DIW Wochenbericht 35 / 2019, S. 607-613
Claire Samtleben, Clara Schäper, Katharina Wrohlich
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„Wir sehen, dass finanzielle Sorgen für Väter ein wichtiger Grund sind, nicht oder nur kurz in Elternzeit zu gehen. Eine Erhöhung der Lohnersatzrate von derzeit 65 Prozent wäre also ein Mittel, um die Väterbeteiligung zu erhöhen. Angesichts knapper fiskalischer Ressourcen könnte man sich dabei insbesondere auf den unteren Einkommensbereich konzentrieren.“ Katharina Wrohlich
Seit Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 gehen – ausgehend von einem extrem niedrigen Niveau – immer mehr Väter in Elternzeit. Im Vergleich zu Müttern ist das jedoch nach wie vor deutlich seltener der Fall und wenn, dann ist der Umfang der Elternzeit bei Vätern relativ kurz. Seit im Jahr 2015 das Elterngeld Plus eingeführt wurde, kombinieren zwar mehr Mütter und auch Väter die Elternzeit mit einer Teilzeiterwerbstätigkeit – der absolute Anteil von Vätern, die Elternzeit nehmen, ist zumindest kurzfristig aber nicht weiter gestiegen. Als wichtigstes Motiv gegen den Bezug von Elterngeld werden von Vätern finanzielle Gründe angegeben. Auch die Sorge vor negativen beruflichen Konsequenzen wird häufig genannt. Diese beiden Punkte könnten von der Politik zum einen durch ein Anheben der Lohnersatzrate im unteren Einkommensbereich und zum anderen durch bessere Informationen über die zu erwartenden Auswirkungen von Elternzeit auf die zukünftigen Löhne und beruflichen Karrieren von Müttern und Vätern adressiert werden.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt und diesbezügliche Gestaltungsmöglichkeiten der Politik werden in Deutschland derzeit intensiv diskutiert. Vor mehr als zwölf Jahren wurde die Einführung des Elterngeldes (Kasten 1) unter anderem damit begründet, dass diese Maßnahme sowohl die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt als auch eine gleichmäßigere Aufteilung der Kinderbetreuung zwischen Müttern und Vätern befördern würde.
Das im Jahr 2007 eingeführte Elterngeld ist als Einkommensersatzleistung konzipiert. Die Ersatzrate hängt vom monatlich verfügbaren Nettoeinkommen vor der Geburt des Kindes ab. Eltern mit höheren Einkommen (ab 1240 Euro) erhalten 65 Prozent, Eltern mit niedrigeren Einkommen bis zu 100 Prozent dieses Voreinkommens.
Das monatliche Basiselterngeld beträgt maximal 1800 Euro und mindestens 300 Euro. Mit dieser Mindestersatzrate soll gewährleistet werden, dass auch jene Elternteile eine Transferleistung erhalten, die vor der Geburt des Kindes nicht oder geringfügig erwerbstätig waren. Familien mit mehreren kleinen Kindern profitieren vom sogenannten Geschwisterbonus: Sie erhalten einen Zuschlag von zehn Prozent des ihnen sonst zustehenden Elterngeldes, mindestens aber 75 Euro. Bei Mehrlingsgeburten wird ein Zuschlag von 300 Euro für jedes weitere neugeborene Kind gezahlt.
Das Basiselterngeld kann für maximal zwölf Lebensmonate beantragt werden. Wenn beide Elternteile Elterngeld beantragen, kann die Bezugsdauer durch Inanspruchnahme der „Partnermonate“ auf bis zu 14 Monate ausgeweitet werden, von denen der zweite Elternteil mindestens zwei Monate nehmen muss. Abgesehen von dieser Regelung können die Eltern die 14 Monate nach ihren Wünschen untereinander aufteilen. Dabei kann das Elterngeld gleichzeitig oder abwechselnd beantragt werden.
