DIW Wochenbericht 9 / 2020, S. 131
Greta Sundermann, Erich Wittenberg
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Frau Sundermann, wie haben sich die Nitratwerte im deutschen Grundwasser in den letzten Jahren entwickelt? In unserem Untersuchungszeitraum von 2012 bis 2016 fällt auf, dass die Nitratbelastung im deutschen Grundwasser auf relativ hohem, konstantem Niveau verbleibt. Insgesamt überschreiten knapp 18 Prozent der rund 1200 Grundwassermessstellen des Grundwassermessnetzes der Europäischen Umweltagentur den Nitratgrenzwert von 50 Milligramm pro Liter.
Wo treten besonders hohe Grenzwertüberschreitungen auf? Gerade in Gebieten mit landwirtschaftlichen Nutzungseinflüssen wie Ackerland, Grünland und Sonderkulturen überschreiten die Nitratkonzentrationen häufig den EU-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter. Das betrifft insbesondere die Bundesländer Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
Welche Folgen hat die hohe Nitratbelastung des Grundwassers? Die Belastung des Grundwassers hat einerseits ökologische Auswirkungen, indem beispielsweise Biodiversität verloren geht. Andererseits gibt es auch gesundheitsgefährdende Einflüsse. Gerade für Säuglinge in den ersten Lebensmonaten besteht die Möglichkeit, dass der Sauerstofftransport im Blut gehemmt wird. Des Weiteren wird auch ein Verdacht auf eine kanzerogene Wirkung diskutiert, und letztendlich besteht auch die Möglichkeit für ökonomische Auswirkungen auf die Bundesbürger, denn die Nitratbelastung im Grundwasser steigert die Kosten der Trinkwasseraufbereitung, welche letztendlich an die Verbraucher weitergegeben werden.
Wie ist es denn zu erklären, dass die Nitratbelastung im Grundwasser konstant hoch bleibt? Die Stickstoffobergrenze war viele Jahre lang zu hoch angesetzt, sodass die Landwirte auch viel düngen durften. In den letzten Jahren wurde die Düngeverordnung massiv reformiert; gerade die Düngeverordnung von 2017 hat einige Änderungen mit sich gebracht. Nun werden beispielsweise Sanktionen von bis zu 50000 Euro ausgesprochen, wenn der standortspezifische Grenzwert überschritten wird. Die Düngeregulierung in Deutschland war in den letzten Jahren nicht effektiv genug. 2017 wurden beispielsweise eine Düngebedarfsermittlung und Stoffstrombilanzen implementiert, welche zum ersten Mal mehr Transparenz durch Datenerfassung ermöglichen. Dies könnte zukünftig auch den Stickstoffeintrag im Boden minimieren. In der Zukunft sollte der Fokus zunächst auf der Überprüfung der Wirksamkeit der neuen Düngeregulierung liegen, um so gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen, wenn die Maßnahmen nicht ausreichen.
Die Gegenmaßnahmen von Bund und Ländern waren also bislang nicht ausreichend? Im vergangenen Jahr hat die Europäische Kommission die Düngeverordnung 2017 als nicht ausreichend bewertet, um die Einhaltung der Nitratrichtlinie sicherzustellen. Daraufhin wurde ein Zweitverfahren gegen Deutschland erlassen. Momentan wird an der Düngeverordnung 2020 gearbeitet, die in wenigen Wochen in Kraft treten wird.
Es scheint, dass andere Länder hier weiter sind. Warum? Um die Nitratbelastung im Grundwasser effektiv zu reduzieren, muss zunächst der Stickstoffüberschuss im Boden reduziert werden. Das wurde beispielsweise in Dänemark und den Niederlanden durch eine stringentere Regulierung in den letzten 20 bis 30 Jahren erreicht. Es gibt hierbei keine schnellen Lösungen.
Hinkt also Deutschland mit seinen Maßnahmen hinterher? Das könnte man so sagen. Beispielsweise wurde bereits 1991 ein Düngeregister in Dänemark implementiert. Deutschland hat jetzt mit der Düngebedarfsermittlung und den Stoffstrombilanzen von 2017 einen ersten Schritt getan, um den Stickstoffeintrag in den Boden zu kontrollieren und zu reduzieren.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Umweltmärkte
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-9-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/219345