DIW Wochenbericht 48 / 2019, S. 895-903
Jan Stede, Nils May
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„Mindestabstände haben in Bayern den Ausbau der Windenergie zusammenbrechen lassen und stünden auch im Bund dem Erreichen der Klimaziele im Weg. Akzeptanz ließe sich besser durch direkte finanzielle Beteiligung von Kommunen erreichen.“ Nils May
Die verstärkte Nutzung der Windenergie an Land ist ein wesentlicher Baustein zur Erreichung der deutschen Klimaziele 2030. Neue Windparks hatten in letzter Zeit jedoch häufig mit Genehmigungsproblemen zu kämpfen, und der Zubau von Windenergieanlagen ist stark zurückgegangen. Das Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung sieht vor, Mindestabstände von 1000 Metern zwischen Windkraftanlagen und Siedlungen einzuführen, um die Akzeptanz für die Windenergie zu steigern. Hierdurch sinkt jedoch auch das Flächenpotential für die Windenergie. Vor diesem Hintergrund wird untersucht, wie sich die Einführung strikter Mindestabstände in Bayern im Jahr 2014 ausgewirkt hat. Eine kausale ökonometrische Analyse zeigt, dass die Genehmigungen von Windenergieanlagen dort um bis zu 90 Prozent eingebrochen sind. Die Einführung bundesweiter pauschaler Mindestabstände dürfte qualitativ ähnliche Effekte haben und die Erreichung der Klimaziele erschweren. Außerdem deuten wissenschaftliche Studien darauf hin, dass pauschale Mindestabstände die Akzeptanz von Windenergieanlagen nicht wesentlich erhöhen. Stattdessen könnte die Akzeptanz durch finanzielle Beteiligungen der Kommunen gesteigert werden und auf kommunaler Ebene Anreize schaffen, zusätzliche Flächen für die Windenergienutzung bereitzustellen.
Deutschland hat das Ziel, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent zu reduzieren.Bundesregierung (2019): Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050. Berlin (online verfügbar, abgerufen am 13.11.2019. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Auf europäischer Ebene hat sich Deutschland außerdem dazu verpflichtet, auch die Emissionen im Verkehrs- und Wärmesektor um mindestens 38 Prozent im Vergleich mit 2005 zu senken. Wird dies verfehlt, drohen bis 2030 Zahlungen für den Zukauf von Emissionsrechten anderer EU-Mitgliedsstaaten in Höhe von 30–60 Milliarden Euro.Agora Energiewende (2018): Die Kosten von unterlassenem Klimaschutz für den Bundeshaushalt. Berlin (online verfügbar). Langfristig hat sich die Bundesregierung zum Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 bekannt.Deutscher Bundestag (2019): Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundes-Klimaschutzgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften (online verfügbar). Die Erreichung dieser Ziele erfordert einen stetigen Ausbau erneuerbarer Energien. Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung auf 65 Prozent steigen.Bundesregierung (2019), a.a.O.
Der Zubau von Windenergieanlagen ist in Deutschland zuletzt jedoch eingebrochen. Grund hierfür sind unter anderem Genehmigungsprobleme. Die Bundesregierung will diesen Problemen durch vereinfachte Genehmigungsverfahren und Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz begegnen. Insbesondere soll die Akzeptanz für die Nutzung der Windenergie an Land durch die Einführung eines bundesweit einheitlichen Mindestabstands von 1000 Metern zu Wohngebäuden gesteigert werden.Derzeit wird über die genaue Ausgestaltung diskutiert, insbesondere die Frage für welche Siedlungsstrukturen die Mindestabstände gelten sollen. Durch pauschale Mindestabstände sinken allerdings die für die Windkraftnutzung verfügbaren Flächen.
Vor diesem Hintergrund sind die Erfahrungen von Interesse, die in Bayern nach der Einführung einer restriktiven Mindestabstandsregel im Jahr 2014 gemacht wurden. In diesem Wochenbericht wird mit einer kausalen ökonometrischen Analyse der Einfluss der sogenannten „10 H-Regelung“ auf die Genehmigungen von Windenergieanlagen in Bayern untersucht. Anschließend werden alternative Ansätze zur Stärkung der Akzeptanz durch finanzielle Beteiligung auf kommunaler Ebene diskutiert.
Im laufenden Jahr 2019 wurden bis Ende September nur rund ungefähr 500 Megawatt Windkraftleistung zugebaut.Dabei handelt es sich um den sogenannten Bruttozubau (ohne Berücksichtigung des Abbaus älterer Windenergieanlagen). Vgl. Fachagentur Wind an Land (2019a): Ausbausituation der Windenergie an Land im Herbst 2019. Berlin (online verfügbar). In den fünf Jahren zuvor waren es im Durchschnitt knapp 4200 Megawatt pro Jahr.Die Zahlen basieren auf Daten der Betreiber-Datenbasis. Hierbei handelt es sich um eine kommerzielle Datenbasis von Betriebsdaten deutscher Windenergieanlagen. Für diese Studie wurde der Datensatz „Register/Errichtungsdaten“ ausgewertet. Die letzten Ausschreibungen für Windenergie an Land waren stark unterzeichnet, da es zu wenige (genehmigte) Projekte gibt.
