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Eine Ost-Quote für Deutschland? Kommentar

DIW Wochenbericht 41 / 2019, S. 762

Maria Metzing

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„Es wächst zusammen, was zusammen gehört“, kommentierte Willy Brandt 1989 den Mauerfall. Doch trotz vieler positiver Erfolge gilt 30 Jahre nach dem Mauerfall Ostdeutschland weiterhin als strukturschwach, mit niedrigeren Löhnen und geringerer Wirtschaftskraft. Nur wenige Konzernzentralen großer Unternehmen haben sich in Ostdeutschland niedergelassen. Von den im DAX-30 notierten Börsenunternehmen steuert kein einziges seine Geschäfte aus einem ostdeutschen Bundesland. Spitzenpositionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft sind meist mit Westdeutschen besetzt und der Ruf nach einer „Ost-Quote“ oder „Quote für Ostdeutsche“ wird immer lauter. So plant die künftige Regierung Brandenburgs eine Förderung von Ostdeutschen in Führungspositionen.

Doch auf welche Datengrundlage stützen sich die Angaben zum Anteil der Führungskräfte und damit die Analyse der Ursachen und der daraus resultierenden Folgen? Die wenigen Studien sowie Projekte haben meist lediglich den Anteil von Ostdeutschen als Vorstände in DAX-30-Unternehmen oder in Spitzenpositionen einzelner Sektoren ausgewertet. Eine tiefergehende und differenziertere Untersuchung, die die verschiedenen Führungsebenen unter die Lupe nimmt, stand bisher aus.

Eine aktuelle Auswertung von repräsentativen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahr 2017 hat nicht nur die Spitzenpositionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft betrachtet, sondern Führungspersonen im Allgemeinen. Zwar zeigt auch diese Untersuchung, dass Ostdeutsche sowohl in ausgewählten Spitzenpositionen wie DAX-Vorständen, aber auch generell in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Doch eine andere Entwicklung lässt hoffen.

Betrachtet man die Wanderung von Führungskräften zwischen Ost- und Westdeutschland getrennt nach zwei Geburtskohorten (1950–1969 vs. 1970–1989), bestätigt sich für die ältere Geburtskohorte der Befund: Wenn eine Person mit westdeutscher Sozialisation aus dieser Geburtskohorte in Ostdeutschland lebt, dann hat sie wahrscheinlich eine Führungsposition inne. Dasselbe gilt aber nicht für Personen mit ostdeutscher Sozialisation aus dieser Geburtskohorte, egal ob sie in West- oder Ostdeutschland lebt. Interessant wird es allerdings, wenn man sich die jüngere Geburtskohorte anschaut, also die 28- bis 47-Jährigen, die zum Zeitpunkt des Mauerfalls noch nicht erwerbstätig waren. Ob mit west- oder ostdeutscher Sozialisation – bei ihnen sind keine Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit, eine Führungsposition zu besetzen, zu erkennen.

Bei der Betrachtung von TopmanagerInnen zeigt sich ein ähnliches Bild. Zwar sind anteilig mehr Positionen von TopmanagerInnen in Ost- und Westdeutschland mit Westdeutschen besetzt, doch setzt sich dieser Trend nicht in den jüngeren Kohorten fort. Allerdings ist die Aussagekraft über die jüngere Kohorte noch sehr gering, da es in dieser Altersgruppe bislang nur sehr wenige TopmanagerInnen gibt. Der Altersdurchschnitt von Personen, die angeben, eine Position im Topmanagement zu bekleiden, liegt bei rund 49 Jahren, also über dem Alter der betrachteten jüngeren Kohorte. Die jüngere Kohorte sollte in den nächsten Jahren daher wiederholt untersucht werden.

Die derzeit noch zu beobachtende Unterrepräsentierung von Ostdeutschen in Führungspositionen wird voraussichtlich weiter abnehmen, wenn die älteren Kohorten, die ihre Erwerbskarriere sowie Leitungsrolle vielfach bereits vor der Wiedervereinigung gestartet haben, aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Aus diesem Grund ist es dringend erforderlich, die Frage der Ostrepräsentanz von Führungspositionen künftig differenziert nach Geburtskohorten zu untersuchen. Doch lässt sich schon jetzt die vage Hoffnung formulieren, dass die Forderung einer Ost-Quote für Führungspositionen überflüssig werden wird.

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