Im Jahr 2015 wurden im Zuge einer Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) das Elterngeld Plus und die Partnerschaftsbonusmonate eingeführt. Diese Reform zielte vor allem darauf ab, stärkere Anreize für eine Teilzeiterwerbstätigkeit während des Elterngeldbezugs zu setzen: Elterngeld-Plus-Monate sind halbe Basiselterngeldmonate, die aber doppelt so lange bezogen werden können, wenn sie mit einer Teilzeiterwerbstätigkeit kombiniert werden. Die mögliche Bezugsdauer wurde damit von vorher zwölf (14) auf 24 (28) Monate erhöht und der „doppelte Anspruchsverbrauch“ von Elterngeld bei einer Teilzeitbeschäftigung wurde somit korrigiert. Die Bezugsdauer kann noch verlängert werden, wenn zusätzlich zum Elterngeld Plus auch der Partnerschaftsbonus in Anspruch genommen wird.
Als Partnerschaftsbonus können beide Elternteile jeweils vier zusätzliche Monate mit Elterngeld Plus bekommen. Dies ist nur in vier aufeinanderfolgenden Lebensmonaten möglich. Voraussetzung ist, dass beide Elternteile in dieser Zeit in Teilzeit arbeiten, und zwar mindestens 25 und höchstens 30 Stunden pro Woche. Für Alleinerziehende genügt es, wenn nur die alleinerziehende Person in vier aufeinanderfolgenden Lebensmonaten 25 bis 30 Stunden pro Woche arbeitet.
Eine stärkere Beteiligung der Väter an der Betreuung und Erziehung der Kinder in den ersten Lebensjahren ist sowohl aus gleichstellungs- als auch aus familienpolitischer Sicht zielführend. So können die Mütter Familie und Beruf leichter vereinbaren, wenn sich die Väter stärker an der Sorgearbeit beteiligen.Vgl. dazu Allison Dunatchik und Berkay Özcan (2019): Reducing Mommy Penalties with Daddy Quotas. Social Policy Working Paper 07–19, LSE Department of Social Policy; Ankita Patnaik (im Erscheinen): Reserving time for daddy: The consequences of fathers' quotas. Journal of Labor Economics; Signe Hald Andersen (2018): Parental Leave and the Motherhood Penalty: New Causal Evidence. Journal of Marriage and Family 80(5), 1125–1143; Jeppe Druedahl, Mette Ernjaes und Thomas H. Jorgensen (2019): Earmarked paternity leave and the relative income within couples. Economics Letters 180, 85–88; Marcus Tamm (2019): Fathers’ parental leave-taking, childcare involvement and labor market participation. Labour Economics 59, 184–197. Darüber hinaus gibt es wissenschaftliche Evidenz dafür, dass sich dies auch auf das gesundheitliche und psychische Wohlbefinden von Müttern positiv auswirkt.Vgl. dazu beispielsweise Maya Rossin-Slater (2019): When Dad Can Stay Home: Fathers’ Workplace Flexibility and Maternal Health. IZA Discussion Paper Nr. 12386. Auch die Kinder profitieren von der Elternzeitnahme ihrer Väter und einem erhöhten Engagement im Haushalt. Kinder, deren Väter in großem Umfang an Haus- und Sorgearbeit beteiligt sind, erzielen bessere Ergebnisse in Tests kognitiver Fähigkeiten.Vgl. dazu Maria del Carmen Huerta (2013): Fathers' Leave, Fathers' Involvement and Child Development: Are They Related? Evidence from Four OECD Countries. OECD Social, Employment and Migration Working Papers 140; Sara Cools, Jon H. Fiva und Lars J. Kirkeboen (2015): Causal Effects of Paternity Leave on Children and Parents. Scandinavian Journal of Economics 117(3), 801–828. Schließlich befördert eine höhere Beteiligung von Vätern an diesen Aufgaben den Abbau von Geschlechterstereotypen, die in vielfacher Weise die Chancengleichheit von Frauen und Männern behindern.Vgl. dazu beispielsweise Ulrike Unterhofer, Clara Welteke und Katharina Wrohlich (2017): Elterngeld hat soziale Normen verändert. DIW Wochenbericht Nr. 34, 659–667 (online verfügbar; abgerufen am 20. August 2019. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt); Gordon B. Dahl, Katrine V. Loken und Magne Mogstad (2014): Peer Effects in Program Participation. American Economic Review 104(7), 2049–2074.
