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Mobile Money treibt finanzielle Entwicklung Afrikas voran

DIW Wochenbericht 22 / 2020, S. 375-381

Katharina Lehmann-Uschner, Lukas Menkhoff

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  • Im ländlichen Afrika besteht hohe Marktdurchdringung von Mobile Money, finanzielle Inklusion verbessert sich
  • Dennoch bleibt ein Viertel der Bevölkerung ohne Zugang zu formalen Finanzdienstleistungen
  • Problem scheinen weniger die Preise für Mobile Money als eine unzureichende Verfügbarkeit und eine mangelnde finanzielle Bildung zu sein
  • Das Thema Mobile Money sollte stärker in die Maßnahmen zur finanziellen Bildung einbezogen werden
  • Nutzungszahlen von Mobile Money zuletzt durch Corona-Pandemie gestiegen

„Finanzielle Innovationen wie Mobile Money stellen den Finanzsektor auf den Kopf. Unsere Studie zeigt am Beispiel Afrikas, welche Faktoren die Marktdurchdringung auch in anderen Regionen der Welt begünstigen können.“ Katharina Lehmann-Uschner

Mit Hilfe von Mobile Money können Finanztransaktionen über ein Handy getätigt werden. Auch in armen Gegenden Afrikas besitzt fast jeder ein Mobiltelefon. Mobile Money könnte dafür sorgen, dass niemand mehr von Finanzdienstleistungen ausgeschlossen bleibt, und so zum wirtschaftlichen Wachstum des Kontinents beitragen. Tatsächlich zeigen vom DIW Berlin erhobene Daten aus Afrika, dass Mobile Money weniger genutzt wird, als es die Zahl der Konten vermuten lässt. Seit seiner Einführung wurde jedoch bei der Nachfrage nach Finanzdienstleistungen ein Plus von 20 Prozentpunkten verbucht. Dennoch bleibt ein Viertel der Bevölkerung, gerade die Ärmsten, außen vor. Dies liegt neben hohen Preisen vor allem an immer noch unzureichender Verfügbarkeit von Mobile Money im ländlichen Raum sowie an mangelnder finanzieller Bildung. Folglich können eine geeignete Wettbewerbspolitik, Vorgaben zur räumlichen Abdeckung sowie zielgerichtete finanzielle Bildung die Nutzung von Mobile Money steigern und damit die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas fördern.

Finanzielle Innovationen haben das Potential, den Finanzsektor grundlegend zu verändern. Weltweit dürften sogenannte FinTechs etablierten Kreditinstituten immer mehr Konkurrenz machen, weil sie preiswerter, komfortabler und schneller operieren. In Afrika gibt es bereits eine solche Innovation: Dort hat Mobile Money, also Finanzdienstleistungen, die über Handys angeboten werden, seinen Siegeszug angetreten.infoVgl. Tavneet Suri, William Jack und Thomas M. Stocker (2012): Documenting the Birth of a Financial Economy. Proceedings of the National Academy of Science 109 (26), 10257–10262 (online verfügbar). Innerhalb von zehn Jahren hat Mobile Money in vielen Ländern eine große Marktbedeutung erlangt: Mehr als 50 Prozent der Haushalte nutzen dieses Instrument (51 Prozent in Uganda, 73 Prozent in Kenia).infoVgl. Asli Demirgüç-Kunt, Leora Klapper, Dorothe Singer, Saniya Ansar, and Jake Hess (2018): The Global Findex Database 2017: Measuring Financial Inclusion and the Fintech Revolution. Washington, DC: World Bank (online verfügbar). Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Mobile-Money-NutzerInnen weiter gestiegen. In Subsahara-Afrika wurden 50 Millionen zusätzliche Mobile-Money-Konten angelegt. Damit kletterte ihre Zahl auf knapp 470 Millionen.infoNach Daten des Mobilfunk-Verbandes GSM Association (online verfügbar). Die Corona-Krise dürfte Mobile Money zu einem weiteren Plus verhelfen: Für dieses Jahr wird mit Zuwachsraten im zweistelligen Bereich gerechnet.infoVgl. Nellie Peyton (2020): Coronavirus seen as trigger for mobile money growth in West Africa (online verfügbar). Was aber sind die volkswirtschaftlichen Folgen von Mobile Money und wo liegen aus heutiger Sicht Defizite? Kasten

