DIW Wochenbericht 12 / 2020, S. 206-229
Claus Michelsen, Marius Clemens, Max Hanisch, Simon Junker, Konstantin A. Kholodilin, Thore Schlaak
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Die Konjunktur wird durch die Ausbreitung des Corona-Virus weltweit erheblich belastet. Prognosen zur Wirtschaftsentwicklung sind angesichts der schlechten Datenlage, der Modellunsicherheit und der Ungewissheit über die politische Reaktion mit noch größerer Unsicherheit behaftet als üblich. Der Verlauf der Pandemie ist kaum absehbar. Zahlen zu den Auswirkungen – etwa durch den Vergleich mit früheren Epidemien – stellen daher allenfalls grobe Näherungen dar. Für Deutschland legen Modellrechnungen indes massive wirtschaftliche Einbußen nahe. Die Wirtschaftsleistung dürfte im Lichte der vorliegenden Informationen um mehr als einen Prozentpunkt geringer ausfallen – das Bruttoinlandsprodukt sinkt dann in diesem Jahr um 0,1 Prozent. Wird zudem, wie international üblich, die höhere Zahl an Arbeitstagen in diesem Jahr berücksichtigt, so ergibt sich sogar ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um ein halbes Prozent. Als Folge der Corona-Pandemie scheint es nahezu unausweichlich, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession stürzt – unklar ist, welchen Verlauf diese nimmt und wie schwer sie ausfällt.
Das Corona-Virus belastet das Leben der Menschen erheblich und zieht damit auch wirtschaftliche Verwerfungen nach sich. Zunächst war vor allem China betroffen. Die dort ergriffenen, rigorosen Quarantänemaßnahmen dürften bei der Eindämmung des Virus geholfen haben. Das Alltags- und Arbeitsleben kam indes in substantiellen Teilen zum Erliegen. Lieferketten wurden unterbrochen und weltweit müssen viele Unternehmen, die auf eine zeitnahe Zulieferung chinesischer Vorleistungsgüter angewiesen sind, ihre Produktion zurückfahren. Die Chinesinnen und Chinesen haben ihre Käufe auf kurzfristig Notwendiges beschränkt – so wurden im Februar wohl kaum Kfz-Käufe getätigt. Diese Zurückhaltung wird deutsche Hersteller treffen, die stark auf dem chinesischen Markt vertreten sind. Schon diese Effekte dürften die deutsche Wirtschaft im ersten Halbjahr in Mitleidenschaft ziehen (Abbildung 1), wenngleich sie kaum exakt zu beziffern sind. Während in China der Höhepunkt der Epidemie möglicherweise erreicht ist, steigt die Zahl der Betroffenen in anderen Ländern. Zeitgleich kann es daher auch dort zu Produktionsunterbrechungen kommen und viele Verbraucherinnen und Verbraucher dürften ebenfalls auf bestimmte Aktivitäten verzichten. Alles in allem könnten die wirtschaftlichen Einbußen aufgrund des Corona-Virus dieses Jahr mehr als einen Prozentpunkt ausmachen, was zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um dann 0,1 Prozent führen dürfte (Abbildung 2). Ohne die vergleichsweise hohe Zahl an Arbeitstagen würde die Wachstumsrate mit -0,5 Prozent noch negativer ausfallen.
Die Grunddynamik der deutschen Wirtschaft, die nun durch die Corona-Effekte überlagert wird, hat sich indes nicht verändert: Ohne den Ausbruch der Pandemie wäre die Industrierezession allmählich zu einem Ende gekommen. Die Produktion hat sich zum Jahresauftakt deutlich erholt und die Auftragseingänge sowie die vorliegenden Stimmungsindikatoren, die vom Corona-Effekt noch nicht beeinflusst waren, deuteten auf einen verhaltenen Aufwärtstrend hin. Die konsumnahen Dienstleister hätten sichtbar von spürbaren Einkommens- und damit Konsumzuwächsen profitiert. Diese resultieren aus den kräftigen finanzpolitischen ImpulsenVgl. Marius Clemens (2019): Öffentliche Finanzen: Haushaltsspielräume verflüchtigen sich nach und nach – Investitionsprogramm wäre sinnvoll. DIW Wochenbericht Nr. 50, 952–960 (online verfügbar; abgerufen am 13. März 2020. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). und der bis zuletzt guten Arbeitsmarktlage. Der Beschäftigungsaufbau verliert zwar an Fahrt, setzt sich jedoch fort. Die Löhne steigen merklich, insbesondere im Verhältnis zur allgemeinen Teuerung. Die Weltkonjunktur stabilisierte sich ebenfalls, und da mit dem Brexit und den Fortschritten bei den Handelsgesprächen zwischen den USA und China gewichtige Risiken zumindest entschärft wurden, waren die Aussichten für die deutschen Exporte günstig. Die Investitionen waren zuletzt verhalten, wären aber im Zuge der allgemeinen Belebung und in einem weniger risikoreichen Umfeld wieder leicht gestiegen.
Ausgehend von diesem Szenario schlagen die Corona-Effekte durch – etwa wie nachfolgend skizziert. Sie können aber auch weniger drastisch ausfallen, wenn eine Ausbreitung des Virus in Europa verlangsamt wird oder wenn es – anders als hier unterstellt – zügig zu einem Nachholen der zurückgestellten Ausgaben und der ausgefallenen Produktion kommt. Nicht auszuschließen ist aber ebenso, dass die Corona-Effekte erheblich mehr wirtschaftlichen Schaden verursachen, etwa wenn es zu einem langanhaltenden Stillstand des öffentlichen Lebens in weiten Teilen Europas kommt.
Ausgehend vom Einbruch des deutschen Aktienmarkts oder der Intensität der Berichterstattung über das Corona-Virus lässt der Vergleich mit ähnlichen Ereignissen in der Vergangenheit Rückschlüsse auf die Größenordnung der Effekte zu. Basierend auf empirischen Modellen (Kasten 1) wird hier von folgendem Szenario ausgegangen: Die gestörten Lieferketten aus China sowie der dortige Nachfrageeinbruch haben bereits im Februar die Industrieproduktion in Deutschland beeinträchtigt und schlagen vor allem im März durch; im Zuge einer allmählichen Normalisierung der chinesischen Produktion und einer Belebung der dortigen Nachfrage entfallen diese Einschränkungen aber bereits ab dem kommenden Monat graduell.
Die Effekte des Corona-Virus auf die deutsche Wirtschaft werden ausgehend von einem empirischen Modell über die Industrieproduktion abgeschätzt, das sich auf die Intensität der Medienberichterstattung zu diesem Thema stützt.Siehe dazu Kasten 3 im Bericht zur Weltwirtschaft in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts, 200–201. Für Deutschland ergeben sich dabei auf Monatsbasis zeitnah erhebliche Produktionseinbußen (Abbildung 1). Diese werden für den Verlauf der Industrieproduktion unterstellt; dabei wird ausgegangen von dem bisherigen Konjunkturbild, in dem zunächst eine verhaltene Erholung der Industrie angelegt war. Diese Entwicklung wird durch die dargestellten Corona-Effekte überlagert; in der Folge schwenkt das produzierende Gewerbe deswegen nicht auf einen gemächlichen Aufwärtstrend ein, sondern wird im Frühjahr die Produktion massiv herunterfahren (Abbildung 2).
Zudem wird eine zweite Modellrechnung herangezogen, die den Einfluss der chinesischen Produktionsunterbrechungen seit Februar auf die deutschen Produzenten abschätzt. Dabei wird grob taxiert, wie groß der Arbeitsausfall – gemessen in Arbeitstagen – in China aufgrund der Quarantänemaßnahmen gewesen sein dürfte. In einem zweiten Schritt wird dieser auf die Produktionseinbußen in China und – nachgelagert – in Deutschland umgelegt. Dies ergibt ein zeitliches Profil einerseits für die indirekten Effekte, die sich aus den gestörten Lieferketten aus China und der eingeschränkten Nachfrage von dort ergeben, und andererseits für die direkten Effekte aufgrund der zunehmenden Verbreitung des Virus in Europa. Es zeigt sich, dass die China-Effekte im Februar, vor allem aber im März durchschlagen. Dies dürfte auch daran liegen, dass ausbleibende Lieferungen über den Seeweg erst mit zeitlicher Verzögerung in Deutschland die Produktion beeinträchtigen. Mit der schrittweisen Normalisierung der Produktion in China ab April gehen rasch einsetzende Aufholeffekte in Deutschland einher. Der direkte Effekt trifft die deutsche Wirtschaft noch härter und dürfte die volle Wucht im April und Mai entfalten. Erst im Sommer setzt den Modellergebnissen zufolge eine Normalisierung ein, die die Wachstumsraten im zweiten Halbjahr und teils noch darüber hinaus etwas anschiebt. Für die Dienstleistungsbereiche werden spezifische Einbußen unterstellt, deren zeitliches Profil sich an den Verlauf der Industrieeffekte anlehnt.
Bei all dem ist zu beachten, dass sich diese – bereits deutlichen – Einbußen ergeben, wenn vergangene Ereignisse auf die aktuelle Situation übertragen werden. Offenkundig ist die aktuelle Situation gravierender als etwa die SARS-Epidemie vor 17 Jahren. Zu befürchten ist daher, dass die dargestellten Effekte das tatsächliche Ausmaß wirtschaftlicher Verwerfungen unterschätzen.
Dagegen beginnen die wirtschaftlichen Belastungen aus den meisten anderen Ländern erst nach und nach auf Deutschland auszustrahlen. In Kombination mit den hiesigen Beeinträchtigungen fallen sie jedoch umso spürbarer aus. Zu produktionsseitigen Störungen führen dabei einige der Maßnahmen, die die Menschen vor dem Virus schützen – etwa Quarantänemaßnahmen, die Entscheidung, vorsorglich den Arbeitsplatz zu meiden oder die Notwendigkeit, Kinder zu Hause zu betreuen, weil andere Betreuungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Indirekt belasten aber auch die engen Produktionsverflechtungen: Fällt vereinzelt Produktion aus, etwa weil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nicht aufnehmen können, fehlen andernorts Vorleistungen, was wiederum die Produktion einschränkt. Auch sinken vielerorts die Ausgaben der privaten Haushalte – in Deutschland bremst dies den heimischen Konsum und die Importe, in anderen Ländern unter anderem die deutschen Exporte. Dies gilt schon allein deswegen, weil Verbraucherinnen und Verbraucher auf nicht unbedingt notwendige Ausgaben zunächst verzichten.
Hinzu kommt, dass die Flaute auch auf den Arbeitsmarkt ausstrahlt: In vielen Unternehmen wird die Einstellung neuer Beschäftigter wohl zumindest aufgeschoben, und vielerorts greifen Unternehmen im Zuge der Absatzprobleme auf Kurzarbeit zurück. Daher dürften sich die Arbeitseinkommen nur schleppend entwickeln und den Konsum zusätzlich dämpfen. Die Politik wirkt diesen Einkommenseinbußen zwar entgegen, etwa durch die Ausweitung der Kurzarbeitsregeln, kann dies aber nicht vollständig kompensieren. Das potentielle Ausmaß dieser Nachfrageschwäche wurde schon anhand des Pkw-Marktes in China deutlich, der zeitweilig nahezu zusammengebrochen war. Konsum und Export dürften dementsprechend hierzulande bis in den Frühsommer hinein noch empfindlich sinken (Tabelle 1) und sich dann nur langsam erholen. Auch wenn hierbei nicht unterstellt wird, dass die Produktionsausfälle in größerem Maße nachgeholt werden: Allein der schrittweise Wegfall der Belastungsfaktoren treibt die Dynamik im späteren Jahresverlauf und bis ins kommende Jahr hinein an. Daher dürfte die Wachstumsrate im Jahr 2021 mit 1,7 Prozent (Tabelle 2) auch wieder etwas über dem Trendwachstum liegen. Aufgrund der Verwerfungen in diesem Jahr sind die Produktionskapazitäten unterausgelastet, um 0,8 Prozent (Abbildung 3). Im kommenden Jahr schließt sich die Produktionslücke dann geringfügig.