Neben einem weiteren Ausbau der Solarenergie und der Windkraft auf See müssen bis 2030 jährlich vier bis sechs Gigawatt Windenergieanlagen an Land zugebaut werden.Die genaue Höhe hängt vom Mix der erneuerbaren Energien und dem Grad der Elektrifizierung weiterer Sektoren ab, siehe Nils May, Karsten Neuhoff und Jörn Richstein (2018): Kostengünstige Stromversorgung durch Differenzverträge für erneuerbare Energien. DIW Wochenbericht Nr. 28, 625–635 (online verfügbar); sowie Agora Energiewende (2018): Stromnetze für 65 Prozent Erneuerbare bis 2030. Berlin (öffentlich verfügbar). Auch in den Jahren 2020 und 2021 wird basierend auf den aktuellen Ausschreibungsergebnissen mit einem geringen Zubau von nur 1500 beziehungsweise 2300 Megawatt gerechnet (Abbildung 1).Fachagentur Windenergie an Land (2019b): Aktuelle Ausschreibungs-, Ausbau- und Genehmigungslage: Ergebnisse aus der „Plattform Genehmigungssituation“. Der derzeitig absehbare Ausbau ist also deutlich zu niedrig.
Mindestabstände werden bislang bundesweit vor allem durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt. Das BImSchG schreibt eine Einzelfallprüfung der Geräuschemissionen und des Schattenwurfes für alle Windkraftanlagen ab einer Gesamthöhe von 50 Metern vor. Zudem sind auch die Ausführungen der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) und die geltende Rechtsprechung zum Baurecht zu beachten. Hieraus ergeben sich bei modernen Windkraftanlagen implizite Mindestabstände zu Siedlungen von rund 600 Metern.Nach geltender Rechtsprechung ist ab einem Abstand von der dreifachen Höhe einer Windenergieanlage nicht mehr von einer optisch bedrängenden Wirkung auszugehen. Bei einer durchschnittlichen Gesamt-Anlagenhöhe von knapp 200 Metern bedeutet dies einen Mindestabstand von rund 600 Metern. Vgl. Nils Wegner (2017): Abstände zwischen Windenergieanlagen und Siedlungsgebieten – Regulatorische Möglichkeiten und Grenzen. Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 28 (online verfügbar).
Darüber hinaus gibt es auf Ebene der Bundesländer unterschiedliche Abstandsempfehlungen und -vorgaben von Windenergiegebieten zu Wohngebieten und Einzelwohngebäuden, die zumeist zwischen 400 und 1000 Metern liegen.Eine Übersicht über die unterschiedlichen Abstandsempfehlungen der Bundesländer bietet Fachagentur Windenergie an Land (2019c): Überblick zu den Abstandsempfehlungen zur Ausweisung von Windenergiegebieten in den Bundesländern. Berlin (online verfügbar). Nordrhein-Westfalen hat mit der Novellierung des Landesentwicklungsplans 2019 Mindestabstände von 1500 Metern beschlossen. Insgesamt unterscheiden sich die bestehenden Abstandsregelungen stark nach Bundesländern, räumlichen Gegebenheiten und Siedlungsstrukturen sowie in Hinblick auf die Gültigkeit beim Austausch von Altanlagen (Repowering).
In Bayern gilt seit November 2014 die bundesweit strengste Abstandsregelung, die sogenannte „10 H-Regelung“.Bayerischer Landtag (2014): Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Gesetzes über die behördliche Organisation des Bauwesens, des Wohnungswesens und der Wasserwirtschaft. Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 19/2014 (27.11.2014). Gemäß dieser Regelung muss der Abstand neuer Windkraftanlagen zu nahe gelegenen Wohngebieten mindestens zehn Mal so groß sein wie die gesamte Höhe der Windkraftanlage. Bei einer durchschnittlichen Gesamthöhe der Anlagen von 190 Metern in Bayern (Nabenhöhe plus Rotorblattlänge) bedeutet dies einen Mindestabstand von annähernd 2000 Metern.Die durchschnittliche Gesamthöhe von Windkraftanlagen in Bayern lag laut Betreiber-Datenbasis in den Jahren 2010 bis 2016 bei durchschnittlich 190 Metern. Die 10 H-Regelung gilt für den Abstand zu Wohngebieten im Zusammenhang bebauter Ortsteile.Wohngebäude in Industrie- und Gewerbegebieten, Einzelwohngebäude und Splittersiedlungen sind von der 10 H-Regelung im Regelfall nicht betroffen. Eine Ausnahme bilden Wohngebäude im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB. Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (2016). Anwendungshinweise zur 10 H-Regelung. München (online verfügbar).
