DIW Wochenbericht 50 / 2019, S. 952-960
Marius Clemens
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Die derzeit hohen Überschüsse in den öffentlichen Haushalten werden bis 2021 nahezu aufgebraucht sein. Dies liegt nicht nur an der schwächeren konjunkturellen Entwicklung – auch eine expansive Finanzpolitik trägt dazu bei: Im Jahr 2020 fallen vor allem die steuerlichen Entlastungen und nochmaligen Kindergelderhöhungen ins Gewicht, ein Jahr darauf dann insbesondere die weitgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlags sowie die geplante Einführung der Grundrente. Auch die Ausgaben steigen überdurchschnittlich, unter anderem im Rahmen des Klimaschutzgesetzes. Wenn defizitäre Entwicklungen im Bundeshaushalt und den Sozialkassen in der mittleren Frist bis 2024 vermieden werden sollen, dürften angesichts des bis dahin mehr und mehr zu Buche schlagenden demografischen Wandels nicht nur Beitragssatzerhöhungen bei den Sozialversicherungen erforderlich sein. Zu befürchten ist, dass staatliche Investitionen in Sach- und Humankapital deutlich reduziert werden. Dabei wäre ein Investitionsprogramm gleich doppelt lohnend: Würde der Staat in den nächsten sechs Jahren fünf Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in verschiedene Bedarfe investieren und anschließend verstetigen, stiege das Potentialwachstum bereits in der mittleren Frist um 0,3 Prozentpunkte. Zudem würden bereits bis 2024 über höhere Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen knapp 20 Milliarden Euro in die Staatskasse zurückfließen.
Dieser Bericht stellt die Entwicklungen der öffentlichen Haushalte in Deutschland im Detail dar. Er ist zweigeteilt: Im ersten Teil wird aufbauend auf der aktuellen Konjunkturprognose des DIW Berlin (Wintergrundlinien 2019)Vgl. dazu in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts Claus Michelsen et al. (2019): Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Winter 2019. DIW Wochenbericht Nr. 50, 926–950. für Deutschland der aktuelle Status quo sowie die kurz- und mittelfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen analysiert (Kasten). Im zweiten Teil wird auf Grundlage der aktuellen Potentialschätzung eine Szenarioanalyse durchgeführt. Es wird angenommen, dass ein Investitionspaket, das in den nächsten sechs Jahren jeweils fünf Milliarden Euro in bestehende Bedarfe investiert und anschließend bei dann zusätzlich 30 Milliarden Euro pro Jahr verstetigt wird. Die daraus resultierenden mittelfristigen Effekte auf das Potentialwachstum der deutschen Wirtschaft und den staatlichen Finanzierungssaldo werden denen des Status quo gegenübergestellt. Die kurz- und mittelfristige wirtschaftliche Dynamik des Status quo basiert auf den Ergebnissen der DIW Wintergrundlinien 2019.
Die Eckwerte der Mittelfristprojektion basieren auf der Potentialschätzung, die sich grundsätzlich an dem von der Europäischen Kommission vorgeschriebenen Verfahren orientiert.Für eine ausführliche Beschreibung dieser Methode siehe Karel Havik et al. (2010): The Production Function Methodology for Calculating Potential Growth Rates and Output Gaps. EU Commission, European Economy – Economic Papers 420. Dieses basiert auf einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion mit den Einsatzfaktoren Arbeitsvolumen, Kapitalstock und der totalen Faktorproduktivität (TFP). Absehbare demografische Effekte werden darüber hinaus berücksichtigt, indem die Entwicklung der Erwerbspersonen für unterschiedliche Kohorten getrennt nach Alter, Geschlecht und Herkunftsgruppen (Deutsche, EU, Nicht-EU) fortgeschrieben, geglättet und anschließend mit den Altersanteilen zu einer gesamtwirtschaftlichen Komponente aggregiert werden.Siehe Ferdinand Fichtner et al. (2017): Deutsche Wirtschaft bleibt gut ausgelastet: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Herbst 2017. DIW Wochenbericht Nr. 36 (online verfügbar).
In der Basisprojektion (ohne Investitionsprogramm) sinkt das Potentialwachstum von aktuell eineinhalb Prozent infolge der demografischen Entwicklung auf 0,8 Prozentpunkte zum Ende der Mittelfrist im Jahr 2024. Die derzeit positiven Produktions- und weitere Lücken (etwa bei der Beschäftigung) bauen sich bis 2024 ab. Die Beschäftigung stagniert dabei demografisch bedingt und geht zum Ende der Mittelfrist sogar leicht zurück. Da keine spürbaren Knappheiten bestehen, werden die Produzenten- und Konsumentenpreise mittelfristig in etwa mit ihrer langfristigen Trendrate von nahe 1,7 Prozent steigen und die Reallöhne dem Produktivitätszuwachs entsprechen – nominal ergeben sich Lohnsteigerungen von jahresdurchschnittlich knapp drei Prozent.
Der private Verbrauch wird trotz der kräftigen Lohndynamik mit deutlich geringeren Raten als zuletzt steigen, pro Kopf etwa mit einem Prozent. Die kräftigen Raten aus den Jahren 2019 bis 2021 sind allerdings auch durch die Vielzahl staatlicher Entlastungsmaßnahmen überzeichnet. Auch die mittelfristig geringeren Raten können jedoch nur erreicht werden, indem die privaten Haushalte teilweise auf ihre Ersparnisse zurückgreifen – die Sparquote sinkt deswegen deutlich. Die Investitionen entwickeln sich in der mittleren Frist verhaltener. Zum einen dürften öffentliche Investitionen infolge der sich abzeichnenden Haushaltsengpässe in Verbindung mit der strikten Neuverschuldungsrestriktion deutlich reduziert werden.Dennoch werden wohl rund 1,5 Milliarden Euro in den Jahren 2022 und 2023 zusätzlich im Rahmen des Klimaschutzgesetz ausgegeben. Zum anderen besteht für Firmen eine hohe Unsicherheit bezüglich der Auswirkungen des Fachkräftemangels und der Rentabilität potentieller Schlüsseltechnologien, sodass diese weniger in den langfristigen Kapazitätsaufbau investieren. Die Importe werden hingegen deutlich stärker steigen als in der kurzen Frist, denn die nachgefragten Güter können bei stagnierendem Erwerbspersonenpotential und relativ niedrigen Kapitalwachstumsraten in immer geringerem Maße mit inländischen Produktionsfaktoren produziert werden. Da sich annahmegemäß die derzeitige Unsicherheit im Welthandel in der mittleren Frist abgebaut hat, dürften die Exporte zwar mit deutlich höheren Raten wachsen als zuletzt. Dennoch werden die Importzuwächse wohl die Exportzuwächse übersteigen, so dass der Leistungsbilanzüberschuss mittelfristig deutlich sinken wird.
