DIW Wochenbericht 25 / 2020, S. 461
Katharina Wrohlich, Erich Wittenberg
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Frau Wrohlich, Sie haben den Anteil von Frauen in politischen Beratungsgremien und wissenschaftlichen Beiräten untersucht. Was genau war der Fokus Ihrer Untersuchung? Wir wollten herausfinden, wie hoch der Frauenanteil in wichtigen Gremien der wirtschaftspolitischen Beratung ist. Die drei wichtigsten Gremien sind der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanz- und des Bundeswirtschaftsministeriums. Zudem haben wir Gremien betrachtet, in denen nicht alle Mitglieder nur einen ökonomischen Hintergrund haben, in denen aber ÖkonomInnen einen großen Teil des Gremiums ausmachen.
Wie hoch ist der Frauenanteil in Politikberatung und wissenschaftlichen Beiräten? In den wissenschaftlichen Beiräten des Bundesfinanz- und des Bundeswirtschaftsministeriums liegt der Frauenanteil aktuell nur bei 14 beziehungsweise 15 Prozent. Damit liegt er niedriger als der durchschnittliche Frauenanteil an allen VWL-Professuren in Deutschland, der derzeit 18 Prozent beträgt. Positiv ist die aktuelle Ernennung von Veronika Grimm und Monika Schnitzer im Sachverständigenrat. Dadurch ist der Frauenanteil zuletzt deutlich gestiegen und beträgt in diesem Gremium jetzt 40 Prozent.
Inwieweit unterscheidet sich der Frauenanteil je nach Fachrichtung? In den Beiräten des Bundesfinanz- und des Bundeswirtschaftsministeriums, die fast nur mit Mitgliedern aus den Wirtschaftswissenschaften besetzt sind, ist der Frauenanteil sehr niedrig. Betrachten wir aber den wissenschaftlichen Beirat des Bundesfamilien- oder des Umweltministeriums, stellen wir dort einen deutlich höheren Frauenanteil fest, und zwar auch unter den ÖkonomInnen in diesem Gremium.
Wie ist es zu erklären, dass Frauen in der Politikberatung so viel weniger vertreten sind als Männer? Die Gründe liegen vermutlich sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite. Für die Gremien und auch von den Medien werden nach wie vor häufiger Männer angefragt. Das liegt an Netzwerken, aber auch daran, dass solch eine Ernennung meist nicht zu Beginn der akademischen Karriere erfolgt, sondern erst später. Vielleicht ist deswegen nicht der aktuelle Frauenanteil der VWL-ProfessorInnen ausschlaggebend, sondern der vor ein paar Jahren. Nimmt man das FAZ-Ökonomenranking als Maßstab, sieht man, dass Frauen in den Medien noch weniger vertreten sind als in den wirtschaftspolitischen Gremien. Unter den zitierten ÖkonomInnen in der Rubrik Medien des FAZ-Rankings kommen Frauen nur zu vier Prozent vor.
Warum ist das Missverhältnis in den Medien noch größer? Es könnte sein, dass viele Redaktionen Frauen als Expertinnen nicht in gleichem Maße auf dem Schirm haben wie Männer. Man hört aber auch immer wieder, dass Frauen, wenn sie dann angefragt werden, öfter absagen. Das könnte damit zusammenhängen, dass Frauen ihre Erwerbsbeteiligung häufiger mit Sorgearbeit in Einklang bringen müssen als Männer und deswegen weniger Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten wie Politikberatung haben.
Was könnte getan werden, um die Expertise von Frauen insgesamt sichtbarer zu machen? Damit es für Frauen leichter möglich ist, solche ehrenamtlichen Jobs anzunehmen, könnten Universitäten und Arbeitgeber den WissenschaftlerInnen Entlastung anbieten, etwa eine Reduktion des Lehrdeputats. Und damit Frauen überhaupt auf den Schirm derjenigen kommen, die diese Gremien besetzen oder in Redaktionen darüber entscheiden, bei wem die Expertise angefragt wird, sind Initiativen wie Expertinnenlisten, beispielsweise von ProQuote Medien oder auch das FAZ-Ökonominnen-Ranking, sinnvolle Maßnahmen.
Das Gespräch führte E. Wittenberg.
Themen: Ungleichheit, Gender, Arbeit und Beschäftigung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-25-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/222948