DIW Wochenbericht 17 / 2020, S. 312
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Die Verabschiedung eines Rettungspakets, das die Selbstständigen und Inhaber kleinster Betriebe explizit miteinbezieht, war richtig und richtungsweisend. Denn die Corona-Krise trifft dieses Segment der Wirtschaft besonders heftig. Hinzu kommt, dass die Inhaberinnen und Inhaber dieser Betriebe oft über keine oder nur geringe Rücklagen verfügen. Vielen steht das Wasser bis zum Hals. Einige haben schon aufgegeben.
Die Kleinstunternehmen sind ein wichtiger Teil unserer Wirtschaft. Und dazu gehören nicht nur Restaurants und Geschäfte, sondern auch die Kultur- und Kreativwirtschaft und viele weitere wissensintensive Dienstleistungen, die als wachstumsstark gelten und knapp 20 Prozent zur Bruttowertschöpfung in Deutschland beitragen. Im Gegensatz zum verarbeitenden Gewerbe, wo die Mehrheit der Beschäftigten in Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten arbeitet in den wissensintensiven Dienstleistungen etwa ein Drittel für ein Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten, also in Kleinstunternehmen. Sie stellen das Rückgrat dieses Wirtschaftszweigs dar.
Vielen droht durch die Corona-Krise die Pleite. In der Phase der Ausgangsbeschränkungen ging es in erster Linie darum, mit den nun häufig bereits gewährten staatlichen Liquiditätshilfen und des Kurzarbeitergelds diese Zeit zu überstehen und es den Unternehmen möglich zu machen, nach der Krise auch noch intakt zu sein. Doch vor allem der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie dem Gast- und Hotelgewerbe müssen nun weitere Hilfen gewährt werden, denn ein Ende des Lockdowns zeichnet sich für sie noch nicht ab.
Leider ziehen staatliche Hilfspakete immer Trittbrettfahrer und Kriminelle an, die auf ihre Art erfindungsreich sind, um sich Liquiditätshilfen auf widrige Weise zu erschleichen. Aber es wurden auch andere Bedenken geäußert und vor der Gewährung von Corona-Hilfen an sogenannte „Zombie-Unternehmen“ gewarnt – Unternehmen, die bei normaler Konjunktur aufgrund mangelnder Nachfrage den Markt hätten verlassen müssen.
Unstrittig ist, dass der Staat, so gut es geht, Trittbrettfahrer vom Zugang zu diesen Hilfen ausschließen muss. Verschiedene Bundesländer haben deshalb die Gewährung der Hilfen zeitweilig eingestellt. Dagegen ist die Umsetzung der Forderung, auch „Zombie-Unternehmen“ keine Hilfen zu gewähren, eine schwierige Gratwanderung, bei der zwei Fehler gemacht werden können: Entweder erhalten Unternehmen Liquiditätshilfen, obwohl sie unter normalen Umständen den Betrieb eingestellt hätten. Oder aber Unternehmen erhalten durch bürokratische Verzögerungen zu späte Unterstützung, obwohl sie unter normalen Umständen ein gesundes Unternehmen gewesen wären. Sie würden unnötigerweise in die Pleite getrieben.
Angesichts der Tatsache, dass jährlich nur zehn Prozent aller Unternehmen im Markt ausscheiden, ist die Wahrscheinlichkeit einer vorrangigen Finanzierung von „Zombie-Unternehmen“ gering. Selbst wenn alle „Zombie-Unternehmen“, aber von den „gesunden“ nur jeder dritte Betrieb Soforthilfen beantragt, ist die Wahrscheinlichkeit einer unnötigen Finanzierung mit 25 Prozent immer noch überschaubar. Mit anderen Worten: Die Gewährung von Liquiditätshilfen für Kleinstunternehmen muss weiterhin unbürokratisch gehandhabt werden.
Anderen Unternehmen eröffnet die Krise auch Chancen. Erfinderische und innovative Unternehmerinnen und Unternehmer werden diese Phase nutzen, um neue Marktzugänge und neue Formen der Produktion und Distribution ihrer Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Insofern ist damit zu rechnen, dass nach der Krise manche Märkte neu sortiert werden, innovative Unternehmungen in die Märkte eintreten und andere Unternehmungen aus den Märkten hinausdrängen. Hier sollte die Politik nicht mehr intervenieren. Man darf gespannt sein, welche Ideen in Zeiten der Corona-Krise geboren und sich auch danach am Markt durchsetzen werden.
Der Beitrag ist in einer längeren Fassung am 27. März 2020 auf capital.de erschienen.
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-17-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/219372