DIW Wochenbericht 32 / 2019, S. 556
Konstantin A. Kholodilin, Erich Wittenberg
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Herr Kholodilin, Sie haben untersucht, wie moderne Methoden des maschinellen Lernens genutzt werden können, um spekulative Preisübertreibungen am Immobilienmarkt frühzeitig vorherzusagen. Was ist das für ein Modell? Es gibt kein einzelnes Modell für maschinelles Lernen, sondern es gibt eine Vielfalt dieser Modelle. Wir haben in der Studie drei davon verwendet, um spekulative Übertreibungen am Markt für Wohnimmobilien zu erkennen. Man klassifiziert anhand dieser Methoden verschiedene Perioden in Blasen-Perioden und Nicht-Blasen-Perioden. Der große Vorteil dieser Methoden ist, dass sie relativ präzise sind und dass sie mit der Zeit ihre Genauigkeit steigern.
Welche Faktoren gehen in Ihre Prognosemodelle mit ein? In unseren Modellen haben wir unterschiedliche Faktoren verwendet, zum Beispiel demografische Faktoren, aber auch makroökonomische Faktoren, zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Maß des Einkommens oder verschiedene Maße der Kreditwirtschaft, wie den Anteil der Gesamtkredite am Bruttoinlandsprodukt oder langfristige Zinssätze.
Wo liegen die Schwierigkeiten beim Erkennen von Fehlentwicklungen am Immobilienmarkt? Die Hauptschwierigkeit besteht darin, dass die Märkte durch sich verändernde Preise charakterisiert sind. Die Preise steigen oder fallen und die Frage ist, wann man steigende Preise als Boom oder als spekulative Blase bezeichnen kann.
Ab wann werden die Preissteigerungen zu einer Gefahr? Die Preissteigerungen werden zu einer Gefahr, wenn sie vor allem spekulativ getrieben werden, wenn also die Investoren in den Markt investieren, um Wohnungen nicht zur eigenen Nutzung zu kaufen, sondern um höhere Preise zu erzielen und das vornehmlich durch Kredite finanziert wird. Wenn die Verschuldung in der Wirtschaft zu stark steigt, besteht die Gefahr, dass bei fallenden Preisen die Schuldner nicht in der Lage sein werden, ihre Schulden zu begleichen.
Welches Risiko zeigt Ihr Modell für den deutschen Immobilienmarkt? Unser Modell zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für eine spekulative Preisblase in Deutschland bis Ende 2019 zwischen 80 und 100 Prozent liegt.
Wie groß ist das Risiko von Preisblasen in den anderen 20 OECD-Ländern, die Sie untersucht haben? In den meisten dieser Länder ist die Wahrscheinlichkeit einer spekulativen Hauspreisblase sehr hoch. Sie ähnelt der Wahrscheinlichkeit in Deutschland und variiert ebenfalls zwischen 80 und 100 Prozent im laufenden Jahr. Lediglich in Australien, Finnland, Irland und Italien ist die Wahrscheinlichkeit einer Blase in diesem Jahr sehr niedrig.
Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um einer Immobilenpreisblase entgegenzuwirken? Bei Gegenmaßnahmen muss man sehr vorsichtig sein, denn es besteht immer die Gefahr, dass sie auch zum Platzen einer Immobilienpreisblase mit verheerenden Folgen führen können. Es gibt natürlich traditionelle Mittel der Geldpolitik, zum Beispiel die Erhöhung des Leitzinssatzes, aber das kann dazu führen, dass die Schuldner nicht mehr in der Lage sind, ihre Kredite zu begleichen. Andererseits gibt es auch die sogenannten makroprudenziellen Instrumente. Bei diesen Maßnahmen kann die BaFin zusätzliche Restriktionen einführen, um die Kreditvergabe zu beschränken.
Kann ihr Modell auch den richtigen Zeitpunkt bestimmen, wann in den Immobilienmarkt eingegriffen werden sollte? Unsere Analysen sind dazu bestimmt, den Kontrollbehörden zu helfen, den richtigen Zeitpunkt für ihren Eingriff zu bestimmen. Allerdings muss die zuständige Kontrollbehörde selber entscheiden, wann sie und ob sie überhaupt eingreifen wird oder nicht.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Märkte, Immobilien und Wohnen
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-32-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/201830