DIW Wochenbericht 38 / 2020, S. 713-719
Hermann Buslei, Johannes Geyer, Peter Haan
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„Bei privaten und betrieblichen Renten sowie Vermögenseinkommen herrschen nach wie vor persistente Unterschiede, so dass bei den gesamten Alterseinkommen keine Einheit zwischen Ost- und Westdeutschland zu beobachten ist.“ Peter Haan
Bei der gesetzlichen Rentenversicherung wird ab dem Jahr 2025 die Wiedervereinigung faktisch vollzogen sein. Inzwischen beziehen im Durchschnitt ostdeutsche Männer und stärker noch ostdeutsche Frauen höhere Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung als ihre westdeutschen Pendants. Bei den anderen Einkommenskomponenten der älteren Bevölkerung, insbesondere den privaten und betrieblichen Renten sowie Vermögenseinkommen, gibt es aber bis heute persistente Unterschiede. Für die verfügbaren Haushaltseinkommen der Älteren bahnt sich bisher keine Einheit zwischen Ost- und Westdeutschland an. Um diese zu erreichen, ist es notwendig, dass neben einer Verbesserung der Beschäftigungssituation und der in Ostdeutschland gezahlten Löhne auch die private Altersvorsorge gestärkt wird. Hierzu sind Reformen bei der privaten und betrieblichen Rente notwendig. Lücken bei der Altersvorsorge könnten langfristig durch eine geeignete Kombination aus verpflichtender privater oder betrieblicher Altersvorsorge und finanzieller Unterstützung durch den Staat geschlossen werden. Auch der Vermögensaufbau, beispielsweise durch die Förderung des Wohneigentums in Ostdeutschland, sollte stärker in den Fokus genommen werden.
Vor mehr als 30 Jahren verpflichtete sich die Deutsche Demokratische Republik (DDR) im Staatsvertrag mit der Bundesrepublik Deutschland (BRD), ihr Rentenrecht an das lohn- und beitragsbezogene Rentenversicherungsrecht der BRD anzugleichen, und unternahm in der Folge erste gesetzliche Schritte in diese Richtung.Franz Ruland et al. (2019): Politikberatung durch die gesetzliche Rentenversicherung am Beispiel der deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Deutsche Rentenversicherung, 4, 321–339; Johannes Steffen (2013): Angleichung der Ost-Renten. Modelle für eine Vereinheitlichung des Rentenrechts in Deutschland. Sozialer Fortschritt 62, Nr. 7, 195–203. Im Einigungsvertrag vom 31.08.1990 wurde auch die Überleitung der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) auf das Beitrittsgebiet beschlossen (Art. 30 Abs. 5). Die wesentlichen Bestimmungen enthält das Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) vom 25.07.1991, das zum Anfang 1992 in Kraft trat. Außer einer befristeten Gewährung einiger günstiger Regelungen des DDR-Rentenrechts handelte es sich vor allem um eine Übertragung des lohn- und beitragsorientierten Rentensystems der BRD auf das Beitrittsgebiet.Ragnar Hoenig (2013): Wege zur Vereinheitlichung des Rentenrechts. Sozialer Fortschritt 62, Nr. 7, 188–195. Die grundlegende Idee war, die ostdeutschen Erwerbsbiografien in die Systematik der GRV zu integrieren.Judith Kerschbaumer (2011): Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden (online verfügbar); Steffen (2013), a.a.O. Dazu wurde bis zur Herstellung „einheitlicher Einkommensverhältnisse“ eine Reihe von Sonderregelungen in das Sozialgesetzbuch (SGB) VI aufgenommen.Vgl. § 228a ff. des Rentenüberleitungsgesetzes.
Mit der Rentenüberleitung wurden die regionalen Rechengrößen wie der aktuelle Rentenwert Ost, der AR (O), festgelegt. Das Ziel war, für Ostdeutschland ein regionales Netto-Rentenniveau festzulegen, das dem im Westen entsprach.Johannes Steffen (2008): Angleichung der Ost-Renten. Arbeitnehmerkammer Bremen. Vereinfacht ausgedrückt sollte das durchschnittliche Verhältnis von Renteneinkommen und Lohneinkommen in Ostdeutschland dem westdeutschen Niveau entsprechen. Wesentliches Element dafür war neben dem aktuellen Rentenwert Ost eine Aufwertung der in Ostdeutschland niedrigeren Erwerbseinkommen bei der Ermittlung der individuellen Rentenansprüche.
