Direkt zum Inhalt

Sechster Bundesländervergleich erneuerbare Energien: Schleswig-Holstein und Baden- Württemberg an der Spitze

DIW Wochenbericht 48 / 2019, S. 881-894

Wolf-Peter Schill, Jochen Diekmann, Andreas Püttner

get_appDownload (PDF  0.6 MB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  3.63 MB)

  • Sechste Vergleichsstudie zu Anstrengungen und Erfolgen der Bundesländer bei der Nutzung erneuerbarer Energien und beim technologischen und wirtschaftlichen Wandel
  • Nach Analyse auf Basis von 61 Einzelindikatoren führen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg Gesamtwertung an
  • Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Hamburg belegen Spitzenpositionen in einzelnen Indikatorengruppen
  • Nach wie vor große Verbesserungsmöglichkeiten in einzelnen Bereichen in allen Bundesländern
  • Orientierung an Best-Practice-Beispielen ermöglicht positiven Beitrag zur Energiewende

„Unsere Vergleichsstudie zeigt, dass alle Bundesländer im Bereich erneuerbare Energien Stärken und Schwächen aufweisen. Einzelne Länder können sich an erfolgreichen Strategien und Maßnahmen anderer Länder orientieren und somit zum Gelingen der Energiewende beitragen.“ Wolf-Peter Schill

Um seine Klimaziele zu erreichen, muss Deutschland die Energieversorgung zügig auf erneuerbare Energien umstellen. Viele Weichenstellungen hierfür werden auf Ebene der Bundespolitik getroffen. Daneben gibt es auch für die Bundesländer vielfältige Möglichkeiten, sich für den Ausbau erneuerbarer Energien und den entsprechenden Strukturwandel zu engagieren. Im Rahmen einer nun zum sechsten Mal durchgeführten Studie wurden die Anstrengungen und Erfolge der Bundesländer bei der Nutzung erneuerbarer Energien und dem damit verbundenen technologischen und wirtschaftlichen Wandel verglichen. Dazu wurden insgesamt 61 Einzelindikatoren in vier Gruppen herangezogen. In der Gesamtbewertung führen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Schleswig-Holstein schneidet in allen Indikatorengruppen gut ab und zeichnet sich insbesondere durch große Erfolge bei der Nutzung erneuerbarer Energien aus, während Baden-Württemberg in diesem Bereich die höchsten Anstrengungen unternimmt. Der Blick auf einzelne Indikatoren zeigt, dass es in allen Bundesländern noch vielfältige Verbesserungsmöglichkeiten gibt, dass aber auch die meisten Bundesländer in einzelnen Teilbereichen durchaus vorbildliche Ergebnisse erzielen. Die Orientierung an solchen Best-Practice-Beispielen kann anderen Ländern helfen, den weiteren Fortgang der Energiewende positiv zu gestalten.

Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, die Treibhausgas- emissionen bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu verringern. Auf europäischer Ebene setzt sich die Bundesregierung derzeit zudem dafür ein, das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 zu erreichen.infoBundesregierung (2019): Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 (online verfügbar, abgerufen am 5. November 2019. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Eine wesentliche Maßnahme zur Erfüllung dieses Ziels ist die zügige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien. Neben der Verminderung von Treibhausgasemissionen kann dies viele weitere Vorteile mit sich bringen, beispielsweise Verbesserungen beim lokalen Umweltschutz oder der Energieversorgungssicherheit.infoVgl. Kapitel 7.9 im fünften IPCC-Synthesebericht. Thomas Bruckner et al. (2014): Energy Systems. In: Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Hrsg. v. Ottmar Edenhofer et al. Cambridge, New York (online verfügbar). Ebenso birgt der Strukturwandel hin zu erneuerbaren Energien Chancen für neue Wachstumsmärkte und Arbeitsplätze.infoVgl. Jürgen Blazejczak et al. (2014): Economic Effects of Renewable Energy Expansion: A Model-Based Analysis for Germany. Renewable and Sustainable Energy Reviews. 40, 1070–1080.

Den Zielen der Bundesregierung zufolge sollen die Anteile erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 18 Prozent, bis 2030 auf 30 Prozent und bis 2050 auf 60 Prozent steigen.infoBMWi (2019a): Zweiter Fortschrittsbericht "Energie der Zukunft" – Kurzfassung (online verfügbar). Am Bruttostromverbrauch sollen es bis 2030 bereits 65 Prozent sein.infoIm aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetz ist derzeit noch ein Ausbaukorridor verankert, der Anteile von 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025 und 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035 vorsieht. Dagegen findet sich im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung und im neuen Klimaschutzprogramm 2030 ein ambitionierteres Ziel von 65 Prozent im Jahr 2030, vgl. Bundesregierung (2019), a.a.O. Gegenüber den bisher erreichten Anteilen – im Jahr 2018 waren es 16,7 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch und 37,8 Prozent am BruttostromverbrauchinfoBMWi (2019b): Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland unter Verwendung von Daten der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat). Stand: August 2019 (online verfügbar). – muss die Nutzung erneuerbarer Energien also nicht nur im Stromsektor weiterhin erheblich gesteigert werden, sondern auch im Wärme- und Verkehrsbereich (Abbildung 1).

Die Verwirklichung dieser Ausbauziele erfordert die richtigen Weichenstellungen auf allen politischen Ebenen, von der europäischen über die Bundes- und die Landesebene bis hin zur Kommunalpolitik. In Deutschland hat die Bundespolitik erheblichen Einfluss auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) von 2017 haben die Bedeutung der Bundespolitik noch verstärkt, da die Gesamtleistung des Zubaus größerer Windkraft- und Photovoltaikanlagen (und zuletzt auch von Biomasseanlagen) nun im Rahmen bundesweiter Ausschreibungen festgelegt wird.infoRegelmäßige Ausschreibungen für Solar- und Windenergieanlagen gibt es seit 2017. In einer Übergangsphase durften noch zusätzliche Anlagen mit administrativ festgesetzter Einspeisevergütung beziehungsweise Marktprämie zugebaut werden. Die Ergebnisse im hier untersuchten Zeitraum sind noch nicht stark geprägt vom neuen EEG-Ausschreibungsregime. Dennoch können auch die 16 Bundesländer wesentlich zum Gelingen der Energiewende beitragen. Sie spielen nicht nur energie- und umweltpolitisch eine wichtige Rolle, sondern können auch den wirtschafts- und technologiepolitischen Wandel mitgestalten.

