DIW aktuell ; 49, 9 S.
Simon Kühne, Martin Kroh, Stefan Liebig, Jonas Rees, Andreas Zick
2020
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3. Juli 2020 – Die kollektive Erfahrung der Corona-Krise und der damit verbundenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland verändert. Diese Veränderungen prägen die Sicht der Menschen auf staatliche Institutionen, aber auch ihr Erleben von zwischenmenschlichem Zusammenhalt. Wie aktuelle Ergebnisse der SOEP-CoV-Studie nun zeigen, ist eine deutliche Mehrheit der Menschen hierzulande zufrieden mit dem staatlichen Krisenmanagement zur Eindämmung der Pandemie. Auch wenn die zahlreichen Proteste anderes vermuten lassen: Die Zufriedenheit der BürgerInnen mit der Demokratie und auch das Vertrauen der Menschen untereinander nimmt in der Corona-Krise zu. Damit diese positiven Trends anhalten, sollten die Lasten der Krise möglichst gerecht verteilt und Bevölkerungsgruppen, die existentielle Sorgen haben, nachhaltig unterstützt werden.
Im Verlauf der Pandemie wurden verschiedene Maßnahmen zu deren Eindämmung beschlossen (und wieder gelockert). Dabei ist die erste Phase der Krisenbewältigung durch ein bundesweites Vorgehen geprägt. So wurden zum Beispiel am 22. März bundesweite Kontaktbeschränkungen gemeinsam von der Bundesregierung und den Regierungschefs der Länder beschlossen. In den letzten Wochen und Monaten wurden hingegen zunehmend Unterschiede im Krisenmanagement der einzelnen Bundesländer sichtbar.
Um die Wirkung der Corona-Krise auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu untersuchen, wurde auf Informationen aus der Langzeitbefragung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP)Das SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 durchgeführt wird. Das SOEP enthält eine Vielzahl an Informationen zu den Befragten – auf Individual- und Haushaltsebene. Hierzu zählen neben soziodemografischen Charakteristika (Haushaltszusammensetzung, Wohnort, Alter und Geschlecht der Haushaltsmitglieder, Einkommen, etc.) Informationen zum Erwerbsstatus (Arbeitszeit, Branche, Erwerbseinkommen, Anzahl der Mitarbeiter im Betrieb, etc.) sowie Fragen zu Gesundheit, Sorgen oder Lebenszufriedenheit. Für mehr Informationen zum SOEP siehe Jan Goebel et al. (2019): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 239(2), 345-360. und der SOEP-CoV-StudieBei der SOEP-CoV Studie handelt es sich um ein Verbundprojekt zwischen der Universität Bielefeld und dem SOEP am DIW Berlin, das seit dem 1. April 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderaufrufs zur „Erforschung von COVID-19 im Zuge des Ausbruchs von Sars-CoV-2“ gefördert wird. Im Rahmen des Projekts wurden SOEP Haushalte von April 2020 bis Juni 2020 – zusätzlich zu der regelmäßigen jährlichen Befragung – zu ihrer beruflichen und familiären Situation, zu ihren Sorgen und ihrer Gesundheit, sowie zu Einstellungen und Meinungen befragt. Nähere Information zu SOEP-CoV finden sich unter http://www.soep-cov.de und im SOEP-CoV-Methodenpapier von Simon Kühne et al. (2020). The Need for Household Panel Surveys in Times of Crisis: The Case of SOEP-CoV. Survey Research Methods, 14(2), 195-203. https://doi.org/10.18148/srm/2020.v14i2.7748 zurückgegriffen.Eine längere Version dieses Berichts mit weiterführenden Informationen und Analysen findet sich im SOEPpaper No. 1091. Kühne, Simon et al. (2020). Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten von Corona: Eine Chance in der Krise? Berlin, DIW Berlin. Die vorliegenden Analysen für das Jahr 2020 der SOEP-CoV Studie beziehen sich auf die ersten 4 Erhebungs-Tranchen mit 5,214 Personen. Für die SOEP-Befragungsjahre vor der Krise liegen pro Jahr Informationen für zwischen 21,000 Personen (2019) und 31,000 Personen (2013) vor. Die TeilnehmerInnen der SOEP-CoV-Studie werden unter anderem seit dem 1. April befragt, wie zufrieden sie mit dem Krisenmanagement auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sind. Dabei können sie jeweils auf einer elfstufigen Skala antworten, wobei 0 für „ganz und gar unzufrieden“ und 10 für „ganz und gar zufrieden“ steht.