Der vorliegende Bericht untersucht, inwieweit innovative Finanzdienstleistungen die finanzielle Inklusion verbessern und damit zu einer Änderung des Finanzsektors beitragen können. Dabei ist es wichtig zu verstehen, welche Personengruppen solche neue Finanzprodukte überhaupt nutzen. Dafür wird mithilfe der folgenden Probit-Regression die Stärke der Korrelation zwischen der Wahrscheinlichkeit, Mobile Money aktiv zu nutzen, und verschiedenen sozio-ökonomischen Charakteristika, Persönlichkeitsmerkmalen sowie Unternehmenseigenschaften und Angebotsfaktoren berechnet.

Pr(Mobile Money Nutzung=1)=f(Alter, Geschlecht, Bildung (allgemein und finanziell), Besitztümer, Risikoeinstellungen, Erfahrung, Unternehmensgröße und -formalisierung, Netzabdeckung, Zugang zu Mobile Money Verkaufspunkten)

Um abschätzen zu können, inwieweit Mobile Money einen Beitrag zur finanziellen Inklusion leisten kann, interessiert besonders, welche Faktoren die Nutzung von Mobile Money unter den bislang „unbanked“-Individuen begünstigen oder hindern. Darum werden in dieser Regression die Individuen nicht berücksichtigt, die bereits Zugang zu anderen formalen Finanzdienstleistungen haben.

Da es weitere, nicht beobachtbare Faktoren geben könnte, die sowohl die Nutzung von Mobile Money als auch sozio-ökonomische Charakteristika wie Bildung und Wohlstand beeinflussen, können die so berechneten Koeffizienten nur als Korrelationen, nicht jedoch als kausale Ursachen interpretiert werden.

Der Markterfolg von Mobile Money

Mobile Money ist eine Innovation, die im Jahr 2007 in Kenia von einer Tochter des Konzerns Vodafone in Zusammenarbeit mit dem führenden lokalen Telefonanbieter Safari Telecom unter dem Namen M-PESA eingeführt wurde.infoVgl. zum Überblick Tavneet Suri (2017): Mobile Money. Annual Review of Economics 9, 497–520 (online verfügbar). Im Grunde nutzt sie die SMS-Funktion normaler Handys, um darüber finanzielle Dienstleistungen zu beauftragen. Zunächst wurden damit Zahlungen von einem Konto zum anderen abgewickelt, danach wurden das Sparen und schließlich die Kreditvergabe ausgebaut.

Geldein- und -auszahlungen erfolgen hauptsächlich über ein enges Netz von Mobile-Money-Agenten – meist Besitzer kleiner Läden, die ähnlich wie hierzulande Poststellen zusätzlich Mobile Money Services anbieten. Zur Authentifizierung sind ein Ausweisdokument sowie eine PIN erforderlich. In einigen Gegenden können auch Geldautomaten teilnehmender Banken für Bargeldauszahlungen genutzt werden. Außerdem gibt es zunehmend die Möglichkeit, Steuern und Gebühren, beispielsweise Schulgebühren sowie Strom- oder Wasserrechnungen direkt über Mobile Money zu bezahlen. Vereinzelt erhalten auch ArbeitnehmerInnen ihren Arbeitslohn anstelle einer Barauszahlung direkt auf ihr Mobile-Money-Konto.

Die Marktdurchdringung in Kenia, gemessen am Anteil der Menschen, die einen Zugang zu Mobile Money haben, ist über die Jahre schnell gewachsen (Abbildung 1). Dadurch ist der Anteil der sogenannten „unbanked“ Individuen, die keinen Zugang zu formalen Finanzdienstleistungen einschließlich Mobile Money haben, mit der Ausbreitung von Mobile Money in Kenia rapide von fast 60 Prozent im Jahr 2011 auf 18 Prozent im Jahr 2017 gefallen.infoVgl. Demirgüç-Kunt et al. (2018), a.a.O.