Vor diesem Hintergrund haben das DIW Berlin und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) im Auftrag von und in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) zum nunmehr sechsten Mal eine Vergleichsstudie zu Anstrengungen und Erfolgen der Bundesländer im Bereich erneuerbarer Energien durchgeführt.infoJochen Diekmann et al. (2019): Vergleich der Bundesländer: Analyse der Erfolgsfaktoren für den Ausbau Erneuerbarer Energien 2019: Indikatoren und Ranking. Endbericht. Forschungsprojekt des DIW Berlin und des ZSW Stuttgart im Auftrag und in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien e.V. Berlin, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Berlin und Stuttgart, November 2019. Erschienen als DIW Berlin: Politikberatung kompakt 145/2019 (online verfügbar). Dabei werden energie-, technologie- und wirtschaftspolitische Aspekte der Nutzung erneuerbarer Energien analysiert und verglichen. Die Studie stellt eine Aktualisierung der früheren Bundesländervergleiche dar, die vom gleichen Konsortium in den Jahren 2008, 2010, 2012, 2014 und 2017 durchgeführt wurden. Dabei wurde methodisch eine weitgehende Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen der Vorgängerstudien, insbesondere derjenigen des Jahres 2017 angestrebt.infoVgl. Wolf-Peter Schill, Jochen Diekmann und Andreas Püttner (2017): Fünfte Vergleichsstudie zu erneuerbaren Energien: Baden-Württemberg führt erstmals. DIW Wochenbericht Nr. 46, 1029–1041 (online verfügbar); sowie Jochen Diekmann et al. (2017): Vergleich der Bundesländer: Analyse der Erfolgsfaktoren für den Ausbau der Erneuerbaren Energien 2017: Indikatoren und Ranking. Endbericht. Forschungsprojekt des DIW Berlin und des ZSW Stuttgart im Auftrag und in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien e.V. Berlin, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Berlin und Stuttgart, Oktober 2017. Erschienen als DIW Berlin: Politikberatung kompakt 125, 2017 (online verfügbar).

Energie-, wirtschafts- und technologiepolitische Handlungsmöglichkeiten der Bundesländer

Der Ausbau und die Systemintegration erneuerbarer Energien hängen auf Ebene der Bundesländer von natürlichen, siedlungsstrukturellen, ökonomischen und politischen Faktoren ab. Die Landesregierungen haben vielfältige Möglichkeiten, diese Entwicklungen zu unterstützen. Dazu gehören eigene Energieprogramme, in denen Ziele, Szenarien und Handlungsmöglichkeiten beschrieben werden. Die Länder können die Rahmenbedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien direkt beeinflussen. So können bei der Raumplanung und im Baurecht institutionelle Hemmnisse vermieden werden, etwa bei der Ausgestaltung von Abstandsregelungen und Genehmigungsverfahren. Weiterhin können sie die Nutzung und Systemintegration erneuerbarer Energien durch gezielte Förderprogramme, die Wahrnehmung einer Vorbildfunktion und Maßnahmen im Wärme- beziehungsweise Gebäudebereich unterstützen.

Darüber hinaus können die Bundesländer die technologische und wirtschaftliche Transformation vorantreiben, indem sie Forschung und Entwicklung fördern sowie spezifische Bildungsangebote bereitstellen. Außerdem ist es ihnen möglich, sich wirtschafts- und technologiepolitisch für die Branche der erneuerbaren Energien zu engagieren und durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen die Ansiedlung entsprechender Unternehmen und Arbeitsplätze zu unterstützen. Ebenso können sich die Länder dafür einsetzen, dass die Infrastruktur zur Nutzung und Systemintegration erneuerbarer Energien verbessert wird.

Breite Datengrundlage des Bundesländervergleichs

Die Vergleichsstudie stützt sich – wie die Vorgängerstudien – vorrangig auf verschiedene Quellen der amtlichen StatistikinfoDie Energiebilanzen der Länder, die unter anderem den Primär- und Endenergieverbrauch abbilden, liegen nur mit großer Zeitverzögerung vor, für diese Studie größtenteils nur bis zum Jahr 2016. Zum Dateneingangsschluss lagen für das Jahr 2016 noch keine Angaben für Mecklenburg-Vorpommern vor, so dass für dieses Bundesland auf Daten für das Jahr 2014 zurückgegriffen werden musste. Für das Saarland lagen zum Endenergieverbrauch und zur Fernwärme nur Daten des Jahres 2015 vor. und auf Verbandsdaten. Ergänzend werden eigene Erhebungen genutzt:

  • eine schriftliche Befragung der zuständigen Länderministerien zu allen Themen des Bundesländervergleichs,
  • eine schriftliche Befragung von regionalen beziehungsweise bundesweiten Fachverbänden zur Bewertung von länderspezifischen Bedingungen für die Entwicklung erneuerbarer Energien und
  • eine schriftliche Befragung von VertreterInnen der regionalen Industrie- und Handelskammern.

Außerdem stützt sich die Studie auf eigene qualitative Auswertungen und Punktebewertungen, insbesondere von energie- und umweltpolitischen Programmen und Maßnahmen.

Vergleich von 61 Indikatoren in vier Kategorien

Der Ländervergleich umfasst 61 Einzelindikatoren (Tabelle 1), die vier Indikatorengruppen beziehungsweise Kategorien zugeordnet werden (Tabelle 2)infoFür mehr Details vgl. Diekmann et al. (2019), a.a.O.:

Tabelle 1: Einzelindikatoren für den Ländervergleich

Untergruppe Indikator Einheit
Kategorie 1A: Input – Nutzung
Ziele Energiepolitische Programmatik 0–5
Ziele für erneuerbare Energien 0–5
Maßnahmen Landesenergieagenturen 0–5
Energieberichte und -statistiken 0–5
Informationen über Nutzungsmöglichkeiten EE 0–5
Programme zur Förderung EE 0–5
Vorbildfunktion des Landes (u.a. Ökostrom, EE-Anlagen) 0–5
Akzeptanz des Aubaus erneuerbarer Energien 0–5
Anstrengungen zur Systemintegration1 0–5
Spezielle Maßnahmen im Wärmebereich (einschl. Ordnungsrecht) 0–5
Hemmnisvermeidung1 0–5
Bewertung2 Bewertung der Landespolitik zur Nutzung EE 0–5
Bewertung der Landespolitik zur Windenergie 0–5
Bewertung der Landespolitik zur Solarenergie 0–5
Bewertung der Landespolitik zur Bioenergie 0–5
Bewertung der Landespolitik zur Erd- und Umweltwärme 0–5
Kategorie 2A: Output – Nutzung
Allgemein PEV EE 2016 / PEV gesamt 2016 Prozent
Zunahme PEV EE / PEV gesamt 2013–2016 Prozentpunkte
EEV EE 2016 / EEV gesamt ohne Strom und Fernwärme 2016 Prozent
Zunahme EEV EE / EEV gesamt ohne Strom und FW 2013–2016 Prozentpunkte
Stromerzeugung aus EE 2017 / Bruttostromerzeugung 2017 Prozent
Zunahme Stromerzeugung aus EE / Bruttostromerzeugung 2014–2017 Prozentpunkte
Stromerzeugung aus EE 2017 / Bruttostromverbrauch 2017 Prozent
Zunahme Stromerzeugung aus EE / Bruttostromverbrauch 2014–2017 Prozentpunkte
Fernwärmeerzeugung EE 2016 / Fernwärmeerzeugung 2016 Prozent
Zunahme Fernwärme EE / Fernwärmeerzeugung 2013–2016 Prozentpunkte
Windkraft Windkraft Stromerzeugung 2017 / Windkraft Erzeugungspotential Prozent
Zunahme Windkraft Leistung / Windkraft Leistungspotential 2015–2018 Prozentpunkte
Wasserkraft Wasserkraft Stromerzeugung 2017 / Wasserkraft Erzeugungspotential Prozent
Zunahme Wasserkraft Leistung / Wasserkraft Leistungspotential 2015–2018 Prozentpunkte
Photovoltaik Photovoltaik Stromerzeugung 2017 / Photovoltaik Erzeugungspotential Prozent
Zunahme Photovoltaik Leistung / Photovoltaik Leistungspotential 2015–2018 Prozentpunkte
Bio (Strom) Biomasse Stromerzeugung 2017 / Wald- und Landwirtschaftsfläche MWh / km2²
Zunahme Biomassestrom Leistung / Wald- und Landwirtschaftsfläche 2015–2018 kW / km2²
Flexibilitätszahlungen 2017 / Biogas Stromerzeugung 2017 ct / kWh
Bio (Wärme) Pelletsheizungen Wärmeerzeugung 2018 / Wohnfläche kWh / m2²
Zunahme Pelletsheizungen Wärmeleistung / Wohnfläche 2015–2018 kW / 1000 m2²
Zunahme Hackschnitzel- und handbefeuerte Anlagen Wärmeleistung 2015–2018 / Waldfläche kW / km2²
Solarwärme Solarwärme Erzeugung 2018 / Solarthermisches Potential auf Dachflächen Prozent
Zunahme Solar-Kollektorfläche / Dachflächenpotential 2015–2018 Prozentpunkte
Wärmepumpen Zunahme Wärmepumpenanlagen 2017 und 2018 nach Marktanreizprogramm / Wohnfläche 1 / Mio. m2²
CO2 Energiebedingte CO2-Emissionen 2016 / PEV 2016 Tonne / Terajoule
Veränderung der energiebedingten CO2-Emissionen / PEV 2013–2016 Tonne / Terajoule
Kategorie 1B: Input – Wandel
Forschung Ausgaben für F&E EE Mittelwert (2016, 2017) / BIP (2016, 2017) Euro / Mio. Euro
Ausgaben für F&E Systemintegration Mittelwert (2016, 2017) / BIP (2016, 2017) Euro / Mio. Euro
Bildung Studiengänge EE 2019 / Studiengänge gesamt 2019 Prozent
Klimaschutzschulen 2018 / Schulen gesamt Prozent
Industriepolitik Politisches Engagement für EE-Branche3 0–5
Ansiedlungsstrategie für EE-Branche3 0–5
Verkehr Förderung der Elektromobilität1 0–5
Kategorie 2B: Output – Wandel
Unternehmen Unternehmen EE 2019 / Unternehmen gesamt 2019 Prozent
Beschäftigte Beschäftigte EE (direkt und indirekt) 2016 / Beschäftigte gesamt 2016 Prozent
Umsatz Umsatz EE 2017 / BIP 2017 Prozent
Zunahme Umsatz EE / BIP 2014–2017 Prozentpunkte
Infrastruktur Biodiesel Herstellungskapazität 2018 / BIP 2018 Tonne / Mio. Euro
Zunahme Photovoltaik-Speicher / Zunahme Photovoltaik-Kleinanlagen (< 30 kW) 2018 Prozent
Elektro-Pkw 2018 / Pkw 2018 (Batterieelektrische Fahrzeuge und Plug-in Hybride) Prozent
Ladepunkte für Elektrofahrzeuge 2019 / Pkw 2018 1 / Mio. Pkw
Wasserstoff-Tankstellen 2019 / Pkw 2018 1 / Mio. Pkw
Biogas-Tankstellen 2019 / Pkw 2018 1 / Mio. Pkw
Patente Patentanmeldungen EE 2015–2018 / 100000 EinwohnerInnen 2017 1 / 100000 EinwohnerInnen

1 Basierend auf Länder- und Verbändebefragung.

2 Basierend auf Verbändebefragung.

3 Basierend auf Befragungen von Industrie- und Handelskammern, Verbänden und Ländern.

BIP: Bruttoinlandsprodukt; EE: Erneuerbare Energien; EEV: Endenergieverbrauch; F&E: Forschung und Entwicklung; PEV: Primärenergieverbrauch.

Quelle: Diekmann et al. (2019), a.a.O.

Tabelle 2: Indikatorengruppen für den Ländervergleich

Nutzung erneuerbarer Energien (Bereich A) Technologischer und wirtschaftlicher Wandel (Bereich B)
Input-Indikatoren (Bereich 1) Input – Nutzung (1A) Input – Wandel (1B)
Anstrengungen: Ziele und Maßnahmen

Gewichtung 30 Prozent

16 Indikatoren zu Energieprogrammatik, Zielen, Maßnahmen, Hemmnissen, Politikbewertungen

Gewichtung 10 Prozent

7 Indikatoren zu Förderung von Forschung und Entwicklung, Bildung, Ansiedlungsstrategie, Elektromobilität

Output-Indikatoren (Bereich 2) Output – Nutzung (2A) Output – Wandel (2B)
Erfolge: Zustand und Entwicklung

Gewichtung 40 Prozent

27 Indikatoren zu Anteilen erneuerbarer Energien, Nutzung bezogen auf Potentiale, Ausbautempo, CO2-Emissionen

Gewichtung 20 Prozent

11 Indikatoren zu Unternehmen, Beschäftigten, Umsatz, Infrastruktur, Patenten

Quelle: Eigene Darstellung.

Die Input-Indikatoren zur Nutzung erneuerbarer Energien (1A) beziehen sich auf die politischen Anstrengungen der Bundesländer für eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien. Erfasst werden hierbei insbesondere Ziele und Maßnahmen der Bundesländer. Dazu gehören unter anderem Förderprogramme, die Wahrnehmung einer Vorbildfunktion sowie Maßnahmen zur Vermeidung von Hemmnissen. Hinzu kommen Bewertungen der Landespolitik durch Fachverbände.

Die Output-Indikatoren zur Nutzung erneuerbarer Energien (2A) messen die erreichten Erfolge beim Ausbau erneuerbarer Energien. Dabei werden allgemeine und spartenspezifische Indikatoren unterschieden. Die allgemeinen Output-Indikatoren erfassen die zum letzten Datenstand vorliegenden Gesamtanteile erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch, am Endenergieverbrauch (ohne Strom und Fernwärme) sowie an der Strom- und Fernwärmeerzeugung und am Stromverbrauch. Auch die Veränderung dieser Anteile in den vorangegangenen drei Jahren wird erfasst. Die spartenspezifischen Output-Indikatoren messen dagegen die Nutzung von Windkraft, Wasserkraft, Photovoltaik, Solarwärme, BioenergieninfoErstmals werden auch Erfolge bei der Flexibilisierung der Stromerzeugung in Biogasanlagen in den Vergleich einbezogen. sowie Erd- und Umweltwärme in Bezug auf technischeinfoDabei wird nicht berücksichtigt, zu welchen Kosten sich diese technischen Potentiale erschließen lassen. Von Interesse wäre auch ein Vergleich der Ausnutzung wirtschaftlich erschließbarer Potentiale, belastbare Daten liegen hierzu allerdings nicht vor. beziehungsweise Flächenpotentiale. Auch hier wird die Dynamik des Ausbaus erfasst durch zeitliche Veränderungen der jeweiligen Anlagenkapazitäten. Darüber hinaus werden die energiebedingten CO2-Emissionen und deren Entwicklung betrachtet.