Im Szenario „Investitionsprogramm“ ist die Wachstumsrate zwischen 2021 und 2024 im Jahresdurchschnitt je knapp 0,3 Prozentpunkte höher. Dies liegt teils an einer gestiegenen ArbeitszeitSiehe Krebs und Scheffel (2017), a.a.O., insbesondere aber an Produktivitätsgewinnen. Diese ergeben sich für den Faktor Arbeit bereits ohne die (wahrscheinlich positiven) Effekte auf die TFP aufgrund eines moderneren Kapitalstocks – dieser Wirkungskanal wurde nämlich annahmegemäß ausgeblendet – allein schon durch den höheren Kapitaleinsatz. Dies mündet in höheren Lohnzuwächsen; der Zuwachs beim Pro-Kopf-Konsum in Höhe von einem Prozent ist – bei konstanter Sparneigung – aus dem höheren Einkommen finanzierbar. Auch die Gewinne steigen angesichts einer dynamischeren Wirtschaftsentwicklung stärker als im Basisszenario. Die Investitionen legen schon aufgrund der zusätzlichen öffentlichen Ausgaben stärker zu, vor allem aber schlagen die stimulierten privaten Investitionen zu Buche.Siehe Clemens, Goerge und Michelsen (2019), a.a.O. Dies führt auch zu noch höheren Importen – der Leistungsbilanzüberschuss bildet sich noch deutlicher zurück als im Basisszenario.
Der Staat erwirtschaftete bis zum dritten Quartal des Jahres 2019 einen deutlichen Finanzüberschuss in Höhe von rund 53 Milliarden Euro. Das sind dennoch zehn Milliarden Euro weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Rund 35 Prozent oder 19 Milliarden Euro davon gehen auf Überschüsse im Bundeshaushalt zurück.
Bis zum Ende des aktuellen Prognosezeitraums im Jahr 2021 wird der Finanzierungssaldo des Staates kontinuierlich abnehmen. Die im Vergleich zum Jahr 2018 schwächere wirtschaftliche Grunddynamik dürfte sich nach und nach in weniger stark steigenden Steuereinnahmen widerspiegeln. Darüber hinaus hat die Große Koalition eine Vielzahl expansiv wirkender Maßnahmen auf den Weg gebracht, die insbesondere den Haushalt des Bundes belasten werden. Dieser hat allerdings zusätzliche Vorsorge getroffen, um die strenge Regelung der schwarzen Null nicht zu verletzen. So dürften rund 40 Milliarden Euro an RücklagenBereits in diesem Jahr sollten rund sechs Milliarden Euro aus der Flüchtlingsrücklage zur Finanzierung der expansiven Ausgabenpolitik verwendet werden. Allerdings haben sich die Staatseinnahmen besser entwickelt als noch zu Beginn des Jahres erwartet, sodass wohl weitere rund vier Milliarden Euro in den Sondertopf fließen könnten. gebildet worden sein, die Extrahaushalte zur „Digitalen Infrastruktur“ und der Energie- und Klimafonds (EKF) haben einen Überschuss erwirtschaftet und auch das Kontrollkonto zur Schuldenbremse dürfte derzeit rund 37 Milliarden Euro im Plus sein.Auf das Kontrollkonto darf nicht direkt zugegriffen werden, allerdings verlängert ein Überschuss den Zeitraum, bis zu dem eine Schuldenabbaupflicht besteht. Siehe SVR Wirtschaft (2019): Jahresgutachten 2019/20, Kapitel 5: Die Schuldenbremse, nachhaltig stabilisierend, flexibel (online verfügbar). Defizite, die der Bund in den nächsten Jahren angesichts der expansiven Ausrichtung machen wird, könnten dadurch wohl auch 2020 und 2021 allein durch Rücklagenabbau ohne zusätzliche Neuverschuldung finanziert werden.Siehe Jens Boysen-Hogrefe (2019): Ergebnisse der Steuerschätzungen und „schwarze Null“ im Bund. Wirtschaftsdienst, 99. Jahrgang, Heft 11, 808–810. So wird mit einer Entnahme aus den Rücklagen in Höhe von gut elf Milliarden Euro im kommenden Jahr geplant; auch aus den Sondervermögen werden Mittel in Höhe von knapp fünf Milliarden Euro entnommen. Im Jahr 2021 werden die Rücklagen wohl vollständig aufgebraucht werden.
Wesentliche Ursache für die besser als erwartete Einnahmenentwicklung im Jahr 2019 ist der weiterhin robuste Arbeitsmarkt, der trotz des Einbruchs im Industriesektor überdurchschnittlich hohe Lohnsteuereinnahmen und Sozialbeiträge in die Staatskasse gespült hat. Nach Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) dürfte der Zuwachs bei den Lohnsteuereinnahmen im Jahr 2019 bei fast fünf Prozent liegen. Im Vergleich zum Vorjahr haben neben der konjunkturell bedingt etwas schwächeren Beschäftigungsdynamik vor allem die Maßnahmen des Familienentlastungsgesetzes, beispielsweise die Anpassung des Freibetrags und Anpassungen der Eckwerte des Einkommensteuertarifs, die Lohnsteuerdynamik etwas gedämpft (Tabelle 1).
