DIW Wochenbericht 10 / 2020, S. 147-152
Jule Adriaans, Carsten Sauer, Katharina Wrohlich
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„Die Politik sollte Rahmenbedingungen setzen, um mehr Frauen als Vorbilder in männlich konnotierten Rollen – und umgekehrt – zu ermöglichen, beispielsweise durch Geschlechterquoten für Führungspositionen und eine Ausdehnung der Partnermonate beim Elterngeld, die Vätern einen Anreiz geben würde, sich stärker an der Kinderbetreuung zu beteiligen.“ Katharina Wrohlich
Sowohl Frauen als auch Männer bewerten es als gerecht, wenn Frauen für dieselbe Arbeit ein geringeres Gehalt bekommen als Männer. Das zeigen aktuelle Auswertungen eines umfragebasierten Experiments, das im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts durchgeführt wurde. Demnach wird ein im Durchschnitt um drei Prozent geringeres Gehalt für Frauen bei sonst gleichen Merkmalen, wie dem Beruf und der Arbeitsleistung, geschlechtsübergreifend als angemessen erachtet. Je älter die befragte Person selbst und je älter die fiktiven Personen sind, die von den Befragten bewertet werden, desto unterschiedlicher fällt die Einschätzung in den als gerecht empfundenen Löhnen für Frauen und Männer aus. Dies deckt sich mit dem tatsächlich beobachtbaren Gender Pay Gap, der mit dem Alter stark steigt. Im Berufsleben erfahrene Ungleichheiten scheinen sich also in stereotypen Einstellungen widerzuspiegeln. Das kann den Gender Pay Gap letztlich zementieren. Um dem entgegenzuwirken, braucht es unter anderem mehr weibliche Vorbilder in klassisch männlich konnotierten Rollen und umgekehrt. Die Politik sollte dafür nötige Rahmenbedingungen setzen und beispielsweise Geschlechterquoten für Führungspositionen erwägen und die Zahl der Partnermonate beim Elterngeld erhöhen.
Der prozentuale Unterschied zwischen den Stundenlöhnen von Männern und Frauen, der sogenannte Gender Pay GapVgl. dazu auch den Eintrag „Gender Pay Gap“ im Glossar des DIW Berlin (online verfügbar; abgerufen am 21. Februar 2020. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt)., betrug nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2018 21 Prozent und hat sich seit 1995 so gut wie nicht verändert.Vgl. Statistisches Bundesamt (2019): Unbereinigter Gender Pay Gap nach Gebietsstand (online verfügbar). Die Ursachen für diese nach wie vor sehr große Lohnlücke sind vielfältig: Frauen und Männer arbeiten in unterschiedlichen Berufen, in unterschiedlichen hierarchischen Positionen, in unterschiedlichen Branchen, und sie haben sehr unterschiedliche Erwerbsbiografien. Aber selbst wenn alle diese Faktoren herausgerechnet werden, bleibt eine Lohnlücke übrig: Der sogenannte „angepasste“ oder „bereinigte“ Gender Pay Gap betrug laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2014 rund sechs Prozent – das entspricht rund einem Viertel des gesamten Gender Pay Gaps.Vgl. Claudia Finke, Florian Dumpert und Martin Beck (2017): Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen. Eine Ursachenanalyse auf Grundlage der Verdienststrukturerhebung 2014. WISTA-Wirtschaft und Statistik Nr. 2/2017, 43–62.
