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Private langfristige Stromabnahmeverträge (PPAs) für erneuerbare Energien: kein Ersatz für öffentliche Ausschreibungen

DIW aktuell ; 22, 4 S.

Nils May, Karsten Neuhoff

2019

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Der Ausbau von erneuerbaren Energien hat in Deutschland lange nur eine Richtung gekannt: steil nach oben. Jüngst ist er aber ins Stocken geraten, speziell der Windkraftausbau ist längst nicht mehr so dynamisch wie früher und nicht so, wie er sein sollte, damit Deutschland seine Ausbauziele für Erneuerbare und seine Klimaziele erreicht. In diesem Kontext werden Privat-abgesicherte PPAs (Power Purchase Agreements, also Langfristverträge) für Wind- und Solarenergie in der Branche eifrig diskutiert, erste Verträge wurden hierzulande bereits abgeschlossen. Diese Verträge sichern überwiegend für ältere Windkraftanlagen, die nach 20 Jahren nicht mehr im EEG gefördert werden, die Erlöse für zwei bis fünf Jahre ab, damit Reinvestitionen in die Verlängerung der Lebenszeit finanziert werden können. Können PPAs auch öffentliche Vergütungsmechanismen für Neuanlagen ersetzen? Analysen zeigen, dass das keineswegs der Fall ist.

Privat-abgesicherte PPAs für Neuinvestitionen erhöhen Kosten

Langfristige Stromverträge für Neuinvestitionen in erneuerbare Energien haben zwei Nachteile: Erstens erschwert das Ausfallrisiko des Stromabnehmers die günstige Finanzierung der Projekte, so dass die Kapitalkosten steigen, was gerade bei den kapitalintensiven erneuerbaren Energien die Gesamtkosten besonders erhöht.[1] Zweitens erhöhen sich beim Stromabnehmer die Finanzierungskosten, da langfristige Stromverträge von Ratingagenturen als Verbindlichkeiten bewertet werden und damit die Bonität beeinträchtigen.[2]

Stromabnehmer für solche Corporate PPAs sind (1) Energieversorger, die das Strompreisrisiko übernehmen, es aber nicht immer weitergeben können, da Stromverträge mit Haushalten maximal zwei Jahre und mit Industriekunden maximal drei bis fünf Jahre abdecken; (2) energieintensive Industrien (Grundstoffindustrien machen zum Beispiel ca. 2/3 der industriellen Stromnachfrage aus), die im Zuge der Energiewende auf neue, strom- und wasserstoffbasierte Produktionsprozesse umstellen. Langfristige Verträge gehen aber mit großen Strommengen und daher Mehrkosten einher, was daran hindert, diese im großen Maße abzuschließen. Gerade sie benötigen aber langfristig stabile Strompreise, um in klimafreundliche, innovative Prozesstechnologien investieren zu können.

Privat-abgesichert langfristige Stromverträge bedeuten laut Berechnungen am DIW Berlin Mehrkosten von ca. 29 Prozent gegenüber sicheren Vergütungsinstrumenten. Für das Jahr 2030 entspricht das rund drei Milliarden Euro pro Jahr. Andere Studien kommen auf ähnliche Ergebnisse.[3]

Das Potential von PPAs ist zu begrenzt, um Erneuerbaren-Ausbau darauf aufzubauen

Energieintensive Unternehmen und Energieversorger kommen als Abnehmer von PPAs nur begrenzt in Frage.

Für ein großes deutsches Stahlunternehmen sowie für EnBW, RWE, Eon und Uniper würde der Abschluss der nötigen privat-abgesicherten PPAs, um auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzusteigen, ihre Finanzkraft weit übersteigen (Abbildung).

Aurora Energy Research schätzt, dass ein Zubau ausschließlich auf privaten PPAs basierend nicht annähernd ausreicht, um die Ausbauziele für Erneuerbare bis 2030 zu erreichen, sondern nur rund ein Zehntel des Zubaus in den derzeitigen Ausschreibungen vorgesehenen Zubaus ermöglicht.[4]

Staatliche Absicherung kann kostengünstigen Ausbau ermöglichen

Die Unsicherheiten für langfristige Stromverträge werden von regulatorischen Entscheidungen zu (i) CO2Preisen, (ii) Ausbau der erneuerbaren Energien, (iii) Netzausbau und (iv) Strommarktdesign bestimmt. Staatlich abgesicherte Langzeitverträge (symmetrische Marktprämie, Contracts for Difference, Differenzverträge) zwischen Projektentwicklern und der öffentlichen Hand können Investitionen gegen diese regulatorischen Unsicherheiten absichern. Das reduziert Finanzierungkosten für Neuanlagen und Strompreise, was zudem die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen für die Dekarbonisierung industrieller Prozesse ermöglicht.