Das Ergebnis der Befragung zeigt, dass die BürgerInnen überwiegend zufrieden mit dem Krisenmanagement sind. Die Durchschnittswerte liegen für alle drei Verwaltungsebenen – Bundesregierung, Landesregierung und lokale Ebene (Stadt/Gemeinde) – bei 6.7, also auf gleichem Niveau im oberen Drittel der Antwortskala. Im Zeitverlauf zeigt sich, dass die Zufriedenheit im Befragungszeitraum April und Mai 2020 relativ konstant bleibt, sich also nicht systematisch verringert oder erhöht. Somit bewerten die BürgerInnen das Krisenmanagement in Deutschland ähnlich positiv wie internationale ExpertInnenSiehe beispielsweise den „COVID-19 Safety Assessment Report” der Deep Knowledge Group, in dem 200 Länder miteinander verglichen werden (online verfügbar)..
Die Unterschiede im Krisenmanagement der Bundesländer haben zu politischen Kontroversen und starker medialer Aufmerksamkeit geführt.
Dabei wurde Markus Söder in Bayern eher die Rolle des Verfechters von strikten Lockdown-Regeln zugeschrieben, während Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen und später Bodo Ramelow in Thüringen tendenziell als Vorreiter einer frühen Lockerung der Maßnahmen dargestellt wurden.
Die Bewertung des Krisenmanagements der Landesregierungen schwankt um 1,2 Skalenpunkte (Abbildung 1 links), wobei Befragte aus Bayern das Krisenmanagement ihrer Landesregierung am positivsten bewerten (7,2), während BürgerInnen aus Sachsen-Anhalt und Brandenburg im Vergleich am unzufriedensten sind (6,0).Aufgrund der im Vergleich geringen Größe der Bundesländer und der damit verbundenen geringen Fallzahl in den Zufallsstichproben wurde für die Analysen Bremen mit Niedersachsen, Hamburg mit Schleswig-Holstein und das Saarland mit Rheinland-Pfalz zusammengefasst. Das mit knapp 18 Millionen EinwohnerInnen bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt mit einer durchschnittlichen Zufriedenheit von 6,3 im unteren Mittelfeld des Bundeslandvergleichs.
Die Unterschiede spiegeln möglicherweise auch regional unterschiedliche Bewertungen von Politik im Allgemeinen wider. So fällt auf, dass die Landesregierungen der neuen Bundesländer meist schlechter bewertet werden als die der alten Bundesländer, obwohl die Regionen im Westen und Süden Deutschlands mit viel höheren Fallzahlen von COVID-19 zu kämpfen hatten. Dies mag unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass die Menschen in den neuen Bundesländern generell eine skeptischere Haltung zur Politik haben.Siehe hierzu Dieter Fuchs, Edeltraud Roller und Bernhard Wessels (2002): Bürger und Demokratie in Ost und West. Studien zur politischen Kultur und zum politischen Prozess. Opladen: Westdeutscher Verlag. Arnold, F., Freier, R. & M. Kroh (2015): Geteilte politische Kultur auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung? DIW Wochenbericht Nr. 27. (online verfügbar)
Um regionale Unterschiede in der Bewertung von Politik im Allgemeinen zu berücksichtigen, wird die Differenz zwischen der mittleren Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Landesregierung und der mittleren Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement auf Bundes- bzw. Kommunalebene berechnet (Abbildung 1 rechts).Schätzungen auf Basis eines multivariaten linearen Regressionsmodells. Abhängige Variable bildet die Differenz „Zufriedenheit mit. Landesregierung“ – (Zufriedenheit mit Bundesregierung + Zufriedenheit mit lokaler Ebene)/2). Kontrollvariablen: Geschlecht, Alter, Haushaltsgröße, Kinder im Haushalt (ja/nein), Bildung, Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen, Berufsgruppe und Parteiidentifikation. Sehr ähnliche Befunde zeigen sich, falls stattdessen die Differenz zwischen “Zufriedenheit mit Landesregierung – Zufriedenheit mit lokaler Ebene“ betrachtet wird. Insofern spiegelt das Ergebnis keine generelle Bevorzugung der Regional- gegenüber der Bundespolitik beispielsweise. in Bayern wider.
