DIW Wochenbericht 30/31 / 2020, S. 538
Mathias Huebener, Erich Wittenberg
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Herr Huebener, Sie haben untersucht, inwieweit die Corona-Maßnahmen die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung, insbesondere von Eltern mit Kita- und Schulkindern beeinflussen. Wie haben sich die Maßnahmen auf die generelle Lebenszufriedenheit ausgewirkt? Es zeigen sich vielschichtige Veränderungen in der Zufriedenheit. Wie erwartet sehen wir, dass insbesondere Familien mit jungen Kindern eine deutlich geringere Lebenszufriedenheit aufweisen und auch ihre Zufriedenheit mit der Kinderbetreuung abnimmt.
In welchem der von Ihnen betrachteten Bereiche hat die Zufriedenheit am meisten abgenommen? Vor Corona war es insbesondere bei der Lebenszufriedenheit und bei der Zufriedenheit mit dem Familienleben so, dass Familien mit jungen Kindern zu den zufriedensten Personen in der Bevölkerung gehört haben. Während der Corona-Krise haben Personen mit jungen Kindern im Haushalt, also unter sechs Jahren, in der Zufriedenheit am meisten eingebüßt. Sie sind jetzt in etwa nur noch so zufrieden wie der Durchschnitt der Bevölkerung, sodass sich für die Personen mit Kindern im Kita-Alter die größten relativen Veränderungen ergeben haben.
Inwieweit unterscheiden sich die Veränderungen für Frauen und Männer? Vor der Corona-Krise berichteten Frauen und Männer, beziehungsweise Mütter und Väter, im Bereich der allgemeinen Lebenszufriedenheit ein ähnliches Zufriedenheitsniveau. Während der Corona-Krise stellt es sich jetzt aber so dar, dass Frauen signifikant unzufriedener sind als Männer. Bei der Zufriedenheit mit dem Familienleben waren Mütter tendenziell unzufriedener als Väter. Während der Krise sind Mütter und Väter tendenziell unzufriedener in ihrer Einschätzung des Familienlebens, die Unterschiede bestehen im Mai und Juni fort. Also sind Mütter beim Familienleben nach wie vor unzufriedener als Väter. Im Bereich der Zufriedenheit mit der Kinderbetreuung gibt es sowohl vor als auch während der Corona-Krise keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Welche Gründe könnten dafür verantwortlich sein? Wir führen das in weiten Teilen auf den Wegfall der üblichen Betreuungs- und Bildungsangebote zurück. Mit der Übernahme der Betreuungs- und Bildungsaufgaben zu Hause ist viel der Verantwortung wieder auf die Frauen zurückgefallen. Zwar zeigen auch andere Studien, dass sich die häusliche Arbeit von Männern etwas erhöht hat, aber die Gesamtbelastung von Frauen ist da doch deutlich höher.
Wie wirkt sich der Bildungshintergrund in diesem Zusammenhang aus? Vor der Corona-Pandemie gab es, unterschieden nach Bildung, eher starke Unterschiede in der Lebenszufriedenheit. Während der Corona-Pandemie haben sich diese Unterschiede deutlich verringert. Wir sehen zwar noch, dass Personen etwa mit einem Fachabitur oder einem Abitur eine leicht höhere Lebenszufriedenheit aufweisen als Personen mit einem niedrigeren Schulabschluss, aber die Unterschiede sind deutlich kleiner geworden, sodass wir eine Nivellierung der Zufriedenheitswerte in der Bevölkerung beobachten.
Welche bildungs- und familienpolitische Bedeutung haben die Ergebnisse Ihrer Untersuchung? Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Maßnahmen und das Leben während der Corona-Pandemie durchaus einen Einfluss auf das Wohlbefinden von Familien und auf deren Lebenszufriedenheit haben. Diese Bereiche sind aber auch für die Entwicklung von Kindern und verschiedene andere Aspekte des Lebens sehr wichtig. Um auf diese Veränderungen im Leben von Familien einzugehen, sollten in zukünftigen Pandemien oder ähnlichen Krisensituationen die Perspektive der Familien früh berücksichtigt und ExpertInnen mit familien- und bildungspolitischer Expertise früh in Krisenstäbe eingebunden werden.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Wohlbefinden, Gesundheit, Familie, Bildung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-30-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/222960