Belastungen und Entlastungen des gesamtstaatlichen Haushalts in Milliarden Euro im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr
2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|
Einnahmen der Gebietskörperschaften2 | |||
Teilabschaffung Soli | −9,8 | ||
Alterseinkünftegesetz | −1,4 | −1,4 | −1,5 |
Mehreinnahmen durch steigende Rentenbesteuerung | 0,4 | 0,4 | 0,4 |
Familienentlastungsgesetz (ohne Kindergeld) | −3 | −4,5 | −1 |
Jahressteuergesetz 2019 | −0,3 | −0,2 | |
Turnusmäßige Anhebung der Freibeträge in der Einkommensteuer/Abbau kalte Progression 2021 | −3,1 | ||
Sonstige steuerliche Maßnahmen3 | −2,0 | −0,3 | 0,8 |
Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet | −0,6 | −0,2 | 0 |
Steuerliche Absetzbarkeit Erhöhung des PV-Beitrags | −1 | −0,3 | −0,2 |
Steuerliche Förderung von F&E-Ausgaben | 0 | −1,1 | |
Steuerliche Förderung Mietwohnungsneubau | −0,1 | ||
LKW-Maut (Ausweitung auf alle Bundesstraßen und Anhebung der Mauttarife zum 1. Januar 2019) | 1,7 | 0 | 0 |
Parität inkl steuerliche Absetzbarkeit | 1,1 | −0,1 | −0,4 |
Klimaschutzgesetz: CO2-Bepreisung in Verkehr und Wärme | 3,6 | ||
Klimaschutzgesetz: steuerliche Förderung (Gebäudesanierung, E-Mobilität, E-Dienstwagen, Zugfahrten) | −0,3 | −0,5 | |
Klimaschutzgesetz: Entlastungsmaßnahmen (EEG-Umlage, Pendlerpauschale, Wohngeld) | 0 | −1,2 | |
Klimaschutzgesetz: Erhöhung Luftverkehrsabgabe | 0,5 | 0,3 | |
Einnahmen der Sozialversicherungen | |||
Erhöhung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte zum 1. Januar 2019 | 7,2 | 0,2 | 0 |
Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte zum 1. Januar 2019 | −5,7 | 0 | 0 |
Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,1 Prozentpunkt zum 1. Januar 2020 | −1,1 | 0 | |
Ausweitung der Gleitzone (Midijobs) zum 1. Juli 2019 | −0,2 | −0,2 | 0 |
Änderung der Bemessungsgrundlage von Selbstständigen in der gesetzlichen Krankenversicherung | −0,8 | 0 | 0 |
Ausgaben der Gebietskörperschaften | |||
Kindergelderhöhung um 10 bzw. 15 Euro zum 1. Juli 2019 und 1. Januar 2021 | −1 | −1 | −2,6 |
Einsparungen bei ALG II durch das Familienentlastungsgesetz bzw. Kindergeldanhebung | 0,1 | 0,1 | 0,2 |
Parität beim Zusatzbeitrag zur GKV: Beschäftigte im Öffentlichen Dienst | −0,9 | 0 | 0 |
Gute KiTa-Gesetz | −0,5 | −0,5 | −1 |
Beihilfen aufgrund von Ernteausfällen von Bund und Ländern, Fluthilfemaßnahmen (Elbe, Saale 2017) | 0,2 | 0,3 | 0 |
Baukindergeld (inkl. Bayerische Eigenheimzulage und Baukindergeld Plus) | −0,5 | −0,5 | −0,1 |
Erhöhung des Wohngelds | −0,2 | −0,1 | |
Starke-Familien-Gesetz/ Kinderzuschlag | −0,2 | −0,6 | 0 |
Aufstockung des BAFöG, Aufstiegsfortbildung in der beruflichen Bildung | −0,1 | −0,5 | −0,2 |
Teilhabechancengesetz, Qualifizierungschancengesetz, Bundesteilhabegesetz | −0,7 | −0,5 | 0 |
Angehörigenentlastungsgesetz | −0,3 | 0 | |
Familiengeld (und Kindergartenzuschuss) in Bayern | −0,4 | −0,1 | 0 |
Verteidigung und Mehrpersonal innere Sicherheit | −3,3 | −1,3 | 0,2 |
Mehrausgaben für Entwicklungshilfe | −0,9 | −0,2 | 0,8 |
Kaufbonus E-Mobilität | −0,2 | 0 | 0,1 |
Zusätzliche investive Ausgaben4 | −2,1 | −2,1 | −1,9 |
Klimaschutzgesetz: Zusätzliche EKF-Ausgaben | −1,8 | −2,9 | |
Ausgaben der Sozialversicherungen | |||
Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung5 | −0,7 | −0,2 | −0,6 |
Qualifizierungschancengesetz (Arbeitslosenversicherung) | −0,7 | −0,3 | 0 |
Anpassung der Renten Ost | −0,2 | −0,5 | −0,4 |
Erhöhung der Zurechnungszeit der Erwerbsminderungsrente | −0,1 | −0,1 | −0,1 |
Parität beim Zusatzbeitrag zur GKV: Beiträge der Rentenversicherung zur Krankenversicherung der Rentner | −1,4 | 0 | 0 |
Grundrente | −1,5 | ||
Mütterrente II | −3,8 | 0 | 0 |
Pflegepersonalstärkungsgesetz und Konzentrierte Aktion Pflege | −0,3 | −0,8 | −0,7 |
Insgesamt | −22,0 | −18,7 | −24,8 |
darunter u.a. | |||
Investive Ausgaben6 | −3,6 | −3,5 | −3,1 |
Konsumtive Ausgaben (Investitionen in Humankapital)7 | −1,1 | −2,5 | −3,5 |
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent | −0,6 | −0,5 | −0,7 |
1 Ohne makroökonomische Rückwirkungen.
2 Die Wirkungen der Steuerrechtsänderungen beziehen sich auf das Kassenjahr.
3 Steuerrechtsänderungen: unter anderem Reform der Investmentbesteuerung, Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen, Betriebsrentenstärkungsgesetz, Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer.
4 Fonds für Breitbandausbau, Digitalpakt, Kaufbonus E-Mobilität, Gemeindeverkehrsfinanzierung, Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen.
5 Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung, Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, Gesetz zur Stärkung der Hilfs- und Heilmittelversorgung, Terminservice- und Versorgungsgesetz.
6 Zusätzliche investive Ausgaben, 50 Prozent EKF-Ausgaben, 66 Prozent Verteidigungsausgaben.
7 Gute-Kita-Gesetz, Pflegepersonalstärkungsgesetz, Konzentrierte Aktion Pflege, Personal innere Sicherheit, 50 Prozent EKF-Ausgaben.
Quellen: Bundesregierung, Bundesministerium der Finanzen, DIW Wintergrundlinien 2019.
Im nächsten Jahr werden die Lohnsteuereinnahmen im Rahmen dieses Gesetzes durch eine nochmalige Anhebung der Grund- und Kinderfreibeträge sowie eine weitere Verschiebung der Tarifeckwerte im Jahr 2020 weiter abgeschwächt. Aber auch die insgesamt schwache wirtschaftliche Dynamik trägt ihre Rechnung ins Jahr 2020 hinein, sodass die Lohnsteuereinnahmen insgesamt deutlich weniger stark steigen. Im Jahr 2021 dürften die Lohnsteuereinnahmen dann nochmals deutlich an Schwung verlieren. Dies liegt dann aber nicht an der konjunkturellen Entwicklung – stattdessen reduziert die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags die Steuerkasse um knapp zehn Milliarden Euro. Nichtsdestotrotz dürften die Lohnsteuereinnahmen über den gesamten Prognosezeitraum bis 2021 zunehmen.
Anders verhält es sich bei den Gewinnsteuern, insbesondere der Körperschaft- und der Gewerbesteuern, die in diesem Jahr wohl deutlich sinken dürften. Im nächsten Jahr werden wohl wieder geringfügig zu den Einnahmen beitragen, allerdings schlagen Steuerrechtsänderungen bei der nicht veranlagten Steuer vom Ertrag im Rahmen des Investmentsteuergesetzes deutlich negativ zu Buche. Insgesamt werden die Gewinnsteuereinnahmen im nächsten und übernächsten Jahr leicht ansteigen.
