SOEPpapers 1084, 79 S.
Carsten Schröder, Charlotte Bartels, Konstantin Göbler, Markus M. Grabka, Johannes König, Rainer Siegers, Sabine Zinn
2020. Korrigierte Version, Juli 2020.
get_appDownload (PDF 1.64 MB)
Im fünften Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wurde darauf hingewiesen, dass die Datenlage im Bereich hoher Vermögen unzureichend sei (BMAS, 2017). Zur Verbesserung der Datenlage haben wir eine neue Sampling-Strategie entwickelt und im Feld implementiert. In der gezogenen Stichprobe sind Personen mit hohem Vermögen überrepräsentiert. Die neue Stichprobe wird entsprechend in das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) integriert um die Datenlücke im Bereich hoher Vermögen zu schließen. Die grundlegende Idee unserer Strategie basiert auf der empirischen Regelmäßigkeit, dass Top-Vermögende zumindest einen Teil ihres Vermögens in Form von Beteiligungen an Unternehmen halten. Unternehmen sind wiederum verpflichtet, Informationen über Eigentümerstrukturen zu veröffentlichen. Laut der Datenbank Orbis des Dienstleisters Bureau van Dijk (BvD) gibt es rund 1,7 Millionen Menschen mit Wohnsitz in Deutschland, die nennenswerte Anteile an mindestens einem Unternehmen weltweit halten. Aus dieser Grundgesamtheit haben wir 1.956 zufällig ausgewählte Haushalte mit den Standard-SOEP-Erhebungsinstrumenten – inklusive des Moduls ,,Ihre persönliche Vermögensbilanz” – befragt. Eine vergleichende Analyse von Top-Shareholdern (SOEP-TS) mit dem SOEP ist Gegenstand des vorliegenden Berichts. Unsere Ergebnisse zeigen, dass das SOEP-TS in Kombination mit dem SOEP aussagekräftige Ergebnisse für den oberen Vermögensbereich in Deutschland erlaubt. Grundlegend ergibt sich, dass die SOEP-TS Population im Durchschnitt rund 21 Mal höhere Nettovermögen besitzen als die SOEP-Population. Dies ist nicht einzelnen Beobachtungen geschuldet: Vielmehr liegen die Vermögen in SOEP-TS über die gesamte Verteilung hinweg weit über denen im SOEP. So haben allein im SOEP-TS 881 Befragte ein Nettovermögen von über einer Million Euro angegeben. Damit ist es erstmals möglich, die Population der Vermögensmillionäre in Deutschland basierend auf einer Zufallsstichprobe mit aussagekräftigen Fallzahlen detailliert zu beschreiben. Die Auswertungen zeigen, dass die Integration von SOEP-TS in das SOEP (SOEP+SOEP-TS) zu einem deutlichen Anstieg der gemessenen Vermögenskonzentration und -ungleichheit führt: So steigt das Perzentilverhältnis 99,9-50 für die individuelle Nettovermögensverteilung von rund 182 (SOEP) auf rund 241 (SOEP+SOEP-TS) und der Gini-Koeffzient von 0,78 (SOEP) auf rund 0,81 (SOEP+SOEP-TS). Eine detaillierte Betrachtung von Vermögensmillionären im Vergleich zur restlichen Population zeigt ferner, dass sich beide Personengruppen auch in weiteren Dimensionen voneinander unterscheiden: 1. So sind Vermögensmillionäre überdurchschnittlich häufig männlich, haben einen überdurchschnittlichen Bildungsabschluss und sind mit 56 Jahren älter als der Durchschnitt. Dabei leben sie überdurchschnittlich häufig in Westdeutschland und haben unterdurchschnittlich häufig einen Migrationshintergrund. 2. Vermögensmillionäre sind im Falle von Berufstätigkeit zu drei Vierteln selbständig oder unternehmerisch tätig, vielfach mit Führungsaufgaben betraut und/oder als GeschäftsführerInnen bzw. GesellschafterInnen tätig. 3. Während Selbständige aus der unteren Hälfte der Vermögensverteilung zu mehr als 80% Solo-Selbstständige sind, trifft dies bei Vermögensmillionären nur auf weniger als 20% zu. 46% der selbständigen Vermögensmillionäre ist in Betrieben bzw. Unternehmen tätig, die zehn und mehr Mitarbeiter beschäftigten und damit dem klassischen Mittelstand zuzurechnen sind. 4. Auch im Bezug auf die allgemeine Lebenszufriedenheit sowie auf bereichsspezifische Zufriedenheit (z.B. mit den Einkommen, dem Wohnumfeld etc.) machen Millionäre überdurchschnittlich hohe Angaben. Auch die Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt, sowie mit spezifischen Lebensbereichen wie z.B. Einkommen und Wohnumfeld, ist bei den Millionären größer als bei Menschen mit geringerem Vermögen. Eine Ausnahme bildet die Zufriedenheit mit der Freizeit, für die sich keine systematischen Unterschiede zur sonstigen Population finden. Dies dürfte vermutlich auch an der hohen Arbeitszeit erwerbstätiger Vermögensmillionäre liegen: Ihre geleistete wöchentliche Arbeitszeit liegt mit 47 Stunden rund 10 Stunden höher als bei anderen Beschäftigten. 5. Verglichen mit der Population der Nicht-Millionäre, haben Vermögensmillionäre mit über 7.600 Euro ein mehr als drei Mal so hohes äquivalentes monatliches Haushaltsnettoeinkommen. Außerdem sparen sie häufiger und mehr - sowohl absolut als auch relativ. Ihre Sparquote liegt weit überdurchschnittlich bei ca. 21%. Somit akkumulieren Vermögensmillionäre schneller zusätzliches Vermögen als die Population der Nicht-Millionäre, was zu einer weiteren Spreizung der Vermögensverteilung führen dürfte.
JEL-Classification: D31;D14;C83
Keywords: Vermögensverteilung, Over-Sampling, Hochvermögende, Vermögensportfolios
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/222657