Um aus all diesen Gründen die Beteiligung von Vätern an der Sorgearbeit zu befördern, wurden beim Elterngeld 2007 die sogenannten Partnermonate eingeführt. Sie sollen finanzielle Anreize setzen, dass Eltern den gemeinsamen Elterngeldanspruch partnerschaftlich nutzen. Die maximale Nutzungsdauer des Basiselterngeldes von 14 Monaten kann deshalb nur dann vollständig ausgeschöpft werden, wenn beide Partner mindestens zwei Monate in Elternzeit gehen, ansonsten reduziert sich der Anspruch auf zwölf Monate.
Obwohl der Gesetzestext geschlechtsneutral formuliert wurde und dieser auch offen lässt, wie der Gesamtanspruch zwischen den Eltern aufgeteilt wird,Allerdings wurde die Aufteilung der Elternzeit eher als Modell „12+2“, also zwölf Monate Elterngeldbezug der Mutter und zwei Monate des Vaters, beworben, vgl. dazu Unterhofer, Welteke und Wrohlich (2017), a.a.O.; sowie Patrick Ehnis und Sabine Beckman (2019): „Krabbeln lerne ich bei Mama, laufen dann bei Papa“ – Zur Einbeziehung von Vätern bei Elterngeld und Elternzeit – eine kritische Betrachtung. Feministische Studien 2/10, 313–324. ist die Elternzeitnahme zwischen Vätern und Müttern sehr ungleich verteilt. Zwar ist der Anteil der Väter, die überhaupt Elternzeit nehmen, seit 2007 kontinuierlich gestiegen. Während vor der Einführung des Elterngeldes etwa drei Prozent aller Väter das damalige Erziehungsgeld bezogen, stieg der Anteil der Väter mit ElterngeldbezugIn diesem Bericht wird nur die Nutzung bezahlter Elternzeit untersucht. Die Inanspruchnahme unbezahlter Elternzeit (also Elternzeit nach Ablauf des Anspruchs auf Elterngeld oder Elterngeld Plus) wird hier nicht behandelt. bereits 2007 auf gut 15 Prozent. Bis 2016 nahm er weiter auf knapp 37 Prozent zu (Abbildung 1). Verglichen mit dem Elterngeldbezug von Müttern, der kontinuierlich bei über 90 Prozent liegt, sind Väter in der Inanspruchnahme ihres Rechts auf bezahlte Elternzeit aber nach wie vor deutlich zurückhaltender.
Die Ungleichheit in der Inanspruchnahme des Elterngeldes von Müttern und Vätern setzt sich in der äußerst unterschiedlichen Nutzungsdauer fort (Abbildung 2). Unmittelbar nach Einführung des Elterngeldes etablierte sich eine ungleiche Verteilung der Bezugsdauer. Über drei Viertel der Väter, die Elterngeld in Anspruch nahmen, taten dies nur in Höhe des Minimums von zwei Partnermonaten. Rund 14 Prozent der Väter mit Elterngeldbezug wählten eine Dauer zwischen drei und neun Monaten Elterngeld. Konstant weniger als zehn Prozent der Elterngeldväter nahmen mehr als neun Monate Elterngeld in Anspruch. Kein Wunder also, dass der Begriff der Partnermonate schon bald im alltäglichen Sprachgebrauch in „Vätermonate“ umbenannt wurde. Die Bezugsdauer des Elterngeldes auf Seiten der Mütter verteilte sich spiegelbildlich zu jener der Väter: Über 90 Prozent der Mütter beziehen zehn bis zwölf Monate Elterngeld. Diese Verteilung der Bezugszeiten blieb bis 2015 relativ konstant.