Die Umsatzsteuer dürfte auch wegen des robusten Konsums weiterhin mit kräftigen Raten von mehr als drei Prozent wachsen. Das Umfeld niedriger Zinsen ist eine Ursache für das erneut stark gesunkene Aufkommen aus der Abgeltungsteuer. In den nächsten Jahren kann hier wieder mit leichten Steigerungsraten gerechnet werden, denn das Zinsniveau wird wohl zumindest nicht weiter sinken. Das im November 2019 beschlossene Klimaschutzgesetz beeinflusst die Einnahmen des Staates ebenfalls. Bei den Bundes- und Ländersteuern wird das Aufkommen aus der Luftverkehrsteuer im Zuge der im Klimaschutzgesetz beschlossenen Erhöhungen der Eckwerte im nächsten und übernächsten Jahr wohl um knapp 500 beziehungsweise 800 Millionen Euro steigen. Diese Mehreinnahmen werden aber mit der Mehrwertsteuerentlastung bei Bahnfahrten verrechnet, sodass beides in Summe bis zum Jahr 2023 aufkommensneutral ist. Allerdings wird die Einführung einer CO2-Bepreisung wohl zu Mehreinnahmen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro im Jahr 2021 führen.
Unter dem Strich werden die Steuereinnahmen im laufenden Jahr um 2,7 Prozent zunehmen. Damit liegt die Steigerungsrate um voraussichtlich rund 1,8 Prozentpunkte niedriger als im vergangenen Jahr. In den Jahren 2020 und 2021 werden die Steuereinnahmen wohl um jeweils 2,6 Prozent steigen. Ihr Anteil am nominalen Bruttoinlandsprodukt wird damit bis 2021 um 0,2 Prozentpunkte sinken (Tabelle 2).
In Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt in Prozent
Staatseinnahmen | Staatsausgaben | Finanzierungssaldo | Nachrichtlich: Zinssteuerquote2 | Staatsschuldenquote nach Maastricht | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
insgesamt | darunter: | insgesamt | darunter: | ||||||
Steuern | Sozialbeiträge | Zinsausgaben | Bruttoinvestitionen | ||||||
2011 | 44,4 | 22,3 | 16,4 | 45,2 | 2,5 | 2,3 | −0,9 | 11,2 | |
2012 | 44,9 | 22,9 | 16,6 | 44,9 | 2,3 | 2,2 | 0,0 | 10,1 | |
2013 | 45,0 | 23,0 | 16,6 | 44,9 | 1,8 | 2,2 | 0,0 | 8,0 | |
2014 | 44,9 | 22,8 | 16,5 | 44,3 | 1,6 | 2,1 | 0,6 | 7,1 | |
2015 | 45,0 | 23,0 | 16,5 | 44,0 | 1,4 | 2,1 | 0,9 | 6,1 | |
2016 | 45,5 | 23,3 | 16,7 | 44,3 | 1,2 | 2,2 | 1,2 | 5,2 | |
2017 | 45,7 | 23,6 | 16,9 | 44,4 | 1,1 | 2,2 | 1,2 | 4,5 | |
2018 | 46,4 | 23,9 | 17,1 | 44,6 | 0,9 | 2,3 | 1,9 | 4,0 | 62 |
2019 | 46,8 | 24,0 | 17,4 | 45,3 | 0,8 | 2,5 | 1,5 | 3,5 | 59 |
2020 | 46,7 | 23,9 | 17,5 | 46,0 | 0,8 | 2,6 | 0,7 | 3,3 | 56 |
2021 | 46,5 | 23,8 | 17,5 | 46,3 | 0,7 | 2,7 | 0,2 | 3,0 | 54 |
2021/2019 | 46,7 | 23,9 | 17,5 | 45,9 | 0,8 | 2,6 | 0,8 | 3,3 | 56 |
2024/2022 | 46,7 | 23,7 | 17,8 | 46,7 | 0,8 | 2,4 | 0 | 2,7 | 50 |
1 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
2 Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen.
Quellen: Statistisches Bundesamt, DIW Wintergrundlinien 2019.
Die abgeschwächte Dynamik dürfte sich auch in der mittleren Frist in den Jahren 2022 bis 2024 fortsetzen. Die Hauptursache dafür sind demografische Effekte. Bei den Lohnsteuereinnahmen dürfte die aufgrund des Arbeitskräfteengpasses etwas stärkere Lohndynamik nicht die deutlicher zurückgehende Beschäftigungsdynamik kompensieren können. Auch die Gewinnsteuern entwickeln sich schwächer, denn zu den höheren Kosten von Arbeit und Kapital gesellt sich eine niedrigere Produktivität, die auch das Resultat des geringen Potentialwachstums ist. Beides wird sich letzten Endes wohl in den Gewinnen der Unternehmen bemerkbar machen. Hinzu kommen weitere Mindereinnahmen, die im Zuge der teilweisen Abschaffung des Solis auch in den Jahren 2022 und 2023 anfallen werden. Dem entgegen stehen Mehreinnahmen durch die CO2-Bepreisung, die in den Jahren 2022 und 2023 zusammen fast fünf Milliarden zusätzlich einspielen dürften. Im mittelfristigen Jahresdurchschnitt steigen die Steuereinnahmen damit um 2,5 Prozent (Tabelle 3).
In Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt in Prozent
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Einnahmen | Steuern | 24,0% | 23,9% | 23,8% | 23,8% | 23,7% | 23,7% |
Sozialbeiträge | 17,4% | 17,5% | 17,5% | 17,6% | 17,9% | 17,9% | |
Verkäufe | 3,7% | 3,7% | 3,7% | 3,7% | 3,7% | 3,7% | |
Sonstige Einnahmen | 4,7% | 4,7% | 4,7% | 4,7% | 4,7% | 4,7% | |
Insgesamt | 46,8 | 46,6 | 46,5 | 46,5 | 46,8 | 46,8 | |
Ausgaben | Vorleistungen | 5,2% | 5,3% | 5,3% | 5,4% | 5,4% | 5,4% |
Soziale Sachleistungen | 8,7% | 8,8% | 8,8% | 8,9% | 9,0% | 9,2% | |
Arbeitnehmerentgelte | 7,9% | 7,9% | 7,9% | 7,9% | 7,9% | 7,9% | |
Monetäre Sozialleistungen | 15,9% | 16,1% | 16,3% | 16,4% | 16,6% | 16,8% | |
Bruttoinvestitionen | 2,5% | 2,6% | 2,7% | 2,6% | 2,4% | 2,3% | |
Sonstige Ausgaben | 5,1% | 5,3% | 5,3% | 5,3% | 5,3% | 5,3% | |
Insgesamt | 45,3% | 46,0% | 46,3% | 46,6% | 46,8% | 46,8% | |
Finanzierungssaldo | 51,7 | 24,6 | 6,3 | 0,9 | 1,7 | −3,5 |
1 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
Quellen: Statistisches Bundesamt, DIW Wintergrundlinien 2019.