Wie jedoch lässt sich diese bereinigte Lohnlücke erklären? Neben Erklärungsansätzen, die offene oder subtile Formen der Diskriminierung als maßgeblich erachtenVgl. beispielsweise Juliane Achatz, Hermann Gartner und Timea Glück (2005): Mechanismen geschlechtsspezifischer Entlohnung. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 57 (3), 466–493., rücken andere Ansätze die Vorstellung vom Geschlecht als Statusmerkmal in den Vordergrund. Den meisten Menschen begegnen im (beruflichen) Alltag täglich Geschlechterungleichheiten zu Ungunsten von Frauen: So sind Männer häufiger in Führungspositionen beschäftigt, verfügen häufig über mehr beruflichen Einfluss und erhalten höhere Gehälter. Durch diese beobachteten und erlebten Ungleichheiten wird das Geschlecht zu einem Merkmal, das Männern häufig einen höheren Status zuschreibt. Das äußert sich beispielsweise auch darin, dass Frauen geringere Verdienstvorstellungen habenVgl. dazu in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts Christoph Breunig et al. (2020): Frauen erwarten geringere Lohnsteigerungen als Männer. DIW Wochenbericht Nr. 10, 153–158. und typisch weibliche Tätigkeiten, beispielsweise in der Erziehung und Pflege, weniger wertgeschätzt werden.Vgl. Cecilia Ridgeway (2011): Framed by Gender: How Gender Inequality Persists in the Modern World. Oxford University Press, New York; sowie Cecilia Ridgway (1991): The Social Construction of Status Value: Gender and Other Nominal Characterisitcs. Social Forces, 70 (2), 367–386. So kommt eine repräsentative Studie zu dem Ergebnis, dass weibliche und männliche Befragte höhere Löhne für Männer als gerecht empfinden. Das gilt selbst dann, wenn Männer und Frauen die gleichen Charakteristika, also zum Beispiel gleich viel Berufserfahrung und das gleiche Ausbildungsniveau, haben und die gleiche Tätigkeit ausüben.Vgl. Katrin Auspurg, Thomas Hinz und Carsten Sauer (2017): Why Should Women Get Less? Evidence on the Gender Pay Gap from Multifactorial Survey Experiments. American Sociological Review, 82 (1), 179–210.
Ähnliche Ergebnisse zeigen auch aktuelle Auswertungen der Autorinnen und des Autors dieses Berichts, die in Kooperation mit der Zeppelin Universität Friedrichshafen durchgeführt wurden. Dabei handelt es sich um ein umfragebasiertes Experiment, das auf einer repräsentativen Stichprobe von Beschäftigten in Deutschland basiert (Kasten).
Die LINOS-Studie (Legitimation of Inequality Over the Life-Span) ist eine repräsentative deutschlandweite Befragung sozialversicherungspflichtig beschäftigter Personen, die im Jahr 2012 erstmalig zufällig ausgewählt wurden.Für eine detaillierte Beschreibung und Dokumentation der von SOEP-Direktor Stefan Liebig geleiteten LINOS-Studie siehe Jule Adriaans et al. (2019): „Erwartungen an Wirtschaft und Gesellschaft“ – Legitimation of Inequality over the Life-Span. Feldbericht und Codebuch zur zweiten Welle (LINOS-2). DIW Data Documentation 97 (online verfügbar). Die erste Welle der LINOS-Studie wurde bereits im Jahr 2012 erhoben. Für eine Beschreibung der ersten Welle siehe Carsten Sauer und Peter Valet (2014): Erwartungen an Wirtschaft und Gesellschaft: Feldbericht und Codebuch zur Erwerbstätigenbefragung. SFB Technical Report Series, 10, 3–296. Die zweite Welle der Befragung wurde 2017 im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts „Strukturelle Bedingungen von Gerechtigkeitseinstellungen über den Lebensverlauf“ durchgeführt.Stefan Liebig et al. (2019): Erwartungen an Wirtschaft und Gesellschaft – Legitimation of Inequality Over the Life-Span, 2. Welle (LINOS-2). DOI: 10.25652/diw_data_S0017.1. In dieser Untersuchung wurden insgesamt etwa 2700 Personen befragt. Die Befragung befasst sich umfassend mit der wahrgenommenen Gerechtigkeit von Einkommen und dem Gerechtigkeitsempfinden am Arbeitsplatz allgemein. Die LINOS-Studie ist nicht nur eine klassische Umfrage, sondern beinhaltet ebenfalls sogenannte Umfrageexperimente, die jeweils von einer Teilstichprobe der Befragten beantwortet wurden. Die vorgestellte Vignettenstudie ist ein solches Surveyexperiment und liefert die Grundlage für die Auswertungen in diesem Bericht.
