DIW Wochenbericht 13 / 2020, S. 264
Thore Schlaak
get_appDownload (PDF 83 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.9 MB)
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind überall in Deutschland zu spüren: Geschäfte, Schulen, Kindertagesstätten und Ämter sind geschlossen und vielerorts setzen auch Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes die Produktion aus, selbst die großen Autokonzerne. Grund dafür ist aber nicht nur die Eindämmung der Virus-Ausbreitung, sondern auch der dramatische Nachfragerückgang. Dies wiederum hat zur Folge, dass immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um ihre Jobs und Selbständige um ihre Aufträge bangen.
Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht gibt es jedoch Anlass zur Hoffnung: Zwar hat die maue Konjunktur zuletzt schon ihre Spuren auf dem Arbeitsmarkt – gerade auch bei den Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes – hinterlassen. Doch gilt grundsätzlich weiterhin: Die Beschäftigung befindet sich auf Rekordstand und die Arbeitslosigkeit ist gesamtwirtschaftlich gesehen extrem niedrig. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass der überwiegende Teil der Unternehmen so lange wie möglich an ihrer Belegschaft festhält, da es nach dem Ende der Krise schwierig und überaus kostspielig wäre, wieder qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu finden und einzustellen. Gerade deswegen ist auch der Fokus der Bundesregierung richtig, auf das Kurzarbeitergeld zu setzen, um den Unternehmen zu helfen, anhaltende Auftragsflauten zu überbrücken. Auch die Erfahrungen aus den Jahren 2008/2009, dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise, sprechen für dieses Politikinstrument: Damals schickten die Unternehmen knapp eineinhalb Millionen Angestellte in die Kurzarbeit. Gleichzeitig nahm die Arbeitslosigkeit nur um rund 150000 Personen zu, während die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung in etwa stabil blieb.
Doch unterscheidet sich die derzeitige Krise in wichtigen Punkten von der Finanzkrise. Eine Besonderheit der Corona-Krise ist, dass die Konsumnachfrage so plötzlich und drastisch einbricht – aus Angst vor Ansteckung, aber auch durch die die Schließung von Geschäften. Dies trifft insbesondere lokale Selbständige und kleinere Dienstleistungsbetriebe, aber auch Freiberufler, was einen fundamentalen Unterschied zur Finanzkrise darstellt. Hier geht es um – von den Betroffenen unverschuldete – dramatische Umsatzeinbußen. Geschäftsaufgabe und Entlassungen der wenigen Angestellten sind oftmals die Konsequenz, da die finanziellen Rücklagen dieser Betriebe in der Regel sehr begrenzt sind. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass die Bundesregierung schnellstmöglich arbeitsmarktpolitische Hilfen auf den Weg bringt, um auch Kleinunternehmern die Beschäftigung zu sichern. Vielen betroffenen Firmen und Selbständigen helfen dabei nur direkte Zuschüsse, da sie ihre nun entfallenden Einnahmen nach der Krise nicht nachholen können. Neben der staatlichen Unterstützung sollte aber auch zwischen Geschäftspartnern klar sein, dass zurzeit eine Ausnahmesituation vorliegt und deshalb gegenseitiges Entgegenkommen oftmals beiden Seiten weiterhilft, um noch schwerwiegendere Verwerfungen zu verhindern.
Ganz am Rande beschleunigt die Corona-Krise eine weitere, in Deutschland längst überfällige, Entwicklung der Arbeitswelt. Notgedrungen haben viele Unternehmen im Eiltempo ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern flexiblere Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung eingeräumt mittels digitaler Lösungen wie Videotelefonie, Emailverkehr oder verschiedenster Cloud-Anwendungen. Dass dies funktioniert, könnte die lang gehegte Skepsis vieler Unternehmen gegenüber der Heimarbeit deutlich reduzieren. Von den nun vielerorts getätigten Investitionen in Know-how und Infrastruktur profitieren auch künftig alle: Perspektivisch können Beschäftigte wie auch Arbeitgeber flexibler auf kurzfristige Begebenheiten reagieren und so entstehenden Arbeitsausfall minimieren. Aktuell ist jedoch entscheidend, dass für alle Beteiligten das Ansteckungsrisiko mit dem Corona-Virus minimiert wird und so Unternehmensschließungen vermieden werden können.
Dieser Beitrag ist am 23. März 2020 auf focus.de erschienen.
Themen: Verbraucher, Konjunktur, Gesundheit, Arbeit und Beschäftigung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-13-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/219363