Ist die Differenz positiv (Werte größer null) wie in Baden-Württemberg, Bayern sowie Mecklenburg-Vorpommern, deutet dies darauf hin, dass Befragte zufriedener mit ihrer Landesregierung als mit der Bundes- und der Lokalebene sind. Werte kleiner null wie in Nordrhein-Westfalen deuten darauf hin, dass Befragte mit der Landesregierung weniger zufrieden sind als mit der Bundes- und der Lokalebene. Da die Differenz in vielen Fällen sehr gering ist, bewerten die Befragten in vielen Bundesländern das Krisenmanagement ihrer Landesregierungen offensichtlich ähnlich gut wie die Arbeit der Bundesregierung und der Kommunalpolitik. Die Arbeit der Landesregierungen in Bayern und in Mecklenburg-Vorpommern wird jedoch von den Befragten vergleichsweise besonders positiv beurteilt (etwa ein halber Skalenpunkt über der jeweiligen Zufriedenheit mit Bundesregierung und Kommunalebene), während das Krisenmanagement in Berlin und Nordrhein-Westfalen vergleichsweise kritisch gesehen wird.
Abbildung 1: Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der jeweiligen Landesregierung
Links: Index in Punkten zwischen 0 für „ganz und gar unzufrieden“ und 10 für „ganz und gar zufrieden“
Quelle: SOEP-CoV, Tranche 1-4. Alle Werte gewichtet mit individuellen Hochrechnungsfaktoren
© DIW Berlin
Zahlreiche Proteste haben die Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie begleitet, unter die sich neben KritikerInnen einzelner Maßnahmen auch diverse Randgruppen bis hin zu gewaltbereiten RechtsextremistInnen unter die Demonstrierenden mischten. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach in diesem Zusammenhang von einer „soziale[n] Gefährdung der demokratischen Substanz“. Hier stellt sich die Frage, ob sich in diesem Zusammenhang auch in der allgemeinen Bevölkerung eine steigende Unzufriedenheit mit der Demokratie findet.
TeilnehmerInnen des SOEP werden regelmäßig zu ihrer Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland befragt, wobei 10 „ganz und gar zufrieden“ und 0 „ganz und gar unzufrieden“ bedeuten. Der langfristige Vergleich der mittleren Zufriedenheit in den Befragungsjahren vor der Krise 2005, 2010 und 2016 zeigt einen positiven Trend. Die Menschen in Deutschland werden demnach seit vielen Jahren zunehmend zufriedener mit der Demokratie. Im Jahr 2020 steigt diese Zufriedenheit trotz der Corona-Krise noch weiter auf den Mittelwert 6,5 an, fast einen Skalenpunkt über den Wert des Jahres 2016 (Abbildung 2). Demzufolge scheint die allgemeine Bevölkerung – entgegen dem durch die Corona-Proteste vermittelten Eindruck – in ihrer hohen Zufriedenheit
mit der Demokratie eher bestärkt. Dies mag unter anderem daran liegen, dass mit Eindämmung des Infektionsgeschehens die Befragten die Reaktionsfähigkeit und das Krisenmanagement der demokratischen Institutionen als erfolgreich werten. Zudem kann dieser Anstieg auch auf das Erleben von wachsendem zwischenmenschlichem Vertrauen während der Krise zurückgeführt werden.