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in Prozent; saison- und kalenderbereinigt
2019 | 2020 | 2021 | ||||||||||
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I | II | III | IV | I | II | III | IV | I | II | III | IV | |
Privater Verbrauch | 0,8 | 0,1 | 0,5 | 0,0 | −0,2 | −0,8 | 0,3 | 0,6 | 1,0 | 0,6 | 0,4 | 0,4 |
Öffentliche Konsumausgaben | 1,0 | 0,5 | 1,3 | 0,3 | 0,4 | 0,6 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 |
Bruttoanlageinvestitionen | 1,6 | −0,3 | −0,1 | −0,2 | 0,3 | −0,3 | 0,6 | 0,6 | 1,0 | 0,7 | 0,6 | 0,5 |
Bauten | 2,6 | −0,9 | 0,4 | 0,6 | 0,7 | 0,6 | 0,6 | 0,6 | 0,7 | 0,7 | 0,4 | 0,4 |
Ausrüstungen | 1,2 | 0,0 | −1,4 | −2,0 | −1,0 | −2,5 | 0,5 | 0,7 | 1,2 | 0,8 | 0,8 | 0,6 |
Sonstige Investitionen | −0,5 | 1,0 | 1,0 | 1,1 | 1,3 | 0,8 | 0,8 | 0,8 | 1,3 | 0,7 | 0,7 | 0,7 |
Lagerveränderung1 | −1,0 | 0,2 | −0,9 | 0,6 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Inländische Verwendung | −0,1 | 0,3 | −0,4 | 0,7 | 0,0 | −0,4 | 0,4 | 0,6 | 0,9 | 0,6 | 0,5 | 0,4 |
Außenbeitrag1 | 0,5 | −0,5 | 0,6 | −0,6 | −0,1 | −0,6 | −0,2 | 0,0 | −0,2 | −0,1 | −0,1 | −0,1 |
Export | 1,6 | −1,3 | 1,0 | −0,2 | −0,3 | −2,0 | 0,0 | 1,1 | 1,1 | 0,8 | 0,7 | 0,7 |
Import | 0,5 | −0,3 | −0,4 | 1,3 | −0,1 | −0,9 | 0,6 | 1,2 | 1,6 | 1,0 | 0,9 | 0,9 |
Bruttoinlandsprodukt | 0,5 | −0,2 | 0,2 | 0,0 | 0,0 | −0,9 | 0,2 | 0,6 | 0,7 | 0,6 | 0,4 | 0,3 |
Bruttowertschöpfung | 0,5 | −0,3 | 0,1 | 0,1 | 0,0 | −0,9 | 0,2 | 0,6 | 0,7 | 0,6 | 0,4 | 0,3 |
Verarbeitendes Gewerbe | −1,1 | −1,4 | −0,9 | −0,9 | −0,7 | −3,4 | 0,1 | 1,3 | 1,4 | 1,3 | 0,8 | 0,5 |
Baugewerbe | 1,1 | −0,5 | 1,3 | 0,5 | 2,2 | −0,3 | 0,5 | 0,5 | 0,8 | 0,7 | 0,5 | 0,4 |
Handel, Gastgewerbe, Verkehr | 2,5 | −0,4 | 0,1 | 0,2 | −0,2 | −1,0 | 0,2 | 0,6 | 1,1 | 0,8 | 0,6 | 0,6 |
Unternehmensdienstleister | 0,6 | 0,1 | 0,0 | 0,0 | −0,3 | −1,0 | 0,2 | 0,7 | 0,8 | 0,5 | 0,4 | 0,4 |
Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit | 0,2 | 0,2 | 0,6 | 0,6 | 0,3 | 0,7 | 0,2 | 0,1 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.
Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2020. Prognose ab dem ersten Quartal 2020.
2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Reales Bruttoinlandsprodukt1 (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent) | 2,2 | 2,5 | 1,5 | 0,6 | −0,1 | 1,7 |
Erwerbstätige im Inland (1 000 Personen) | 43 655 | 44 248 | 44 854 | 45 253 | 45 427 | 45 627 |
Erwerbslose, ILO | 1 775 | 1 621 | 1 469 | 1 377 | 1 406 | 1 369 |
Arbeitslose, BA | 2 691 | 2 533 | 2 340 | 2 267 | 2 270 | 2 211 |
Erwerbslosenquote, ILO2 | 4,1 | 3,8 | 3,4 | 3,2 | 3,3 | 3,2 |
Arbeitslosenquote, BA2 | 6,1 | 5,7 | 5,2 | 5,0 | 5,0 | 4,8 |
Verbraucherpreise3 | 0,5 | 1,5 | 1,8 | 1,4 | 1,0 | 1,6 |
Lohnstückkosten4 | 1,2 | 1,2 | 2,5 | 3,4 | 2,3 | 1,3 |
Finanzierungssaldo des Staates5 | ||||||
in Milliarden Euro | 37,1 | 40,3 | 62,4 | 49,8 | 11,4 | –7,1 |
in Prozent des BIP | 1,2 | 1,2 | 1,9 | 1,4 | 0,3 | –0,2 |
Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP | 8,5 | 7,8 | 7,4 | 7,1 | 6,8 | 6,2 |
1 In Preisen des Vorjahres.
2 Bezogen auf die inländischen Erwerbspersonen insgesamt (ILO) bzw. zivilen Erwerbspersonen (BA).
3 Verbraucherpreisindex.
4 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in Preisen des Vorjahres je Erwerbstätigenstunde.
5 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).
Quellen: Angaben nationaler und internationaler Institutionen; DIW Frühjahrsgrundlinien 2020. Prognose ab 2020.
Auch eine deutlich negativere Entwicklung als in dem hier dargestellten Szenario erscheint realistisch. Einerseits sind die vorliegenden Informationen über die Corona-Pandemie äußerst gering. Weder die Stimmungsindikatoren noch amtliche Zahlen, etwa über die Produktionsleistung, bilden die aktuellen Ereignisse bis dato ab. Auch ist keinesfalls klar, wie tiefgreifend die Auswirkungen sein werden und ob eine Normalisierung bereits in den Sommermonaten einsetzt. Daher erscheint auch eine schwerere und länger anhaltende Rezession möglich.
Wird der Einfluss der Energiepreise ausgeblendet, steigt die Inflation in Deutschland, wie schon seit geraumer Zeit, nur geringfügig. Sie dürfte in diesem Jahr 1,6 Prozent betragen, kaum mehr als im vergangenen Jahr, und bei dieser Rate verharren. Die Wirtschaft ist zwar leicht unterausgelastet, dies liegt aber zum Teil auch an Störungen im Produktionsprozess. Dadurch entstehende Knappheiten in einigen Bereichen; diese stehen aber einer gedämpften Nachfrage an anderer Stelle gegenüber. In der Summe sind daher keine Impulse auf die Preise zu erwarten.
Anders stellt sich das Bild für die Inflation insgesamt dar: Die stark schwankenden Energiepreise haben in den vergangenen Jahren das Bild stets geprägt. Und auch aktuell werden aufgrund der jüngsten Einbrüche bei den Rohölnotierungen die Auswirkungen spürbar sein (Abbildung 4). Im zweiten Quartal werden die Energiepreise in Reaktion auf die massiv vergünstigten Ölpreise sinken; die Inflationsrate wird dadurch im Jahresdurchschnitt auf 1,0 Prozent gedrückt. Im kommenden Jahr, wenn die Ölpreise annahmegemäß keinen Einfluss auf die Teuerung habenSiehe dazu Tabelle 1 in Kasten 2 dieses Berichts. (Kasten 2), springt die Inflationsrate zurück auf 1,6 Prozent.
Die vorliegende Prognose stützt sich auf folgende Annahmen (Tabelle 1). Die Geldpolitik der EZB ist zuletzt noch expansiver ausgerichtet, die Kapitalmarktzinsen in Deutschland sind weiterhin negativ. Bilaterale nominale Wechselkurse werden gemäß der üblichen Konvention über den Prognosezeitraum als konstant angenommen; Stichtag ist der 9. März. Für den Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar ergibt sich so ein Jahresdurchschnitt von 1,12 US-Dollar je Euro für dieses Jahr und von 1,13 US-Dollar je Euro für kommendes Jahr. Aufgrund der jüngsten Einbrüche liegen die Rohölnotierungen auch im Jahresdurchschnitt über ein Drittel niedriger als im vergangenen Jahr. Für den weiteren Verlauf der Ölpreise werden die Futures auf Brent-Öl herangezogen, die graduelle Anstiege signalisieren. Im jahresdurchschnittlichen Vergleich liegen die Ölpreise in Euro gerechnet gemäß dieser Annahme im kommenden Jahr um etwa sieben Prozent höher. Die Tariflöhne auf Monatsbasis legen in den Jahren 2020 und 2021 um jeweils 2,5 Prozent zu.
2019 | 2020 | 2021 | ||
---|---|---|---|---|
EZB-Leitzins | Prozent | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Geldmarktzins | EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent | −0,36 | −0,44 | −0,4 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit zehnjähriger Restlaufzeit | 0,41 | 0,13 | 0,28 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit zehnjähriger Restlaufzeit | –0,64 | –0,41 | −0,18 |
Wechselkurs | US-Dollar/Euro | 1,12 | 1,12 | 1,13 |
Tarifliche Monatslöhne | Änderung gegenüber Vorjahr in Prozent | 3,1 | 2,5 | 2,5 |
Erdölpreis | US-Dollar/Barrel | 64,2 | 41,5 | 44,7 |
Erdölpreis | Euro/Barrel | 57,4 | 37,0 | 39,6 |
Quelle: DIW Frühjahrsgrundlinien 2020.
Die Finanzpolitik ist im Prognosezeitraum expansiv ausgerichtet (Tabelle 2). Für das Jahr 2019 ergibt sich ein fiskalischer Impuls von gut 24 Milliarden Euro, insbesondere durch die Umsetzung vieler im Koalitionsvertrag vereinbarter Maßnahmen. Im nächsten Jahr wird der Expansionsgrad dann etwas abnehmen, aber mit gut 16 Milliarden Euro noch hoch sein. Neben den bereits beschlossenen Maßnahmen, beispielsweise der Abbau der Kalten Progression und höhere Grund- und Kinderfreibeträge, tragen dazu auch Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden negativen wirtschaftlichen Folgen bei. Hier könnte es im Laufe des Jahres noch zu erheblichen Mehraufwendungen kommen, wenn die Fallzahlen der Corona-Infektionen ein Niveau erreicht haben, bei dem die Kapazitätsgrenzen des Gesundheitssystems überschritten werden. Für das Jahr 2021 ergibt sich bisher ein Impuls von 22 Milliarden Euro, der zur Hälfte allein schon auf die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags zurückzuführen ist. Zudem wird auch das Kindergeld erneut angehoben. Der finanzpolitische Impuls gemessen am nominalen Bruttoinlandsprodukt lag 2019 bei 0,7 Prozentpunkten. Für dieses und kommendes Jahr werden weitere expansive Impulse in Höhe von 0,6 Prozentpunkten des nominalen Bruttoinlandsprodukts erwartet.