Die Input-Indikatoren zum technologischen und wirtschaftlichen Wandel (1B) beziehen sich auf die politischen Anstrengungen der Bundesländer im Bereich der Forschung für erneuerbare Energien und ihre Systemintegration, auf bildungspolitische Aktivitäten sowie auf industriepolitische Maßnahmen für einen entsprechenden wirtschaftlichen Strukturwandel. Außerdem werden in dieser Studie erstmals Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität im Sinne der Systemintegration beziehungsweise Sektoren- kopplung berücksichtigt.

Darüber hinaus umfasst die Gruppe der Output-Indikatoren zum technologischen und wirtschaftlichen Wandel (2B) Indikatoren zu Unternehmen, Beschäftigten, Umsätzen, ausgewählten Infrastrukturen sowie Patentanmeldungen im Bereich erneuerbarer Energien. Daneben werden auch Elektro-PkwinfoElektrofahrzeuge nutzen nicht zwangsläufig erneuerbaren Strom. Der Ausbau der Elektromobilität ist jedoch in Deutschland politisch stark mit der Nutzung erneuerbarer Energien verknüpft. Demnach muss es auch zu einem entsprechenden zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Stromerzeugungsanlagen kommen. Vgl. Wolf-Peter Schill und Clemens Gerbaulet (2015): Power System Impacts of Electric Vehicles in Germany: Charging with Coal or Renewables. Applied Energy 156, 185–196., Ladepunkte für Elektrofahrzeuge sowie – in dieser Studie erstmals – Wasserstofftankstellen einbezogen. Auch an dezentrale Photovoltaikanlagen gekoppelte BatteriespeicherinfoDezentrale Speicher können eine positive Wirkung auf den Ausbau von Photovoltaikanlagen und ihre Systemintegration haben, wobei mögliche Netz- und Systemkostenentlastungen unter anderem von der Betriebsweise der Speicher abhängen. Vgl. Wolf-Peter Schill et al. (2017): Dezentrale Eigenstromversorgung mit Solarenergie und Batteriespeichern: Systemorientierung erforderlich. DIW Wochenbericht Nr. 12, 223–233 (online verfügbar); sowie Wolf-Peter Schill, Alexander Zerrahn und Friedrich Kunz (2017): Prosumage of solar electricity: pros, cons, and the system perspective. Economics of Energy and Environmental Policy 6(1), 7–31. werden berücksichtigt.

Anhand der 61 Einzelindikatoren können die Anstrengungen und Erfolge der Bundesländer in den jeweiligen Bereichen direkt verglichen werden. Darüber hinaus werden die Einzelindikatoren zu vier Gruppenindikatoren sowie zu einem Gesamtranking zusammengefasst. Dazu werden ihre Werte normiert und gewichtet (Kasten). Die Gewichtung der vier Kategorien 1A:2A:1B:2B im Gesamtranking erfolgt wie in den Vorgängerstudien im Verhältnis 30:40:10:20.

Die quantitativen Einzelindikatoren beruhen generell auf relativen Größen (zum Beispiel Patente je 100000 EinwohnerInnen) oder Anteilswerten (in Prozent), so dass die unterschiedliche Größe der Bundesländer keinen Einfluss auf die Vergleiche zwischen Bundesländern hat. Qualitative Indikatoren nutzen in der Regel eine Punktbewertungsskala von null bis fünf.infoEine Übersicht der Indikatoren findet sich in Kapitel 2 der Studie Jochen Diekmann et al. (2019) a.a.O. Eine ausführliche Beschreibung der Einzelindikatoren sowie die verwendeten Datenquellen sind dort in Kapitel 3 aufgeführt.

Für die Zusammenfassung von EinzelindikatoreninfoZu methodischen Fragen und Prinzipien zusammengesetzter Indikatoren vgl. OECD, JRC/EC: Handbook on Constructing Composite Indicators: Methodology and User Guide. OECD 2008. (Y) wird zunächst eine Normierung auf einen Wertebereich zwischen null und eins vorgenommen. Dazu wird vom Indikatorwert eines Bundeslandes jeweils der unter allen Ländern geringste Indikatorwert (Ymin) abgezogen und die Differenz auf den Abstand zwischen dem höchsten („Spitzenreiter“, Ymax) und dem geringsten Wert („Schlusslicht“) bezogen. Das jeweils führende Land erzielt dabei den Wert eins. Der normierte Wert y ermöglicht eine angemessene relative Bewertung der Bundesländer untereinander:

y=Y - YminYmax- Ymin

Auf einer ersten Aggregationsstufe werden die normierten Einzel- indikatorwerte mit Indikatorgewichten multipliziert und in jeder Gruppe addiert. Zur Ableitung der Gewichte werden die einzelnen Indikatoren Untergruppen zugeordnet. Die spartenspezifischen, quantitativen Indikatoren zu Erfolgen bei der Nutzung erneuerbarer Energien (Gruppe 2A) werden anhand ihrer Anteile in ausgewählten Zukunftsszenarien gewichtet.infoClaudia Kunz und Sven Kirrmann (2015): Die neue Stromwelt. Szenario eines 100% Erneuerbaren Stromversorgungssystems. Studie der Agentur für Erneuerbare Energien erstellt im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (online verfügbar); sowie Claudia Kunz und Sven Kirrmann (2016): Die neue Wärmewelt. Szenario für eine 100% Erneuerbare Wärmeversorgung in Deutschland. Studie der Agentur für Erneuerbare Energien erstellt im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (online verfügbar). Statische und dynamische Indikatoren werden dabei jeweils gleich gewichtet. Somit werden subjektive Einflüsse auf die Gesamtergebnisse weitgehend vermieden. Die resultierenden Gruppenindikatoren liegen wiederum im Wertebereich zwischen null und eins.

Auf einer zweiten Aggregationsstufe werden die Gruppenindikatoren mit Gruppengewichten multipliziert und zu einem Gesamtindikator aufaddiert, der ebenfalls zwischen null und eins liegt. Für die vier Indikatorengruppen wurde wie schon in den Vorgängerstudien eine Gewichtung 1A:2A:1B:2B im Verhältnis 30:40:10:20 festgelegt. Es wurde keine Gleichgewichtung der Gruppen vorgenommen, weil die Outputindikatoren jeweils härtere, quantitative Fakten widerspiegeln als die eher qualitativen Inputindikatoren und weil die Verfügbarkeit belastbarer Daten zum Bereich Nutzung erneuerbarer Energien (A) nach wie vor deutlich besser ist als zum Bereich technologischer und wirtschaftlicher Wandel (B).

Je nach Kategorie führen andere Bundesländer

Die Ergebnisse der Bundesländer unterscheiden sich zwischen den vier Indikatorengruppen teilweise stark. Es belegen jeweils unterschiedliche Länder die Spitzenpositionen, und auch die Schlusslichter sind unterschiedlich (Abbildung 2).

Größte Anstrengungen zur Nutzung erneuerbarer Energien in Baden-Württemberg

Bei den Anstrengungen zur Nutzung erneuerbarer Energien (1A) führt Baden-Württemberg deutlich. Im Vergleich zu den Vorgängerstudien konnte das Land die Führung in diesem Bereich noch weiter ausbauen. Baden-Württemberg zeichnet sich insbesondere durch seine energiepolitische Programmatik, klare und ambitionierte Ziele sowie umfassende Förderprogramme für alle Sparten der erneuerbaren Energien aus. Darüber hinaus hat das Land umfangreiche Maßnahmen im Wärmebereich ergriffen, unter anderem durch einen Pflichtanteil für erneuerbaren Energien in bestehenden Wohn- und Nichtwohngebäuden. Auch bei weiteren Indikatoren dieser Gruppe liegt Baden-Württemberg vorn.