Um die Entwicklung genauer beschreiben und analysieren zu können, werden im Folgenden vor allem Daten aus dem ländlichen Uganda genutzt, die bei KleinunternehmerInnen gezielt mit Blick auf Mobile Money erhoben wurden.

Uganda war eines der ersten Länder, das seinem Nachbarland Kenia bei der Nutzung von Mobile Money gefolgt ist. Im ländlichen Sample von KleinunternehmerInnen erreicht Mobile Money 86 Prozent der Befragten und damit mehr als im landesweiten Durchschnitt.infoGemessen als Anteil der Befragten, die angeben, einen Mobile Money Account zu haben. Allerdings haben von allen Befragten nur 48 Prozent, also dennoch eine deutliche Mehrheit bezogen auf die 86 Prozent, Mobile Money in den zurückliegenden drei Monaten auch tatsächlich genutzt. Die übrigen 38 Prozent waren dagegen inaktiv.infoUm nur tatsächliche Finanzdienstleistungen im Sinne der finanziellen Inklusion zu erfassen, gelten auch diejenigen Befragten als inaktive Nutzer, die Mobile Money lediglich zum Aufladen von Telefonguthaben genutzt haben.

Obwohl Mobile Money von der Mehrheit derjenigen genutzt wird, die bereits Zugang zu formalen Finanzdienstleistungen haben (das sind 52 Prozent der Befragten), nutzen auch immerhin 42 Prozent der bislang „unbanked“ Individuen (das sind 48 Prozent vom Gesamtsample) Mobile Money.infoAls „banked“ zählen im Sinne der von der Weltbank genutzten Definition (Demirgüç-Kunt et al. (2018), a.a.O.) all die Personen, die einen Zugang zu formalen, also staatlich regulierten, Finanzdienstleistungen haben. Als reguliert in diesem Sinne gelten in Uganda Banken, Mobile-Money-Anbieter sowie Genossenschaftsbanken (siehe Financial Sector Deepening Uganda (2018): FinScope Uganda – Topline Findings Report. Kampala, Uganda (online verfügbar)). Insofern hat sich der Anteil der „banked“ Individuen durch Mobile Money um 20 Prozentpunkte vergrößert (von 52 auf 72 Prozent), was für sich genommen einen großen Entwicklungsschritt darstellt.

Allerdings werden die wirklich Armen auch mit dieser Innovation nicht erreicht, wie die Korrelationen der Nutzung von Mobile Money mit sozio-ökonomischen Merkmalen (Tabelle 1) zeigen. Fast in jeder Hinsicht zählen die NutzerInnen zu den besser gestellten Personen. So verfügen Mobile-Money-NutzerInnen über ein größeres Vermögen und besitzen häufiger ein Mobiltelefon.infoDabei ist für die Nutzung von mobilen Finanzdienstleistungen kein Smartphone nötig, ein einfaches Handy ist ausreichend. In dem hier untersuchten Sample besitzen 92 Prozent der befragten KleinunternehmerInnen ein Handy. In der Praxis genügt häufiger der Besitz einer SIM-Karte, um Mobile-Money-Dienste in Anspruch zu nehmen. Auch sind ihre Unternehmen in der Regel größer (gemessen an der Zahl der Angestellten) und organisierter: Sie haben häufiger eine Lizenz für ihr Unternehmen und führen häufiger Buch über ihre Einnahmen und Ausgaben. Außerdem sind Personen, die mobile Finanzdienstleistungen in den vergangenen drei Monaten aktiv genutzt haben, risikofreudiger und jünger als Personen, die keinen Zugang zu formalen Finanzdienstleistungen durch Mobile Money haben. Zusätzlich spielen jedoch auch Angebotsfaktoren bei der Verbreitung von Mobile Money eine Rolle. So ist die Nutzung von mobilen Finanzdienstleistungen unter den ansonsten „unbanked“ Individuen bei einer besseren Qualität der Handynetzabdeckung sowie besserem Zugang zu Mobile-Money-Verkaufspunkten höher.infoInsgesamt ist das Netz von solchen Mobile-Money-Agenten jedoch sehr dicht: Bei einer Gesamtbevölkerung, die der Hälfte der deutschen Bevölkerung und einer Fläche in der Größe von zwei Dritteln Deutschlands entspricht, gibt es in Uganda 200000 Mobile-Money-Verkaufspunkte.