Ermöglicht wurde die Einführung der 10 H-Regelung durch die Einfügung einer zeitlich befristeten „Länderöffnungsklausel“ in das Baugesetzbuch (Abbildung 2). Bayern istdas einzige Bundesland, das davon Gebrauch machte und verbindliche Mindestabstände für Windkraftanlagen einführte. Die bayerische Landesregierung kündigte dieses am 4.2.2014 an.Pressemitteilung der Bayerischen Staatskanzlei vom 8. April 2014: Bayerns Bauminister Joachim Herrmann zum Bau von Windkraftanlagen: Zügige Umsetzung der Befugnis zur Vorgabe von Mindestabständen von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung (online verfügbar). Alle Anträge auf den Bau von Windkraftanlagen, die vor diesem Stichtag eingereicht wurden, wurden noch nach den alten Regeln nach Bundes-Immissionsschutzgesetz behandelt. Alle Genehmigungsanträge, die seit dem 21.11.2014 gestellt wurde, unterliegen der 10 H-Regelung. Anlagen, deren Genehmigungsanträge im Zeitraum dazwischen gestellt wurden, wurden unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob über ihre Genehmigung noch vor dem 21.11.2014 (BImSchG) oder nach dem 21.11.2014 (10 H-Regelung sowie BImSchG) entschieden wurde.
Einzelne Gemeinden haben die Möglichkeit, Flächen auch für Anlagen mit niedrigeren Abständen zu Siedlungen über die Bauleitplanung auszuweisen.Bayerischer Landtag (2014), a.a.O. Bis September 2017 wurden jedoch in lediglich zwölf bayerischen Kommunen Bebauungspläne rechtskräftig beschlossen, mit denen der Mindestabstand für die dort geplanten Windenergieanlagen unterschritten werden kann. In neun weiteren Gemeinden liefen bis dahin noch entsprechende Bauleitungsverfahren.Antwort der Bayerischen Staatsregierung vom 19.04.2019 auf eine Kleine Anfrage (Drs. 17/18986).
Im September 2019 kündigte die Bundesregierung mit dem „Klimaschutzprogramm 2030“ die Einführung bundesweit einheitlicher Mindestabstände von Windenergieanlagen zu Siedlungen von 1000 Metern an.Die Mindestabstandsregelung soll sowohl für Wohngebiete, als auch für dörfliche Strukturen mit signifikanter Wohnbebauung gelten (auch wenn letztere nicht als solche ausgewiesen sind). Vgl. Bundesregierung (2019), a.a.O. Die Regelungen sollen sowohl für neu errichtete Anlagen als auch beim Austausch von Altanlagen (Repowering) gelten. Ausnahmeregelungen auf Ebene der Bundesländer und Kommunen sollen jedoch möglich sein. Für die Bundesländer ist diese „Opt-Out“-Option auf einen Zeitraum von 18 Monaten begrenzt.
Die Bundesregierung argumentiert, dass zusätzliche Abstandsregelungen die Akzeptanz erhöhen und damit indirekt zu einem höheren Ausbau der Windkraft führen können.Das Bundeswirtschaftsministerium nennt die geplanten bundesweiten Mindestabstandsregelungen beispielsweise als Teil eines Maßnahmenpakets zur „Schaffung von Akzeptanz“ mit dem Ziel der „Stärkung des Ausbaus der Windenergie an Land“. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2019): Stärkung des Ausbaus der Windenergie an Land. Berlin (online verfügbar).
Verschiedene Untersuchungen legen jedoch nahe, dass Erwartungen, nach denen Mindestabstände die Akzeptanz verbessern, überhöht sind.Vgl. Katharina Langer et al. (2018): Factors influencing citizens’ acceptance and non-acceptance of wind energy in Germany. Journal of Cleaner Production, 175, 133–144; Gundula Hübner und Johannes Pohl (2015): Mehr Abstand – mehr Akzeptanz? Ein umweltpsychologischer Studienvergleich (online verfügbar); Joseph Rand und Ben Hoen (2017): Thirty years of North American wind energy acceptance research: What have we learned? Energy Research & Social Science, 135–148; Ben Hoen et al. (2019): Attitudes of U.S. Wind Turbine Neighbors: Analysis of a Nationwide Survey. Energy Policy 134, 110981. Die Nähe des Wohnsitzes zu Windkraftanlagen hat zwar grundsätzlich negative Effekte auf das Wohlbefinden. Allerdings verstärkt sich dieser Effekt innerhalb eines Radius von 4.000 Metern durch eine größere Nähe zur Anlage nicht. Vgl. Christian Krekel und Alexander Zerrahn (2017): Does the presence of wind turbines have negative externalities for people in their surroundings? Evidence from well-being data. Journal of Environmental Economics and Management (82), 221–238. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die bestehenden immissionsschutzrechtlichen Vorgaben bereits dazu führen, dass die hörbaren und visuellen Einschränkungen begrenzt werden. Diese Anforderungen werden anlagenspezifisch geprüft.