Auf den Plätzen zwei bis vier liegen in engem Abstand Rheinland-Pfalz, Thüringen und Schleswig-Holstein. Rheinland-Pfalz ist beispielsweise besonders engagiert bei der Vermeidung von Hemmnissen für die Nutzung erneuerbarer Energien. Thüringen erreicht eine hohe Bewertung bei der Vorbildfunktion, unter anderem dadurch, dass es landeseigene Gebäude mit Solaranlagen ausstattet und bei der Wärmeversorgung dieser Gebäude auf hohe Anteile erneuerbarer Energien setzt. Schleswig-Holstein ist – gemeinsam mit Baden-Württemberg – bei der energiepolitischen Programmatik und bei den Zielen für erneuerbare Energien führend.

Größte Erfolge bei der Nutzung erneuerbarer Energien nach wie vor in Bayern

Die Erfolge bei der Nutzung erneuerbarer Energien (2A) sind insgesamt betrachtet, wie schon in den Vorgängerstudien, in Bayern am größten. Bayern führt nach wie vor mit deutlichem Abstand bei der Ausnutzung seines Photovoltaik-Potentials und ist auch bei Bio- und Solarwärme am erfolgreichsten.infoUnter dem Begriff „Bio-Wärme“ wird hier die Wärmeerzeugung mit Holzpellets, Holzhackschnitzeln und handbefeuerten Biomasseanlagen zusammengefasst. Bei der Windenergie schneidet das Land hingegen ausgesprochen schwach ab, unter anderem aufgrund restriktiver Abstandsregeln für Windräder.infoVgl. hierzu auch einen aktuellen DIW Wochenbericht mit einer empirischen Analyse zum Effekt der 10-H-Regelung auf die Genehmigung von Windenergieanlagen in Bayern im gleichen Heft. Jan Stede und Nils May (2019): Strikte Mindestabstände bremsen den Ausbau der Windenergie. DIW Wochenbericht Nr. 48, 895–903 (online verfügbar).

Die nachfolgenden Bundesländer Schleswig-Holstein und Thüringen konnten ihren Abstand zu Bayern im Vergleich zur Vorgängerstudie verringern. Schleswig-Holstein weist einen sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien an der Strom erzeugung auf. Thüringen hat den höchsten Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch.infoIn der Studie wird der Endenergieverbrauch ohne Strom und Fernwärme zugrunde gelegt, da Strom und Fernwärme separat betrachtet werden.

Größte Anstrengungen zum technologischen und wirtschaftlichen Wandel in Niedersachsen

Niedersachsen leistet derzeit die größten Anstrengungen für den technologischen und wirtschaftlichen Wandel (1B). Das Land hat bezogen auf sein Bruttoinlandsprodukt die höchsten Forschungs- und Entwicklungsausgaben für erneuerbare Energien. Es schneidet auch bei der Bewertung des politischen Engagements für die Branche der erneuerbaren Energien sehr gut ab und bietet vergleichsweise viele relevante Studiengänge an.

Mit geringem Abstand folgen Thüringen und Bremen. Thüringen ist bei den Studiengängen im Bereich erneuerbarer Energien führend und schneidet bei der Förderung der Elektromobilität gut ab. Bremen kann wiederum bei den Forschungs- und Entwicklungsausgaben für erneuerbare Energien punkten, wo das Land nur knapp hinter dem Spitzenreiter Niedersachsen liegt.

Größte Erfolge beim technologischen und wirtschaftlichen Wandel in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern

Wie bereits in der Vorgängerstudie verbuchen die Länder Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern die größten technologischen und wirtschaftlichen Erfolge (2B). Hamburg erreicht unter anderem Spitzenwerte bei der Zulassung von Elektrofahrzeugen, beim Aufbau entsprechender Ladeinfrastruktur sowie bei Patentanmeldungen. Dagegen schneidet Mecklenburg-Vorpommern vor allem bei der Zahl der Unternehmen der Erneuerbaren-Energien-Branche, beim Umsatz dieser Branche und bei den direkt und indirekt Beschäftigten besonders gut ab.

In der Gesamtbewertung führen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg

Insgesamt erzielen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg die höchsten Gesamtpunktzahlen, gefolgt von Bayern und Thüringen (Abbildung 3). Im oberen Mittelfeld folgen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sowie Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Mit unterdurchschnittlichen Bewertungen folgen die Stadtstaaten Hamburg und Bremen vor den Flächenländern Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Die niedrigsten Gesamtpunktzahlen erreichen wie in der Vorgängerstudie Berlin und das Saarland.

Ostdeutsche Bundesländer weiterhin überdurchschnittlich

Die Ergebnisse lassen sich nach west- und ostdeutschen Flächenländern sowie Stadtstaaten differenzieren. Dabei zeigt sich, dass die ostdeutschen Bundesländer im Durchschnitt eine etwas höhere Punktzahl als die westdeutschen Bundesländer aufweisen (Abbildung 4).infoIn der Vorgängerstudie wurde nach alten (einschließlich Berlin) und neuen Bundesländern unterschieden. Wendet man die aktuelle Kategorisierung auf den Bundesländervergleich 2017 an, zeigt sich, dass sich die Gesamtpunkte der westdeutschen Flächenländer im Durchschnitt gegenüber 2017 kaum verändert haben; die der ostdeutschen Flächenländer haben sich dagegen etwas vermindert und die Stadtstaaten haben deutlich zugelegt (angepasst mit dem Verhältnis der Mittelwerte der Jahre 2017 und 2019). Die ostdeutschen Länder können vor allem bei der Nutzung erneuerbarer Energien und beim wirtschaftlichen und technologischen Wandel größere Erfolge aufweisen; dagegen unternehmen die westdeutschen Länder im Durchschnitt größere Anstrengungen für die Nutzung erneuerbarer Energien.

Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg schneiden im Durchschnitt schlechter ab, was vor allem an deutlich geringeren Erfolgen bei der Nutzung erneuerbarer Energien liegt. In dieser Kategorie sind die Stadtstaaten aufgrund ihrer Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur im Bundesländervergleich zum Teil benachteiligt. Dies betrifft insbesondere die allgemeinen Output-Indikatoren zur Nutzung erneuerbarer Energien (Anteile am Primärenergieverbrauch, am Endenergieverbrauch, an der Stromerzeugung und am Stromverbrauch). Bei solchen Indikatoren wird – anders als bei den spartenspezifischen Output-Indikatoren – nicht berücksichtigt, dass die technischen Nutzungspotentiale in den Stadtstaaten eher gering sind. Diese Potentiale können zudem teilweise nur zu höheren Kosten erschlossen werden als in Flächenländern, auch da institutionelle Hemmnisse bestehen können (zum Beispiel Mieter-Vermieter-Problematik). So werden beispielsweise Investitionen in Solaranlagen und Wärmepumpen in den Stadtstaaten durch relativ hohe Anteile von Mietwohnungen beziehungsweise Mehrfamilienhäusern erschwert.infoBei den meisten Indikatoren sind die Stadtstaaten im Ländervergleich hingegen nicht von vornherein benachteiligt, so dass ihr relativ schlechtes Abschneiden im Gesamtranking nicht allein mit strukturellen Nachteilen erklärt werden kann. Bei manchen Indikatoren sind Stadtstaaten sogar eher bevorteilt, zum Beispiel bei der Stromerzeugung aus Biomasse bezogen auf die Wald- und Landwirtschaftsfläche.

