Medienbeitrag vom 23. Dezember 2019
Dieser Beitrag ist am 23. Dezember 2019 als Gastbeitrag auf Focus ONLINE erschienen.
Ein Jahr der Widersprüche neigt sich dem Ende. Einerseits wird die FridaysForFuture-Bewegung immer größer und globaler. Andererseits geht Saudi Aramco an die Börse, sammelt knapp zwei Billionen Euro ein und ist jetzt das wertvollste Unternehmen der Welt.
Auf der einen Seite kürt das "Time Magazine" Greta Thunberg zur Person des Jahres. In der Begründung heißt es, sie habe „führende Politiker, von Bürgermeistern bis zu Präsidenten, überredet, Verpflichtungen einzugehen, an denen sie zuvor herumgefummelt hatten“. Auf der anderen Seite wird in Deutschland nur ein halbherziges Klima-Paket präsentiert. Der mit großem Tamtam angekündigte Klima-Tiger landet als bescheidener Bettvorleger. Entschieden wurde nicht, was klimapolitisch notwendig wäre, sondern lediglich, was politisch durchsetzbar erscheint. Da war die Mutlosigkeit größer als die Weitsicht.
Inmitten solcher Irrungen und Wirrungen empfiehlt sich die konsequente Verfolgung einer zügigen Energiewende. Das deutsche Klima-Paket taugt dafür leider nur bedingt.
Erfreulich ist: Der Ausbau-Deckel für Solarenergie wird abgeschafft. Ab 2026 sind keine neuen Ölheizungen mehr erlaubt. Die energetische Gebäudesanierung wird finanziell stärker unterstützt, genauso wie der Schienenverkehr. Ladeinfrastruktur für Elektroautos und der ÖPNV sollen ausgebaut werden.
Ärgerlich ist: Der gewählte CO2-Preis ist - trotz Anpassung dank Bundesrat - noch immer zu niedrig, um eine ausreichende Lenkungswirkung zu entfalten Aber immerhin kann durch die leichte Erhöhung überhaupt eine Emissionsminderung erreicht werden, das ist besser als nichts...Der gewählte Weg eines „Pseudo-Emissionsrechtehandels“ ist zudem juristisch bedenklich. Mit einer CO2-Steuer wäre diese Problematik schnell, einfach, transparent und planbar umgangen worden. Gekoppelt an eine Klimaprämie, die pro Kopf ausgezahlt wird, hätte man – wie in der Schweiz – zudem die Einkommensschwächeren entlastet. Stattdessen profitieren von der erhöhten Pendlerpauschale ausgerechnet einkommensstarke Autofahrer. Das Dieselprivileg bleibt. Klima-Maut und Kerosinsteuer gibt es immer noch nicht. Dagegen bleibt die Stromsteuer; eine Senkung wäre den erneuerbaren Energien zugute gekommen.
Solche Details konterkarieren die Klimaziele. Das Scheitern ist somit vorprogrammiert. Wenn Deutschland demnächst teure CO2-Zertifikate dazukaufen muss, wird es heißen, Klimaschutz koste Milliarden. Aber nein, die Kosten entstehen nicht durch konsequenten Klimaschutz, sondern durch inkonsequente Politik.
Zukunftweisende Signale kommen stattdessen aus Brüssel: Europa bringt den Green Deal auf den Weg und will die Treibhausgasemissionen in allen Bereichen schneller senken. Das könnte dem lahmen deutschen Klimapaket auf die Sprünge helfen. Denn Deutschland muss nun seine Klimaziele schärfen und an die ambitionierteren EU-Ziele anpassen. Jährliche Überprüfungen stehen sowohl auf EU- wie auch auf nationaler deutscher Ebene im Programm. Heißt: Nachsteuern bei Nicht-Erfüllung.
Und was, wenn nicht? Die Sanktionen bei Nichterreichen der Klimaziele sind leider noch recht vage. So werden am Ende schlimmstenfalls andere Länder die Klima-Schulden bezahlen, die Deutschland und die westlichen Industrienationen seit Jahrzehnten anhäufen.
Ein juristisch valides Klimagesetz wäre jetzt wichtig. Dann könnte Deutschland – mit Rückenwind aus Brüssel – endlich wieder eine Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz übernehmen und das Jahr 2020, in dem der unumkehrbare Klimaschutz begonnen hat, ginge als „Tipping Point“ in die Geschichte ein. Es wäre an der Zeit!
Themen: Energiewirtschaft , Klimapolitik