Tabelle 1: Welche sozioökonomischen Merkmale machen aktive Mobile-Money-Nutzung wahrscheinlicher?

Aktive Mobile-Money-Nutzung
Sozioökonomische Eigenschaften
Geschlecht −0,05
(0,033)
Alter −0,00***
(0,002)
Höchster Bildungsabschluss 0,01
(0,004)
Wohlstand (standardisierte Anzahl der Besitztümer) 0,04*
(0,022)
Besitz eines Mobiltelefons 0,27***
(0,048)
Finanzielle Bildung und Risikopräferenzen
Finanzielle Bildung (standardisiert) −0,00
(0,020)
Bereitschaft, Risiken einzugehen (standardisiert) 0,07***
(0,013)
Unternehmenseigenschaften
Erfahrung (Jahre als Kleinunternehmer) 0,00
(0,002)
Anzahl der Angestellten 0,05**
(0,024)
Buchführung 0,21***
(0,027)
KleinunternehmerIn hat eine Lizenz 0,07*
(0,040)
Mobile-Money-Angebotsfaktoren
Dichte der Mobile-Money-Verkaufspunkte 0,01**
(0,004)
Qualität der Handynetzabdeckung 0,01*
(0,007)
N 1077
Pseudo R2 0,131

Anmerkungen: Das Sample besteht aus 2231 KleinunternehmerInnen aus dem ländlichen Westen Ugandas. Für die Regression wurde das Sample hier auf die „unbanked“ Individuen sowie auf solche, die ausschließlich mobile Finanzdienstleistungen nutzen, beschränkt. Robuste Standardfehler in Klammern. Standardfehler auf der Trading Center Ebene geclustert.Signifikanzniveaus: *** p<0,01; ** p<0,05; * p<0,1.

Quelle: Eigene Berechnungen.

Ursachen des Markterfolgs

Die Marktdurchdringung konnte deshalb so gut und schnell funktionieren, weil Angebotsvoraussetzungen und Nachfrage vorhanden waren.infoVgl. Suri (2017), a.a.O. Angebotsseitig existierte bereits die Infrastruktur in Form einer breiten Verfügbarkeit von Handys und entsprechend dafür notwendigen Verkaufsstellen für Geräte und Guthaben. Nachfrageseitig gab es nur recht wenige und nicht gerade preiswerte Kreditinstitute, bei denen nur eine Minderheit der Bevölkerung Kunde ist. Folglich sind die meisten Menschen auf Alternativen angewiesen. Diese sind, wenn es um Sparen und Kredit geht, informelle lokale Finanzinstitutionen. Wenn es um „Überweisungen“ geht, dann war es weit verbreitet, dass ein Familienmitglied das Geld persönlich überbracht hat oder zum Beispiel einem Busfahrer Bargeld mitgegeben hat, der es dann gegen Gebühr einer Zielperson aushändigte.

Demzufolge unterscheidet sich die Nutzung von Mobile Money zwischen den einzelnen Finanzdienstleistungen auch erheblich. So werden zum Sparen und für die Kreditaufnahme hauptsächlich informelle Finanzinstitutionen genutzt. Nur neun Prozent des Samples (das entspricht zwölf Prozent von den 76 Prozent aller Befragten, die aktuell Ersparnisse haben), sparen mit Mobile Money. Und weniger als ein Prozent von den 34 Prozent aller Befragten, die einen ausstehenden Kredit haben, nehmen einen Mobile-Money-Kredit in Anspruch. Jedoch haben fast 30 Prozent des Samples Mobile Money für den Transfer von Geld genutzt. Dies entspricht 70 Prozent von den 41 Prozent aller Befragten, die in den vergangenen drei Monaten Geld transferiert haben.