Abbildung 2: Zufriedenheit mit der Demokratie
Index in Punkten zwischen 0 „ganz und gar unzufrieden“ und 10 „ganz und gar zufrieden“
Quelle: SOEPv35 und SOEP-CoV, Tranchen 1-4. Alle Werte gewichtet mit individuellen Hochrechnungsfaktoren.
© DIW Berlin
Deutlicher Anstieg des zwischenmenschlichen Vertrauens
Ein zentraler Aspekt gesellschaftlichen Zusammenhalts wie auch eine wichtige Ressource in Krisenzeiten ist das Vertrauen der Menschen in ihre Mitmenschen. Jede Form der Kooperation setzt ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen voraus, um gemeinsame mittel- und langfristige Ziele zu erreichen. Die bisherige Forschung zeigt, dass zwischenmenschliches Vertrauen auch in Zeiten von Pandemien wichtig ist: Personen, die anderen vertrauen, setzen häufiger ein protektives GesundheitsverhaltenYing-Chih Chuang et al. (2015): Social Capital and Health-Protective Behavior Intentions in an Influenza Pandemic. PloS one 10 (4). doi:10.1371/journal.pone.0122970. um oder sind eher bereit, sich impfen zu lassenSiehe: Björn Rönnerstrand (2013): Social Capital and Immunisation Against the 2009 a(H1N1) Pandemic in Sweden. Scandinavian Journal of Public Health 41 (8): 853–59. doi:10.1177/1403494813494975 und Van Bavel, J.J. et al. 2020. “Using social and behavioural science to support COVID-19 pandemic response” Nature Human Behaviour 4:460-471. (https://doi.org/10.1038/s41562-020-0884-z). Das Vertrauen in andere kann jedoch in Zeiten von Pandemien leiden, in denen zwischenmenschliche Kontakte eine potentielle Gesundheitsgefahr darstellen. Andererseits kann der Eindruck, dass sich viele Mitmenschen an die Einschränkungen halten und sich achtsam begegnen, auch dazu führen, dass das zwischenmenschliche Vertrauen steigt.
Abbildung 3: Zwischenmenschliches Vertrauen (Index)
Index im Wertebereich zwischen 1 und 12
Quelle: SOEPv35 und SOEP-CoV, Tranchen 1-4. Alle Werte gewichtet mit individuellen Hochrechnungsfaktoren.
© DIW Berlin
Wie hat sich das zwischenmenschliche Vertrauen der Menschen in Deutschland seit Corona verändert? Im SOEP und in der Zusatzbefragung SOEP-CoV wurde das zwischenmenschliche Vertrauen der Befragten in andere Menschen anhand einer Reihe von Aussagen und Fragen gemessen, für die die Befragten ihre Zustimmung oder Ablehnung angeben konnten.Vgl. Niklas Luhmann (2000): Vertrauen: Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. Stuttgart: Lucius & Lucius; Francis Fukuyama (1995): Trust: The Social Virtues and the Creation of Prosperity. New York, Free Press. Die Indikatoren zu Vertrauen werden seit 2003 im SOEP erhoben und seitdem alle fünf Jahre wiederholt abgefragt. Siehe auch: Niels Michalski und Jürgen Schupp (2009): Sozialer Rohstoff: Den meisten Menschen kann man vertrauen. Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 34, 570–579 (online verfügbar) Das waren zum Beispiel Aussagen wie „Im Allgemeinen kann man den Menschen vertrauen“, aber auch „Heutzutage kann man sich auf niemanden mehr verlassen“ und „Glauben Sie, dass die meisten Leute Sie ausnutzen würden, falls sie eine Möglichkeit dazu hätten?“. Für die Analysen wurde aus den Antworten ein Index gebildet (Wertebereich 1 bis 12), wobei hohe Werte ein großes Vertrauen und niedrige Werte ein geringes Vertrauen widerspiegeln.