Belastungen (–) und Entlastungen (+) des gesamtstaatlichen Haushalts in Milliarden Euro gegenüber Vorjahr
2020 | 2021 | |
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Einnahmen der Gebietskörperschaften2 | ||
Teilabschaffung Soli | 0,0 | −9,8 |
Alterseinkünftegesetz | −1,0 | −1,0 |
Mehreinnahmen durch steigende Rentenbesteuerung | 0,4 | 0,4 |
Familienentlastungsgesetz (ohne Kindergeld) | −4,5 | −1,0 |
Jahressteuergesetz 2019 | −0,3 | −0,2 |
Turnusmäßige Anhebung der Freibeträge in der Einkommensteuer / Abbau kalte Progression 2021 | 0,0 | −3,1 |
Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet | −0,2 | 0,0 |
Steuerliche Absetzbarkeit Erhöhung des PV-Beitrags | −0,2 | −0,1 |
Steuerliche Förderung von F&E-Ausgaben | 0,0 | −1,2 |
Steuerliche Förderung Mietwohnungsneubau | 0,0 | −0,1 |
Klimaschutzgesetz: CO2-Bepreisung in Verkehr und Wärme | 0,0 | 9,0 |
Klimaschutzgesetz: steuerliche Förderung (Gebäudesanierung, E-Mobilität, E-Dienstwagen, Zugfahrten) | −0,2 | −0,3 |
Klimaschutzgesetz: Erhöhung Luftverkehrsabgabe | 0,5 | 0,3 |
Bürokratieentlastungsgesetz | 0,0 | −0,1 |
Gesetz zur Umsetzung des Klimapakets im Steuerrecht | −0,4 | −0,2 |
Sonstige steuerliche Maßnahmen3 | −0,3 | 0,8 |
Einnahmen der Sozialversicherungen | ||
Senkung des Krankenkassenbeitrags auf Betriebsrenten | −1,2 | 0,0 |
Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,1 Prozentpunkt zum 1. Januar 2020 | −1,1 | 0,0 |
Ausweitung der Gleitzone (Midijobs) zum 1. Juli 2019 | −0,2 | 0,0 |
Anhebung des Zusatzbeitrags in der GKV | 0,0 | 2,1 |
Ausgaben der Gebietskörperschaften | ||
Kindergelderhöhung um 10 bzw. 15 Euro zum 1. Juli 2019 und 1. Januar 2021 | −1,0 | −2,6 |
Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung | −0,3 | 0,0 |
Einsparungen bei ALG II durch das Familienentlastungsgesetz bzw. Kindergeldanhebung | 0,1 | 0,2 |
Gute KiTa-Gesetz | −0,5 | −0,9 |
Beihilfen aufgrund von Ernteausfällen von Bund und Ländern | 0,2 | 0,0 |
Baukindergeld | −0,5 | −0,1 |
Erhöhung des Wohngelds | −0,2 | −0,1 |
Starke-Familien-Gesetz/ Kinderzuschlag | −0,6 | 0,0 |
Aufstockung des BAFöG, Aufstiegsfortbildung in der beruflichen Bildung | −0,5 | −0,2 |
Teilhabechancengesetz | −0,1 | 0,0 |
Qualifizierungschancengesetz (Bund) | −0,1 | 0,0 |
Angehörigenentlastungsgesetz | −0,3 | 0,0 |
Verteidigung | −1,0 | 0,5 |
Mehrausgaben für Entwicklungshilfe | −0,2 | 0,8 |
Mehrpersonal innere Sicherheit | −0,2 | −0,1 |
Kaufbonus E-Mobilität | −0,2 | 0,0 |
Ausstiegshilfe: Braunkohle | −0,5 | 0,0 |
Hilfspaket für Landwirte | −0,3 | 0,0 |
Ganztagsbetreuung Schule | −0,4 | −0,6 |
Zusätzliche EKF-Ausgaben durch Beschluss des Klimakabinetts | −1,8 | −2,9 |
Klimaschutzgesetz: Zuschüsse (EEG-Umlage, Wohngeld) | 0,0 | −7,8 |
Lohnersatzleistungen im Rahmen von Quarantänemaßnahmen | −0,5 | 0,0 |
Zusätzliche Ausgaben im Zuge der Covid-19-Pandemie (u.a. für Schutzanzüge, Atemmasken) | −1,0 | 0,3 |
Zusätzliche investive Ausgaben4 | −2,1 | −1,9 |
Ausgaben der Sozialversicherungen | ||
Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung5 | −0,2 | −0,6 |
Qualifizierungschancengesetz (Arbeitslosenversicherung) | −0,3 | 0,0 |
Anpassung der Renten Ost | −0,5 | −0,4 |
Erhöhung der Zurechnungszeit der Erwerbsminderungsrente | −0,1 | −0,1 |
Grundrente | 0,0 | −1,3 |
Pflegepersonalstärkungsgesetz | −0,6 | −0,3 |
Konzertierte Aktion Pflege | −0,2 | −0,4 |
Ausweitung Kurzarbeit | −0,5 | 0,0 |
Insgesamt | −23,1 | −23,0 |
darunter u.a. | ||
Ent- und Belastung der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte | −11,1 | −17,2 |
Investive Ausgaben6 | −4,2 | −3,4 |
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent | −0,5 | −0,7 |
1 Ohne makroökonomische Rückwirkungen.
2 Die Wirkungen der Steuerrechtsänderungen beziehen sich auf das Kassenjahr.
3 Steuerrechtsänderungen; u.a. Reform der Investmentbesteuerung, Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen, Betriebsrentenstärkungsgesetz.
4 Fonds für Breitbandausbau, Digitalpakt Schule, Ausbau des Schienennetzes, Kommunalinvestitionsförderungsfonds: Sanierung Schulen, Zuschuss des Bundes zur Gemeindeverkehrsfinanzierung, Strukturstärkungsgesetz: Kohleregionen.
5 Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung Terminservice- und Versorgungsgesetz.
6 Zusätzliche investive Ausgaben, Strukturstärkungsgestz: Kohleregionen, 50 Prozent EKF-Ausgaben, 66 Prozent Verteidigungsausgaben.
Quellen: Bundesregierung, Bundesministerium der Finanzen; DIW Frühjahrsgrundlinien 2020.
Bis zuletzt war die Lage auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich positiv, jedoch hinterlässt die anhaltende konjunkturelle Schwächephase – gerade auch der Industrie – zunehmend ihre Spuren. So wurde zwar im vierten Quartal 2019 in der Mehrzahl der Wirtschaftszweige – insbesondere im Handel, Verkehr und Gastgewerbe, aber auch im Bereich öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit – kräftig eingestellt und in der Summe stieg die Zahl der Erwerbstätigen um 80 000 Personen – und die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sogar um 110 000 Personen – an. Jedoch war die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe erneut rückläufig. Darüber hinaus legte hier die konjunkturell bedingte Kurzarbeit, die von Unternehmen zur Überbrückung vorübergehender Auftragsflauten genutzt wird, deutlich zu (Abbildung 5).
Für das laufende Quartal dürfte sich an diesem zweigeteilten Bild wenig ändern: Die ifo-Beschäftigungserwartungen deuten auf Beschäftigungszuwächse im Bereich Handel und Dienstleistungen hin, während sich die Erwartungen für das verarbeitende Gewerbe in den vergangenen Monaten weiter spürbar eingetrübt haben (Abbildung 6). Unter dem Strich dürfte die Erwerbstätigkeit im laufenden Quartal um rund 50 000 Personen zulegen, darauf deuten bereits vorliegende Monatswerte zur Erwerbstätigkeit sowie das IAB-Beschäftigungsbarometer (Komponente B) hin. Im zweiten Quartal werden die Effekte der Corona-Pandemie den Beschäftigungsaufbau aber wohl deutlich einbremsen, bevor er ab Jahresmitte 2020 mit etwas anziehender Produktion wieder leicht an Fahrt gewinnt (Abbildung 7).
Die Arbeitslosigkeit stagnierte in den vergangenen zwei Quartalen. Für das laufende Quartal lässt die monatliche Arbeitslosenstatistik auf einen leichten Rückgang schließen. Dieser wird weiterhin getragen von einem Rückgang der Bezieherinnen und Bezieher von ALG II („Hartz IV“). Demgegenüber stagniert die Zahl von Personen, die ALG I beziehen, denn die Arbeitslosigkeit wird in der kurzen Frist stärker von der Konjunktur beeinflusst. Im weiteren Prognoseverlauf dürfte die Arbeitslosigkeit weiter leicht zurückgehen, da die Arbeitsnachfrage ab der zweiten Jahreshälfte wohl wieder anzieht. Weil das Erwerbspersonenpotential nur mäßig zulegt, sinkt dann die Arbeitslosigkeit um im Schnitt 20 000 Personen pro Quartal.
Zusammengenommen beläuft sich die Zahl der Arbeitslosen in diesem Jahr auf voraussichtlich rund 2,27 Millionen Personen, im Jahr 2021 dann auf 2,21 Millionen. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 5,0 Prozent im laufenden und 4,8 Prozent im kommenden Jahr (Tabelle 3).Das 68-Prozent-Konfidenzintervall, das sich aus den Prognosefehlern der vergangenen fünf Jahre ergibt, liegt dieses Jahr zwischen 4,9 und 5,0 Prozent; für das kommende Jahr liegt es zwischen 4,6 und 5,1 Prozent. Zu beachten ist, dass die Unsicherheit aktuell außergewöhnlich hoch ist und der Bezug auf die Vergangenheit dies unterzeichnet.
In Millionen Personen
2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | |
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Erwerbstätige im Inland | 42,76 | 43,20 | 43,75 | 44,34 | 44,92 | 45,30 | 45,43 | 45,67 |
Selbständige und mithelfende Familienangehörige | 4,41 | 4,36 | 4,33 | 4,31 | 4,22 | 4,17 | 4,13 | 4,10 |
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte | 30,22 | 30,85 | 31,54 | 32,27 | 32,99 | 33,54 | 33,81 | 33,96 |
BeamtInnen, RichterInnen, Zeit- und BerufssoldatInnen | 1,85 | 1,84 | 1,84 | 1,84 | 1,86 | 1,87 | 1,88 | 1,89 |
Ausschließlich geringfügig Beschäftigte (Minijobber) | 5,03 | 4,85 | 4,80 | 4,74 | 4,67 | 4,57 | 4,47 | 4,40 |
Sonstige | 1,22 | 1,22 | 1,15 | 1,09 | 1,12 | 1,10 | 1,14 | 1,28 |
+/− Pendler, Beschäftigtigte in staatlichen Einrichtungen des Auslandes bzw. im Ausland etc. | −0,07 | −0,08 | −0,10 | −0,12 | −0,14 | −0,15 | −0,15 | −0,15 |
Erwerbstätige Inländer | 42,69 | 43,11 | 43,65 | 44,22 | 44,77 | 45,14 | 45,31 | 45,52 |
Erwerbslose | 2,05 | 1,92 | 1,72 | 1,57 | 1,44 | 1,39 | 1,42 | 1,38 |
Erwerbspersonen | 44,74 | 45,03 | 45,37 | 45,79 | 46,21 | 46,53 | 46,73 | 46,90 |
Nachrichtlich: | ||||||||
Arbeitslose | 2,86 | 2,76 | 2,66 | 2,49 | 2,30 | 2,24 | 2,24 | 2,18 |
Arbeitslosenquote BA1 (Prozent) | 6,7 | 6,4 | 6,1 | 5,7 | 5,2 | 5,0 | 5,0 | 4,8 |
Arbeitslosenquote SGB2 (Prozent) | 8,7 | 8,2 | 7,8 | 7,2 | 6,5 | 6,3 | 6,2 | 6,0 |
Erwerbslosenquote VGR3 (Prozent) | 4,6 | 4,3 | 3,8 | 3,4 | 3,1 | 3,0 | 3,0 | 2,9 |
Erwerbslosenquote ILO-Statistik (Prozent) | 4,9 | 4,6 | 4,0 | 3,6 | 3,3 | 3,2 | 3,2 | 3,1 |
Erwerbstätige am Wohnort nach ILO | 39,74 | 40,14 | 41,24 | 41,56 | 41,70 | 42,25 | 42,58 | 42,78 |
1 Registrierte Arbeitslose bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen.
2 Registrierte Arbeitslose bezogen auf die Summe von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und registrierten Arbeitslosen.
3 Erwerbslose bezogen auf die Summe der Erwerbstätigen nach VGR und der Erwerbslosen.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; DIW Frühjahrsgrundlinien 2020.
Die Bruttomonatslöhne dürften im laufenden Jahr weniger kräftig steigen als noch im Vorjahr: um 1,9 Prozent. Diese Entwicklung spiegelt die deutliche nachlassende wirtschaftliche Dynamik wider. Die Lohndrift wird negativ ausfallen, denn die Tariflöhne (einschließlich Sonderzahlungen)Für die Jahre 2020 und 2021 liegen bereits für rund 86 beziehungsweise 39 Prozent der Beschäftigten (in tarifgebundenen Unternehmen) gültige Tarifvereinbarungen vor. Auslaufende Tarifverträge werden im Normalfall nicht nahtlos verlängert. Deswegen liegt der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit gültigen Tarifverträgen durchschnittlich bei 83 Prozent. steigen um 2,5 Prozent. Auch dieser Anstieg ist weniger deutlich als noch im Vorjahr, denn die Gewerkschaften konnten zuletzt konjunkturbedingt nicht so hohe Abschlüsse erzielen. Wie schon zuvor dürften bei den Tarifverhandlungen teilweise nichtmonetäre Tarifbestandteile, etwa die Arbeitszeitgestaltung, einen höheren Stellenwert eingenommen haben.