Auch bei den Sozialbeiträgen wirkt die dynamische Arbeitsmarktentwicklung der vergangenen Jahre bis ins Jahr 2019. Die Wachstumsrate bleibt im Vergleich zum Jahr 2018 wohl konstant bei 4,2 Prozent, allerdings wird die Dynamik von einer Vielzahl verschiedener, sich gegenseitig kompensierender Effekte geprägt. Im laufenden Jahr steht der Beitragssatzsenkung in der Arbeitslosenversicherung ein entsprechender Anstieg in der Pflegeversicherung gegenüber. Da der Personenkreis der Pflegeversicherten höher ist, folgen daraus Mehreinnahmen, die allerdings durch die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeglichen wird. Diese ist zwar für sich genommen aufkommensneutral, belastet aber die Rentenversicherung und den Staat als Arbeitgeber. In den folgenden Jahren werden die Sozialbeiträge mit 3,5 Prozent im Jahr 2020 und 3,2 Prozent im Jahr 2021 langsamer wachsen als zuletzt, da sich sowohl die Lohn- als auch die Beschäftigungsentwicklung abschwächen werden. Zwar wird der durchschnittliche Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung um 0,2 Prozentpunkte erhöht, jedoch bedeutet dies nicht, dass die Krankenkassen ihre Beiträge auch tatsächlich in dem Maße anpassen. Zudem werden die Beiträge der Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 2020 erneut gesenkt, befristet bis zum Jahr 2022 um 0,1 Prozentpunkte.
Nicht zuletzt wegen der bereits beschlossenen Rücknahme der Beitragssenkung zur Arbeitslosenversicherung im Jahr 2022 steigen die Sozialbeiträge in der mittleren Frist dann stärker an. Dies liegt aber vor allem an den zu erwartenden Erhöhungen des Beitragssatzes zur Rentenversicherung, der bis 2025 auf 20 Prozent steigen soll.Siehe Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2019): Rentenversicherungsbericht 2019. Auch bei der Pflegeversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung werden ab 2022 zunehmende Beiträge notwendig sein, um defizitäre Entwicklungen auszugleichen.
Die empfangenen Vermögenseinkommen haben etwas Dynamik verloren. Obwohl die Gewinnabführung der Deutschen Bundesbank mit 2,4 Milliarden Euro gut 0,5 Milliarden Euro höher war als noch im Jahr 2018, sind die Zinseinnahmen des Staates, insbesondere die der Gemeinden, merklich zurückgegangen. Auch in den nächsten Jahren wird das Vermögenseinkommen des Staates weiterhin sinken. Denn mit überdurchschnittlichen Dividendenzahlungen der Deutschen Post oder der Deutschen Bahn ist nicht zu rechnen. Vielmehr dürften die Zinseinnahmen weiter sinken. Auch in der mittleren Frist sprechen derzeit wenige Entwicklungen für eine strukturelle Änderung des Zinsumfeldes, sodass sich der Trend auch in der mittleren Frist fortsetzt.
Die empfangenen sonstigen Transfers werden sich im Jahr 2019 deutlich unterdurchschnittlich entwickeln. Zwar haben Strafzahlungen der Daimler AG im Zuge einer Verletzung der Aufsichtspflicht bei der Fahrzeugzertifizierung („Diesel-Skandal“) an das Land Baden-Württemberg im dritten Quartal 890 Millionen Euro in die Kasse gespült, allerdings ist das deutlich weniger als die zwei Milliarden Euro, die Volkswagen und Audi im vergangenen Jahr als Strafzahlung berappen mussten. In den nächsten Jahren sind hingegen erstmal keine außergewöhnlichen Zahlungen zu erwarten, womit die empfangenen sonstigen Transfers sowohl zum Ende der kurzen als auch in der mittleren Frist in etwa mit der Trendrate von knapp zwei Prozent wachsen dürften.
Auch die diesjährige Entwicklung der empfangenen Vermögenstransfers wird durch Sondereffekte aus dem letzten Jahr geprägt. Im Jahr 2018 musste die Firma Toll Collect im Zuge der verspäteten Einführung des Lkw-Mautsystems mehr als eine Milliarde Euro an den Bund zahlen, die in diesem Jahr wegfallen. Im gesamten Projektionszeitraum bis 2024 entwickeln sich die Vermögenstransfers dann wieder leicht positiv – gemäß dem langfristigen Trend mit einer Steigerungsrate von gut zwei Prozent.
Alles in allem nehmen die gesamtstaatlichen Einnahmen in diesem Jahr um 3,2 Prozent zu. Der Anteil der Staatseinnahmen am nominalen Bruttoinlandsprodukt beträgt rund 46,8 Prozent. In den nächsten Jahren expandieren die Einnahmen dann mit jeweils 2,7 Prozent deutlich langsamer, sodass auch ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt leicht sinkt, auf dann 46,5 Prozent. In der mittleren Frist werden die Einnahmen voraussichtlich um jahresdurchschnittlich 2,8 Prozent steigen.
Die Ausgaben des Staates werden im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr deutlich steigen. Dies ist vor allem auf die expansiv ausgerichtete Finanzpolitik zurückzuführen.
Besonders dynamisch haben sich die Vorleistungskäufe entwickelt, die im Zuge zusätzlicher investiver Maßnahmen in diesem Jahr um rund 5,2 Prozent steigen dürften. In den Folgejahren wird sich die Dynamik mit 4,7 und 4,2 Prozent etwas abschwächen, denn auch die investiven Ausgaben werden längst nicht mehr so deutlich steigen. In der mittleren Frist wird sich dieser Trend noch verstärken, denn die selbstauferlegte Finanzierungsrestriktion zwingt den Bund, die in den Jahren 2019 und 2020 angelegte Startrampe für ein großflächiges Investitionsprogramm zumindest teilweise wieder zurückzubauen.
