Die Integration von Geflüchteten ist in vielen Bereichen gelungen: Interview

DIW Wochenbericht 34 / 2020, S. 600

C. Katharina Spieß, Erich Wittenberg

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Frau Spieß, im Zusammenhang mit der Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland sagte Angela Merkel vor fünf Jahren die Worte „Wir schaffen das“. Wie ist die Integration der Geflüchteten seitdem insgesamt vorangekommen? Insgesamt ist die Integration gut gelungen. Allerdings erstreckt sich Integration auf viele Bereiche. Der Bericht behandelt auch die Ausgangssituation – zum Beispiel wie sich die Bildung der Geflüchteten im Vergleich zu der Bildung in ihrer Herkunftsgesellschaft darstellt. Dabei kann festgestellt werden, dass die meisten Geflüchteten mindestens so gebildet sind, wie die Hälfte der Gesellschaft im jeweiligen Herkunftsland. Wenn allerdings ihre Bildung mit dem Bildungsniveau der in Deutschland lebenden verglichen wird, dann ergibt sich ein anderes Bild. In Bezug auf die Bevölkerung in Deutschland haben Geflüchtete ein vergleichsweise niedriges Bildungsniveau, gleichwohl es darunter auch viele mit höherer Bildung gibt. Deren Integration gelingt – wie der Bericht in Teilen zeigt – vielfach leichter.

Inwieweit ist die Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt gelungen? 67 Prozent der Geflüchteten hatten relativ hohe Erwartungen, was ihre Arbeitsmarktintegration angeht. 33 Prozent hatten niedrige Erwartungen, darunter insbesondere Frauen oder Personen mit relativ geringem Bildungsniveau. Insgesamt hatten etwa 30 Prozent aller Geflüchteten hohe Erwartungen und waren im Jahr 2018 tatsächlich auch erwerbstätig. Wer schafft es nicht so gut in den Arbeitsmarkt? Das sind Personen, die ein relativ niedriges Bildungsniveau haben, insbesondere Frauen mit Kindern und Geflüchtete mit schlechter psychischer Gesundheit.

Wie sieht es mit der sozialen Integration Geflüchteter aus? Die Hälfte der Geflüchteten hat regelmäßig Kontakt mit Deutschen. Die Geflüchteten haben auch ein relativ hohes Vertrauen in die Schlüsselinstitutionen des Staates, wobei es wiederum interessant ist, dass ihr Vertrauen in die öffentliche Verwaltung vergleichsweise gering ist.

Wie ist die Situation geflüchteter Kinder und Jugendlicher? Die Kinder und Jugendlichen, deren Integration wir uns in unterschiedlichen Bereichen angeschaut haben, zeigen ein sehr großes Zugehörigkeitsgefühl zu ihren Schulen, was ein sehr erfreuliches Ergebnis ist. Wir wissen auch, dass überdurchschnittlich viele Kinder aus geflüchteten Familien Ganztagsangebote von Schulen und Horte nutzen. Auch das ist positiv, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, über Gleichaltrige mit der deutschen Gesellschaft in Kontakt zu kommen. Allerdings sind Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund in einigen freiwilligen Bildungsangeboten noch unterrepräsentiert, zum Beispiel in Schul-AGs. Ähnliches gilt auch für Sportvereine.

Welche Sorgen und Probleme haben die Geflüchteten, vor allem auch in Bezug auf Fremdenfeindlichkeit in Deutschland? Wir können beobachten, dass die Sorgen, die sich Deutsche um die Zuwanderung machen, über die Zeit abgenommen haben. Im Hinblick auf die Geflüchteten haben wir allerdings das gegenteilige Ergebnis. Hier wissen wir, dass ihre Angst vor Fremdenfeindlichkeit tatsächlich zugenommen hat.

Wo müsste am ehesten angesetzt werden, um die Integration Geflüchteter voranzubringen? Es gibt viele Ansatzpunkte. Ganz wichtig ist, dass wir die Bildung der geflüchteten Kinder, Jugendlichen und auch Erwachsenen im Blick haben, denn Bildung ist ein ganz zentrales Element für Integration. Es ist aber auch wichtig, dass wir einen spezifischen Fokus auf Frauen haben, die, was beispielsweise Sozialkontakte und Arbeitsmarktintegration angeht, noch nicht so gut dastehen wie geflüchtete Männer. Insbesondere brauchen Frauen mit Kindern gute Kinderbetreuungsangebote.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von C. Katharina Spieß
Die Integration von Geflüchteten ist in vielen Bereichen gelungen - Interview mit C. Katharina Spieß

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