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Griechenland: mit sauberer Energie aus der Krise: Kommentar

DIW Wochenbericht 30 / 2019, S. 524

Claudia Kemfert, Alexander Kritikos

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Seit der Finanzkrise hat kein anderes EU-Land so wenig in eine nachhaltige Energieversorgungsstruktur investiert wie das finanziell angeschlagene Griechenland. Entsprechend unsicher ist die Energieversorgung im Land und bedroht zusätzlich die Wettbewerbsfähigkeit der von der Krise ohnehin gebeutelten griechischen Unternehmen, die mehr für Energie zahlen als ihre EU-Konkurrenten. Griechenland steht daher vor grundsätzlichen Entscheidungen in Bezug auf seine Energiepolitik, insbesondere, inwieweit das Land weiterhin auf fossile oder stärker auf regenerative Energiequellen setzen will.

Griechenland könnte im Bereich der Erneuerbaren viel bewegen. Ressourcen, wie Meer, Wind und Sonne stehen dem krisengeschüttelten Land quasi unbegrenzt zur Verfügung. Es ist Verschwendung, diese nicht mehr zu nutzen als bisher. Über Investitionen in Wasser-, oder Wellenkraftwerke, Solar- und Windparks ist es möglich, die heimische Energieversorgung zum großen Teil sicherzustellen und Überschüsse in die Nachbarländer zu exportieren.

Doch Griechenland plant auch für die Zukunft die Verbrennung von Kohle. Auf den Inseln wird Strom aus klimaschädlichem Diesel gewonnen, der teuer importiert und mit 500 bis 700 Millionen Euro pro Jahr subventioniert wird.

Im Jahr 2010 gab es einen vielversprechenderen Anfang. Dank eines Energiewende-Gesetzes deckte Solarstrom im Jahr 2013 bereits über sechs Prozent des griechischen Strombedarfs, im Bereich Erneuerbaren entstanden 20000 neue Jobs. Zu der Zeit sprach man in Brüssel und Athen vom vielversprechenden Projekt „Helios“, bei dem Griechenland ab 2015 erneuerbaren Strom bis nach Deutschland liefern sollte. Doch die garantierten Einspeisevergütungen waren zu hoch und fielen der Schuldenkrise zum Opfer. Investitionen in erneuerbare Energien brachen ein, zahlreiche Jobs gingen verloren, Unternehmen haben sich aus Griechenland zurückgezogen. Zwar wurde der Markt für Erneuerbare nach 2015 durch gezielte Programme wieder etwas stabilisiert, er bleibt aber hinter den Möglichkeiten. Bis heute entstammen rund 84 Prozent der Energieproduktion aus fossilen Quellen, Öl wird in großem Umfang importiert.

Die EU als Ganze hat sich aber zum Ziel gesetzt, im Rahmen der Energieunion weniger abhängig von Energieimporten zu werden. Gerade in Griechenland mit seinen großen Potentialen ist das möglich. Dazu braucht es eine stärkere Diversifizierung der Energieträger, vor allem einen Ausbau der erneuerbaren Energien, sowie eine effizientere Nutzung der erzeugten Energie.

Ein Beispiel: Die Inseln können dezentral mit privaten Investitionen insbesondere den Ausbau von Solar- und Windenergie fortführen und durch die Entrichtung angemessener Einspeisevergütungen einen Großteil ihrer eigenen Energieversorgung sicherstellen. Über die Errichtung von immer billiger werdenden Energiespeicher ließe sich die Versorgung sicherstellen. Genau für die Planung und Durchführung solcher dezentraler Investitionen benötigen die griechischen Kommunen Beratung und Unterstützung durch die EU.

Mit einer solchen Strategie ließen sich die fossilen Energieimporte in Griechenland weiter senken. Der Ausbau erneuerbarer Energien eröffnet gleichzeitig wirtschaftliche Chancen: Entsprechende Investitionen schaffen neue Arbeitsplätze, schließlich gibt es auch griechische Produzenten in diesem Bereich, und erhöhen die Wertschöpfung. Auch die Industrie könnte günstiger mit Energie versorgt werden, zugunsten ihrer Wettbewerbsfähigkeit.

Zugegeben, die Rahmenbedingungen für Investitionen in Griechenland sind schlecht, und private Investitionen sind deshalb auch in diesem Sektor zunächst nur begrenzt zu erwarten. Die frisch gewählte Regierung muss die seit vielen Jahren diskutierten angebotsorientierten Reformen zur Steigerung privater Investitionen endlich durchführen. Aber sie muss auch ihre Energiepolitik überdenken. Die knappen staatlichen Mittel, die für den Energiebereich vorgesehen sind, wären als steuerliche Anreize für Investoren in Richtung Energiewende gut genutzt.

Dieser Beitrag ist am 20. Juli 2019 auf capital.de erschienen.

Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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