Die Ergebnisse, die die Entwicklung des mittleren Vertrauens vor der Krise 2013 und 2018 sowie während der Krise im April und Mai 2020 spiegeln, zeigen eine positive Entwicklung des zwischenmenschlichen Vertrauens über die Zeit (Abbildung 3). Während es zwischen 2013 und 2018 schon zu einem kleinen Anstieg kommt, nimmt das durchschnittliche Vertrauen im Jahr 2020 während der akuten Pandemie noch einmal deutlich zu. Die Menschen scheinen im Zuge der Krise also an Vertrauen in ihre Mitmenschen zu gewinnen.
Auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt bewerten die Befragten des SOEP in Zeiten der Corona-Krise besser als zuvor.Vgl. zur Entwicklung des Indikators: Maximilian Priem, Franziska Kaiser und Jürgen Schupp (2020): Zufriedener denn je – Lebensverhältnisse in Deutschland 30 Jahre nach dem Mauerfall. Informationsdienst Soziale Indikatoren (ISI), Ausgabe 64, 7-15. Während im Jahr 2019 noch 32 Prozent angaben, sich große Sorgen um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu machen, sind es während der Corona-Krise nur 22 Prozent. Eine mögliche Erklärung für den positiveren Blick der Menschen auf den Zusammenhalt in Deutschland ist das persönliche Erleben zwischenmenschlicher Unterstützung und Hilfe in der Corona-Krise, zum Beispiel in der Nachbarschaft. So bewerten 70 Prozent der Befragten den Zusammenhalt in der Nachbarschaft in der aktuellen Krisensituation als sehr gut oder gut.
Die anhaltende Pandemie stellt die Gesellschaft vor eine extreme Herausforderung. Dabei hat die Corona-Krise einerseits das Potential, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu schwächen, insbesondere dann, wenn demokratische Institutionen die Krise – wie in vielen Ländern – schlecht managen oder wenn das Verhalten von MitbürgerInnen als unsolidarisch wahrgenommen wird. Andererseits liegt in der Krise auch eine Chance für die Gesellschaft, die nun zusammenrücken und zusammenhalten muss. Denn das kollektive Erfolgserlebnis, die Pandemie eingedämmt zu haben, kann sich positiv auf das Vertrauen in unser demokratisches Gemeinwesen und auch auf das zwischenmenschliche Vertrauen auswirken. Gesellschaftlicher Zusammenhalt, gegenseitige Rücksichtnahme und Solidarität können in der Krise eingeübt und auch in Zukunft fortgeführt werden.
Die Ergebnisse der vorliegenden Analyse zeichnen ein tendenziell positives Bild und lassen Raum für Optimismus und Lernprozesse. Insgesamt sind die Menschen zufrieden mit dem Krisenmanagement von Bund, Ländern und den Kommunen. Darüber hinaus steigt in der Krise die Zufriedenheit mit der Demokratie und auch das Vertrauen untereinander. Gleichzeitig lehrt die Erfahrung aus vergangenen Krisen, dass die kollektive Wahrnehmung und Stimmung immer nur Momentaufnahmen sind und sich schnell verändern können. Das heißt, die hier skizzierte positive Entwicklung muss sich in den nächsten Monaten (oder Jahren) der Krise keineswegs fortsetzen.
Sowohl die Politik als auch die BürgerInnen müssen dazu beitragen, dass die Pandemie möglichst mild und mit glimpflichen Folgen für die Gesellschaft verläuft. Die Aufgabe der politischen Entscheidungsträger ist es, neben der Sicherstellung einer guten gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung die Belastungen möglichst gerecht zu verteilen und Bevölkerungsgruppen, die existentielle Sorgen haben, nachhaltig zu unterstützen. Von sehr vielen BürgerInnen in Deutschland wird die Krise auch in den nächsten Monaten und Jahren noch Entbehrungen und Geduld fordern. Eine weitreichende Zufriedenheit mit den Institutionen im Land und ein positives Gefühl des gesellschaftlichen Zusammenhalts können sicherlich dazu beitragen, dass die Bevölkerung auch langfristig Verständnis für die staatlichen Schutzmaßnahmen aufbringt.
Zum zugehörigen SOEP Paper.
Themen: Wohlbefinden, Gesundheit
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/222879