Im Jahr 2021 wird die Lohndynamik mit anziehender Produktion wohl wieder kräftiger ausfallen, die Löhne legen dann um rund 2,6 Prozent zu. Die Reallohnentwicklung dürfte – gemessen an den Verbraucherpreisen – mit rund 0,9 Prozent im laufenden Jahr deutlich über den Zuwächsen der gesamtwirtschaftlichen Produktivität liegen, denn letztere fällt sogar negativ aus. Im kommenden Jahr werden sich die Zuwächse der Reallöhne und der Produktivität aufgrund des höheren Produktionswachstums mit jeweils rund 1,0 Prozent voraussichtlich in etwa entsprechen.
Der Konsum der privaten Haushalte profitiert einerseits von spürbaren Finanzimpulsen.Vgl. Clemens (2019), a. a. O. An die dauerhaft höheren Einkommen dürften die Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Konsum – wie bereits im vergangenen Jahr – rasch anpassen. Dies spricht für sich genommen für kräftige Zuwächse jeweils zum Jahresauftakt und zur Jahresmitte, wenn die meisten staatlichen Entlastungen beziehungsweise Leistungserhöhungen umgesetzt werden. Andererseits beeinflusst die Ausbreitung des Corona-Virus derzeit das Verhalten und die Konsumgewohnheiten der Menschen. Es ist davon auszugehen, dass es in vielen Bereichen zu Verschiebungen kommt – weg von Aktivitäten, die in der Öffentlichkeit stattfinden, hin zu solchen, die die Menschen im kleineren Kreis nutzen können. In der Summe werden die Ausgaben deutlich sinken. So lassen sich verschobene Autokäufe kaum durch vorübergehende Käufe zur Aufstockung heimischer Lebensmittelvorräte kompensieren. Diese Konsumzurückhaltung wird dadurch verstärkt, dass sich aufgrund des Corona-Virus auch die Einkommen gedämpfter entwickeln dürften. Die Lohneinkommen werden etwa durch eine zeitweise geringere Beschäftigungsdynamik belastet oder durch Lohneinbußen von Beschäftigten, die in Kurzarbeit geschickt werden. Einkommen aus selbständiger Arbeit dürften geringer ausfallen als zuvor und besonders Einkommen aus Vermögen werden, auch mit Blick auf die Entwicklung der Aktienmärkte, vorübergehend wegbrechen. All dies dürfte bereits im März eine Rolle spielen, alles in allem aber vor allem im zweiten Quartal durchschlagen.
Die Bruttolohnsumme legt in diesem Jahr – vor allem aufgrund der coronabedingten Flaute – nur verhalten zu. Erst im kommenden Jahr steigt sie wieder deutlicher. Noch gedämpfter als in diesem Jahr nimmt die Abgabenlast im Jahr 2021 zu, denn die Abschmelzung des Solidaritätszuschlags entlastet spürbar.
In diesem Jahr steigen die Nettolöhne in der Summe mit gut zweieinhalb Prozent so wenig wie seit über zehn Jahren nicht mehr, während sie im kommenden Jahr mit vier Prozent im Durchschnitt nahezu wieder den kräftigen Anstieg der vergangenen Jahre erreichen. Dagegen wachsen die monetären Sozialleistungen dieses Jahr überdurchschnittlich und im kommenden Jahr etwas weniger dynamisch. Da zudem die Einkommen aus selbständiger Arbeit und aus Vermögen in diesem Jahr sinken, während ihr Zuwachs im kommenden Jahr wieder etwa dem Durchschnitt der vergangenen Jahre entsprechen dürfte, ergibt sich mit knapp zwei Prozent in diesem Jahr nur ein bescheidener Anstieg der verfügbaren Einkommen. Auch weil ein beträchtlicher Teil davon im Zuge der Konsumzurückhaltung im laufenden Halbjahr gespart werden dürfte, wird der private Verbrauch in diesem Jahr wohl stagnieren – trotz der geringen Teuerung und der finanzpolitischen Stimuli. Im kommenden Jahr schlägt zu Buche, dass sich bereits im späteren Verlauf dieses Jahres das Ausgabeverhalten normalisiert und zuvor nicht verwendetes Einkommen zusätzlich zur Verfügung steht. Die Sparquote sinkt dann um immerhin einen halben Prozentpunkt. Trotz einer dann wieder höheren Teuerung wird der Konsum im Jahr 2021 mit gut zwei Prozent wohl kräftig ausfallen.
Die Investitionstätigkeit hat sich zum Jahresende 2019 erneut schwach entwickelt. Besonders deutlich war der Rückgang neuer Anschaffungen des Staates. Die Ausgaben der Unternehmen für neue Maschinen, Fahrzeuge und Geräte waren ebenfalls rückläufig. Insgesamt lagen die Ausrüstungsinvestitionen im zweiten Halbjahr 2019 um knapp 1,9 Prozent unterhalb des Vorjahreswerts. Maßgeblich hierfür war die schwache Entwicklung der industriellen Wertschöpfung in Deutschland und die Unsicherheit über die handelspolitischen Konflikte in der Welt.
Auch zu Beginn dieses Jahres waren die Anschaffungen neuer Ausrüstungen weiterhin schwach. Die Kapazitätsauslastung der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe ist in der zweiten Jahreshälfte 2019 weiter gesunken und liegt unter dem langjährigen Durchschnitt. Zuletzt deutete sich zwar eine Erholung in der Industrie an (Kasten 3), die nun aber mit dem Ausbruch des Corona-Virus gestoppt wird. Unternehmen dürften weiterhin vorsichtig disponieren und sich auf die notwendigsten Ersatzinvestitionen beschränken. Die Nachfrageschwäche und die Verunsicherung, die sich beispielsweise in der Volatilität der Aktienmärkte zeigt (Kasten 4), dürften nur allmählich schwinden. Erst in der zweiten Jahreshälfte, wenn die Folgen des Corona-Virus abklingen und die Nachfrage aus dem Ausland anzieht, dürfte die Investitionstätigkeit nach und nach an Dynamik gewinnen. Im kommenden Jahr werden zusätzlich finanzpolitische Impulse die Investitionstätigkeit anregen. Indirekt dürften Maßnahmen, die primär private Haushalte begünstigen, beispielsweise die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags, für eine Belebung sorgen. Bei einer gesamtwirtschaftlichen Expansion in der Größenordnung der Trendwachstumsrate kann im kommenden Jahr wieder mit einer etwas kräftigeren Ausweitung der Neuanschaffungen von Maschinen, Fahrzeugen und Geräten gerechnet werden kann.
Die hier vorgestellten Modellergebnisse stellen ein Szenario dar, wie es sich ohne die Ausbreitung des Corona-Virus eingestellt haben könnte. Sämtliche Indikatoren, die in die Modelle einfließen, beinhalten nämlich lediglich Informationen, die vor der weltweiten Ausbreitung des Virus verfügbar waren. Amtliche Statistiken, etwa die Monatsindikatoren aus der Industrie, decken nur die Entwicklung bis Januar ab. Stimmungsindikatoren, die zwar teils erst Ende Februar veröffentlicht wurden, beziehen sich auf einen Erhebungszeitraum etwa zum Beginn des Monats. Insofern mögen diese Modellergebnisse als irrelevantes Gedankenspiel erscheinen, sie stellen jedoch die relevante Ausgangslage dar, auf deren Grundlage Abschläge aufgrund des Corona-Effekts zu diskutieren sind.
So stellte sich die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland vor Ausbruch des Virus nämlich zunächst zunehmend günstig dar. Die Industrie hat ihre Ausbringungsmenge zum Jahresauftakt deutlich ausgeweitet, die Auftragseingänge haben sich etwas belebt und auch die Stimmung hat sich aufgehellt – nicht nur bei den Dienstleistern, sondern auch im verarbeitenden Gewerbe. Für das Bruttoinlandsprodukt hätte den Modellergebnissen zufolge ein Zuwachs von einem Viertel Prozentpunkt zu Buche geschlagen.
Der private Verbrauch wäre – auch angekurbelt durch die finanzpolitischen Maßnahmen – merklich um über ein halbes Prozent gestiegen. So waren zumindest die Umsätze im Einzelhandel zuletzt deutlich über das Niveau des Schlussquartals geklettert.
Die Flashmodelle ergeben für die Investitionstätigkeit eine große Spannbreite. Dies dürfte mit einer ohnehin hohen Unsicherheit zusammenhängen. Die Umsätze der Investitionsgüterhersteller im Inland sind zu Jahresbeginn indes kräftig gestiegen. Auch die Stimmung unter den Herstellern von Investitionsgütern deutet eine günstigere Entwicklung an als noch bis Ende des vergangenen Jahres. Insgesamt wäre für die Ausrüstungsinvestitionen ein verhaltener Anstieg zu erwarten gewesen.
Die Bautätigkeit dürfte zu Jahresbeginn erneut rege gewesen sein. Hierfür sprechen die jüngste Auftragsentwicklung und die vollen Auftragsbücher der Bauunternehmen. Die Geschäftserwartungen haben sich zwar etwas eingetrübt, allerdings sprechen die rege Inanspruchnahme von Wohnungsbaukrediten und die Ankündigungen weiterer öffentlicher Investitionen für eine Fortsetzung der guten Baukonjunktur.
Viele um den Jahreswechsel herum erhobene Indikatoren hatten nach einem durchwachsenen Jahr 2019 einen leichten Aufwärtstrend für die Weltwirtschaft angedeutet. Das Welthandelsvolumen stieg im Dezember um 0,3 Prozent. Der Frühindikator der Bundesbank für die weltweite Industrieproduktion stieg im Januar um 0,4 Punkte auf 100,6 an. Damit legte er im vierten Monat in Folge zu. Die Komponente der neuen Exportaufträge in den globalen Einkaufsmanagerindizes nahm im Januar ebenfalls zu. Indizes, die globale Frachtbewegungen auf dem See- und Luftweg erfassen, stiegen zu Jahresbeginn. Auch die Auftragseingänge aus dem Ausland nahmen im Januar kräftig zu. Für die Exporte wäre zumindest ein leichtes Plus zu erwarten gewesen; die Importe stellten sich zunächst sogar noch etwas dynamischer als die Exporte dar.
All dies ist mittlerweile Makulatur, zeigt aber zumindest, dass die deutsche Wirtschaft ohne die Ausbreitung des Corona-Virus wohl wieder etwas Fahrt aufgenommen hätte.
Aufgrund der unklaren Lage hinsichtlich der Ausbreitung des Corona-Virus sind auch die Entwicklungsperspektiven vieler Unternehmen von hoher Unsicherheit geprägt. Konkret sind etwa Betriebe des Gastgewerbes, des Transportwesens und anderer Dienstleister von Stornierungen betroffen. Aber auch für Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes sind die mittelfristigen Absatzchancen nur schwer einzuschätzen, da die Nachfrage nach ihren Gütern im In- und Ausland durch die Pandemie beeinflusst werden dürfte.