Staatlich abgesicherte Langzeitverträge sichern auch VerbraucherInnen gegen Strompreisschwankungen ab. Es sollte untersucht werden, ob größere Stromkunden wie Industrieunternehmen auch 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien beziehen können, indem sie ihre Nachfrage bei den Ausschreibungen anmelden.

Die Ausgestaltung solcher Langzeitverträge als Contracts for Difference wurde umfassend analysiert und bereits in Frankreich und im Vereinigten Königreich implementiert. In Deutschland wären sie leicht umsetzbar: Die bestehende Marktprämie kann mit wenigen Änderungen weiterentwickelt werden. Der Vorteil gegenüber dem heutigen System wäre, dass mögliche Mitnahmeeffekte bei sehr günstigen Produktionskosten für erneuerbaren Strom verhindert werden. Die gewünschten Anreize für systemfreundliche Investitionsentscheidungen (Standort, Auslegung) und systemorientierten Betrieb können dabei sichergestellt werden.

© DIW Berlin

Fazit: PPAs sind kein Allheilmittel - Günstige Rahmenbedingungen für langfristige Stromverträge müssen her

Privat-abgesicherte PPAs können eine wichtige Rolle bei der Laufzeitverlängerung von bestehenden erneuerbare Energien-Anlagen spielen. Sie können aber nur zu erheblichen Mehrkosten für Neuinvestitionen in großem Umfang eingesetzt werden. Diese anregen kann ein anderes Instrument, die Umstellung der Ausschreibungen für erneuerbare Energien von der gleitenden Marktprämie auf Differenzverträge (Contracts for Difference, symmetrische Marktprämie). Das ermöglicht günstige Investitionen in erneuerbare Energien, stärkt den Wettbewerb zwischen Projekten, sorgt für stabile Strompreise für StromverbraucherInnen und bietet die Möglichkeit, die Unternehmensnachfrage in den Ausschreibungen zu integrieren und somit aktiven Klimaschutz seitens der Unternehmen zu fördern.[5]

Fußnoten

[1] So ist beispielsweise das kalifornische Energieversorgungsunternehmen PG&E pleite gegangen und mehr als 30 Milliarden US Dollars an privat-abgesicherten PPAs sind nun hinfällig.

[2] Wie beschrieben von der Ratingagentur Standard&Poor’s (online verfügbar) und im Vereinigten Königreich geschehen, siehe Redpoint Energy (2013): Power Purchase Agreements for independent renewable generators – an assessment of existing and future market liquidity. Studie im Auftrag des britischen Department of Energy and Climate Change (online verfügbar).

[3] So belaufen sich die Mehrkosten in jeweiligen Beispielrechnungen laut Aurora Energy auf ca. 28 Prozent, laut Enertrag auf 25 Prozent und laut Energy Brainpool auf ca. 34 Prozent. Siehe Manuel Köhler (2018): Erneuerbaren-Markt ohne Subventionen bringt neue Risiken. Tagesspiegel Background, Standpunkt (online verfügbar); Enertrag (2019): CfD vs. PPA – Die Entwicklerperspektive. Unterlagen zum Strommarkttreffen, 19. Januar 2019 (online verfügbar); Energy Brainpool (2019): PPAS II: Marktanalyse, Bepreisung & Hedgingstrategien. White Paper (online verfügbar).

[4] Aurora Energy Research (2019): Can PPAs take the Energiewende to the next level? Präsentation, 12. Juni 2019 (online verfügbar).

[5] Vgl. dazu ausführlich Nils May, Ingmar Jürgens und Karsten Neuhoff (2017): Erneuerbare Energien: Risikoabsicherung wird zu zentraler Aufgabe der Förderinstrumente. DIW Wochenbericht Nr. 39 (online verfügbar); Nils May, Karsten Neuhoff und Jörn Richstein (2018): Kostengünstige Stromversorgung durch Differenzverträge für erneuerbare Energien. DIW Wochenbericht Nr. 28 (online verfügbar).

Karsten Neuhoff

Abteilungsleiter in der Abteilung Klimapolitik


Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/205155

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