Mobile Money hat im Zahlungsverkehr über größere Distanzen offensichtliche Vorteile, sofern man keine Bankverbindung nutzen kann. Es ist zuerst einmal sicher, weshalb es im Grenzfall sogar über kurze Entfernungen in besonders kriminellen Gebieten eingesetzt wird. Zudem sind die Kosten überschaubar, denn ein Busticket zu kaufen oder einen Busfahrer zu bezahlen, ist nicht billiger. So berichten die hier untersuchten KleinunternehmerInnen Transaktionskosten in Höhe von durchschnittlich 4,2 Prozent für Mobile-Money-Transaktionen. Die Kosten für eine persönliche Überbringung des Geldes oder durch einen Busfahrer betragen jedoch sechs bis 13 Prozent.

Die Vorteile von Mobile Money schlagen sich entsprechend in der vorliegenden Untersuchung der erfassten Nutzung nieder. Mobile Money dominiert die anderen Kanäle für Transfers; der Anteil nimmt mit der Betragsgröße zu (Abbildung 2). Bei den größten Beträgen von mehr als 150000 Ugandischen Schilling, dies entspricht einem halben durchschnittlichen Monatseinkommen für einen Haushalt,infoVgl. Uganda Bureau of Statistics (2018): Uganda National Household Survey 2016/2017. Kampala, Uganda (online verfügbar). laufen 73 Prozent aller Transfers über Mobile Money. Die Anteile sind nochmals leicht höher für Personen mit höherer finanzieller Bildung.infoDer Unterschied bei den Transfers beträgt acht Prozentpunkte zwischen den Personen mit der höchsten und niedrigsten finanziellen Bildung.

Trotz dieser klaren Präferenz für Mobile Money bei Geldtransfers scheint das Marktpotential noch nicht ausgeschöpft. Wenn KleinunternehmerInnen gefragt werden, wieviel sie für eine Transaktionen bezahlen würden, geben durchschnittlich mehr als 50 Prozent an, Transaktionen zu den von Mobile-Money-Anbietern verlangten Gebühren abwickeln zu wollen. Bei höheren Transaktionsbeträgen sind es sogar mehr als 70 Prozent aller Befragten.

Die Gebühren für mobile Finanzdienstleistungen folgen dabei einer Treppenfunktion. Prozentual gesehen sinken die Gebühren bei höheren Transaktionssummen, dagegen sind Kleinstüberweisungen im einstelligen Eurobereich relativ teuer.infoEin Euro entspricht etwa 4000 Ugandischen Schilling (Stand: Mai 2020). Bezeichnend ist dabei die Differenz der Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit von der Darstellung der Kosten (Tabelle 2). Bei kleinen Transfer- oder Abhebebeträgen steigert die Angabe der Kosten in absoluten Ugandischen Schilling die Zahlungsbereitschaft. Bei mittleren oder größeren Transfer- beziehungsweise Abhebebeträgen hingegen ist die Zahlungsbereitschaft höher, wenn die Kosten nur in Prozent und nicht absoluten Geldbeträgen angegeben sind. Dies deutet darauf hin, dass die Interpretation von Prozentangaben vielen Befragten Probleme bereiten.infoSiehe hierzu auch Bertrand, Marianne und Adair Morse (2011): Information Disclosure, Cognitive Biases, and Payday Borrowing, The Journal of Finance, vol. 66, no. 6, pp. 1865–1893. In ihrer Studie zeigen die Autoren, dass Individuen seltener überteuerte Kleinkredite, sogenannte Payday Loans, aufnehmen, wenn ihnen die Kosten nicht nur in Prozent, sondern auch in absoluten Geldbeträgen angegeben werden. Personen mit höherer finanzieller Bildung zeigen für fast alle Transaktionen eine größere Zahlungsbereitschaft. Im Durchschnitt beträgt diese fünf Prozentpunkte. Allerdings scheint die derzeitige finanzielle Bildung die oben beschriebenen Verständnisprobleme nicht vollkommen zu beheben: Unterschiede in der Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit von der Darstellung der Kosten bleiben bestehen.