Im Rahmen des Surveyexperiments bekamen die Befragten kurze Beschreibungen fiktiver Personen präsentiert. Diese kurzen Texte – Vignetten genannt – beschreiben jeweils die berufliche Situation eines Arbeitnehmers beziehungsweise einer Arbeitnehmerin und enthalten Informationen zu Geschlecht, Alter, Beruf, vertraglicher Situation, Arbeitsleistung, Arbeitslosigkeit im jeweiligen Beruf und monatlichem Bruttoeinkommen. Die Befragten wurden dann gebeten zu beurteilen, wie gerecht oder ungerecht das Einkommen der beschriebenen Person aus ihrer Sicht ist. Für ihre Antwort verwendeten sie eine elfstufige Antwortskala, die von −5 („ungerechterweise zu niedrig“) über 0 („gerecht“) bis hin zu +5 („ungerechterweise zu hoch“) führt. Jedem Befragten wurden jeweils zehn solcher Vignetten präsentiert, sodass von den rund 1300 Befragten insgesamt über 13000 Bewertungen vorliegen.
Eine 60-jährige Frau ist als Versicherungskauffrau beschäftigt. Sie arbeitet als Leiharbeiterin in einem Betrieb und erbringt dort überdurchschnittliche Leistungen.
Die Arbeitslosigkeit in Ihrem Beruf ist niedrig. Ihr monatliches Bruttoeinkommen beträgt 2400 Euro.
Ist das monatliche Bruttoeinkommen dieser Person gerecht, ungerechterweise zu hoch oder ungerechterweise zu niedrig?
Das Besondere an dieser Befragungsmethode ist, dass die Personenbeschreibungen (fett gedruckt) experimentell variiert werden. Das heißt, die Ausprägungen der Personenmerkmale werden zufällig miteinander kombiniert. Eine Auswahl der so entstehenden großen Bandbreite an fiktiven Personenbeschreibungen wird den Befragten präsentiert.Vgl. Katrin Auspurg und Thomas Hinz (2014): Factorial Survey Experiments. Quantitative Applications in the Social Sciences, 175. Auf diese Weise ist es möglich zu untersuchen, welchen Einfluss einzelne Eigenschaften der beschriebenen Person – unabhängig von den anderen Merkmalen – auf die Gerechtigkeitsbewertung haben. In diesem Bericht steht im Fokus, ob die Gerechtigkeitsurteile je nach Geschlecht der beschriebenen fiktiven Person anders ausfallen – ob also ein Gender-Bias in der Gerechtigkeitsbewertung vorliegt. Ein solches experimentelles Vorgehen ist besonders geeignet, um subtile Unterschiede in der Bewertung von Männern und Frauen aufzudecken, die vermutlich verborgen blieben, wenn die Befragten direkt angeben sollten, ob Frauen für die gleiche Arbeit gerechterweise mehr oder weniger verdienen sollten als Männer.Vgl. Auspurg, Hinz und Sauer (2017), a.a.O., sowie Kübler, Schmid und Stüber (2018), a.a.O. Die Auswertung der Vignetten führt die Gerechtigkeitsurteile auf die angegebenen Merkmale zurück.
Ein solches Surveyexperiment eignet sich gut, um Implizite Gender Biases, also unbewusste stereotype Vorstellungen von Männern und Frauen, zu messen. Bei einer derartigen Befragung bekommen die teilnehmenden Personen kurze Beschreibungen fiktiver Personen vorgelegt. Diese Personenbeschreibungen beinhalten Merkmale wie Geschlecht, Alter, Beruf und das monatliche Bruttoeinkommen. Die Befragten werden gebeten zu beurteilen, wie gerecht oder ungerecht sie das angegebene Erwerbseinkommen der beschriebenen Person empfinden. Die Merkmale der fiktiven Personen werden dabei in jeder Beschreibung experimentell variiert. Dadurch ist es möglich zu untersuchen, welchen Einfluss einzelne Merkmale der beschriebenen Person, zum Beispiel das Geschlecht, unabhängig von den anderen Merkmalen auf die Gerechtigkeitsbewertung der Erwerbseinkommen haben. Ein solches Vorgehen ist besonders geeignet, um subtile Unterschiede in der Bewertung von Männern und Frauen aufzudecken, die vermutlich verborgen bleiben würden, wenn Befragte direkt danach gefragt würden, ob Frauen bei gleicher Arbeit beziehungsweise Tätigkeit mehr, weniger oder genauso viel verdienen sollten wie Männer.Für die Verwendung von surveyexperimentellen Forschungsdesigns zur Erfassung von Gender Biases im Arbeitskontext siehe zum Beispiel Auspurg, Hinz und Sauer (2017), a.a.O., sowie Dorothea Kübler, Julia Schmid und Robert Stüber (2018): Gender Discrimination in Hiring Across Occupations: A Nationally-representative Vignette Study. Labour Economics, 55, 215–229.