Darüber hinaus kann Unsicherheit über die Perspektiven der ökonomischen Entwicklung aber auch noch weitreichendere Folgen für die Konjunktur haben.Vgl. Nicholas Bloom (2014): Fluctuations in Uncertainty. Journal of Economic Perspectives, 28(2). Einerseits könnten die privaten Haushalte aufgrund der gestiegenen Einkommensunsicherheit ihre Kaufentscheidungen insbesondere für langlebige Konsumgüter zurückstellen. Als Folge davon dürfte auch das Investitionsvolumen der privaten Unternehmen zurückgehen, die sich an die gedämpfte Konsumnachfrage anpassen.Vgl. Ben S. Bernanke (1983): Irreversibility, Uncertainty, and Cyclical Investment. Quarterly Journal of Economics, 98(1). Zum anderen steigt aufgrund der höheren Unsicherheit das unternehmerische Risiko, was gestiegene Risikoprämien der Fremdfinanzierung nach sich ziehen dürfte. Dies erhöht die Fremdkapitalkosten und führt zu einer weiteren Reduktion von Konsum sowie der Investitionsbereitschaft.Vgl. Cristina Arellano, Yan Bai und Patrick Kehoe (2010): Financial Markets and Fluctuations in Uncertainty. Federal Reserve Bank of Minnesota Research Department Staff Report.
Aktuell spiegelt sich die Unsicherheit über die wirtschaftlichen Perspektiven nicht zuletzt auch auf den Finanzmärkten wider, deren Entwicklung seit Ende Februar 2020 von starken Kursverlusten geprägt ist. Gleichzeitig ist auch die implizite Volatilität erhöht, die in der Forschungsliteratur oftmals als ein Maß für ökonomische Unsicherheit interpretiert wird. Um die realwirtschaftlichen Auswirkungen der ökonomischen Unsicherheit, die durch die Corona-Pandemie hervorgerufen wurde, für Deutschland zu quantifizieren, wird ein empirischer Modellansatz benutzt, der als Unsicherheitsmaß den Volatilitätsindex VDAX des deutschen Leitindizes DAX verwendet.
Nach dem Ausbruch des Corona-Virus in Asien stieg mit dem Bekanntwerden vermehrter Fälle in Europa, insbesondere in Italien, seit dem 20. Februar die Unsicherheit auf den Finanzmärkten deutlich an (Abbildung 1). Im historischen Vergleich übermäßig hohe Verwerfungen sind in den ÜbernachtveränderungenDie Differenz zwischen Eröffnungskurs eines Handelstages gegenüber dem Schlusskurs des vorherigen Handelstages. des VDAX zu Handelsbeginn des 24. Februar, 28. Februar, 8. März sowie des 12. März 2020 zu verzeichnen (Abbildung 2). Die Anstiege an den beiden ersten Daten können jeweils mit Meldungen über Corona-Fälle in Europa nach Börsenschluss in Zusammenhang gebracht werden.Vor Handelsbeginn am 24. Februar stieg die Zahl der Corona-Virus-Todesfälle in China sprunghaft an, außerdem kam es zur Absage erster Großveranstaltungen in Italien. Vor Handelsbeginn des 28. Februar wurde ein starker Anstieg der Corona-Virus-Fälle in Frankreich verkündet, darüber hinaus gab es erste Corona-Virus-Fälle in Hessen, Bayern und Hamburg sowie in den Niederlanden. An den beiden letzteren Tagen fielen die Anstiege mit Ankündigungen der italienischen Regierung zusammen, die Bewegungsfreiheit in Norditalien drastisch einzuschränken beziehungsweise die Isolationsmaßnahmen für das ganze Land zu verschärfen.In der Nacht zum 12. März verhängten die USA darüber hinaus Einreisesperren gegen EU-Bürgerinnen und -Bürger. Am Morgen verkündeten Dänemark und Norwegen die Schließung von Schulen und Kitas. Die Übernachtvariation des VDAX ist für diese Handelstage also fast ausschließlich auf Nachrichten rund um das Corona-Virus und seine Folgen zurückzuführen.Zu Handelsbeginn des 8. März dürfte der Unsicherheitsschock teilweise von der Ankündigung der OPEC, ihre Fördermengen für Rohöl zu erhöhen, überlagert worden sein. Dieser Effekt fällt aufgrund der Mittelwertbildung jedoch nicht stark ins Gewicht. Aus diesem Grund wird der durchschnittlich gemessene Übernachtanstieg in Höhe von 6,24 Punkten im Folgenden – gemäß eines Eventstudienansatzes – zur Kalibrierung eines hypothetischen Unsicherheitsschocks verwendet. Zur Identifizierung von Unsicherheitsshocks wird der Methode von BloomVgl. Nicholas Bloom (2009): The impact of uncertainty shocks. Econometrica, 77(3). gefolgt, die darauf beruht, dass ausschließlich Unsicherheitsschocks kontemporäre Effekte auf alle endogenen Einflussfaktoren des empirischen Modells haben.
Es wird ein strukturelles Vektorautoregressives Gleichungssystem anhand bayesianischer Methoden geschätzt, das den VDAX, DAX, die Renditen zweijähriger deutscher Staatsanleihen, den Verbraucherpreisindex, das Arbeitsvolumen, die Arbeitslosenquote sowie das Bruttoinlandsprodukt beinhaltet.
Als Folge eines Unsicherheitsschocks (Abbildung 3) sinkt das deutsche Bruttoinlandsprodukt im folgenden Quartal um rund 0,2 Prozent. In den nächsten Quartalen folgt ein weiterer Rückgang, bevor bei einem Rückgang um rund 0,3 Prozent vom Ausgangslevel eine Stabilisierung einsetzt und in einem Aufholprozess in den kommenden Quartalen mündet (Abbildung 4). Im jahresdurchschnittlichen Vergleich sinkt das Bruttoinlandsprodukt um rund zwei Zehntel Prozent im ersten Jahr nach dem Schock, im darauffolgenden Jahr kommt es zu Aufholeffekten in ähnlicher Größenordnung.
Die florierende Baukonjunktur hielt bis zum Ende des vergangenen Jahres an. Sowohl im Wohnungsbau als auch bei Wirtschafts- und öffentlichen Bauten wurde die Aktivität auf den Baustellen im abgelaufenen Jahr deutlich ausgeweitet. Zum Jahresende entwickelte sich insbesondere der Wirtschaftsbau außerordentlich kräftig – den Investitionen der öffentlichen Hand ging indes die Puste aus. Auch im Prognosezeitraum dürfte die Bautätigkeit in allen Bereichen aufwärtsgerichtet bleiben (Tabelle 4) – im Schlussquartal des Jahres 2019 deuteten die Indikatoren auf eine Ausweitung der Bautätigkeit um rund ein Prozent hin. Die milde Witterung (Abbildung 8) dürfte den Bauunternehmen zudem einen kräftigen Jahresauftakt bescheret haben.
Konstante Preise, Veränderung in Prozent
2019 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Anteile in Prozent | Veränderungen gegenüber dem Vorjahr | |||||
Wohnungsbau | 61,0 | 0,6 | 3,0 | 4,1 | 3,2 | 2,9 |
Nichtwohnungsbau | 39,0 | 0,9 | 1,7 | 3,6 | 2,0 | 1,9 |
Gewerblicher Bau | 26,7 | 1,1 | 0,6 | 2,5 | 1,5 | 1,6 |
Öffentlicher Bau | 12,37 | 0,6 | 4,3 | 6,2 | 2,9 | 2,7 |
Bauinvestitionen | 100,0 | 0,7 | 2,5 | 3,9 | 2,8 | 2,6 |
Ausrüstungen | 4,0 | 4,4 | 0,6 | −3,5 | 2,8 |
Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2020.
Weiterhin günstig stellen sich die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau dar. Im Januar 2020 lag der durchschnittliche Effektivzinssatz für Wohnungsbaukredite bei 1,3 Prozent und damit 66 Basispunkte unterhalb des Vorjahreswerts. Im Prognosezeitraum ist nicht damit zu rechnen, dass die Zinsen für Wohnungsbaukredite substanziell steigen werden. Stützend dürften zudem die finanzpolitischen Impulse wirken: Die Ausweitung von Transfers und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags erweitern die finanziellen Spielräume für Neubautätigkeit und die Sanierung der bestehenden Bausubstanz. Zuletzt schwenkten auch die Genehmigungen neuer Wohnungsbauvorhaben wieder auf einen leicht aufwärtsgerichteten Trend ein. In der Entwicklung der veranschlagten Baukosten war dies ohnedies bereits seit längerer Zeit zu beobachten – dabei dürfte aber auch die relativ hohe Preisdynamik eine Rolle gespielt haben.
Die Investitionen in gewerblich genutzte Bauten werden im laufenden Jahr verhaltener ausfallen als zuletzt. Auch hier dürfte die Verunsicherung durch das Corona-Virus und die zunächst schwache Nachfrage nach Gütern des verarbeitenden Gewerbes ins Gewicht fallen und Erweiterungen der Betriebsflächen verlangsamen. Hingegen gibt es in vielen großen Städten neben der Wohnungsknappheit auch einen gestiegenen Büroflächenbedarf. Entsprechend dürfte sich der in der gestiegenen Zahl genehmigter Bauvorhaben angelegte Ausbau dieser Flächen fortsetzen. Ebenfalls dürfte der Tiefbau von Impulsen aus der Investitionsoffensive der Bahn und dem Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur profitieren.
In den Haushaltansätzen der öffentlichen Hand ist eine neuerliche Ausweitung der Bautätigkeit angelegt. Die gute finanzielle Lage des Bundes, der Länder und vieler Kommunen haben Investitionsspielräume eröffnet, die nun allmählich genutzt werden. Auch für finanzschwache Kommunen hat der Bund im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsfonds Unterstützung zugesagt. Zudem stehen beispielsweise Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz oder aus dem Energie- und Klimafonds für Investitionen zur Verfügung. Diese Gelder finden nun Verwendung.
Der kräftige Preisauftrieb der vergangenen Jahre bei Bauleistungen hat sich zuletzt verlangsamt. Allerdings bleibt es dabei, dass die derzeit hohe Nachfrage und weiterhin starke Auslastung der Baukapazitäten bei den Unternehmen Preissetzungsspielräume eröffnet. Davon profitieren auch die Beschäftigten im Baugewerbe, deren Lohnabschlüsse zuletzt überdurchschnittlich ausgefallen sind. Damit ist auch im Prognosezeitraum mit recht deutlichen Preissteigerungen von jährlich gut drei Prozent zu rechnen.
Schon das Jahr 2019 war für den deutschen Außenhandel kein gutes. Mit einem Zuwachs von 0,9 Prozent (kalenderbereinigt) war es das schwächste seit 2009. Klammert man dieses von den Folgen der globalen Finanzkrise gebeutelte Jahr aus, muss man gar bis ins Jahr 1993 zurückgehen, um eine geringere Wachstumsrate des deutschen Außenhandels (damals: minus sechs Prozent) ausfindig zu machen. Tatsächlich ist der Welthandel im vergangenen Jahr um 0,4 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018 gesunken – ebenfalls das erste Mal seit 2009. Diese Entwicklung ist auch dem Handelsstreit zwischen den USA und China zuzuschreiben. Neben den direkten Auswirkungen auf den Exportstandort Deutschland haben auch die indirekten Effekte, vor allem eine globale Investitionszurückhaltung aufgrund gestiegener Unsicherheit, ihren Tribut gefordert. Diese politisch induzierten Effekte sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Zusammensetzung der Nachfrage ändert: Diese entwickelt sich weg von für den deutschen Außenhandel wichtigen Investitionsgütern hin zu mehr Konsum. Und tatsächlich sind die Wachstumsbeiträge der Konsumgüter an den deutschen Exporten tendenziell gestiegen, während jene aus dem Investitionsgüterbereich fallen. Diese tektonische Verschiebung wird für den deutschen Außenhandel auch zukünftig eine große Herausforderung darstellen.
Zunächst stellt sich aber die Frage nach den Auswirkungen des Corona-Virus. Sie dürften die Hoffnungen auf eine Erholung, die die Indikatoren um den Jahreswechsel herum angedeutet haben, im Keim ersticken (Kasten 3). Die exportorientierte deutsche Wirtschaft wird durch die Unterbrechung internationaler Lieferketten besonders schwer getroffen, aber auch die Konsumzurückhaltung belastet die deutschen Exporteure. Auch wenn zurzeit das volle Ausmaß dieser Entwicklung noch nicht abzusehen ist, wird auch das erste Halbjahr 2020 für den Außenhandel wohl schwach ausfallen. Erst in der zweiten Jahreshälfte ist mit einer weltweiten Erholung der Nachfrage und damit auch der deutschen Exportwirtschaft zu rechnen. Nachholeffekte könnten dann für zusätzlichen Schub sorgen. Mit einer Normalisierung ist hingegen erst im nächsten Jahr zu rechnen. Dann werden sich die Ausfuhren wohl im Einklang mit der dann leicht aufwärtsgerichteten Auslandsnachfrage entwickeln.