Im Jahr 2015 wurde das Elterngeld reformiert und durch das Elterngeld Plus ergänzt (Kasten 1).Eine detaillierte Beschreibung der Regelungen des Elterngeld Plus findet sich auch in Johannes Geyer und Alexandra Krause (2016): Veränderungen der Erwerbsanreize durch das Elterngeld Plus für Mütter und Väter. DIW Discussion Paper Nr. 1592 (online verfügbar). Seither kann der Elterngeldanspruch verlängert werden, wenn der betreffende Elternteil gleichzeitig in Teilzeit erwerbstätig ist. Diese Veränderung brachte Bewegung in die typischen Nutzungsmuster – zumindest bei den Müttern. Der Anteil der Mütter, die mehr als zwölf Monate Elterngeld beziehungsweise Elterngeld Plus beziehen, stieg noch im Jahr der Einführung des Elterngeld Plus auf 18 Prozent und betrug im Jahr 2018 schon 30 Prozent (Abbildung 2).Bei den Zahlen ab dem Jahr 2016 handelt es sich im Folgenden um die voraussichtlichen Anteile und Bezugsdauern. Das Statistische Bundesamt weist darauf hin, dass sich im Einzelfall verschiedene Angaben noch ändern können, wenn beispielsweise die spätere Aufnahme, Reduzierung oder auch Aufgabe einer Erwerbstätigkeit während des Elterngeldbezugs zum Berichtszeitpunkt noch nicht absehbar war. Dies zeigt, dass ein erheblicher Anteil der Mütter von der Möglichkeit, Elterngeld und Teilzeiterwerbstätigkeit zu kombinieren, Gebrauch macht.
Auch bei den Vätern steigt seit 2015 der Anteil derer, die länger als zwei Monate Elterngeld beziehen. Lag der Anteil der Väter mit Elterngeldbezug, die bis zu zwei Monate Elternzeit nahmen, damals noch bei etwa 77 Prozent, hat er sich zugunsten des Anteils mit längerer Elternzeit bis 2018 auf rund 72 Prozent verringert (Abbildung 2). Im Jahr 2018 nahmen rund drei Prozent der Väter, die Elterngeld bezogen, mehr als zwölf Monate in Anspruch. Der Anteil der Väter mit Elterngeldbezug, die vom Elterngeld Plus Gebrauch machen, stieg von sechs Prozent im Jahr der Einführung auf zwölf Prozent im Jahr 2018 (Abbildung 3).Väter nehmen zwar im Durchschnitt seit Einführung des Elterngeld Plus mehr Monate Elterngeld (Plus), jedoch kombinieren sie dies dann häufiger mit einer Teilzeiterwerbstätigkeit.
Eine Komponente des Elterngeld Plus sind die Partnerschaftsbonusmonate: Sind beide Elternteile gleichzeitig in Teilzeit erwerbstätig, und zwar mit 25 bis 30 Stunden pro Woche, können beide in dieser Zeit Elterngeld Plus beziehen und ihr gesamter Anspruch auf Elterngeld Plus verlängert sich um bis zu vier Monate. Von dieser Möglichkeit machen bisher allerdings offenbar nur wenige Paare Gebrauch: Nur ein Prozent aller Familien, in denen die Mutter Elterngeld bezog, wählten 2018 diese Möglichkeit.
Des Weiteren ist festzustellen, dass zumindest kurzfristig die Einführung des Elterngeld Plus nicht dazu geführt hat, dass anteilig mehr Väter überhaupt in Elternzeit gehen. Im Jahr 2016, also ein Jahr nach Einführung des Elterngeld Plus, war deren Anteil noch nicht nennenswert gestiegen (Abbildung 1). Ob sich das in den folgenden Jahren ändert, bleibt abzuwarten, bis die Daten der Elterngeldstatistik entsprechend verfügbar sind.