Tabelle 2: Zahlungsbereitschaft für Mobile-Money-Services

Anteil der Befragten, die bereit wären, eine Transaktion zu den tatsächlich verlangten Gebühren vorzunehmen (abhängig von Darstellung der Gebühren)

Transfer innerhalb eines Anbieters Transfer zu anderem Anbieter Bargeld abheben
Transferbetrag Kostenin Prozent Kosten in Prozent und Uganda-Schilling Kosten in Prozent Kosten in Prozent und Uganda-Schilling Kosten in Prozent Kosten in Prozent und Uganda-Schilling
10000 Uganda-Schilling 58 67 34 36 61 78
50000 Uganda-Schilling 80 75 71 65 79 71
150000 Uganda-Schilling 85 89 79 73 79 68

Quelle: Eigene Berechnungen.

Volkswirtschaftliche Verbesserungen durch Mobile Money

Die finanzielle Innovation Mobile Money leistet zwei große Beiträge zur volkswirtschaftlichen Wohlfahrt: Sie trägt zur finanziellen Entwicklung bei und sie hilft insbesondere, große negative Schocks abzupuffern.infoDabei sind die finanziellen Folgen der Einführung von Handys nur ein Teil von deren positiven Wirkungen. Vgl. dazu Jenny C. Aker und Isaac M. Mbiti (2010): Mobile Phones and Economic Development in Africa. Journal of Economic Perspectives 24(3), 207–232.

Hinsichtlich finanzieller Entwicklung sind wiederum zwei Aspekte hervorzuheben. Erstens wurde bereits dokumentiert, wie Mobile Money zur finanziellen Inklusion beiträgt, also auch Haushalte mit geringerem Einkommen von geregelten und sicheren Finanzdienstleistungen profitieren. Der zweite Aspekt ist der gestärkte Wettbewerb. Typischerweise wird Mobile Money von „neuen“ Anbietern auf dem Finanzmarkt bereitgestellt, konkret von Telefongesellschaften. Diese neuen Konkurrenten zwingen die etablierten Kreditinstitute zum Handeln. In Kenia zum Beispiel haben letztere durchgesetzt, dass sie parallel zu den zahlreichen kleinen Verkaufsstellen der Telefonanbieter (die für die Mobile-Money-Anbieter die Bargeldtransaktionen abwickeln) ebenfalls lokale Agenten mit Dienstleistungen beauftragen können. Damit ist ihr Netz an Kontaktpunkten vielfach enger geworden.infoVgl. Suri (2017), a.a.O., 507. Dies trägt zum Wettbewerb bei. Ferner ist in dieser Hinsicht vorteilhaft, wenn es mehrere Anbieter von Mobile Money gibt und nicht nur einen Monopolisten.