Die sozialen Sachleistungen sind im Jahr 2019 um 4,1 Prozent und damit deutlich stärker gestiegen als noch im vergangenen Jahr (2,7 Prozent). In den nächsten Jahren wirken einige der bereits beschlossenen Maßnahmen nach beziehungsweise neue machen sich in der Staatskasse bemerkbar, beispielsweise das Terminservicegesetz und das Personalpflegestärkungsgesetz. Auch deshalb werden die sozialen Sachleistungen insgesamt um voraussichtlich 3,9 beziehungsweise 3,8 Prozent steigen. Aufgrund des medizinischen Fortschritts und der Alterung der Bevölkerung dürften sie auch mittelfristig mit ähnlich hohen Raten um die 3,5 Prozent wachsen.
Die Arbeitnehmerentgelte des Staates sind aufgrund von Tariflohnsteigerungen und des Beschäftigungsaufbaus im Jahr 2019 mit 3,9 Prozent nochmal etwas dynamischer expandiert als im Vorjahr. In den nächsten Jahren planen die Gebietskörperschaften weitere Neueinstellungen im Bereich der inneren Sicherheit, Kindergärten, Schulen und Universitäten. Darüber hinaus gehen auch im Staatsektor in den nächsten Jahren viele Beschäftigte in Rente, sodass Stellen wiederbesetzt werden müssen. Dies dürfte aufgrund zunehmender struktureller Arbeitsmarktengpässe in vielen Teilbereichen in den nächsten Jahren aber immer schwieriger werden. Die Beschäftigung im Staatssektor dürfte daher deutlich weniger stark steigen und zum Ende des Prognosezeitraums sogar leicht sinken. Zudem könnten die Lohn- und Tarifsteigerungen im Zuge der sich abschwächenden Konjunktur ebenfalls etwas geringer ausfallen als in diesem und im nächsten Jahr. Die Arbeitsentgelte dürften folglich um 3,7 und 3,4 Prozent in den Jahren 2020 und 2021 zunehmen. In der mittleren Frist wird die Arbeitsmarktdynamik allerdings nicht durch konjunkturelle Hochs und Tiefs beeinflusst. Die durchschnittliche Lohndynamik wird folglich durch die Preis- und Produktivitätsentwicklung bestimmt und beträgt jahresdurchschnittlich nur noch 2,6 Prozent.
Die monetären Sozialleistungen expandieren im Jahr 2019 mit 4,8 Prozent recht kräftig. Dies geht vor allem zurück auf finanzpolitische Maßnahmen wie die Erweiterung der Mütterrente, Erhöhungen des Kindergeldes, der BaföG-Leistungen und des Wohngeldes sowie die Leistungsausweitungen für Erwerbsgeminderte bei der Rentenversicherung. Im Zuge des leichten Anstiegs der Arbeitslosenquote haben auch die Zahlungen von Arbeitslosengeld leicht zugenommen. Zudem waren die Rentenanpassungen mit gut 3,3 Prozent recht hoch und für viele Rentnerinnen und Rentner aus Ostdeutschland wurde der Rentenwert weiter an den westdeutschen angepasst. Im nächsten Jahr steigen die monetären Sozialleistungen dann mit 4,5 Prozent etwas weniger stark. Die finanzpolitischen Maßnahmen und RentenanpassungenDie Renten werden um 3,9 Prozent in Ostdeutschland und 3,15 Prozent in Westdeutschland steigen und damit deutlich weniger als noch zu Beginn des Jahres erwartet. Gemäß der im Zuge der Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) im August 2019 deutlich nach oben revidierten Bruttolöhne und -gehälter hätten die Renten gemäß der Rentenanpassungsformel um fünf Prozent steigen müsse. Der Anstieg wäre allerdings verzerrt gewesen, denn allein auf die Revision gingen ungefähr zwei Prozentpunkte zurück. fallen etwas geringer aus, allerdings steigt die Zahl der Arbeitslosen leicht. Im Jahr 2021 werden die Transferleistungen abermals durch eine Kindergelderhöhung, diesmal um 15 Euro pro Monat und Kind, ansteigen. Die Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung und das Arbeitslosengeld II dürften hingegen angesichts der wieder etwas verbesserten Arbeitsmarktlage leicht zurückgehen. Allerdings wird wohl zum 1. Januar 2021 die Grundrente mit einem Umfang von rund eineinhalb Milliarden Euro jährlich eingeführt, sodass die monetären Sozialleistungen im Jahr 2021 mit 4,0 Prozent weiterhin dynamisch zunehmen. In der mittleren Frist werden die monetären Sozialleistungen dann demografisch bedingt wohl stärker wachsen als die Bruttolöhne und Gehälter.
Die Zinsausgaben dürften angesichts der jüngst verkündeten Fortführung des geldpolitischen Niedrigzinskurses weiter sinken, denn die Refinanzierung der Staatsschulden erfolgt zu deutlich günstigeren Konditionen. Insbesondere der Bund profitiert davon – die Rendite von Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ist sogar negativ, das heißt der Bund bekommt sogar Geld von den Anlegern, statt diesen Zinsen zahlen zu müssen. Dieser Effekt verliert in den Jahren bis 2024 allerdings mehr und mehr an Bedeutung, sodass sich der Rückgang der Zinsausgaben verlangsamt.
Der Anstieg der sonstigen laufenden Transfers um 4,5 Prozent ist insbesondere auf die Aufstockung der Entwicklungshilfe zurückzuführen. Im kommenden Jahr werden zudem die Abführungen Deutschlands an die EU höher ausfallen. Zudem dürften wohl einige Maßnahmen, die im Rahmen des Klimaschutzgesetzes verabschiedet wurden, die Dynamik verstärken, sodass auch die sonstigen laufenden Transfers um elf Prozent im Jahr 2020 ansteigen. Im Jahr 2021 ist die Dynamik mit sechs Prozent dann zwar etwas schwächer, aber auch wegen einiger Ausgaben im Rahmen des Klimaschutzprogramms im Niveau noch recht hoch. Auch in der mittleren Frist wirkt das Klimaschutzgesetz noch etwas nach, sodass die Ausgabendynamik überdurchschnittlich bleibt.
Die staatlichen Bruttoinvestitionen werden infolge verschiedener investiver Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden in diesem Jahr deutlich zulegen. Die Bauinvestitionen steigen insbesondere durch beschlossene Maßnahmen wie dem Ausbau des Breitbandnetzes, Investitionen in die kommunale Infrastruktur sowie investiver Ausgaben im Rahmen des Klimaschutzgesetzes. Auch die Ausrüstungsinvestitionen werden durch zusätzliche Verteidigungsausgaben dynamisch zulegen; die sonstigen Investitionen entwickeln sich im Zuge der Ausweitung von FuE-Investitionen nochmals expansiver. Der Grund für diese relativ hohe Dynamik liegt vor allem in verschiedenen InvestitionsbedarfenDabei bestehen die Bedarfe nicht nur bei Investitionen beziehungsweise beim Sachkapitalbestand nach VGR-Abgrenzung, sondern umfassen auch Investitionen in den Personalbestand (Humankapital), der nach VGR-Abgrenzung als Staatskonsum verbucht wird., in erster Linie in den Bereichen Schulen und Kindergärten, Infrastruktur, Digitalisierung, sozialer Wohnungsbau und nicht zuletzt Klima- und Umweltschutz.