Warum nehmen nach wie vor weniger als die Hälfte aller Väter überhaupt Elternzeit, und warum unterscheidet sich die Dauer der Elternzeit zwischen Müttern und Vätern nach wie vor so stark? Eine Auswertung des pairfam-Datensatzes (Kasten 2) für die Jahre 2014 bis 2017 zeigt, dass die Mehrheit der Väter finanzielle Gründe als wichtigstes Motiv angibt, nicht oder nicht länger als zwei Monate Elternzeit genommen zu haben (Abbildung 4). In Ostdeutschland ist das unter den Vätern, die nur zwei Monate Elternzeit genommen haben, sogar bei zwei Dritteln der Fall – deutlich mehr als in Westdeutschland mit 49 Prozent (Abbildung 4, rechter Teil). Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass nicht so sehr die ungleiche Aufteilung der Erwerbseinkommen zwischen Müttern und Vätern vor der Geburt eines Kindes (die im Westen stärker ausgeprägt ist als im Osten) eine Rolle spielt, als vielmehr die absolute Höhe des Haushaltseinkommens (das im Osten im Durchschnitt niedriger ist als im Westen).Es gibt auch noch andere mögliche Gründe, warum in Ostdeutschland Väter häufiger finanzielle Sorgen als Gründe gegen eine Elternzeit angeben. Beispielsweise ist denkbar, dass die höhere Verfügbarkeit mit Kindertagesbetreuungsplätzen in Ostdeutschland dazu führt, dass mehr Kinder ab dem 13. Lebensmonat eine Kindertagesstätte besuchen und daher Väter ihre Elternzeit nicht auf diesen Zeitraum ausdehnen wollen, weil damit finanzielle Einbußen verbunden wären. Letztendlich kann über die unterschiedlichen Antworten von Vätern in Ost- und Westdeutschland an dieser Stelle nur spekuliert werden. Offensichtlich sehen viele Familien in Ostdeutschland keinen Spielraum, zwei Monate oder länger auf bis zu 35 Prozent des Einkommens des Vaters zu verzichten. Des Weiteren führen Väter häufig als Grund für keine oder nur eine kurze Elternzeit an, dass ihre Partnerin zwölf Monate beim Kind bleiben und in dieser Zeit Elterngeld beziehen wollte. Da nicht die Mütter, sondern nur die Väter nach ihren Gründen gegen eine Elternzeit gefragt wurden, lässt sich nicht klar sagen, ob die ungleiche Aufteilung tatsächlich von der Mutter bestimmt oder gemeinschaftlich beschlossen wurde. Ebenso kann die häufige Zustimmung zu dieser Aussage als Indiz für eine zunehmende Etablierung und eine breite Akzeptanz der „12+2“-Aufteilung des Elterngeldanspruchs sowohl durch Väter als auch durch Mütter gedeutet werden.
Die Analyse der Motive von Vätern, nicht oder nicht länger Elterngeld zu beanspruchen, beruht auf Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam.Vgl. dazu Johannes Huinink et al. (2011): Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics (pairfam): Conceptual framework and design. Zeitschrift für Familienforschung, Vol. 23/1; 77–100. Dabei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt der Universität Bremen, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Universität zu Köln und der Ludwig-Maximilians-Universität München, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Seit 2008 werden in diesem Längsschnittdatensatz jährlich über 12000 bundesweit zufällig ausgewählte Personen dreier Geburtskohorten (1971 bis 1973, 1981 bis 1983 und 1991 bis 1993) und deren Familienangehörige befragt.
Für die vorliegende Untersuchung werden insbesondere die Befragungswellen aus den Jahren 2014/2015 und 2016/2017 herangezogen. Beide Erhebungswellen enthalten einen spezifischen Fragenkatalog zum Bezug von Elterngeld. Die befragten Väter und Mütter machen retrospektiv Angaben zu der Nutzung des Elterngeldes durch sie selbst und ihre Partnerin beziehungsweise ihren Partner für jedes bis dato geborene Kind. Insgesamt beinhaltet die untersuchte Stichprobe Beobachtungen von 568 Vätern. Die Frage nach den Gründen für eine kurze (nicht mehr als zwei Monate) oder keine Elterngeldnutzung wird dabei nur den Vätern gestellt, deren Bezugsdauer diesen beiden Kriterien entspricht. Von den insgesamt 568 befragten Vätern haben demnach 469 Väter Angaben gemacht.