Auch die Importe sind im Jahr 2019 im historischen Vergleich wenig gewachsen. Mit einem Plus von 1,9 Prozent ist die Dynamik damit das fünfte Jahr in Folge zurückgegangen. Schon allein der schwache Jahresauftakt der Exporte wird die Importnachfrage dämpfen; hinzu kommt die sinkende Nachfrage der privaten Haushalte. Insbesondere die Reisedienstleistungen dürften wegbrechen, schließlich ist der Tourismus besonders hart von der Ausbreitung des Corona-Virus betroffen. Im späteren Verlauf wird sich die Normalisierung der Lage auch positiv bei den Importen bemerkbar machen, zumal finanzpolitische Impulse den Konsum und damit auch die Nachfrage nach ausländischen Gütern und Dienstleistungen ankurbeln. Die rückläufige Tendenz des Außenbeitrags dürfte sich daher im weiteren Prognosezeitraum fortsetzen.
Der Ölpreis ist seit Jahresbeginn stark gefallen. Anfang Januar hatten Ängste vor einer Eskalation des Irankonflikts noch für Spitzen jenseits der 70 US-Dollar je Fass gesorgt. Dann haben die Sorgen um eine globale Nachfrageschwäche im Zuge der Ausbreitung des Corona-Virus den Ölpreis unter die Marke von 50 US-Dollar fallen lassen; und jüngst haben geopolitische Interessen Russlands und Saudi-Arabiens zu einer Ausweitung des Ölangebots und damit einem massiven Preisrutsch geführt. Dies dürfte, bei vergleichsweise wenig veränderten Exportpreisen, die Terms of Trade anschieben und der ansonsten rückläufigen Gewinnentwicklung etwas entgegenwirken. Im späteren Verlauf dürfte die für die zweite Jahreshälfte angelegte langsame Erholung der Wirtschaftstätigkeit im In- und Ausland für gleichmäßig steigende Import- und Exportpreise sorgen und die Terms of Trade dann nahezu unverändert lassen. Der Terms-of-Trade-Effekt wirkt in diesem Jahr einem deutlicheren Rückgang des Leistungsbilanzsaldos entgegen; insgesamt nähert sich der Saldo aber der Sechs-Prozent-Marke an.
Am Ende des Jahres 2019 ist der gesamtstaatliche Finanzierungsüberschuss mit gut 49,8 Milliarden Euro trotz konjunktureller Eintrübung einmal mehr höher ausgefallen als von Vielen zu Beginn des Jahres erwartet.Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2019): Frühjahr 2019: Konjunktur deutlich abgekühlt – Politische Risiken hoch (online verfügbar). Im Vergleich zum vorangegangenen Jahr lag er jedoch um 12,6 Milliarden Euro geringer.
Im Jahr 2020 wird der aktuelle gesamtstaatliche Überschuss wohl um zwei Drittel zurückgehen. Erstens werden diskretionäre, expansiv wirkende Maßnahmen den Finanzierungssaldo um rund 23 Milliarden Euro reduzieren (Kasten 2, Tabelle 2). Darunter zählen im ersten Halbjahr auch zusätzliche Ausgaben im Zuge der Ausbreitung des Corona-Virus, unter anderem für Gesundheitsdienstleistungen, Lohnersatzleistungen im Zuge des Infektionsschutzgesetzes für Menschen in Quarantäne sowie weitere Ausgaben für kurzfristige Liquiditätszuschüsse und für Kurzarbeitergeld. Zweitens wird der konjunkturelle Einbruch die Wachstumsrate der Steuereinnahmen deutlich dämpfen.
Im Jahr 2021 steigt dann die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger allein durch die weitgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die Einführung der Grundrente um gut elf Milliarden Euro. Die öffentlichen Haushalte werden darüber hinaus durch zusätzliche investive Ausgaben für den Klimaschutz und die Digitalisierung belastet. Jedoch stehen diesen Mehrausgaben nicht allein Einnahmen aus dem Staatskonto gegenüber, sie werden auch durch Sonderfonds und in zunehmendem Maße über Rücklagen finanziert, die beispielsweise ursprünglich zur Hilfe und Integration von Geflüchteten gebildet wurden. Aktuell dürfte diese Rücklage rund 42 Milliarden Euro und der Sonderfonds rund zwölf Milliarden betragen. Für das Jahr 2020 sind bereits Entnahmen aus den Rücklagen in Höhe von gut elf Milliarden Euro geplant; im Zuge der Covid-19-Krise dürften sie wohl noch deutlich höher ausfallen.
Die positive Einnahmenentwicklung im Jahr 2019 ist größtenteils auf den robusten Arbeitsmarkt zurückzuführen, der trotz des Einbruchs im Industriesektor hohe Lohnsteuereinnahmen in die Staatskasse gespült hat. Im Jahr 2020 werden die Lohnsteuereinnahmen zwar weiter ansteigen, allerdings aufgrund einer nochmaligen Anhebung der Grund- und Kinderfreibeträge, weiterer Verschiebung der Tarifeckwerte und der schwächeren wirtschaftlichen Dynamik in einem deutlich langsameren Tempo. Im Jahr 2021 dürfte die Dynamik dann nochmals an Tempo verlieren, denn die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags wird die Steuerkasse um knapp zehn Milliarden Euro erleichtern.
Die Gewinnsteuern, insbesondere die Körperschaft- und die Gewerbesteuern, sind 2019 infolge der Industrieschwäche deutlich um 3,8 beziehungsweise 2,2 Prozent gesunken. In diesem Jahr werden die Gewinnsteuern – angesichts der deutlichen Gewinneinbußen der Unternehmen – wohl erneut sinken. Spätestens im Jahr 2021 dürfte die Gewinnsteuer dann wohl wieder positiv zum Einnahmenzuwachs beitragen.
Die Umsatzsteuer ist im Jahr 2019 insbesondere wegen des anziehenden Konsums um rund 3,6 Prozent gewachsen. In diesem Jahr wird die Konsumzurückhaltung, insbesondere bei teureren, langlebigen Konsumgütern, im ersten Halbjahr auch die Umsatzsteuerentwicklung etwas dämpfen. Allerdings dürfte dies nur für dieses Jahr gelten, im nächsten Jahr werden die Umsatzsteuereinnahmen kräftiger steigen, auch weil mit Nachholeffekten zu rechnen ist. Eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf ausgewählte Konsumgüter könnte dabei Anreize zur Konsumglättung schaffenVgl. Sumit Agarwal, Nathan Marwell und Leslie McGranahan (2017): Consumption Responses to Temporary Tax Incentives: Evidence from State Sales Tax Holidays. American Economic Journal: Economic Policy, 9(4), 1–27. Wichtig ist auch, auf das Timing der Ankündigung zu achten, denn eine angekündigte, aber noch nicht implementierte Senkung der Mehrwertsteuer führt eher zu einer kurzfristigen Einschränkung des privaten Konsums. Vgl. Karel Mertens und Morten O. Ravn (2012): Empirical Evidence on the Aggregate Effects of Anticipated and Unanticipated US Tax Policy Shocks. American Economic Journal: Economic Policy, 4(2), 145–81. und auch die Bezieherinnen und Bezieher von unteren und mittleren Einkommen entlasten.Vgl. Stefan Bach und Niklas Isaak (2017): Senkung der Mehrwertsteuer entlastet untere und mittlere Einkommen am stärksten. DIW Wochenbericht Nr. 31, 627–634 (online verfügbar).
In Summe werden die Steuereinnahmen in diesem Jahr mit deutlich niedrigeren Raten, im nächsten Jahr dann wieder etwas dynamischer wachsen. Ihr Anteil am nominalen Bruttoinlandsprodukt wird folglich bis 2021 leicht sinken (Tabelle 5).
In Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts
Staatseinnahmen | Staatsausgaben | Finanzierungssaldo | Nachrichtlich: Zinssteuerquote2 | Staatsschuldenquote nach Maastricht | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
insgesamt | darunter: | insgesamt | darunter: | ||||||
Steuern | Sozialbeiträge | Zinsausgaben | Bruttoinvestitionen | ||||||
2011 | 44,4 | 22,3 | 16,4 | 45,2 | 2,5 | 2,3 | −0,9 | 11,2 | 80% |
2012 | 44,9 | 22,9 | 16,6 | 44,9 | 2,3 | 2,2 | 0,0 | 10,1 | 81% |
2013 | 45,0 | 23,0 | 16,6 | 44,9 | 1,8 | 2,2 | 0,0 | 8,0 | 79% |
2014 | 44,9 | 22,8 | 16,5 | 44,3 | 1,6 | 2,1 | 0,6 | 7,1 | 76% |
2015 | 45,0 | 23,0 | 16,5 | 44,0 | 1,4 | 2,1 | 0,9 | 6,1 | 72% |
2016 | 45,5 | 23,3 | 16,7 | 44,3 | 1,2 | 2,2 | 1,2 | 5,2 | 69% |
2017 | 45,7 | 23,6 | 16,9 | 44,4 | 1,1 | 2,2 | 1,2 | 4,5 | 65% |
2018 | 46,4 | 23,9 | 17,1 | 44,6 | 0,9 | 2,3 | 1,9 | 4,0 | 62% |
2019 | 46,8 | 24,0 | 17,4 | 45,4 | 0,8 | 2,5 | 1,4 | 3,3 | 59% |
2020 | 46,7 | 23,9 | 17,4 | 46,3 | 0,7 | 2,6 | 0,3 | 2,9 | 56% |
2021 | 46,6 | 23,8 | 17,4 | 46,8 | 0,6 | 2,6 | −0,2 | 2,7 | 54% |
2021/2019 | 46,7 | 23,9 | 17,4 | 46,2 | 0,7 | 2,6 | 0,5 | 3,0 | 57% |
1 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
2 Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen.
Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2020.
Auch den Anstieg der Sozialbeiträge um 4,4 Prozent hat die robuste Arbeitsmarktlage im Jahr 2019 beeinflusst. In diesem Jahr werden die Sozialbeiträge wohl deutlich niedriger liegen. Dies liegt zum einen daran, dass zum Jahresbeginn 2020 der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um 0,1 Prozentpunkt gesunken ist. Zum anderen aber auch an der schwächeren Arbeitsmarktdynamik, im Zuge derer die Bundesregierung die Sozialbeiträge der Arbeitgeber im Falle von Kurzarbeit übernehmen wird.
Die empfangenen Vermögenseinkommen haben etwas Dynamik verloren. Zwar war der Bundesbankgewinn mit 5,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr doppelt so hoch wie im Jahr zuvor, jedoch werden nur 2,4 Milliarden in den Bundeshaushalt fließen. Die restlichen 2,5 Milliarden Euro werden zur Tilgung des Schuldenstandes verwendet. In den nächsten Jahren wird das Vermögenseinkommen des Staates etwas sinken, denn die Zinseinnahmen dürften weiter zurückgehen.Zwar fließen erneut rund 2,5 Milliarden Euro beziehungsweise die Hälfte des diesjährigen Bundesbankgewinns in den Staatshaushalt, während die restlichen 3,4 Milliarden wohl zur Schuldentilgung verwendet werden. Allerdings gehen die Zinseinnahmen des Staates, insbesondere die der Gemeinden, merklich zurück. Die Versteigerung der 5G-Lizenzen kann diesen Trend nicht stoppen, denn die Erlöse in Höhe von 6,5 Milliarden Euro werden über den gesamten Nutzungszeitraum von etwa 20 Jahren verteilt.
