DIW Wochenbericht 24 / 2020, S. 452
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Die Corona-Pandemie reißt die Währungsunion in eine Rezession von historischer Tiefe. Darauf deuten alle Prognosen hin, und davon geht auch die Europäische Zentralbank (EZB) aus. Sie reagierte bereits im März umfangreich mit einer Ausweitung von Wertpapierkäufen und legte Anfang Juni noch mal nach. Demnach dürfte der Wertpapierbestand der Zentralbank bis Mitte nächsten Jahres um 50 Prozent auf rund 4,3 Billionen Euro steigen.
Doch ist fraglich, ob die zusätzlichen Billionen an Wertpapierkäufen der Rezession und der damit verbundenen Schwäche der Preise etwas entgegenzusetzen haben. Denn schon in den vergangenen fünf Jahren verharrte trotz des Ankaufs von Vermögenswerten unter dem bestehenden Programm die Kerninflation weitestgehend auf einem niedrigen Niveau.
Zwar ist eine abschließende Beurteilung erst in ein paar Jahren möglich und zudem erschwert durch die Tatsache, dass viele wirtschaftspolitische Maßnahmen gleichzeitig ergriffen wurden. Dennoch lassen sich grobe Tendenzen an den Märkten für Staatsanleihen erkennen, zu denen neben den finanzpolitischen Beschlüssen die EZB-Maßnahmen einen erheblichen Teil beigetragen haben dürften.
Bei den zusätzlichen Wertpapierkäufen setzt die EZB auf ein speziell auf die Corona-Krise zugeschnittenes Ankaufprogramm, das sogenannte Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP), das Wertpapierkäufe von insgesamt 1,35 Billionen Euro bis Mitte nächsten Jahres ansetzt. Mit der Corona-Krise Anfang März verschlechterten sich die finanziellen Rahmenbedingungen im Euroraum deutlich. Aktienkurse fielen und die Renditen auf Staatsanleihen stiegen.
Die Renditen dürften sich aus zwei Gründen erhöht haben: Zum einen verknappen sich die finanziellen Ressourcen durch den erwarteten Anstieg der Staatsverschuldung. Zum anderen führt der erwartete Anstieg der Schuldenstände zu höheren Ausfallrisikoprämien. So stiegen die Renditen italienischer, spanischer, portugiesischer und griechischer Staatsanleihen überproportional in den ersten zwei März-Wochen um bis zu 2,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Euroraum-Durchschnitt.
Mit der EZB-Ankündigung des PEPP sowie der Ankündigung der EU zur Aussetzung der Fiskalregeln in der dritten Märzwoche gelang es, den weiteren Anstieg der Umlaufsrenditen zu stoppen und zum Teil umzukehren. Zusammen mit der Ausweitung des PEPPs Anfang Juni konnten die Risikoaufschläge insgesamt deutlich gesenkt werden. Damit verringerte sich auch der Unterschied zwischen Umlaufrenditen von Staaten wie Italien oder Griechenland und Anleiherenditen von als sicher geltenden Ländern erheblich. Allerdings liegen die Umlaufsrenditen der meisten Staatsanleihen weiterhin auf einem deutlich höheren Niveau als noch im Herbst, was angesichts der steigenden Staatsverschuldungen und der damit einhergehenden Verknappung an den Kredit- und Kapitalmärkten auch wenig verwunderlich ist.
Dabei hat die EZB mit dem PEPP die Wertpapierkäufe deutlich flexibilisiert. So richtet sich die Verteilung der Staatsanleiheankäufe üblicherweise nach dem sogenannten Kapitalschlüssel, einem Gewichtungsschema gemäß wirtschaftlicher Größe und Bevölkerungsanteil. Zwar dient der Kapitalschlüssel auch unter dem PEPP als Leitfaden für Wertpapierkäufe. Allerdings räumt die EZB explizit Schwankungen in der Verteilung von Ankaufvolumen über die Zeit und über Anleiheklassen hinweg sowie zwischen Jurisdiktionen ein. Zudem erlaubt sich die EZB seit März, mehr als ein Drittel einer Staatsanleihe zu halten. Auch senkte die EZB die Mindestanforderung der Bonitätsbewertung für zulässige Wertpapierkäufe.
Die Flexibilisierung der Anleihekäufe im Rahmen des PEPP dürfte den MarktteilnehmerInnen signalisiert haben, dass die EZB im Zuge der Corona-Krise zielgerichtet und bedarfsgerecht Wertpapiere kaufen kann. Gerade dies dürfte der steigenden Fragmentierung auf den Staatsanleihemärkte entgegengewirkt haben. So hat die Geldpolitik der EZB dazu beigetragen, die Risiken für eine Finanzmarktkrise einzudämmen, und dem Erfolg weiterer fiskalischer und regulatorischer Maßnahmen einen Boden bereitet.
Themen: Konjunktur, Gesundheit, Geldpolitik, Europa
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-24-6
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/222514