Den Befragten wurden verschiedene Gründe vorgelegt, zu denen sie jeweils mit „trifft zu“ oder „trifft nicht zu“ angeben sollten, ob dieser Grund bei ihrer Entscheidung, Elterngeld in Anspruch genommen zu haben, eine Rolle gespielt hat. Die ausformulierten Gründe lauteten:
Von den 469 Befragten haben 319 Väter kein Elterngeld beansprucht und 150 eine Bezugsdauer unter drei Monaten. 175 Väter haben ihren Wohnsitz in Ostdeutschland, 294 Väter in Westdeutschland.
Als dritthäufigsten Grund für die Nichtinanspruchnahme von Elterngeld nennen Väter die Sorge vor negativen beruflichen Konsequenzen (knapp 20 Prozent). Dies ist ein bemerkenswerter Befund, da die Forschung zu diesem Thema zwar noch nicht sehr umfangreich ist, bisher aber für Deutschland kaum nachweisen konnte, dass Elternzeitväter tatsächlich benachteiligt werden. Quantitative Studien für Deutschland zeigen, dass Väter durch eine Elternzeitnahme weder Einkommenseinbußen noch Nachteile in späteren Bewerbungsverfahren erfahren.Zur möglichen Diskriminierung im Bewerbungsprozess vgl. Lena Hipp (2018): Damned If You Do, Damned If You Don't? Experimental Evidence on Hiring Discrimination Against Parents with Differing Lengths of Family Leave. SocArXiv Papers. Zu möglichen Auswirkungen auf das Einkommen vgl. Mareike Bünning (2016): Die Vereinbarkeitsfrage Für Männer: Welche Auswirkungen haben Elternzeiten und Teilzeitarbeit auf die Stundenlöhne von Vätern?. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 68(4), 597–618. Für Norwegen wurden jedoch bereits Lohneinbußen bei Elternzeit nehmenden Vätern gefunden, vgl. Mari Rege und Ingeborg F. Solli (2013): The impact of paternity leave on fathers‘ future earnings. Demography, 50(6), 2255–2277. Für Deutschland ergibt eine Studie basierend auf einer nicht repräsentativen Stichprobe einerseits geringere Aufstiegschancen von Vätern mit Elternzeit, andererseits jedoch ein gestiegenes Ansehen unter Kollegen, vgl. Svenja Pfahl und Stefan Reuyß (2009): Das neue Elterngeld: Erfahrungen und betriebliche Nutzungsbedingungen von Vätern. Hans-Böckler-Stiftung.
Ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau nehmen seit der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 immer mehr Väter Elternzeit. Deren Anteil und auch die Bezugsdauer des Elterngeldes sind aber noch immer deutlich geringer als bei Müttern – von einer gleichmäßigen Aufteilung kann nach wie vor keine Rede sein. Seit der Einführung des Elterngeld Plus im Jahr 2015 machen Mütter und Väter verstärkt von der verbesserten Möglichkeit Gebrauch, Elternzeit und Teilzeiterwerbstätigkeit zu verbinden. Der absolute Anteil der Väter, die Elternzeit nehmen, hatte sich dadurch zumindest ein Jahr später (neuere Daten liegen bisher nicht vor) noch nicht verändert.