Mobile Money hat auch positive Effekte über den engeren Finanzbereich hinaus. Am besten dokumentiert ist in der Literatur der Anstieg mit Zahlungen in Gebiete, die von Naturkatastrophen betroffen sind – und damit eine verlässliche Zurechnung der Verursachung erlauben.infoVgl. dazu beispielsweise Joshua E. Blumenstock, Nathan Eagle und Marcel Fafchamps (2016): Airtime Transfer and Mobile Communications: Evidence in the Aftermath of Natural Disasters. Journal of Development Economics 120, 157–181. Darüber hinaus gibt es weitere konkret belegte positive Wirkungen wie generell bei der Risikoteilung und Konsumglättung,infoWilliam Jack und Tavneet Suri (2014): Risk Sharing and Transactions Costs: Evidence from Kenya’s Mobile Money Revolution. American Economic Review 104(1), 183–223. bei Überweisungen von Familienmitgliedern, die fernab der Familie arbeiten (remittances),infoVgl. dazu beispielsweise Ggombe Kasim Munyegera und Tomoya Matsumoto (2016): Mobile Money, Remittances, and Household Welfare: Panel Evidence from Rural Uganda. World Development 79, 127–137. und bei zusätzlichen Ersparnissen.infoVgl. Überblick bei Jana Hamdan (2019): The Impact of Mobile Money in Developing Countries. DIW Roundup 131 (online verfügbar). Für Kenia gibt es Schätzungen, die in der Summe der Effekte von einer Verringerung der Armutsquote um zwei Prozentpunkte ausgehen.infoVgl. Tavneet Suri und William Jack (2016): The Long-run Poverty and Gender Impacts of Mobile Money. Science 354, 6317, 1288–1292.

Neben diesen Erfolgen stehen manchmal Sorgen, dass Mobile Money die Geldpolitik stören könnte, weil zusätzliches Geld geschaffen wird. Grundsätzlich ist dies nicht zutreffend, da ein Kunde Guthaben erwirbt, indem er Bargeld bei einem Agenten des Anbieters einzahlt, er also Assets tauscht. Damit ist zwar erst einmal mehr Geld im Umlauf (wenn man das Mobile Money dazu rechnet), aber es ist nicht relevant für Geldmengenabgrenzungen, die auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage abzielen. Man kann sich dies beispielsweise an einer Situation in Deutschland klarmachen: Wenn jemand Bargeld auf sein Girokonto einzahlt, ist auch nicht mehr Geld im Umlauf. Auch die Sorge, mobile Finanzdienstleistungen könnten das Geldsystem destabilisieren, weil sie über Telefonanbieter und damit außerhalb des regulierten Sektors angeboten werden, scheinen sich nicht zu bestätigen. Zwei neue Studien zeigen vielmehr, dass Mobile Money zu einer Erweiterung des beobachteten und regulierten Sektors beiträgt.infoVgl. GSM Association (2019): The impact of mobile money on monetary and financial stability in Sub-Saharan Africa (online verfübar) und Joseph Mawejje,und Paul Lakuma (2019): Macroeconomic Effects of Mobile Money: Evidence from Uganda. Financial Innovation 5 (23) (online verfügbar).

Durch zwei andere Mechanismen jedoch kann die Geldpolitik tatsächlich berührt werden. Zum einen wird argumentiert, dass die Verwendung von Bargeld für den Zahlungsverkehr zu einer schnelleren Zirkulation des Geldes führt, also die Umlaufgeschwindigkeit steigt. Zum anderen findet mit der später geschaffenen Möglichkeit der Kreditvergabe durch Mobile-Money-Anbieter Geldschöpfung statt.

Was sollte sich noch verändern?

Bei allen genannten Erfolgen, die Mobile Money den jeweiligen Gesellschaften bringt, besteht aber noch Verbesserungspotential. Insbesondere müssen vier Bereiche beleuchtet werden:

(1) Ein wenig beachtetes Thema ist bisher die Sorge um mögliche „Bankruns“, also den breiten und überraschenden Wunsch, Mobile Money in Bargeld zu tauschen. Die Verkaufsstellen halten natürlich nicht alle getätigten Einzahlungen in bar vorrätig, denn das würde ein Diebstahlrisiko und den Verlust auf Zinsen bedeuten. Folglich managen sie ihre Barbestände und können bei einem starken Abzug in Liquiditätsprobleme geraten. Hier sollten die Aufsichtsbehörden mit einer Art Einlagensicherung operieren, um die Wahrscheinlichkeit eines Runs zu minimieren und die Folgen gegebenenfalls zu mildern.infoMobile Money Anbieter unterstehen wie Banken einer staatlichen Regulierung, bislang jedoch nur in abgemilderter Form.