Allerdings wird die dynamische Entwicklung bei den Investitionen wohl zum Ende der kurzen Frist beziehungsweise mittelfristig wieder enden. Bisher ist nämlich nicht vorgesehen, die Investitionstätigkeit über das Jahr 2021 hinaus zu intensivieren und zu verstetigen. Der aktuelle finanzielle Überschuss in den öffentlichen Haushalten schmilzt bis zum Jahr 2021 deutlich ab. Im nächsten Jahr wird er zwar wohl immer noch bei knapp 25 Milliarden Euro beziehungsweise 0,6 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts liegen. Allerdings dürfte der gesamtstaatliche Überschuss im Jahr 2021 – auch wegen der wegfallenden Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag – nur noch rund sechs Milliarden Euro betragen. Der Bund dürfte damit seinen finanziellen Spielraum aufgebraucht haben. In der mittleren Frist werden dann potentielle Finanzierungsdefizite bei den Gebietskörperschaften und den Sozialversicherungen wohl durch eine deutlich niedrigere Dynamik der investiven Ausgaben und eine Erhöhung der Sozialbeiträge finanziert.
Nach Bereinigung um konjunkturelle und Einmaleffekte dürfte der strukturelle Finanzierungssaldo im Jahr 2019 wohl gut 49 Milliarden Euro (1,4 Prozent in Relation zum Produktionspotential) betragen und im Jahr 2020 auf 23 Milliarden Euro (0,7 Prozent in Relation zum Produktionspotential) sinken (Tabelle 4). Im Jahr 2021 geht der strukturelle Finanzierungssaldo nochmals zurück, auf dann drei Milliarden Euro. Gemäß Schuldenbremse ergäbe sich eine zulässige Neuverschuldung in Höhe von gut sieben beziehungsweise knapp elf Milliarden Euro in diesem beziehungsweise im nächsten Jahr. Der Bruttoschuldenstand des Staates in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt dürfte ohne zusätzliche Neuverschuldung bis 2021 auf 54 Prozent sinken und damit deutlich unterhalb des Maastricht-Referenzwertes liegen. In der mittleren Frist wird er dann sogar bis auf 50 Prozent zurückgehen.Allerdings muss ein niedriger Schuldenstand keineswegs optimal sein. Siehe S. Rao Aiyagari und Ellen R. McGrattan (1998): The optimum quantity of debt. Journal of Monetary Economics, 42 (3), 447–469; und Marcel Fratzscher, Alexander Kriwoluzky und Claus Michelsen (2019): Gut investierte Schulden sind eine Entlastung in der Zukunft. Wirtschaftsdienst, 99. Jahrgang, Heft 5.
In Relation zum Produktionspotential in Prozent
2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Finanzierungssaldo | 1,9 | 1,5 | 0,7 | 0,2 | 0,0 | 0,0 | −0,1 |
Konjunkturkomponente1 | 0,6 | 0,1 | 0,0 | 0,1 | 0,1 | 0,0 | 0,0 |
Konjunkturbereinigter Finanzierungssaldo | 1,3 | 1,4 | 0,7 | 0,1 | 0,0 | 0,0 | −0,1 |
Einmaleffekte2 | –0,1 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Struktureller Finanzierungssaldo | 1,3 | 1,4 | 0,7 | 0,1 | 0,0 | 0,0 | −0,1 |
Zinsausgaben | 0,9 | 0,8 | 0,8 | 0,7 | 0,7 | 0,7 | 0,7 |
Struktureller Primärsaldo | 2,3 | 2,3 | 1,4 | 0,8 | 0,7 | 0,7 | 0,6 |
1 Berechnet mit einer Budgetelastizität von 0,504.
2 Übernahme von HSH Nordbank, Strafzahlungen von Automobilkonzernen, Zahlungen an Toll Collect, Gerichtsurteile.
Quellen: Statistisches Bundesamt, DIW Wintergrundlinien 2019.
Eine zentrale aktuelle Frage ist, ob der Staat das Potentialwachstum der Volkswirtschaft – beispielsweise über ein großes Investitionsprogramm – beeinflussen kann. Dabei geht es nicht um ein Konjunkturpaket, sondern um ein langfristiges Investitionsprogramm, um den Modernisierungs- und Erhaltungsbedarf der deutschen Wirtschaft zu decken.Siehe Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie (2015): Stärkung von Investitionen in Deutschland. Abschlussbericht (online verfügbar); Tom Krebs und Martin Scheffel (2017): Öffentliche Investitionen und inklusives Wachstum in Deutschland. Bertelsmann Stiftung (online verfügbar); Tom Krebs und Martin Scheffel (2017): Lohnende Investitionen. Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 28 (3) (online verfügbar); und Hubertus Bardt et al. (2019): Für eine solide Finanzpolitik: Investitionen ermöglichen!. IMK Report 152, November 2019 (online verfügbar).
Der in verschiedenen Studien berechnete langfristige Investitionsbedarf unterscheidet sich je nach Abgrenzung der Investitionen (VGR vs. Ökonomische Theorie), nach Gebietskörperschaft (Bund und Länder vs. Kommunen) sowie nach der Messung des zu deckenden Bedarfs (Modernisierungs- oder Nachholbedarf). Werden lediglich die Investitionen nach VGR-Definition verwendet, bleibt ein Teil des geforderten Bedarfs unberücksichtigt. Aber Kitas, Schulen und auch Hochschulen haben neben Renovierungs- und Ausstattungsbedarf insbesondere einen Personalmangel, um Qualitätskriterien, etwa einen bestimmten Betreuungsschlüssel in Kindertageseinrichtungen, einhalten zu können. Auch die immer wieder geforderte Erhöhung der Kapazitäten anderer öffentlicher Einrichtungen, beispielsweise der Bauplanungsbehörden, wird ohne zusätzliches Personal wohl kaum gelingen. Geht man von der Berechnung von Krebs und ScheffelVgl. Krebs und Scheffel (2017), a.a.O. aus dem Jahr 2017 aus und rechnet aktuelle Bedarfe im Bereich Klimaschutz und Ganztagesbetreuung, die zum Teil auch im Rahmen des Koalitionsvertrags bis 2023 beschlossen wurden, hinzu, verbleibt für alle Gebietskörperschaften gemeinsam ein zusätzlicher Investitionsbedarf von rund 45 Milliarden Euro pro Jahr bis 2030. Davon fällt wiederum ein Teil auf die Kommunen zurück, die einen Nachholbedarf von 138 Milliarden Euro haben.KfW (2019): KfW-Kommunalpanel 2019. KfW Research. Zieht man diesen ab, ergibt sich ein Investitionsbedarf in Höhe von rund 30 Milliarden Euro pro Jahr. Aufgrund von Planungs- und Kapazitätsengpässen ist es jedoch nicht sinnvoll, den gesamten Bedarf von heute auf morgen zu decken. Stattdessen sollten die Investitionen einem zunächst stetig steigenden Pfad folgen, der dann nach etwa vier bis fünf Jahren den Zielbetrag in Höhe von 30 Milliarden Euro erreicht. Anschließend wird das höhere Investitionsniveau dann real verstetigt (Abbildung). In den Jahren 2019 und 2020 folgen die investiven Ausgaben der Gebietskörperschaften inklusive Ausgaben für Humankapital bereits weitestgehend diesem vorgeschlagenen Investitionspfad (Abbildung, Balken). Die Basis für eine langfristige Investitionsoffensive hat die derzeitige Bundesregierung folglich schon angelegt. Allerdings wird der finanzpolitische Spielraum in den nächsten Jahren enger, wodurch die Gefahr besteht, dass notwendige Investitionen in der mittleren Frist nicht getätigt werden.