Veränderungen der Gesamtbewertung gegenüber 2017

Gegenüber dem Bundesländervergleich 2017 ergeben sich im Gesamtranking einige Änderungen der erreichten PunktzahleninfoAngepasst um das Verhältnis der Mittelwerte der Jahre 2017 und 2019. Für beide Jahre ergibt sich somit eine durchschnittliche Gesamtpunktzahl von 0,425. und der Rangfolge (Abbildung 5).

Rangfolge: starker Aufstieg Schleswig-Holsteins

In der Führungsgruppe hat Schleswig-Holstein den größten Sprung gemacht und sich um vier Plätze verbessert. Dies liegt unter anderem an größeren Erfolgen bei der Nutzung erneuerbarer Energien (2A) und Anstrengungen zum technologischen und wirtschaftlichen Wandel (1B). Der Vorjahressieger Baden-Württemberg hat leicht nachgelassen und liegt nun sehr knapp hinter Schleswig-Holstein. Auch andere Länder der vormaligen Spitzengruppe haben Punkte und Platzierungen eingebüßt. Dies gilt insbesondere für Mecklenburg-Vorpommern, das in fast allen Indikatorengruppen schwächer abschneidet als 2017, insbesondere bei den Anstrengungen zum technologischen und wirtschaftlichen Wandel. Daher ist Mecklenburg-Vorpommern vom zweiten auf den fünften Rang zurückgefallen. Im Mittelfeld kam es meist nur zu leichten Änderungen der Rangfolge. Bremen und Hessen konnten um je zwei Plätze aufsteigen. Dagegen haben sich Nordrhein-Westfalen und Sachsen um jeweils drei Plätze verschlechtert. Schlusslichter bleiben Berlin und das Saarland.

Gesamtpunktzahl: Hessen gewinnt die meisten Punkte hinzu, Mecklenburg-Vorpommern verliert am meisten

Mit Blick auf die Veränderung der Gesamtpunktzahl hat sich Hessen im Vergleich zu 2017 am stärksten verbessert (Abbildung 6). Auch die drei Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen haben deutlich hinzugewonnen. Mecklenburg-Vorpommern hat die meisten Punkte eingebüßt; daneben haben auch Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Bayern deutlich weniger Punkte erreicht als 2017.

Gesamtbewertung im langjährigen Vergleich

Im Lauf der Erstellung der sechs Studien von 2008 bis 2019 kam es zu methodischen Weiterentwicklungen und regelmäßigen Anpassungen des Indikatorensystems. Letztere waren auch Änderungen der Datenverfügbarkeit geschuldet. Da die grundlegende Systematik und die Gruppengewichte sich nicht verändert haben, lassen sich die Ergebnisse der Studien dennoch miteinander vergleichen (Abbildung 7).infoDazu sind die Punktzahlen jedes Bundeslandes für frühere Jahre an den Mittelwert von 2019 angepasst worden.

Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gehörten von Beginn an zur Spitzengruppe. Die Punktzahl Schleswig-Holsteins hat sich nach einem Tiefpunkt im Jahr 2014 wieder deutlich gesteigert und erreicht 2019 den höchsten Wert aller Länder. Baden-Württemberg konnte die hohe Punktzahl des Vorjahres nicht ganz halten. Auch Bayern und Thüringen waren in den letzten vier Studien immer in der Spitzengruppe, haben aber zuletzt ebenfalls leicht Punkte eingebüßt. Mecklenburg-Vorpommern hat sich, nach einer von 2008 bis 2017 kontinuierlichen Erhöhung der Punktzahl, nun wieder deutlich verschlechtert. Brandenburg und Sachsen-Anhalt verzeichnen einen bereits länger währenden Abwärtstrend.

Berlin hat von 2010 bis 2014 von allen Bundesländern die geringste Punktzahl erreicht, sich aber 2017 erheblich verbessert. Dieser Aufwärtstrend hat sich in der aktuellen Studie fortgesetzt. Trotzdem liegt Berlin weiter auf dem vorletzten Platz. Die Gesamtbewertung des Saarlands hat sich seit 2008 auf niedrigem Niveau wechselhaft entwickelt, und das Land bleibt wie bereits 2017 das Schlusslicht des Ländervergleichs.

Schlaglichter einzelner Bundesländer

Schleswig-Holstein: Beachtliche Anstrengungen und Erfolge in allen untersuchten Bereichen

Zwar ist Schleswig-Holstein in keiner der vier Indikatorengruppen auf der Spitzenposition, erreicht jedoch in allen Gruppen eine vordere Platzierung, insbesondere im stark gewichteten Bereich der Nutzung erneuerbarer Energien. Dazu tragen bei den Input-Indikatoren insbesondere eine klare energiepolitische Programmatik und ambitionierte Ziele für erneuerbare Energien bei. Zu nennen ist vor allem das Energiewende- und Klimaschutzgesetz vom Juli 2017, das unter anderem Ziele für erneuerbare Energien im Strom- und Wärmebereich vorgibt. Dem aktuellen Energiewende- und Klimaschutzbericht der Landesregierung zufolge soll im Jahr 2025 Strom aus erneuerbaren Energien in Höhe von 230 bis 250 Prozent des Bruttostromverbrauchs des Landes erzeugt werden.infoSchleswig-Holsteinischer Landtag (2019): Energiewende und Klimaschutz in Schleswig-Holstein – Ziele, Maßnahmen und Monitoring 2019. Bericht der Landesregierung. Drucksache 19/1512 (online verfügbar). Bis 2025 sollen zudem 22 Prozent des Endenergieverbrauchs für Wärme durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Bei den Output-Indikatoren zur Nutzung erneuerbarer Energien glänzt Schleswig-Holstein unter anderem mit hohen und zuletzt noch stark gestiegenen Anteilen erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung und am Stromverbrauch, mit einer hohen Ausnutzung des Potentials der Windkraft und mit geringen energiebedingten CO2-Emissionen. Darüber hinaus ist auch der Anteil von Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien in Schleswig-Holstein besonders groß.

Es bieten sich aber auch noch diverse Verbesserungsmöglichkeiten. Die Anstrengungen für die Nutzung erneuerbarer Energien könnten beispielsweise im Wärmebereich weiter erhöht werden. Daneben gibt es noch deutliche Steigerungspotentiale bei der Nutzung von Solarenergie und Bio-Wärme. Im Bereich des technologischen und wirtschaftlichen Wandels, in dem Schleswig-Holstein insgesamt den vierten Rang belegt, könnten die Förderung von Forschung und Entwicklung verstärkt und Bildungsangebote ausgeweitet werden. Auch bei der Förderung der Elektromobilität könnte das Bundesland noch aktiver werden.