Die empfangenen sonstigen Transfers sind im Jahr 2019 deutlich gesunken, vor allem weil die Strafzahlungen der Daimler AG in Höhe von 890 Millionen Euro im Zuge des Dieselskandals immer noch deutlich niedriger waren als die zwei Milliarden Euro Strafzahlungen von Volkswagen und Audi im Jahr 2018. Für die nächsten Jahre sind hingegen erst einmal keine außergewöhnlichen Zahlungen zu erwarten. Auch die diesjährige Entwicklung der empfangenen Vermögenstransfers wird durch Sondereffekte aus dem vergangenen Jahr geprägt.Im Jahr 2018 musste die Firma Toll Collect im Zuge der verspäteten Einführung des Lkw-Mautsystems mehr als eine Milliarde Euro an den Bund zahlen, die in diesem Jahr wegfallen. Bis 2021 dürften sich die Vermögenstransfers dann wieder leicht positiv entwickeln.
Alles in allem steigen die gesamtstaatlichen Einnahmen in diesem Jahr um 2,1 Prozent. Der Anteil der Staatseinnahmen am nominalen Bruttoinlandsprodukt beträgt rund 46 Prozent. Im nächsten Jahr expandieren die Einnahmen dann wieder stärker.
Die Ausgaben des Staates sind im Jahr 2019 deutlich um 4,6 Prozent gestiegen. Dies ist insbesondere auf die expansiv ausgerichtete Finanzpolitik zurückzuführen. Besonders dynamisch waren die Vorleistungskäufe, die sich im Zuge zusätzlicher investiver Maßnahmen sogar um 6,1 Prozent erhöht haben. In den Folgejahren dürfte die Dynamik im Zuge der geplanten Verstetigung der investiven Ausgaben weiterhin hoch bleiben, allerding werden die Steigerungsraten etwas schwächer ausfallen.
Die sozialen Sachleistungen sind bereits im Jahr 2019 um 4,8 Prozent und damit deutlich stärker gestiegen als Jahr zuvor. Auch in diesem Jahr dürften die sozialen Sachleistungen im Zuge der Bereitstellung medizinischer Ausrüstung zur Eindämmung der Corona-Epidemie dynamisch um 4,5 Prozent zunehmen. So wurde dem Gesundheitsministerium bereits kurzfristig rund eine zusätzliche Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, etwa um Atemmasken für rund 650 Millionen Euro anzuschaffen und um zusätzliche Ausgaben für Krankenhausdienstleistungen (beispielsweise Aufstockung der Betten, Personalpläne, Schutzzonen) zu schultern. Im nächsten Jahr dürften die sozialen Sachleistungen dann auch angesichts der schrumpfenden finanzpolitischen Spielräume etwas an Dynamik verlieren.
Die Arbeitnehmerentgelte des Staates sind aufgrund von Tariflohnsteigerungen und des Beschäftigungsaufbaus im Jahr 2019 mit 4,8 Prozent deutlich dynamischer expandiert als im vorangegangenen Jahr. In diesem Jahr wird mit weiteren Neueinstellungen im Bereich der inneren Sicherheit, Gesundheit, bei Kindergärten, Schulen und Universitäten gerechnet. Allerdings dürften Neu- und auch Wiederbesetzungen von Stellen aufgrund zunehmender struktureller Arbeitsmarktengpässe immer schwieriger werden, so dass der Beschäftigungsaufbau sich deutlich abschwächt. Die Arbeitsentgelte nehmen folglich um 3,8 Prozent im Jahr 2020 und um 3,4 Prozent im Jahr 2021 zu.
Die monetären Sozialleistungen expandierten im Jahr 2019 mit 5,0 Prozent recht kräftig.Dies geht vor allem auf finanzpolitische Maßnahmen zurück, beispielsweise die Erweiterung der Mütterrente, die Erhöhung des Kindergelds, der BaföG-Leistungen und des Wohngelds sowie die Leistungsausweitungen für Erwerbsgeminderte in der Rentenversicherung. In diesem Jahr dürften sie dann mit 4,7 Prozent weiterhin dynamisch zunehmen. Allerdings könnte diese Steigerung noch höher ausfallen, insbesondere dann, wenn mehr und mehr Firmen in den nächsten Monaten von den Kurzarbeiterregelungen Gebrauch machen. Im Jahr 2021 dürften die Transferleistungen abermals durch eine Kindergelderhöhung, um 15 Euro pro Monat und Kind, ansteigen. Hingegen dürften die Ausgaben sowohl für Kurzarbeiter- als auch Arbeitslosengeld angesichts des unterstellten Rückgangs der Corona-Infektionen wieder zurückgehen. Zudem wird zum 1. Januar 2021 die Grundrente mit einem Umfang von rund eineinhalb Milliarden Euro eingeführt, so dass die monetären Sozialleistungen im Jahr 2021 insgesamt mit 4,0 Prozent zunehmen werden.
Die Zinsausgaben dürften angesichts der jüngst verkündeten Fortführung des geldpolitischen Niedrigzinskurses weiter sinken, denn die Refinanzierung der Staatsschulden erfolgt zu deutlich günstigeren Konditionen.
Die Subventionen waren im Jahr 2019 mit sieben Prozent sehr dynamisch, denn einige der Ausgaben des Energie- und Klimafonds fallen hierunter. Während die Dynamik in diesem Jahr abflachen dürfte, wird die Entlastung der EEG-Umlage, die mit einem Großteil der Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert wird, aller Voraussicht nach im nächsten Jahr zu einem deutlichen Anstieg der Subventionen führen.
Der Anstieg um 4,5 Prozent bei den sonstigen laufenden Transfers ist zum Teil auf die Aufstockung der Entwicklungshilfe zurückzuführen. In diesem Jahr werden die Abführungen Deutschlands an die EU höher ausfallen. Weitere Maßnahmen, die im Rahmen des Klimaschutzgesetzes verabschiedet wurden, erhöhen die Transfers zusätzlich. Auch Lohnersatzzahlungen im Falle von Quarantänemaßnahmen der Länder im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes werden hier berücksichtigt, so dass die Dynamik deutlich höher liegen kann als hier unterstellt. Im Jahr 2021 dürfte das Wachstum mit fünf Prozent dann wieder etwas schwächer sein.
Die staatlichen Bruttoinvestitionen werden infolge verschiedener investiver Ausgaben wie dem Ausbau des Breitbandnetzes, Investitionen in die kommunale Infrastruktur sowie investiver Ausgaben im Rahmen des Klimaschutzgesetzes in diesem Jahr nochmals deutlich zulegen. Zusätzlich werden kurzfristig für die Erforschung eines Impfstoffes 0,2 Milliarden Euro bereitgestellt. Mittelfristig sollen der Aufhol- und Modernisierungsbedarf der öffentlichen Infrastruktur vorangetrieben und damit auch Kapazitäten erhöht werden. Dies dürfte nicht nur die unternehmerischen Unsicherheiten etwas reduzieren, sondern auch die Bekämpfung zukünftiger Viruswellen oder neuartiger Pandemien erleichtern. Sollten die Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 8. März 2020 umgesetzt werden, dürfte mit einer Verstetigung der Investitionsdynamik über 2021 hinaus zu rechnen sein.
Allerdings schmilzt der finanzpolitische Spielraum. Der aktuelle finanzielle Überschuss in Höhe von 49,8 Milliarden Euro dürfte in diesem Jahr wohl nur noch gut elf Milliarden Euro betragen.
Im nächsten Jahr wird der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo damit negativ werden und dann – wohl auch abhängig von der Höhe der Kosten des Corona-SchutzschildesVgl. Bundesministerium der Finanzen (2020): Coronavirus: Milliarden-Hilfsprogramm und Schutzschild (online verfügbar). – durch größere Zugriffe auf die Rücklagen kompensiert. Mit ihrer Ankündigung, unbegrenzt Kredite zu vergeben, hat die Bundesregierung bereits versichert, deutsche Unternehmen liquide zu halten – koste es, was es wolle. Für Klein- und Kleinstunternehmen, deren Überleben infolge eines temporären Umsatzeinbruchs in viel stärkerem Maße gefährdet ist, wird wohl zudem ein Rettungsfonds zur Deckung der Fixkosten und Unternehmerlöhne aufgelegt. Bei einer deutlich negativeren konjunkturellen Entwicklung als in dieser Prognose erwartet kann demnach auch eine hohe Neuverschuldung nicht ausgeschlossen werden.
Nach Bereinigung um konjunkturelle und Einmaleffekte lag der strukturelle Finanzierungssaldo im Jahr 2019 bei knapp 40 Milliarden Euro (Tabelle 6). Im Jahr 2020 wird der strukturelle Finanzierungssaldo rezessionsbedingt höher sein als der nichtstrukturelle Finanzierungssaldo und sich bei einem Niveau von 22 Milliarden Euro (0,6 Prozent in Relation zum Produktionspotential) bewegen. Im Jahr 2021 dürfte der strukturelle Finanzierungssaldo dann negativ sein. Der Bruttoschuldenstand des Staates in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt dürfte ohne zusätzliche NeuverschuldungDie Defizite des Finanzierungssaldos nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) dürften durch einen Zugriff auf die Rücklagen ausgeglichen wird. bis 2021 auf 55 Prozent sinken und damit deutlich unterhalb des Maastricht-Referenzwertes liegen.
In Prozent des Produktionspotentials
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|---|---|
Finanzierungssaldo | 1,2 | 1,9 | 1,4 | 0,3 | −0,2 |
– Konjunkturkomponente1 | 0,8 | 0,7 | 0,3 | −0,2 | −0,1 |
Konjunkturbereinigter Finanzierungssaldo | 0,5 | 1,1 | 1,1 | 0,6 | −0,1 |
– Einmaleffekte2 | −0,3 | −0,1 | 0,0 | −0,1 | 0,0 |
Struktureller Finanzierungssaldo | 0,8 | 1,2 | 1,2 | 0,6 | −0,1 |
+ Zinsausgaben | 1,1 | 0,9 | 0,8 | 0,7 | 0,6 |
Struktureller Primärsaldo | 1,8 | 2,2 | 2,0 | 1,3 | 0,6 |
1 Berechnet mit einer Budgetelastizität von 0,504.
2 Übernahme von HSH Nordbank, Strafzahlungen von Automobilkonzernen, Zahlungen an TollCollect, Gerichtsurteile.
Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2020.
Für die mittelfristige Projektion wird angenommen, dass es zu keinerlei zusätzlichen wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus kommt. Die weltwirtschaftliche Entwicklung folgt dem vor Ausbruch des Corona-Virus angelegten Trend, der angesichts des Wachstumsrückgangs in China und des Protektionismus, der global an Bedeutung zugenommen hat, flacher ausfällt als in den vergangenen Jahren. Die entwickelten Volkswirtschaften dürften um gut zwei Prozent pro Jahr und die Schwellenländer um rund fünf Prozent wachsen. Ölpreis und Dollar-Euro-Wechselkurs verharren über den gesamten Projektionszeitraum bei den für Ende 2021 unterstellten Werten. Der Ölpreis beträgt demnach 57 Dollar pro Barrel, der Wechselkurs 1,11 US-Dollar pro Euro. Die Europäische Zentralbank wird, wie alle wichtigen Zentralbanken, weiterhin einen expansiven Kurs verfolgen. Die Finanzpolitik wird annahmegemäß neutral ausgerichtet sein.
Die im Jahr 2021 noch leicht unterdurchschnittliche Auslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten dürfte sich im darauffolgenden Jahr, bei einem Wachstum von 1,4 Prozent, normalisieren. Anschließend wächst die deutsche Wirtschaft entsprechend dem langfristigen Trend – was allerdings bereits im Jahr 2023 nur noch Zuwächsen von knapp unter einem Prozent entspricht und im Folgenden weiter abflacht (Kasten 5).
Die Berechnung des Produktionspotentials basiert auf dem Verfahren, der von der Europäischen Kommission vorgeschrieben wird.Für eine ausführliche Beschreibung dieser Methode siehe Karel Havik et al. (2010): The Production Function Methodology for Calculating Potential Growth Rates and Output Gaps. European Economy – Economic Papers 420. Dieses basiert auf einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion mit den Einsatzfaktoren Arbeitsvolumen, Kapitalstock und der totalen Faktorproduktivität (TFP). Absehbare demografische Struktureffekte werden berücksichtigt, indem die Entwicklung der Komponenten des Arbeitsvolumens für unterschiedliche Alterskohorten fortgeschrieben, geglättet und anschließend mit den Altersanteilen zu einer gesamtwirtschaftlichen Komponente aggregiert werden.Siehe Ferdinand Fichtner et al. (2017): Deutsche Wirtschaft bleibt gut ausgelastet: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Herbst 2017. DIW Wochenbericht Nr. 36, 715–736 (online verfügbar).
Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird im Wesentlichen anhand der im Juni 2019 aktualisierten Bevölkerungsprojektion (Variante 2) fortgeschrieben. Diese wurde vor dem Hintergrund der hohen Zuwanderung vorgenommen und nimmt für 2019 eine verhältnismäßig hohe Nettozuwanderung an, die ab 2026 auf 206 000 Personen zurückgeht und auf diesem Niveau bis zum Ende des Projektionszeitraums bleibt. Der tatsächliche Wanderungssaldo für das Jahr 2018 betrug etwa 400 000 Personen. Mit gut 202 000 Personen entsteht weiterhin der Großteil des Wanderungsgewinns mit anderen EU-Ländern, wobei den größten Anteil Zuwanderer aus den osteuropäischen EU-Staaten ausmachen (vor allem Rumänien, Kroatien und Bulgarien).Vgl. Statistisches Bundesamt (2019): Zuwanderung 2018: Deutschland wächst um 400 000 Menschen. Pressemitteilung vom 16. Juli 2019 (online verfügbar). Die Nettozuwanderung aus Drittstaaten liegt bei rund 198 000 Personen, wobei die größten Zuwächse bei den Wanderungssalden gegenüber Albanien, Türkei und Kosovo zu beobachten sind. Für das Jahr 2019 wird eine Nettozuwanderung voraussichtlich in Höhe von 300 000 bis 350 000 Personen geschätzt.Vgl. Statistisches Bundesamt (2020): 2019 voraussichtlich geringstes Bevölkerungswachstum seit 2012. Pressemitteilung vom 17. Januar 2020 (online verfügbar). Es wird angenommen, dass der Wanderungssaldo bis 2024 weiter zurückgehen wird, was durch die teilweise schwierige Konjunkturlage erklärt werden kann. Für den Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung bei den Erwerbszuwanderern und den Nicht-Erwerbszuwanderern wird der aktuelle Wert aus dem Ausländerzentralregister angesetzt.Rund 90 Prozent der EU-Zuwanderer sind im erwerbsfähigen Alter. Bei der Nicht-Erwerbszuwanderung beträgt der Anteil 71 Prozent. Vgl. Statistisches Bundesamt (2019): Fachserie 1, Reihe 2. Ausländische Bevölkerung – Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 2018. Insgesamt können die positiven Wanderungssalden jedoch den altersbedingten Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung bis 2024 nicht kompensieren.
Die Partizipationsquote wird getrennt für Geflüchtete und die übrige Bevölkerung geschätzt. Für Geflüchtete ergibt sie sich aus einem kalibrierten Suchmodell. Die Partizipationsquote der übrigen Erwerbsbevölkerung wird in der mittleren Frist mit Hilfe eines Alterskohortenmodells für Fünf-Jahres-Altersgruppen separat nach Geschlecht und Herkunft fortgeschrieben. Die trendmäßige Partizipationsquote der gesamten Bevölkerung wird anschließend als gewichteter Durchschnitt der trendmäßigen Partizipationsquoten für Geflüchtete und der übrigen Bevölkerung berechnet. Sie steigt von 74,6 Prozent im Jahr 2019 mit einer abnehmenden Zuwachsrate um rund einen Drittel Prozentpunkt bis 2022 an. Zum Ende des Projektionszeitraums geht sie dann zurück.
Die NAWRU ergibt sich im Projektionszeitraum als gewichteter Durchschnitt der natürlichen Erwerbslosenquoten für Geflüchtete und die übrige Bevölkerung. Für die Geflüchteten wird sie ähnlich wie die Partizipationsquote aus dem Suchmodell abgeleitet. Die natürliche Erwerbslosenquote der übrigen Bevölkerung ergibt sich als Trend der Erwerbslosenquote, die über die mittlere Frist konstant ist. Die strukturelle Erwerbslosenquote liegt im Jahr 2019 bei 3,3 Prozent und geht bis 2024 auf 3,0 Prozent zurück. Ein Grund hierfür ist nicht nur, dass verglichen mit dem heutigen Stand immer mehr Geflüchtete eine Arbeitsstelle finden, sondern dass auch immer mehr ältere Langzeitarbeitslose in Rente gehen und junge Arbeitssuchende aufgrund der aktuell relativ günstigen Arbeitsmarktlage nicht in die Langzeitarbeitslosigkeit hineinwachsen.
Der Kapitalstock wird über den gesamten Projektionszeitraum anhand der Nettoinvestitionszuwächse fortgeschrieben. Zum Kapitalstock des Vorjahres kommen dementsprechend die Bruttoanlageinvestitionen abzüglich der Abschreibungen hinzu. Die Abschreibungsrate wird bis 2020 an den Wert aus der kurzen Frist angepasst und anschließend konstant auf den Wert des letzten Beobachtungszeitpunktes gesetzt. Der Kapitalstock wird nicht geglättet.
Die durchschnittliche Wachstumsrate des Arbeitsvolumens bis 2024 dürfte bei einen Zehntel Prozentpunkt liegen. Bis 2021 sollte sie hauptsächlich durch den Anstieg der Partizipationsquote und die sinkende NAWRU getrieben werden. Für die Zeit danach wird erwartet, dass sie vor allem durch die sinkende Partizipationsquote beeinflusst wird. Die durchschnittliche trendmäßige Arbeitszeit geht über den Zeitraum zurück. Außerdem wird auch die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den Jahren 2023 und 2024 einen negativen Wachstumsbeitrag leisten. Alles in allem dürfte das potentielle Arbeitsvolumen in Stunden bis 2024 damit durchschnittlich einen Wachstumsbeitrag knapp über der Nulllinie leisten. Die Wachstumsrate des Kapitalstocks liegt mit 1,3 Prozentpunkten oberhalb der Wachstumsrate des Produktionspotentials. Der Beitrag des Faktors Kapital zum Potentialwachstum dürfte im gesamten Projektionszeitraum einen halben Prozentpunkt ausmachen.
Zusammen mit dem Wachstumsbeitrag der totalen Faktorproduktivität in Höhe von weniger als zwei Drittel Prozentpunkten ergibt sich schließlich, dass das reale Produktionspotential bis 2024 um jahresdurchschnittlich 1,1 Prozent zunehmen wird (Tabelle). Allerdings verlangsamt sich das Tempo, mit dem das Potential in der kurzen Frist wächst, deutlich, so dass es zum Ende der Mittelfrist demografisch bedingt bei unter einem Prozent liegt.
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent
2014–2019 | 2019–2024 | |
---|---|---|
Produktionspotential | 1,7 | 1,1 |
Wachstumsbeiträge | ||
Arbeitsvolumen | 0,6 | 0,0 |
Kapitalvolumen | 0,4 | 0,5 |
Totale Faktorproduktivität | 0,6 | 0,6 |
Anmerkung: Differenzen bei der Aggregation entstehen durch Rundungseffekte.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Europäische Kommission; DIW Frühjahrsgrundlinien 2020.
Aufgrund der sinkenden Zahl der Erwerbspersonen wird zu Beginn der mittleren Frist kaum noch Beschäftigung aufgebaut, in den Jahren 2023 und 2024 sinkt die Erwerbstätigkeit bereits spürbar (Tabelle 7). Bei anhaltender Knappheit gut ausgebildeten Personals bleibt der Auftrieb bei den Stundenlöhnen spürbar, etwa im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Da die Arbeitszeit je Arbeitnehmerin beziehungsweise Arbeitnehmer im Trend weiter leicht abnimmt, flacht der Lohnauftrieb je Beschäftigten gerechnet allerdings etwas ab. Das Lohneinkommen steigt in der Summe merklich schwächer als in den vergangenen Jahren, um etwas weniger als zweieinhalb Prozent pro Jahr. Die monetären Sozialleistungen legen indes wegen der Alterung der Gesellschaft weiter kräftig zu. Die verfügbaren Einkommen steigen alles in allem mit zweieinhalb Prozent langsamer als zuletzt, und der private Verbrauch verliert – bei anhaltend moderater Teuerung von kaum mehr als anderthalb Prozent pro Jahr – an Schwung. Pro Kopf berechnet bleiben die Zuwächse aber mit gut einem Prozent spürbar und entsprechen dem langjährigen Mittel.
Erwerbstätige (Inland) | beschäftigte Arbeitnehmer (Inland) | Arbeitszeit je Erwerbstätigen | Bruttoinlandsprodukt | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte | ||||||||
insgesamt | je Erwerbstätigen | je Erwerbstätigenstunde | in jeweiligen Preisen | Deflator | ||||
in Millionen | in Millionen | in Stunden | in Milliarden Euro | in Euro | in Euro | in Milliarden Euro | 2015 = 100 | |
2014 | 42 721 | 38 262 | 1 400 | 2 978 | 69 714 | 50 | 2 927 | 98 |
2019 | 45 251 | 41 102 | 1 386 | 3 241 | 71 615 | 52 | 3 436 | 106 |
2024 | 45 330 | 41 364 | 1 379 | 3 397 | 74 936 | 54 | 3 932 | 116 |
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent | ||||||||
2019/2014 | 1,2 | 1,4 | −0,2 | 1,7 | 0,5 | 0,7 | 3,3 | 1,5 |
2024/20191 | 0 | 1/4 | −0 | 1 | 1 | 1 | 2 3/4 | 1 3/4 |
1 In dieser Projektion sind die Vorausschätzungen auf 1/4-Prozentpunkte gerundet.
Quellen: Statistisches Bundesamt, DIW Frühjahrsgrundlinien 2020.
Ein zunehmender Teil der heimischen Nachfrage muss aufgrund des sinkenden, verfügbaren Arbeitsvolumens aus ausländischer Produktion gedeckt werden. Schon allein wegen der dadurch anhaltend dynamischen Importe fällt der Wachstumsbeitrag des Außenhandels in der mittleren Frist negativ aus. Hinzu kommt, dass die Exporte nur verhalten zulegen: Die stärkere Ausrichtung vieler Volkswirtschaften auf Konsum und Anstrengungen, diesen stärker aus heimischer Produktion zu bedienen, könnten zwar aufgrund von erforderlichen Umstrukturierungen zu einem vorübergehendem Investitionsschub führen, von dem die deutschen Exporteure profitieren würden. Hier wird jedoch davon ausgegangen, dass der langfristige Effekt einer insgesamt weniger investitionsgetriebenen weltwirtschaftlichen Dynamik dominiert und die Nachfrage nach deutschen Produkten aus dem Ausland dämpft. Aus diesem Grund werden auch die Investitionen hierzulande verhalten laufen. Selbst die Sonderkonjunktur am Bau läuft allmählich aus (Tabelle 8).
Bruttoinlandsprodukt | Konsumausgaben | Bruttoinvestitionen | Außenbeitrag | ||
---|---|---|---|---|---|
private Haushalte | Staat | ||||
in Milliarden Euro | |||||
2014 | 2 927,4 | 1 563,9 | 573,5 | 596,3 | 193,8 |
2019 | 3 435,8 | 1 794,0 | 699,4 | 734,7 | 207,7 |
2024 | 3 932,4 | 2 024,8 | 842,4 | 892,4 | 172,8 |
Anteile am BIP | |||||
2014 | 100 | 53,4 | 19,6 | 20,4 | 6,6 |
2019 | 100 | 52,2 | 20,4 | 21,4 | 6,0 |
2024 | 100 | 51 | 21 2/4 | 23 | 4 2/4 |
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent | |||||
2019/2014 | 3,3 | 2,8 | 4,1 | 4,3 | – |
2024/20191 | 2 3/4 | 2 2/4 | 3 3/4 | 4 | – |
1 In dieser Projektion sind die Vorausschätzungen auf 1/4-Prozentpunkte gerundet.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2020.
Themen: Konjunktur, Gesundheit
JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-12-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/219358