Verschärfte Abstandsregelungen führen jedoch zu einer Verringerung der für die Nutzung der Windenergie verfügbaren Flächen. Verschiedene Studien haben auf Basis von Geodaten den Einfluss von Mindestabständen auf die für die Windenergie nutzbaren Flächen beziehungsweise auf das Stromerzeugungspotential untersucht (Abbildung 3).Umweltbundesamt (2019): Flächenanalyse Windenergie an Land – Abschlussbericht. Dessau-Roßlau (online verfügbar); Navigant und Fraunhofer IEE (2019): Wissenschaftliche Fundierung der Beratungen zu Abstandsregelungen bei Windenergie an Land. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (online verfügbar); Frank Masurowski, Martin Drechsler und Karin Frank (2016): A spatially explicit assessment of the wind energy potential in response to an increased distance between wind turbines and settlements in Germany. Energy Policy 97, 343–350. Tim Tröndle, Diana Süsser und Johan Lilliestam (2019): Ohne Windenergie keine Energiewende. IASS Discussion Paper, November 2019 (online verfügbar). Die vier dargestellten Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Eine pauschal angewandte Mindestabstandsregelung von 1000 Metern würde gegenüber der heutigen Gesetzeslage das Ausbaupotential auf für die Windenergie ausgewiesenen Flächen im bundesweiten Durchschnitt um zehn bis 20 Prozent reduzieren, sofern die Regelung nur auf größere zusammenhängen Siedlungsstrukturen angewandt wird (sogenannter Innenbereich nach § 34 Baugesetzbuch). Werden Mindestabstände hingegen bereits zu Splittersiedlungen mit einzelnen Häusern definiert (sogenannter Außenwohnbereich nach § 35 Baugesetzbuch), so wird die ausgewiesene Fläche um 40 bis 47 Prozent reduziert. Eine zusätzliche Anwendung von Mindestabständen auf das Repowering von Altanlagen würde außerdem das Repowering-Potential um 33 bis 60 Prozent reduzieren.Umweltbundesamt (2019a): Auswirkungen von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und Siedlungen. Dessau-Roßlau (online verfügbar).
Insgesamt wurden in Deutschland im Zeitraum 2010–2016 10009 Windenergieanlagen beziehungsweise 27125 Megawatt genehmigt, die später auch gebaut wurden (Tabelle). Pro Landkreis waren dies im gesamtdeutschen Durchschnitt monatlich 0,805 Megawatt, in Bayern dagegen nur 0,248 Megawatt. Bayerische Anlagen waren mit einer Gesamthöhe von 190 Metern höher als im Bundesschnitt, hatten aber eine etwas niedrigere Nennleistung.Hierbei handelt es sich um typische Merkmale von Schwachwindanlagen, die darauf spezialisiert sind, auch bei schwächeren Windgeschwindigkeiten Strom zu produzieren, siehe Nils May (2017): The impact of wind power support schemes on technology choices. Energy Economics 65, 343–354.
Bayern | Deutschland insgesamt | |
---|---|---|
Anzahl der genehmigten Anlagen | 768 | 10009 |
Insgesamt genehmigte Anlagenleistung in Megawatt | 2001 | 27125 |
Durchschnittliche Leistung der Anlagen in Megawatt | 2,61 | 2,71 |
Durchschnittliche Gesamthöhe der Anlagen in Metern | 190 | 171 |
Durchschnittliche Genehmigungen pro Landkreis pro Monat in Megawatt | 0,248 | 0,805 |
Anmerkung: Die Statistiken beziehen sich auf im Zeitraum 2010–2016 genehmigte Anlagen, die anschließend auch tatsächlich errichtet wurden.
Quelle: Betreiber-Datenbasis, Anlagenregister und eigene Berechnungen.
Die pro Landkreis erteilten Genehmigungen für später auch errichtete Windenergieanlagen haben sich in Bayern und im Rest Deutschlands im Durchschnitt über alle Landkreise von 2010 bis zur Einführung der 10 H-Regelung im November 2014 parallel entwickelt (Abbildung 4).Diese Parallelität ist eine notwendige Bedingung für die kausale Interpretation der Ergebnisse. Die der Abbildung zugrundeliegenden Daten basieren auf der Kombination von drei Datensätzen (Kasten 1). Das niedrigere Niveau des Ausbaus in Bayern vor der Einführung der 10 H-Regelung erklärt sich durch die schwächeren Windressourcen Bayerns im Vergleich insbesondere zu den norddeutschen Bundesländern. Nach der Einführung der 10 H-Regelung brachen die in Bayern erteilten Genehmigungen ein, während sie in den anderen Bundesländern ungefähr auf dem Niveau von 2014 blieben. Mithilfe einer ökonometrischen Analyse wird geprüft, ob diese Entwicklung ursächlich auf die Einführung der Abstandsregelung zurückzuführen ist.
Die empirischen Analysen basieren auf drei unterschiedlichen Datensätzen, die miteinander kombiniert werden.