Die Auswertungen der auf diese Weise erhobenen Daten zeigen, dass es ganz allgemein einen Gender Bias in den Gerechtigkeitsurteilen gibt (Abbildung 1). Das bedeutet, dass niedrigere Erwerbseinkommen für Frauen – bei exakt gleichen Merkmalen der Person und der Tätigkeit – als gerecht bewertet werden. Der als gerecht empfundene Lohn liegt demnach für Männer um rund drei Prozent höher als der als gerecht empfundene Lohn für Frauen. Das sehen sowohl die befragten Männer als auch die befragten Frauen so – ein Hinweis darauf, dass geschlechterstereotype Vorstellungen und Bewertungen unter Frauen genauso existieren wie unter Männern.
Interessante Unterschiede in den Gerechtigkeitsbewertungen gibt es abhängig vom Alter der befragten Personen. Während die jüngsten Befragten (23 bis 33 Jahre) die Einkommen von Frauen und Männern in etwa gleich bewerten, weisen Befragte in der mittleren (34 bis 41 Jahre) und höchsten (42 bis 63 Jahre) Altersgruppe einen statistisch signifikanten Gender Bias in der Bewertung von Erwerbseinkommen auf (Abbildung 2). Für Befragte dieser Altersgruppen liegt der als gerecht empfundene Lohn für Frauen bei rund vier Prozent unter dem als gerecht empfundenen Lohn für Männer mit denselben Eigenschaften.
Ein ähnliches Muster wie mit Blick auf das Alter der Befragten findet sich auch in Bezug auf das Alter der fiktiven Person. Im Rahmen des Experiments wurde das Alter der fiktiven Person variiert und mit 30, 45 oder 60 Jahren angegeben. Im Durchschnitt sehen es die Befragten als gerecht an, wenn 30-jährige fiktive Personen bei sonst gleichen Merkmalen unabhängig vom Geschlecht dasselbe Gehalt bekommen (Abbildung 3). Mit Blick auf ältere Personen sind die Befragten im Durchschnitt jedoch der Meinung, dass es gerecht ist, wenn Männer höhere Löhne erhalten als Frauen. Das als gerecht empfundene Arbeitseinkommen einer 45-jährigen Frau liegt um 4,6 Prozent unter dem Einkommen, das für einen Mann in derselben Situation als gerecht erachtet wird. Ein noch größerer Gender Bias zeigt sich, wenn die Erwerbseinkommen von 60-Jährigen bewertet werden. Für diese Altersgruppe liegt der Unterschied in den als gerecht empfundenen Löhnen bei über fünf Prozent.
Dieses Muster der Unterschiede in den als gerecht empfundenen geschlechtsspezifischen Löhnen deckt sich weitgehend mit dem beobachteten Gender Pay Gap, der mit dem Alter steigt.Vgl. dazu in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts Annekatrin Schrenker und Aline Zucco (2020): Gender Pay Gap steigt stark mit dem Alter, Erwerbsbiografien von Männern und Frauen äußerst unterschiedlich. DIW Wochenbericht Nr. 10, 137–145. Der unbereinigte Gender Pay Gap ist für bis zu 30 Jahre alte Beschäftigte mittlerweile vergleichsweise gering. Er lag im Jahr 2014 bei etwa neun Prozent.Vgl. Schrenker und Zucco (2020), a.a.O. Ab dem Alter von 30 Jahren steigt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen jedoch stark an, genauso wie die Geschlechterlücke in den als gerecht empfunden Löhnen für Beschäftigte im Alter ab 30 Jahren.