Baden-Württemberg: vorbildliche politische Rahmenbedingungen

Die sehr gute Gesamtbewertung Baden-Württembergs ergibt sich vor allem aufgrund der großen Anstrengungen für die Nutzung erneuerbarer Energien. Das Land zeichnet sich durch eine ambitionierte energiepolitische Programmatik und Ziele aus. Zentraler Handlungsrahmen ist ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept.infoMinisterium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (2014): Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept Baden-Württemberg (IEKK). Stuttgart, Juli 2014 (online verfügbar). Derzeit wird das IEKK überarbeitet. Demnach soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung bis 2020 auf 38 Prozent und bis 2050 auf 86 Prozent steigen, der Anteil an der Wärmebereitstellung bis 2020 auf 21 Prozent und bis 2050 auf 88 Prozent. Darüber hinaus ist das Land führend bei der Bereitstellung von Energieberichten, Förderprogrammen und Informationen über Nutzungsmöglichkeiten erneuerbarer Energien. Bei der Vorbildfunktion erreicht das Land die höchstmögliche Bewertung. Darüber hinaus hat Baden-Württemberg vorbildliche Maßnahmen im Wärmebereich ergriffen, insbesondere die Forderung eines Pflichtanteils von inzwischen 15 Prozent erneuerbarer Wärme in Gebäuden im Rahmen des bereits 2008 in Kraft getretenen und 2015 novellierten Erneuerbare-Wärme-Gesetzes. Im Hinblick auf die Output-Indikatoren zur Nutzung erneuerbarer Energien kann das Land zwar keinen Spitzenplatz, aber insgesamt gute Erfolge vorweisen. Besonders hervorzuheben sind dabei Erfolge bei der Solar- energie und der Bio-Wärme.

Verbesserungsmöglichkeiten bestehen auch in Baden-Württemberg noch viele, zum Beispiel eine deutlich stärkere Ausnutzung des Windkraftpotentials. Auch im Bereich des wirtschaftlichen und technologischen Wandels, in dem Baden-Württemberg insgesamt nur noch den zehnten Rang belegt, gibt es Luft nach oben. Bei Unternehmen, Beschäftigten und Umsatz in den Branchen der erneuerbaren Energien liegt das Land jeweils nur in der zweiten Hälfte des Rankings. Der wirtschaftliche Strukturwandel hin zu erneuerbaren Energien ist in Baden-Württemberg noch relativ wenig ausgeprägt. Auch die entsprechenden Bildungsangebote könnten noch stärker ausgeweitet werden.

Berlin: Verbesserungen in einzelnen Bereichen, aber noch großes Aufholpotential

Die Punktzahl Berlins hat sich seit dem Ländervergleich des Jahres 2014 stark erhöht. Trotzdem belegt das Land immer noch nur den zweitletzten Platz im Gesamtranking. Dass Berlin – genauso wie die anderen Stadtstaaten – gegenüber den Flächenländern zum Teil benachteiligt ist, erklärt das schwache Ergebnis der Hauptstadt nur zu einem Teil. Dies zeigt sich auch daran, dass die beiden anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen insgesamt nach wie vor besser abschneiden.

Berlin kann in vielen Bereichen mehr für die Nutzung erneuerbarer Energien und die Gestaltung des damit einhergehenden technologischen und wirtschaftlichen Wandels tun. Dabei könnte es sich an einigen Aktivitäten der Länder Bremen und Hamburg orientieren. Bremen dient als ein gutes Beispiel für einen hohen Anteil erneuerbarer Energien an der Fernwärmeerzeugung, eine gute Potentialausschöpfung der Windenergie sowie eine umfangreiche Forschungsförderung für erneuerbare Energien. Hamburg dagegen punktet bei den Anstrengungen für die Ansiedlung von Unternehmen der Branche erneuerbarer Energien und kann im Ländervergleich die größten Erfolge beim Anteil der Elektrofahrzeuge vorweisen, was auch für den Aufbau der entsprechenden Ladeinfrastruktur sowie Wasserstofftankstellen gilt. Darüber hinaus hat Hamburg die meisten Patentanmeldungen pro EinwohnerIn im Bereich erneuerbare Energien.

In einzelnen Bereichen schneidet Berlin bereits sehr gut ab und kann dort selbst als Vorbild für andere Länder dienen. Dazu gehören bei den Input-Indikatoren die energiepolitische Programmatik und Zielsetzungen für erneuerbare Energien im Rahmen des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms 2030. Die Berliner Landespolitik für Solarenergie wurde im Vergleich aller Bundesländer am besten bewertet, und beim politischen Engagement für die Branche der erneuerbaren Energien gehört Berlin zu den führenden Ländern. Auch bei einzelnen Output-Indikatoren kann Berlin Erfolge vorweisen, etwa bei Elektrofahrzeugen und Ladestationen sowie Wasserstofftankstellen.

Best Practice: Einzelindikatoren zeigen besondere Stärken und Schwächen der Länder

Zur Ableitung konkreter Handlungsfelder für die jeweilige Landespolitik sollten die besonderen Stärken und Schwächen der Bundesländer anhand von wichtigen Einzelindikatoren betrachtet werden (Tabelle 3). Die Bundesländer weisen hier sehr große Unterschiede auf. Eine Analyse der EinzelindikatoreninfoDie Langfassung der Studie enthält eine detaillierte Analyse aller Einzelindikatoren. Siehe Diekmann et al. (2019), a.a.O. zeigt, dass fast alle Bundesländer noch viele Verbesserungsmöglichkeiten bei der Nutzung erneuerbarer Energien oder der Gestaltung des entsprechenden technologischen und wirtschaftlichen Wandels haben. Eine Orientierung an den Stärken anderer Länder im Sinne einer vorbildlichen Praxis (Best Practice) kann helfen, in den jeweils drängendsten Handlungsbereichen Verbesserungen zu erzielen.

Tabelle 3: Besondere Stärken und Schwächen der Länder anhand ausgewählter Einzelindikatoren

Besondere Stärken Besondere Schwächen
Baden-Württemberg

1A: Programmatik, Ziele, Energieberichte, Informationen, Förderprogramme, Vorbildfunktion, Systemintegration, Maßnahmen im Wärmebereich, EE-Politik

2A: Photovoltaik, Solarwärme

1B: F&E-Förderung Systemintegration, E-Mobilität

2B: Elektro-Pkw

2A: Windenergie

1B: Klimaschutzschulen

Bayern

1A: Energieberichte

2A: Photovoltaik, Bio-Wärme, Solarwärme

1B: F&E-Förderung EE

2B: Elektro-Pkw

1A: Hemmnisvermeidung, EE-Politik

2A: Windenergie

Berlin

2A: Bio-Strom

2B: Elektro-Pkw, Elektro-Ladepunkte

1A: Energieagentur

2A: EE-Anteile am PEV, am EEV, an der Stromerzeugung und dem Stromverbrauch, Windenergie, Photovoltaik, Bio-Wärme, Solarwärme, Wärmepumpen

1B: F&E-Förderung Systemintegration

2B: EE-Unternehmen, EE-Beschäftigte

Brandenburg

2A: EE-Anteil am EEV, Wärmepumpen

2B: EE-Beschäftigte

1A: Vorbildfunktion

2A: Wasserkraft

1B: F&E-Förderung Systemintegration, E-Mobilität

Bremen

1A: Akzeptanz

2A: EE-Anteil an der Fernwärme, Windenergie, Bio-Strom

1B: F&E-Förderung EE

2B: Photovoltaik-Speicher

2A: EE-Anteil am EEV, Photovoltaik, Solarwärme, Wärmepumpen
Hamburg

2A: Bio-Strom

1B: Klimaschutzschulen, E-Mobilität

2B: Photovoltaik-Speicher, Elektro-Pkw, Elektro-Ladepunkte, Patente

1A: Ziele

2A: EE-Anteile am PEV, am EEV, an der Stromerzeugung und am Stromverbrauch, Photovoltaik, Solarwärme, Wärmepumpen