Das Rückgrat der Analysen bildet die Betreiber-Datenbasis, in der seit 1988 in Deutschland errichtete Windräder erfasst werden. Sie enthält anlagenscharf Informationen über Errichtungsdatum, Leistung, Höhe und Ort der Windkraftanlagen. In den Jahren 2010–2018 sind insgesamt 10993 Anlagen mit einer durchschnittlichen Leistung von 2,7 Megawatt verzeichnet. Die Datenqualität ist als sehr hoch einzuschätzen: Der jährliche Zubau von Wind energieanlagen laut Betreiber-Datenbasis deckt sich seit 2010 fast vollständig mit den vom Bundesverband Windenergie veröffentlichten Zahlen.2010–2012 betrug die Abweichung der jährlichen Zubau-Daten in der Betreiber-Datenbasis maximal acht Prozent gegenüber dem vom BWE veröffentlichten Bruttozubau. Seit 2013 betrug die Abweichung maximal 2 Prozent. Vgl. z.B. Deutsche Windguard (2019): Status des Windenergieausbaus an Land in Deutschland – Jahr 2018. Varel, Studie im Auftrag von BWE und VDMA (online verfügbar).
Im Anlagenregister müssen seit August 2014 alle Ereignisänderungen von Erneuerbaren-Energien-Anlagen gemeldet melden.Seitdem wurde das Anlagenregister durch das Marktstammdatenregister ersetzt. Jedoch enthält das Anlagenregister die für diese Analyse notwendigen Daten. Im Unterschied zur Betreiber-Datenbasis enthält das Register nicht nur Informationen zur Inbetriebnahme einer Anlage, sondern auch (für einen Teil der Anlagen) das Genehmigungsdatum. Hierdurch lässt sich für alle Windkraftanlagen mit Genehmigungsdatum die Bauzeit bestimmen (Inbetriebnahme minus Genehmigungsdatum).
Das Anlagenregister enthält jedoch nicht alle in Deutschland errichteten Windanlagen. In den Jahren 2013 und 2014, kurz vor der Einführung der 10 H-Regelung, fehlen jeweils etwa 40 Prozent der Anlagen. Aus diesem Grund werden die Regressionen auf Basis der Betreiber-Datenbasis durchgeführt, welche mit Informationen aus dem Anlagenregister ergänzt werden.Die Regressionsergebnisse sind qualitativ unverändert, wenn statt der um die Informationen des Anlagenregisters ergänzten Betreiber-Datenbasis nur das Anlagenregister verwendet wird.
In einem ersten Schritt werden hierzu die existierenden Genehmigungsdaten aus dem Anlagenregister an die Betreiber-Datenbasis angespielt. Dies erfolgt auf Basis der Variablen „Jahr der Errichtung“, „Monat der Errichtung“, „Leistung“ (gerundet auf eine Nachkommastelle), sowie der Postleitzahl. Durch diese Methode können 70 Prozent der Anlagen mit vorliegendem Genehmigungsdatum an die Betreiber-Datenbasis herangespielt werden.
In einem zweiten Schritt wird der Monat der Genehmigung für diejenigen Anlagen, bei denen nur der Monat der Errichtung bekannt ist, approximiert. Hierzu werden Informationen über die Verteilung der Bauzeit aus dem Anlagenregister genutzt. Im Schnitt benötigen Anlagen 12 Monate von der Genehmigung bis zur Inbetriebnahme; 90 Prozent aller Anlagen werden innerhalb von fünf bis 24 Monaten gebaut. Für die Anlagen mit fehlendem Genehmigungsdatum wird aus der Verteilung der Bauzeiten ein Wert gezogen, der vom Monat der Inbetriebnahme abgezogen werden. Dieses Vorgehen basiert auf der Annahme, dass Anlagen mit und ohne Genehmigungsdatum vergleichbare Umsetzungszeiträume haben.Zur Plausibilisierung der Annahme dient ein Vergleich von Leistung und Höhe der Anlagen mit und ohne Genehmigungsdatum. Die beiden Variablen unterscheiden sich in den Jahren 2013 bis 2016 um weniger als zwei Prozent. Außerdem wird durch das Einbeziehen möglicher Vorzieheffekte von zwölf Monaten vor und nach Einführung der bayerischen Mindestabstandsregelung ausgeschlossen, dass selbst eine hypothetische Abweichung beim Genehmigungsdatum um einige Monate Einflüsse auf die Schätzung haben könnte.