Wird nach dem Gerechtigkeitsempfinden mit Blick auf Löhne gefragt, sind sowohl Frauen als auch Männer der Auffassung, dass niedrigere Löhne für Frauen fair sind. Dieser Gender Gap in den als gerecht empfundenen Löhnen für Personen, die abgesehen vom Geschlecht komplett identische Merkmale haben, steigt sowohl mit dem Alter der Befragten als auch mit dem Alter der zu bewertenden Person. Die Resultate dieses Wochenberichts deuten demnach darauf hin, dass Frauen und Männer ihre Erwartungen beziehungsweise Urteile über als gerecht empfundene Löhne auf Basis ihrer tatsächlichen Beobachtungen am Arbeitsmarkt bilden.Zu einem ähnlichen Schluss kommen auch Auspurg, Hinz und Sauer (2017), a.a.O., die zeigen, dass der Gender Bias in den Gerechtigkeitsbewertungen von Löhnen mit dem beobachteten Gender Pay Gap in der Branche korreliert, in der die Befragten tätig sind. Tatsächlich sind große Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern ab einem Alter von 30 Jahren zu beobachten. Zu einem großen Teil liegt dieser Gender Pay Gap, der für Beschäftigte zwischen 45 und 50 Jahren am höchsten ist, an den unterschiedlichen Erwerbsbiografien von Frauen und Männern.Vgl. Schrenker und Zucco (2020), a.a.O. Während der Gender Pay Gap für die bis zu 30-Jährigen in den vergangenen 30 Jahren stark gesunken ist, ist er für die über 30-Jährigen und insbesondere für die über 40-Jährigen nahezu konstant geblieben. Vgl. dazu Patricia Gallego Granados und Katharina Wrohlich (2018): Gender Pay Gap besonders groß bei niedrigen und hohen Löhnen. DIW Wochenbericht Nr. 10, 173–179 (online verfügbar). Wie die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen, leiten die Befragten aus diesen beobachteten Unterschieden auch Unterschiede in den als gerecht empfundenen Löhnen für Männer und Frauen mit den exakt gleichen Charakteristika ab. Dies stützt die Vermutung, dass erfahrene Ungleichheiten sich tatsächlich in stereotypen Einstellungen widerspiegeln, die Personen aufgrund des Geschlechts einen höheren Status zuschreiben und damit wiederrum zur Verfestigung des Gender Pay Gaps beitragen.
Geschlechterstereotype Zuschreibungen, die zu unterschiedlichen Bewertungen dessen führen, was Männern und Frauen für gleiche Arbeit an Lohn zusteht, sind ein Grund für die vorherrschenden Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt. Aus politischer Sicht stellt sich daher die Frage, wie diese geschlechterstereotypen Zuschreibungen überwunden werden können. Empirische Studien haben gezeigt, dass Vorbilder hier eine große Wirkung haben können. Mehr Frauen in männlich geprägten Berufen können die geschlechter- stereotypen Vorstellungen ihrer Kolleginnen und Kollegen verändern.Vgl. dazu beispielsweise Henning Finseraas, Ashild A. Johnsen, Andreas Kotsdam und Gaute Torsvik (2016): Exposure to female colleagues breaks the glass ceiling – Evidence from a combined vignette and field experiment. European Economic Review, 90, 363–374. Ebenso kann ein höherer Anteil von Frauen in Führungspositionen dazu beitragen, dass die stereotypen Zuschreibungen in der Bevölkerung in Bezug auf Führungsqualitäten und -fähigkeiten von Frauen verringert werden.Vgl. dazu Lori Beaman et al. (2009): Powerful Women: Does Exposure Reduce Bias? The Quarterly Journal of Economics, 124 (4), 1497–1540. Umgekehrt können Männer, die weiblich konnotierte Tätigkeiten wie unbezahlte Sorgearbeit übernehmen, ebenso die Einstellungen der Personen in ihrem sozialen Umfeld verändern.Vgl. beispielsweise Ulrike Unterhofer, Clara Welteke und Katharina Wrohlich (2017): Elterngeld hat soziale Normen verändert. DIW Wochenbericht Nr. 34, 659–667 (online verfügbar). Die Politik sollte daher Rahmenbedingungen setzen, um mehr dieser Vorbilder zu ermöglichen, beispielsweise durch Geschlechterquoten für Führungspositionen und eine Ausdehnung der Partnermonate beim Elterngeld, die Vätern einen Anreiz geben würde, sich stärker an der Kinderbetreuung zu beteiligen.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Gender, Familie, Arbeit und Beschäftigung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-10-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/219347