DIW Wochenbericht 51/52 / 2019, S. 978
C. Katharina Spieß
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Die neuesten und nicht nur erfreulichen Pisa-Testergebnisse haben wieder einmal für viel Aufregung gesorgt. Nun werden erneut zahlreiche Ideen diskutiert, wie es besser werden kann. Darunter auch solche, die mit der frühen Bildung zu tun haben. Aus bildungsökonomischer Perspektive ist das durchaus richtig, denn viele empirische Studien zeigen, dass frühkindliche Bildungsinvestitionen besonders rentabel sind. Dies hat auch damit zu tun, dass sich aufbauend auf frühkindlichen Fähigkeiten weitergehende Kompetenzen besser entwickeln können. Hinzu kommt, dass eine qualitativ gute frühe Bildung und Betreuung auch dazu beitragen kann, die Mobilität zwischen den Generationen zu erhöhen. Es ist mittlerweile weitgehend Konsens, dass die frühe Förderung zentral ist und auch dort angesetzt werden muss. In diesem Zusammenhang wird auch wieder der Ruf laut, dass eine Kita-Pflicht für das letzte Jahr vor der Einschulung zur Lösung des Problems beitragen könne.
Eine solche Forderung verkennt allerdings, dass im Durchschnitt bereits 97 Prozent aller Fünfjährigen in Deutschland eine Kindertageseinrichtung besuchen. Eine Kita-Pflicht für dieses Alter kann folglich kaum einen Effekt haben. Zumal die drei Prozent der Kinder, die keine Kita besuchen, nicht aus einer bestimmten Gruppe kommen – also beispielsweise nicht nur Kinder aus sozioökonomisch schlechter gestellten Haushalten sind, sondern aus allen Gruppen der Gesellschaft. Betrachtet man die drei Jahre und älteren Kinder, die keine Kindertageseinrichtung besuchen, was im bundesweiten Durchschnitt „immerhin“ sechs Prozent sind, zeigt sich, dass sie aus Haushalten über alle Einkommensgruppen hinweg kommen. Es sind allerdings primär Kinder nicht erwerbstätiger Mütter und vermehrt Kinder, bei denen beide Elternteile einen Migrationshintergrund haben. Befragt nach den Gründen, warum Kinder im Kindergartenalter keine Kita nutzen, geben Eltern unterschiedliche Antworten, die allerdings oft damit zu tun haben, dass sie ihre Kinder für zu jung für eine Kita halten – immerhin ein Drittel der Mütter von Kindern im sogenannten Kindergartenalter sagt aber auch, keinen Platz bekommen zu haben. Sie würden, so kann man annehmen, einen Platz nutzen, wenn sie einen solchen in ihrer Nähe hätten. Dafür braucht es keine Kita-Pflicht, sondern einen weiteren konsequenten Ausbau von Kita-Plätzen dort, wo sie gefragt sind – einen Rechtsanspruch haben wir ohnehin schon. Eine Kita-Pflicht für das letzte Kita-Jahr würde also nicht in großem Stil mehr Kinder in Kindertageseinrichtung bringen.
Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen sollte besser auf den vielen anderen Baustellen im frühen Bildungs- und Betreuungsbereich weitergearbeitet werden. Beispielsweise bei der Kita-Qualität, die entscheidend ist für eine bessere frühkindliche Förderung. Wir brauchen mehr pädagogische Fachkräfte in Kitas, damit diese gezielt mit bildungsbenachteiligten Kindern arbeiten können. Damit verbunden sollte auch eine bessere Bezahlung selbiger einhergehen, damit auch dem Fachkräftemangel in diesem Bereich etwas entgegengesetzt wird. Darüber hinaus gilt es allen Kindern zu ermöglichen, nicht erst in den letzten Jahren vor der Einschulung eine Kita zu besuchen, sondern früher, denn bereits dann kann Sprachförderung und vieles mehr beginnen. Nach wie vor liegen die Nutzungsquoten im Bereich der unter Dreijährigen zum Beispiel für Kinder, bei denen beide Eltern einen Migrationshintergrund oder ein geringes Bildungsniveau haben, weit unter denen anderer Kinder. Auch hier gibt es viele gute Ansätze und Modellprojekte, um die Teilhabe für alle zu erhöhen. Solche Ansätze sollten verstetigt und nachhaltig gefördert werden. Zusätzliche Ressourcen sollten also in die existierenden Baustellen gesteckt werden, bevor weitere aufgemacht werden. Eines ist klar: Zusätzliche und nachhaltige Investitionen könnten, wenn sie zielgerichtet eingesetzt werden, dazu beitragen, dass die heutigen Kita-Kinder bei künftigen Pisa-Tests besser abschneiden.
Dieser Beitrag ist in einer längeren Version am 17. Dezember 2019 in der Frankfurter Rundschau erschienen.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Familie, Bildung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-51-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/213341