Einige der nach Inkrafttreten der 10 H-Regelung in Bayern genehmigten Windkraftanlagen unterlagen nicht der 10 H-Regelung. Hierbei handelt es sich um Anträge, die vor dem 04.02.2014 eingereicht, aber erst nach Inkrafttreten der 10 H-Regel genehmigt wurden. Diese Anlagen wurden demnach ohne Anwendung der 10 H-Regelung genehmigt. Informationen über die Anzahl der Windräder, die von dieser Ausnahmeregelung betroffen wurden, hat die Bayerische Landesregierung veröffentlicht.Der Landtagsabgeordnete Martin Stümpfig hat mehrere Schriftliche Anfragen gestellt. Aus den Antworten geht die Zahl der entsprechenden Anlagen in jedem Monat hervor. Vgl. z.B. Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie (2017): Antwort auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Martin Stümpfig. Drucksache 17/17156 (online verfügbar). Mit Hilfe dieser Informationen werden die betroffenen Anlagen in der Betreiber-Datenbasis identifiziert.
Mithilfe einer Differenz-von-Differenzen-Methode (Kasten 2) lässt sich unterscheiden zwischen Schwankungen der Anzahl der Genehmigungen, die in ganz Deutschland auftraten, und dem Effekt der 10 H-Regelung auf die genehmigte Anlagenleistung. Dies erfolgt unter der Annahme, dass der Ausbau in Bayern ohne Einführung der 10 H-Regelung der Entwicklung in den Landkreisen in anderen Bundesländern gefolgt wäre. Basis der Berechnungen ist der Zeitraum vom ersten Quartal 2010 bis zum zweiten Quartal 2016. Somit werden die Schätzungen nicht durch die im Januar 2017 eingeführten Ausschreibungen beeinflusst. Die Schätzung berücksichtigt Unterschiede in den lokalen Windressourcen auf Landkreisebene.
Um den Einfluss der 10 H-Regelung auf die Anzahl der erteilten Genehmigungen in Bayern zu ermitteln, wendet die vorliegende Studie einen sogenannten Differenz-von-Differenzen-Ansatz an. Bei diesem Ansatz wird zunächst untersucht, wie sich die Anzahl der genehmigten Windenergieleistung (in Megawatt) in bayerischen Landkreisen vor und nach der Einführung der 10 H-Regelung unterscheiden. Dieser Unterschied wird dann mit der Veränderung der genehmigten Leistungsmengen im selben Zeitraum in den Landkreisen im Rest Deutschlands verglichen, in denen keine entsprechende Abstandsregelung eingeführt wurde. Durch diese zweite Differenzbildung können in diesem Verfahren allgemeine Veränderungen über die Zeit berücksichtigt werden. Hierzu zählen beispielsweise sinkende Kosten für den Bau von Windrädern sowie Veränderungen der finanziellen Förderung von Windkraft durch Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die ganz Deutschland in gleichem Maße betreffen.
Der Differenz-von-Differenzen-Ansatz beruht auf der Annahme, dass sich – wenn die 10 H-Regelung nicht eingeführt worden wäre – die Genehmigungszahlen in Bayern genauso über die Zeit verändert hätten wie in den anderen Bundesländern. Diese Annahme lässt sich aufgrund ihrer Kontrafaktizität nicht endgültig beweisen, wohl aber durch zusätzliche Untersuchungen plausibilisieren, wie im Haupttext beschrieben.
Der Differenz-von-Differenzen-Ansatz wird in einem Regressionsverfahren umgesetzt, das allgemeine Unterschiede zwischen Bayern und den anderen Bundesländern (über eine Indikatorvariable für Bayern) und allgemeine Veränderungen über die Zeit (über Indikatorvariablen für jeden Monat) herausrechnet. Zeitunabhängige Einflüsse auf die Anzahl der Genehmigungen eines Landkreises wie die jeweiligen Windressourcen werden außerdem in allen hier präsentierten Regressionsergebnissen durch die Verwendung von fixen Effekten auf Landkreis-Ebene berücksichtigt. Die Berechnung der Standardfehler berücksichtigt eine Clusterstruktur des Fehlerterms auf Ebene der Bundesländer. Auch unter Verwendung eines „ordinary wild bootstrap“James G. MacKinnon und Matthew D. Webb (2018): The wild bootstrap for few (treated) clusters. Econometrics Journal (21), 114135. bleiben die Ergebnisse statistisch hoch signifikant.
Die ökonometrische Analyse ergibt, dass die genehmigte Anlagenleistung nach Einführung der 10 H-Regelung um 90 Prozent zurückgegangen ist (Abbildung 5). Pro Monat und Landkreis entspricht dies einem Rückgang von 0,496 Megawatt (statistisch hoch signifikant auf dem Ein-Prozent-Niveau). Für Bayern insgesamt bedeutet dies, dass in den Jahren 2015 und 2016 durch die Einführung der strikteren Mindestabstände 571 Megawatt pro Jahr nicht gebaut wurden.
Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit den Befunden der geodatenbasierten Analyse des Umweltbundesamts, wonach eine pauschale Mindestabstandsregelung von 2000 Metern die für die Windenergie ausgewiesen Flächen in ganz Deutschland um 84 bis 97 Prozent reduzieren würde.Vgl. Umweltbundesamt (2019), a.a.O. Demnach wiegt die durch die Abstandsregel bewirkte Verminderung der verfügbaren Flächen zumindest im betrachteten Zeitfenster deutlich schwerer als eine mögliche Verbesserung der Akzeptanz.