1B: F&E-Förderung EE und Systemintegration

Hessen 1A: Energieberichte
Mecklenburg-Vorpommern

2A: EE-Anteile am PEV, an der Stromerzeugung, am Stromverbrauch und an der Fernwärme

2B: EE-Unternehmen, EE-Beschäftigte, EE-Umsatz

1A: Energieberichte, Informationen

1B: F&E-Förderung EE und Systemintegration

2B: Elektro-Pkw

Niedersachsen

1B: F&E-Förderung EE

2B: Patente

Nordrhein-Westfalen

1A: Energieagentur, Vorbildfunktion, Förderprogramme

2B: Photovoltaik-Speicher

1A: EE-Politik

1B: Studiengänge

2B: EE-Unternehmen, EE-Umsatz

Rheinland-Pfalz

1A: Programmatik, Energieagentur, Maßnahmen im Wärmebereich, Hemmnisvermeidung

2A: EE-Anteil an der Fernwärme

2A: Bio-Strom

1B: F&E-Förderung EE, Studiengänge

Saarland

1A: Programmatik, Energieberichte

2A: EE-Anteile am EEV und an der Fernwärme

1B: Politisches Engagement, E-Mobilität

2B: EE-Unternehmen, EE-Beschäftigte, Photovoltaik-Speicher, Elektro-Ladepunkte, Patente

Sachsen

2A: Wärmepumpen

1B: F&E-Förderung Systemintegration, Studiengänge

1A: Förderprogramme, Vorbildfunktion, Systemintegration, Maßnahmen im Wärmebereich, Hemmnisvermeidung, EE-Politik

2A: EE-Anteil an der Fernwärme

1B: Klimaschutzschulen, Politisches Engagement, E-Mobilität

Sachsen-Anhalt

2A: Photovoltaik

2B: EE-Beschäftigte

2B: Photovoltaik-Speicher, Elektro-Pkw
Schleswig-Holstein

1A: Programmatik, Ziele,

2A: EE-Anteil am PEV, an der Stromerzeugung und am Stromverbrauch, Wind energie

2B: EE-Unternehmen

2A: Wasserkraft
Thüringen

1A: Vorbildfunktion, Maßnahmen im Wärmebereich

2A: EE-Anteil am PEV und am EEV, Wasserkraft

1B: Studiengänge, E-Mobilität

1A: Energieberichte, Akzeptanz

Anmerkungen: Indikatorengruppen: 1A: Input – Nutzung; 2A: Output – Nutzung; 1B: Input – Wandel; 2B: Output – Wandel.

Besondere Stärken: Das Land gehört beim jeweiligen Indikator mit Abstand zu den führenden Ländern. Besondere Schwächen: Das Land gehört beim jeweiligen Indikator mit Abstand zu den Schlusslichtern. EE: Erneuerbare Energien; EEV: Endenergieverbrauch (hier ohne Strom- und Fernwärme); F&E: Forschung und Entwicklung; PEV: Primärenergieverbrauch. Basierend auf einer Auswahl von Einzelindikatoren der Autoren, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Quelle: Eigene Darstellung.

Fazit: Energiewende erfordert weitere Anstrengungen von Bund und Ländern

Der Ausbau erneuerbarer Energien ist ein Eckpfeiler der Energiewende, der nicht nur dem Klima- und Umweltschutz dient, sondern auch Chancen für Investitionen in neue Wachstumsmärkte bietet. Die mittel- und langfristigen energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung erfordern einen starken weiteren Ausbau erneuerbarer Energien in allen Nutzungsbereichen. Dies erfordert auch auf Landesebene weitere politische Anstrengungen.

Vor diesem Hintergrund wurde zum sechsten Mal eine Studie zum Vergleich der Bundesländer hinsichtlich ihrer Anstrengungen und Erfolge auf dem Gebiet erneuerbarer Energien durchgeführt. Der Vergleich beruht auf 61 Indikatoren, die zu vier Kategorien und einem Gesamtranking zusammengefasst werden. In der Gesamtbewertung führen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Schleswig-Holstein schneidet in vielen Bereichen des Ländervergleichs gut ab und kann insbesondere große Erfolge bei der Nutzung erneuerbarer Energien aufweisen. Baden-Württemberg zeichnet sich vor allem durch vorbildliche energiepolitische Rahmenbedingungen aus. Mit etwas Abstand folgen Bayern und Thüringen. Die Schlusslichter sind Sachsen, Berlin und das Saarland. Die ostdeutschen Länder schneiden insgesamt nach wie vor etwas besser ab als die westdeutschen Bundesländer, die Unterschiede haben sich aber verringert.

Die Studie identifiziert detailliert Stärken und Schwächen in den einzelnen Bundesländern. Dabei zeigt sich, dass in allen Bundesländern noch viele Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Eine Orientierung an den jeweils führenden Ländern kann helfen, in den einzelnen Handlungsbereichen Verbesserungen zu erzielen und damit die Energiewende zu unterstützen.

Die Bundesländer sollten sich ambitionierte politische Ziele für erneuerbare Energien setzen, die mit den jeweiligen Potentialen und der bundesweiten Entwicklung abgestimmt sind. Zur Erreichung der Ziele müssen entsprechende Voraussetzungen beispielsweise bei der Raumplanung und im Baurecht geschaffen werden. Unnötige Hemmnisse für die Nutzung erneuerbarer Energien sollten beseitigt werden. Die Bundesländer können zudem durch eigene Fördermaßnahmen, ordnungsrechtliche Vorgaben für Gebäude, die Bereitstellung von Informationen und Vorbildprojekte aktiv werden. Die Systemintegration von Wind- und Solarstrom können sie durch entsprechende Infrastrukturmaßnahmen unterstützen. Weiterhin kann die Landespolitik in den Bereichen Forschung und Bildung sowie durch gezielte Ansiedlungsstrategien einen Beitrag zum technologischen und wirtschaftlichen Wandel leisten. Dies bietet auch die Gelegenheit, die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende stärker zu nutzen.

Der künftige Erfolg der Bundesländer bei der Nutzung erneuerbarer Energien hängt allerdings in immer stärkerem Maße von politischen Vorgaben auf Bundesebene ab. Insbesondere können die Ausschreibungsregeln des EEG einem Ausbau der Windenergie in manchen Regionen entgegenstehen. Nachdem die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzprogramm 2030 die Zielmarke für Strom aus erneuerbaren Energien deutlich erhöht hat, müssen nun dringend die Rahmenbedingungen für einen beschleunigten Ausbau gestaltet und umgesetzt werden.

Wolf-Peter Schill

Leiter des Forschungsbereichs „Transformation der Energiewirtschaft“ in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt



JEL-Classification: Q42;Q48;C43;O33
Keywords: Energy policy, renewable energy, composite indicators
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-48-3

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/209631

keyboard_arrow_up