Um die direkten Aus- und Rückwirkungen auf das Potentialwachstum und die öffentliche Finanzsituation abschätzen zu können, wird ein Szenario berechnet, in dem die Bundesregierung in jedem der kommenden sechs Jahre jeweils fünf Milliarden Euro zusätzlich investiert und die Investitionen dann bei 30 Milliarden Euro verstetigt (Abbildung, rote Linie).
In diesem Szenario erhöht sich die Wachstumsrate des Produktionspotentials jahresdurchschnittlich um knapp 0,3 Prozentpunkte (Tabelle 5). Erstens erhöhen öffentliche Investitionen direkt den gesamtwirtschaftlichen Kapitalstock. Zweitens werden private Investitionen durch eine höhere öffentliche Investitionstätigkeit stimuliert (Crowding-in).Ausgangspunkt für den hier angesetzten Effekt ist eine Erweiterung von Marius Clemens, Marius Goerge und Claus Michelsen (2019): Öffentliche Investitionen sind wichtige Voraussetzung für privatwirtschaftliche Aktivität. DIW Wochenbericht Nr. 31 (online verfügbar) um zustandsabhängige Crowding-in beziehungsweise Crowing-out Effekte in einem Local-Projection-Modell, die das derzeitige Niedrigzinsumfeld explizit berücksichtigt und zu einem jahresdurchschnittlichen signifikanten Crowding-in-Effekt in Höhe von gut zwei kommt. Rechnet man den kurzfristigen (konjunkturellen) Nachfrageeffekt heraus, beträgt der Crowding-in-Effekt 1,5. Der Effekt auf das Produktionspotential wird allerdings durch höhere Importe etwas abgeschwächt. Drittens erhöhen Personal- und Sachkapazitäten im Bereich Schulen und Kindergärten die durchschnittliche Arbeitszeit, weil die ansonsten betreuenden Elternteile ihre Arbeitszeit erhöhen.Wichtig ist allerdings, dass die Mittel in den Ausbau und Betrieb von Kitas und Ganztagsschulen fließen und nicht in weitere Gebührenbefreiungen. Siehe dazu auch Mathias Hübner, Astrid Paper und Katharina Spieß (2019): Gebührenbefreiung des letzten Kita-Jahres: Mütter weiten ihre Arbeitszeit nur kurzfristig aus. DIW Wochenbericht Nr. 48 (online verfügbar). Alle Komponenten dürften auch kurzfristige Nachfrageeffekte mit sich bringen, die das Ergebnis tendenziell verstärken, von denen aber abstrahiert wird, sodass die vorliegende alternative Mittelfristprojektion eher zurückhaltend ist. Dennoch würde ein solches Investitionsprogramm bereits bis zum Jahr 2024 zusätzliche Einnahmen in Höhe von kumuliert 20 Milliarden Euro generieren – und damit die investiven Ausgaben teilweise finanzieren. Denn insbesondere die Lohn- und Gewinnsteuern, aber auch die Einnahmen aus Sozialbeiträgen, dürften im Zuge der höheren Produktivität und der daraus folgenden Lohn- und Gewinndynamik steigen. Die dann zusätzlich benötigten Mittel sind vom Umfang her im Rahmen der Schuldenbremse zulässigUnter der Annahme, dass die Wirtschaft in der Mittelfrist gemäß des Potentials wächst und folglich die Produktionslücke nahezu geschlossen ist, sowie keine finanziellen Transaktionen und keine Änderungen der Sondervermögens auftreten, beträgt die maximal mögliche Neuverschuldung 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts und damit rund zwölf Milliarden Euro. Allerdings könnten die durch das Investitionsprogramm ausgelösten konjunkturellen Auswirkungen diesen Betrag reduzieren. und der Schuldenstand stiege sogar langsamer als das nominale Bruttoinlandsprodukt: Die Schuldenquote läge – wie in der Basisprojektion – zum Ende der Mittelfrist bei 50 Prozent.
Abweichung zur Mittelfristprojektion ohne Investitionsprogramm
2021 | 2022 | 2023 | 2024 | |
---|---|---|---|---|
(in Milliarden Euro) | ||||
Einnahmen | 0,0 | 2,6 | 6,5 | 10,2 |
Steuern | 0,0 | 1,9 | 4,6 | 7,2 |
Sozialbeiträge | 0,0 | 0,6 | 2,0 | 3,1 |
Ausgaben | 5,0 | 10,1 | 15,0 | 19,0 |
Investive Ausgaben inklusive Humankapital | 5,0 | 10,0 | 15,0 | 20,0 |
Finanzierungssaldo | −5,0 | −7,6 | −6,7 | −3,2 |
Potentialwachstum (in Prozentpunkten) | ||||
Produktionspotential | 0,1 | 0,1 | 0,2 | 0,3 |
Kapitalstock | 0,1 | 0,3 | 0,4 | 0,5 |
Arbeitsvolumen (Potential) | 0,0 | 0,1 | 0,2 | 0,2 |
nachrichtl. Produktionspotential (baseline) | 1,4 | 1,2 | 0,9 | 0,8 |
Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesregierung, Bundesministerium der Finanzen, DIW Wintergrundlinien 2019.
Themen: Öffentliche Finanzen, Konjunktur
JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Public finance forecast, medium-term, public investment
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-50-5
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/213334