Alternativ kann man die recht starke Annahme treffen, dass alle Anlagen, die nach Inkrafttreten der 10 H-Regelung, aber noch ohne Anwendung derselben genehmigt wurden, auch unter Anwendung der Regelung genehmigt worden wären. Dies betrifft insbesondere die Anlagen, die Genehmigungsanträge schon vor dem 04.02.2014 gestellt hatten und deren Genehmigungen erst nach Inkrafttreten der 10 H-Regelung ausgestellt wurden. Selbst unter dieser eher unrealistischen Annahme gingen die in bayerischen Landkreisen erteilten Genehmigungen 61 Prozent zurück, was einem jährlichen Rückgang von 389 Megawatt gegenüber dem erwarteten Wert ohne 10 H-Regelung entspräche.
Die Regressionsergebnisse sind auch unter der Berücksichtigung von möglichen Vorzieheffekten robust und bleiben statistisch hoch signifikant. Denkbar ist, dass Projektentwickler nach Ankündigung der 10 H-Regelung Anträge vorzeitig eingereicht haben, um nicht den strengeren Mindestabständen zu unterliegen. Um derartige Effekte auszuschließen, werden die Regressionen unter Ausschluss der Daten innerhalb von sechs bzw. zwölf Monaten vor und nach Inkrafttreten der 10 H-Regelung erneut geschätzt (Abbildung 5). Der relative Rückgang der Genehmigungen durch die 10 H-Regelung liegt auch in diesen Schätzungen fast unverändert zwischen 67 und 90 Prozent.
Ein sogenannter „Placebo-Test“ zeigt außerdem, dass sich nach Inkrafttreten der bayerischen 10 H-Regelung keine Veränderungen der Genehmigungen in der Gruppe der „Anrainer“-Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen und Thüringen ergeben, die sich statistisch signifikant von den restlichen Bundesländern unterscheiden.Mit dem Placebo-Test wird überprüft, ob andere Faktoren, die zufällig zeitgleich mit der bayerischen 10 H-Regulierung aufgetreten sind, die Ergebnisse beeinflussen. Dafür wird das Modell noch einmal unter der Annahme geschätzt, dass zeitgleich in der Gruppe der Anrainerländer derartige Effekte eingetreten sind. Dies verdeutlicht, dass der methodische Ansatz tatsächlich Veränderungen in den erteilten Genehmigungen in Bayern identifiziert, die mit der Einführung der 10 H-Regelung zusammenhängen, und nicht etwa zufällig auftretende Veränderungen über die Zeit. Zudem ist der Effekt in Bayern nicht auf eine etwaige Verschlechterung der Rahmenbedingungen windschwacher Standorte zurückzuführen.
Der qualitative Befund der ökonometrischen Analyse dürfte sich auf die gesamte Bundesrepublik übertragen lassen: Die negativen Auswirkungen einer verschärften Abstandsregelung auf die verfügbare Fläche überwiegen eine eventuelle Erhöhung der Akzeptanz zumindest kurzfristig deutlich.
Anstelle des physischen Abstands zu Windkraftanlagen hat die Fachliteratur in den letzten Jahren Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit als entscheidende Faktoren zur Erhöhung der Akzeptanz von Windenergie in den Mittelpunkt gestellt.Eine Übersicht über die relevante Literatur findet sich in Alexander Zerrahn (2016): Wind Power and Externalities. Ecological Economics (141), 245–260. Eine finanzielle Beteiligung von Standortgemeinden ist eine vielversprechende Möglichkeit zur Erhöhung der Akzeptanz, die in Deutschland bislang noch wenig genutzt wird. Standortgemeinden profitieren im Gegensatz zu den Firmensitzen der Hersteller und Betreiber von Anlagen im Regelfall kaum finanziell von neuen Anlagen.Vgl. Nils May und Øivind Anti Nilsen (2019): The Local Economic Impact of Wind Power Deployment. FinanzArchiv (FA) / Public Finance Analysis, 75(1), 56.
Beispielsweise können Projektentwickler verpflichtet werden, Anwohnerinnen und Anwohnern direkte Beteiligungen an Windparks anzubieten. Dies wurde neben Dänemark auch in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt, wo AnwohnerInnen und Gemeinden im Umkreis von fünf Kilometern 20 Prozent der Projektbeteiligungen angeboten werden müssen. Alternativ können Betreiber neuer Windkraftanlagen dazu verpflichtet werden, Zahlungen an die anliegenden Gemeinden zu tätigen,Vgl. Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (2018): Ausgestaltungsoptionen und -empfehlungen zur finanziellen Beteiligung von Kommunen beim Ausbau von Windenergieanlagen an Land. Berlin, im Auftrag von Agora Energiewende (online verfügbar). wie dies Brandenburg 2019 eingeführt hat. Dort müssen pro Windenergieanlage 10 000 Euro pro Jahr an Gemeinden im Umkreis von drei Kilometern bezahlt werden.