(2) Ein etwas überraschender Befund ist die relativ geringe Nutzung von Mobile Money relativ zu den Möglichkeiten, da fast alle Menschen über ein entsprechendes Konto verfügen. In der hier untersuchten Zielgruppe in Westuganda bleibt mehr als ein Viertel der erfassten Bevölkerung „unbanked“, nutzt also keinen Zugang zum formalen Finanzsektor. Es ist nach jetzigem Wissensstand nicht ganz klar, wo die Hindernisse für stärkere Nutzung liegen. Möglicherweise sind die relativen Gebühren gerade für kleine Kunden doch abschreckend hoch, jedenfalls reichen sie bis zu zehn Prozent der Transaktion, was man in Deutschland als prohibitiv ansehen würde. Hier könnte die Politik entweder versuchen, den Wettbewerb zu intensivieren, oder aus verteilungspolitischen Gründen Vorgaben machen.infoEnde 2019 – nach Ende der Datenerhebung für die vorliegende Studie – haben die beiden Hauptanbieter für Mobile Money infolge des gestiegenen Wettbewerbs tatsächlich ihre Kosten gesenkt. Die Kosten für kleine Transaktionsbeträge, die prozentual gesehen besonders hoch sind, wurden um bis zu 50 Prozent reduziert. Eine interessante Entwicklung lässt sich im Zuge der aktuellen Corona-Pandemie beobachten: Um bargeldloses Bezahlen gerade auch bei alltäglichen Käufen anzuregen, haben viele Mobile-Money-Anbieter die Gebühren für kleinere Transaktionen – die bislang relativ zum Transaktionsvolumen besonders teuer waren – gesenkt oder ganz ausgesetzt. So auch in Uganda: MTN, der größte Telefon- und Mobile-Money-Anbieter in dem ostafrikanischen Land, verlangt aktuell keine Gebühren für Transaktionen im Wert von weniger als 30000 Ugandischen Schilling.infoGSM Association (2020): Mobile money recommendations to central banks in response to COVID-19 (online verfügbar). Ob daraus dauerhaft niedrigere Kosten entstehen können, bleibt abzuwarten.

(3) Verbunden damit ist der Verbraucherschutz ein drittes Thema. Es ist zu befürchten, dass vielen KundInnen die wahren Gebühren nicht klar sind.infoAuch The Economist warnt davor, dass sich Mobile Money Nutzer durch die angebotenen Kredite sehr schnell überschulden können. The Economist (2018), Not so fast. Borrowing by mobile phone gets some poor people into trouble (online verfügbar). Jedenfalls kann im Einklang mit einer US-Studie festgestellt werden, dass die Zahlungsbereitschaft höher ist, wenn die Kosten in Prozent statt in absoluten Geldsummen ausgedrückt werden. Hier würde sicher mehr und bessere finanzielle Bildung helfen.

(4) Viele Länder, darunter fast alle OECD-Länder und auch Uganda, investieren systematisch in die Ausbildung ihrer Bevölkerung zu finanziellen Themen. Das Standardcurriculum für die breite Bevölkerung berührt Mobile Money dabei nur am Rande. Dieses Thema müsste in Zukunft stärker in den Fokus rücken.infoDarauf weist auch eine US-Studie unter jungen Nutzern von Mobile Money hin, siehe Annamaria Lusardi, Carlo des Bassa Scheresberg und Melissa Avery (2018): Millennial Mobile Payment Users: A Look into their Personal Finances and Financial Behaviors, GFLEC Insights Report, Washington, D.C. Siehe hierzu auch den OECD Policy Brief OECD (2018), G20/OECD INFE Policy Guidance on Digitalisation and Financial Literacy (online verfügbar). Damit würden vermutlich mehr Menschen Mobile Money einsetzen und die Nutzer könnten die verschiedenen Angebote richtig einschätzen sowie für ihre Zwecke angemessen verwenden.

Lukas Menkhoff

Senior Research Associate in der Abteilung Makroökonomie



JEL-Classification: G21;G51;O16
Keywords: mobile money, financial development, financial inclusion, consumer protection
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-22-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/222503

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