Auf die Frage, warum Väter keine oder nur eine kurze Elternzeit in Anspruch nehmen, nennen diese am häufigsten finanzielle Gründe, insbesondere in Ostdeutschland. Offensichtlich können viele Familien selbst für kurze Zeit nicht auf einen Teil des Einkommens des Vaters verzichten. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Erhöhung der Lohnersatzrate vor allem im unteren Einkommensbereich die Elternzeit für Väter attraktiver machen könnte.Derzeit beträgt die Lohnersatzrate in Deutschland 65 Prozent. Für Nettoerwerbseinkommen unter 1240 Euro pro Monat wird die Ersatzrate schrittweise erhöht. Diese Einkommensgrenze von 1240 Euro entsprach im Jahr 2017 weniger als dem 25. Perzentil der Verteilung der Nettoverdienste aller abhängig Beschäftigten. Das bedeutet, dass nur sehr wenige Familien, in denen ein Elternteil Elternzeit nimmt, das sonst in Vollzeit erwerbstätig ist, in den Genuss einer höheren Ersatzrate als 65 Prozent kommen. Dafür sprechen auch internationale Vergleichsstudien: In Ländern mit hoher Einkommensersatzrate beim Elterngeld ist die Beteiligung von Vätern an der Elternzeit tendenziell höher als in Ländern mit niedriger Einkommensersatzrate.Vgl. dazu World Policy Center (2018): Paid Parental Leave: A Detailed Look at Approaches across OECD Countries. Deutschland liegt mit einer Ersatzrate von 65 Prozent für mittlere Einkommen beispielsweise hinter Österreich, Schweden oder Norwegen. Für Einkommen in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung sollte daher darüber nachgedacht werden, die Ersatzraten zu erhöhen.
Angst vor negativen beruflichen Konsequenzen ist ein weiterer häufig genannter Grund, der aus Sicht der Väter gegen eine Elternzeit spricht. Wissenschaftliche Belege für eine berufliche Benachteiligung von Vätern, die in Elternzeit gehen, gibt es für Deutschland bisher gleichwohl nicht – allerdings ist die Beteiligung von Vätern an Elternzeit eine eher neue Entwicklung und bislang kaum erforscht. Dies muss in Zukunft geändert werden. Erkenntnisse über die beruflichen Auswirkungen von familienbedingten Erwerbsunterbrechungen sollten Müttern und VäternDie Auswirkungen familienbedingter Erwerbsunterbrechungen für Mütter sind bislang gut erforscht. Die Ergebnisse der meisten Studien zeigen, dass sich diese negativ auf die Löhne auswirken, vgl. beispielsweise Henrik Jacobsen Kleven, Camille Landais und Jakob Egholt Sogaard (2018): Children and Gender Inequality. NBER Working Paper 24219. als Entscheidungshilfe für die Inanspruchnahme und partnerschaftliche Aufteilung der Elternzeit zur Verfügung gestellt werden.
Als wirksamstes Mittel, die Beteiligung von Vätern an der Elternzeit zu erhöhen, hat sich – sowohl in Deutschland als auch im internationalen Vergleich – die Einführung der Partnermonate erwiesen.Vgl. beispielsweise World Policy Analysis Center (2018), a.a.O.; Ann-Zofie Duvander und Mats Johansson (2012): What are the Effects of Reforms Promoting Fathers’ Parental Leave Use?. Journal of European Social Policy, 22(3), 319–330; John Ekberg, Rickard Eriksson and Guido Friebel (2013): Parental leave – A policy evaluation of the Swedish "Daddy-Month" reform. Journal of Public Economics, Vol. 97, 131–143; Ann Bartel et al. (2018): Paid family leave, fathers’ leave-taking, and leave-sharing in dual-earner households. Journal of Policy Analysis and Management, 37(1), 10–37. Eine Möglichkeit wäre daher, den derzeitigen Anteil von mindestens zwei Partnermonaten schrittweise zu erhöhen. In Kombination mit höheren Einkommensersatzraten für Bezieherinnen und Bezieher niedriger Erwerbseinkommen könnte dies dafür sorgen, dass sich mehr Väter an der Elternzeit beteiligen und die Anreize zu einer partnerschaftlicheren Aufteilung der Sorgearbeit steigen.
Themen: Gender, Familie, Arbeit und Beschäftigung
JEL-Classification: H31;J16;J22
Keywords: Parental Leave, Labor Supply
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-35-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/203440