Bei einer derartigen finanziellen Beteiligung haben Anwohnerinnen und Anwohner bzw. Gemeinden finanzielle Anreize, den Ausbau der Windkraft zu ermöglichen. Die direkte finanzielle Beteiligung der Standortgemeinden erhöht empirischen Studien zufolge im Vergleich mit einer finanziellen Beteiligungsmöglichkeit einzelner AnwohnerInnen die Akzeptanz stärker.Vgl. Pascal Vuichard, Alexander Stauch und Nathalie Dällenbach (2019): Individual or collective? Community investment, local taxes, and the social acceptance of wind energy in Switzerland. Energy Research & Social Science (58), 101275; Jorge H. García et al. (2016): Willingness to accept local wind energy development: Does the compensation mechanism matter? Energy Policy (99), 165–173; Fachagentur Windenergie an Land (2019b), a.a.O.
Eine einfache Beispielrechnung zeigt, dass beim Modell der finanziellen Beteiligung von Standortgemeinden bei vergleichsweise geringen zusätzlichen Kosten für die Anlagenbetreiber erhebliche Einnahmen für die Gemeinden entstehen würden. Die Kosten der Nutzung der Windenergie an Land würden selbst bei einer relativ hohen lokalen Ausgleichszahlung von 5000 Euro pro Megawatt installierter LeistungDie Orientierung an der Nennleistung hätte gegenüber einer pauschalen Zahlung pro Anlage den Vorteil, dass prinzipiell systemfreundlichere Anlagen installiert würden, vgl. Karsten Neuhoff, Nils May und Jörn Richstein (2017): Anreize für die langfristige Integration von erneuerbaren Energien: Plädoyer für ein Marktwertmodell. DIW Wochenbericht Nr. 42, 929–938 (online verfügbar). und Jahr um nur etwa 0,24 Cent pro Kilowattstunde (rund fünf Prozent der Stromgestehungskosten) ansteigen. Damit wäre Windenergie an Land immer noch günstiger als ein alternativer, noch stärker forcierter Ausbau von Offshore-Windenergie oder Photovoltaik-Aufdachanlagen. Dafür würden bei einem Windpark von zehn durchschnittlichen Anlagen mit 3,2 Megawatt Nennleistung Einkünfte von 160000 Euro pro Jahr für die anliegende(n) Gemeinde(n) generiert. Dies würde den Gemeinden einen deutlichen Anreiz bieten, Flächen für die Windenergienutzung bereitzustellen.
Zur Erreichung der deutschen Klimaziele für das Jahr 2030 wird ein Ausbau der Windenergie an Land benötigt, der deutlich über dem aktuellen Zubaupfad liegt. Die Erhaltung und Stärkung der Akzeptanz von Windenergie spielt dabei politisch eine wichtige Rolle.
Die Einführung strikter Mindestabstände Ende 2014 hat den Ausbau der Windenergie in Bayern zusammenbrechen lassen. Einer ökonometrischen Kausalanalyse zufolge ist die genehmigte Anlagenleistung 2015 und 2016 um bis zu 90 Prozent, mindestens aber um 60 Prozent zurückgegangen. Auch die Möglichkeit für Gemeinden, den Zubau unterhalb des Mindestabstands zu ermöglichen, hat diesen Einbruch nicht annähernd verhindern können.
Bundesweit einheitliche Mindestabstände von 1000 Metern dürften einen qualitativ ähnlichen Effekt haben und den Zubau der Windenergie deutschlandweit beschneiden. Das Ausmaß der Effekte hängt dabei wesentlich von der Definition der Abstände ab, insbesondere ob die Mindestabstände auch bereits für Splittersiedlungen und das Repowering von Altanlagen gelten. Der Literatur zufolge scheinen zusätzliche Mindestabstände die Akzeptanz für die Windenergie nicht wesentlich zu steigern. Bereits heute werden die Abstände zwischen Windkraftanlagen und Anwohnerinnen und Anwohnern über das Bundes-Immissionsschutzgesetz für jede Anlage projektspezifisch geregelt.
Eine finanzielle Beteiligung von Kommunen an neu errichteten Windkraftanlagen bietet die Möglichkeit, die Akzeptanz der Windenergie zu erhöhen. Statt den Zubau zu erschweren, würde dieser Ansatz die Bereitstellung von Flächen entlohnen. Dies würde raumplanerische Anreize setzen, Flächen für die Windkraftnutzung bereitzustellen und somit letztlich zum Ausbau der Windenergie beitragen. Eine erfolgreiche Energiewende kann sich einen Verzicht auf die Windenergie an Land nicht leisten.
Themen: Klimapolitik, Energiewirtschaft
JEL-Classification: C21;Q42;R14;R15
Keywords: panel data, difference-in-differences approach, wind power, minimum distance regulation, acceptance
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-48-4
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/214213