in einigen Ländern der Region auch die Investitionen ausgeweitet werden. Dabei spielt eine Rolle, ob der Abruf von Finanzmitteln aus EU-Investitionsfonds gelingt und zügig erfolgt, was insbesondere in Rumänien in der Vergangenheit nicht der Fall war. Im ersten Quartal haben die Bauinvestitionen in der Region zugelegt. Demgegenüber verlief die Industrieproduktion schwach. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe lag im Mai in Polen und Tschechien erneut unter der Expansionsschwelle. In beiden Ländern sind insbesondere die Auftragseingänge aus dem Ausland gesunken. Im laufenden Jahr dürfte das Wachstum in Mittel- und Osteuropa noch 3,8 Prozent erreichen und sich im Folgejahr auf 3,4 Prozent abschwächen.
Die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts hat sich im ersten Quartal 2019 verlangsamt; im Vergleich zum Vorjahreszeitraum betrug die Wachstumsrate nur 0,5 Prozent. Dies ist auch Folge der zum Jahresanfang erhöhten Mehrwertsteuer, die zu einem Anstieg der Teuerungsrate führte; da dieser nur temporär sein dürfte, hat die russische Zentralbank die Leitzinsen nicht erhöht. Die gestiegenen Preise drückten auf die realen Einkommen. Dies dämpfte wahrscheinlich den privaten Konsum; darauf deuten die moderaten Einzelhandelsumsätze während der ersten Monate hin. Die Investitionstätigkeit ist nur leicht gestiegen. Aufgrund einer somit wohl insgesamt gedämpften Inlandsnachfrage haben sich auch die Importe abgeschwächt; die Exporte stagnierten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Im weiteren Verlauf werden die im Vergleich zum Jahresanfang gestiegenen Ölpreise wohl zu höheren Exporterlösen führen. Im Inland gibt es hingegen keine deutlichen Anzeichen für eine größere wirtschaftliche Dynamik: Das Konsumentenvertrauen stieg im Frühjahr nur vorübergehend. Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich noch leicht verbessert, die Löhne dürften indes aber nur moderat zunehmen. Die Investitionstätigkeit bleibt wohl schwach. Der finanzpolitische Impuls der sogenannten „Nationalen Projekte“ dürfte gering sein, da diese noch in der Anlaufphase sind. Im Mai ist der Einkaufsmanagerindex im verarbeitenden Gewerbe leicht unter die Expansionsschwelle gesunken; Produktionszuwächse beschränken sich offenbar auf einzelne Industriezweige. Insgesamt wird dieses Jahr das Wachstum wohl 1,5 Prozent betragen und im nächsten Jahr etwas darüber liegen.
Themen: Konjunktur
JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-24-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/200231