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Ein europäischer grüner Deal mit vielen Facetten: Kommentar

DIW Wochenbericht 5 / 2020, S. 76

Karsten Neuhoff

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Europa hat sich große Ziele gesetzt: Mit dem European Green Deal hat sich unser Kontinent vorgenommen, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Der Begriff Deal bezieht sich auf Franklin Roosevelts New Deal, der in den 1930er Jahren mit Investitionsprojekten, Regulierungen und Finanzmarktreformen die USA aus der Weltwirtschaftskrise führte. Doch was bedeutet eigentlich Deal? Das Lexikon macht viele Vorschläge:

Deal als Geschäft

Natürlich geht es für alle Unternehmen ums Geschäft. Sie wollen Gewinne machen, aber gesellschaftlich ist dieses Geschäft auch Grundlage von Arbeitsplätzen und Steuern für unsere Sozialsysteme. Die wachsende Diskrepanz zwischen der dringender werdenden Reduktion von Treibhausgasen einerseits und den weiterhin unzureichenden Energie- und Klimapolitikmaßnahmen andererseits führt zu immer größeren Unsicherheiten bei den Unternehmen. Welche Gesetzesvorhaben bringt die Regierung auf den Weg, welcher regulatorische Rahmen wird entstehen? Diese Unsicherheiten verzögern langfristig orientierte Investitionen, zum Beispiel in (grüne) Innovationen. Mit dem Deal kann die Kohärenz und damit die Investitionssicherheit gestärkt werden.

Deal als Coup

In den letzten Jahren hat Europa einige Rückschläge verkraften müssen: Brexit, Ukraine, Syrien und Iran sind da nur einige innen- und außenpolitische Stichworte. Mit dem European Green Deal könnte es gelingen, nach außen Glaubwürdigkeit und Respekt sowie nach innen wieder Gemeinschaftsgefühl und Solidarität zu erringen. In den internationalen Klimaverhandlungen Ende letzten Jahres war die mit dem Deal anvisierte EU-weite Klimaneutralität das Highlight. Jetzt warten Zivilgesellschaft, Investoren und Unternehmen gespannt darauf, wie der Deal konkret umgesetzt wird: Welche Teile unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handelns werden bereits 2030 klimaneutral sein und mit welchen Politikmaßnahmen erreichen wir das?

Deal als Abkommen

Die Diskussionen zum Brexit zeigen, wie eng die Wirtschaftsbeziehungen innerhalb Europas und wie wichtig europäische Marktregeln und Regulierungen sind. Der European Green Deal ist ein Abkommen über alle Regionen der EU und alle Sektoren hinweg: Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu Klimaneutralität, sozialem Zusammenhalt und zukunftsfähigen Märkten. Das Abkommen beinhaltet das gegenseitige Versprechen, dass dabei niemand alleine gelassen werden soll. Beim Kohleausstieg sehen wir bereits, wie wichtig insbesondere neue Perspektiven für betroffene Regionen sind. Wird es in den anstehenden Diskussionen zum nächsten EU-Budget gelingen, mehr als die bisher vorgesehenen 25 Prozent der Mittel dem Klima zu widmen und dabei noch klarer zu definieren, welche Ausgaben angerechnet werden können?

Deal als Handel

Die internationalen und europäischen Handelsregeln haben einen großen Einfluss auf den Klimaschutz. Das Thema ist ein zentrales Element des European Green Deal. Für die Schwerindustrie wird zum Beispiel eine CO2-Grenzsteuer diskutiert. Eine Alternative wäre die nach unseren Analysen deutlich vielversprechendere Ergänzung des Emissionshandels um einen Klimabeitrag. Mit der Abgabe auf die Nutzung CO2-intensiver Grundstoffe werden klimafreundliche Materialien im Vergleich zu klimaschädlichen günstiger. Dadurch können klimafreundliche Produktionstechnologien finanziert werden.

Der Begriff Deal hat allein schon rein definitorisch viele Facetten. Inhaltlich sind alle wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung des europäischen Green Deal. Die neue EU-Kommission hat dazu eine umfassende Strategie vorgelegt, deren Ausgestaltung und Umsetzung unser aller Zusammenarbeit bedarf. Deutschland hat durch die deutsche EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 eine große Chance, die europäische Vision zu entwickeln und zu stärken. Die Länder und Menschen, deren Existenz vom Klimawandel bedroht ist, werden uns eine entschlossene Umsetzung der Vision Klimaneutralität danken.

Karsten Neuhoff

Abteilungsleiter in der Abteilung Klimapolitik

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