Über die Jahre wurde das unterschiedliche Rentenrecht in beiden Teilen Deutschlands aus teils sehr unterschiedlichen Gründen immer stärker kritisiert.Vgl. zu Reformvorschlägen Johannes Geyer (2016): Zur Debatte um dieAngleichung des Rentenrechts in Ost und West. DIW-Roundup 101 (online verfügbar, abgerufen am 10.08.2020. Dies gilt für alle Online-Quellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). Im Jahr 2017 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz).Den Gesetzestext und weitere Informationen zum Gesetz bietet die Website des Portals Sozialpolitik. In den Stellungnahmen zu diesem Gesetz werden die Kritikpunkte und verschiedene Alternativen zum beschlossenen Gesetz behandelt (online verfügbar). Eine kurze und übersichtliche Beschreibung der Reform bietet Josef Schott (2017): Die Ost-West-Rentenangleichung durch das Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz. Informationen der Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung in Bayern Nr. 3. Ab dem Jahr 2025 soll demnach ein einheitliches Recht in den alten und neuen Bundesländern gelten. Dazu wird der aktuelle Rentenwert seit dem Jahr 2018 in sieben Schritten auf ein einheitliches Niveau gebracht. Die Bezugsgröße und die Beitragsbemessungsgrenze werden zeitgleich entsprechend angehoben; analog wird der Hochwertungsfaktor der Ostentgelte abgesenkt.Erklärungen rentenrechtlicher Begriffe enthält das Rentenlexikon der DRV Bund (2020): Von Altersgrenze bis Zeitrente – das Rentenlexikon (online verfügbar). Die Rentenanpassung und die Fortschreibung der Bezugsgröße und Beitragsbemessungsgrenze erfolgen ab 2025 auf Grundlage der gesamtdeutschen Lohnentwicklung. Die Kosten der über die Lohnangleichung hinausgehenden Anpassung der OstrentenDiese Kosten entstehen gegenüber der Referenzentwicklung, wenn der Rentenwert Ost (zur Erreichung der Rentenangleichung) stärker steigt als die Löhne in Ostdeutschland. Die Kosten wurden im Gesetzentwurf vom 12.04.2017 auf zunächst 0,6 Milliarden Euro im Jahr 2018 und dann ansteigend auf 3,9 Milliarden Euro ab 2025 geschätzt. Vgl. Deutsche Bundesregierung (2017): Entwurf eines Gesetzes über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz), Bundestagsdrucksache 18/11923. werden aus Beitragsmitteln finanziert; erst ab dem Jahr 2022 beteiligt sich der Bund mit einem steigenden Zuschuss.
Wie sich die Renten und Alterseinkommen zwischen den beiden Teilen Deutschlands seit der Wiedervereinigung entwickelt haben, untersucht dieser Wochenbericht auf Basis der Daten der Deutschen Rentenversicherung und des Sozio-oekonomischen Panels mit den aktuellen Zahlen bis 2018 (SOEP, v35)Das SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird; vgl. Jan Goebel et al. (2018): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(29), 345–360 (online verfügbar). Genutzte Datenversion, doi:10.5684/soep-core.v35.. Nachgegangen wird auch der Frage, ob es eine Angleichung der Einkommen im Alter gibt. Dabei werden nicht nur die Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt, sondern auch die unterschiedlichen Komponenten der Alterseinkommen mit einbezogen.
Die Auswirkungen der politischen Entscheidungen ergeben sich vor allem aus den Regelungen zu den Rentenanwartschaften aus Erwerbstätigkeit und der vorgesehenen Anpassung des aktuellen Rentenwerts Ost. Im Prinzip berechnet sich die jährliche Rentenanwartschaft (ausgedrückt in Entgeltpunkten) aus dem Verhältnis des eigenen sozialversicherungspflichtigen Lohns einer Person zum Durchschnittsverdienst in dem Jahr. Ein Durchschnittsverdienender erwirbt genau einen Entgeltpunkt pro Jahr. Diese Berechnung wird allerdings getrennt für Ost- und Westdeutschland durchgeführt. Die ostdeutschen Löhne werden zunächst aufgewertet und dann ins Verhältnis zum westdeutschen Durchschnittslohn gesetzt (§ 256a SGB VI). Die Aufwertung erfolgt bisher mit dem Verhältnis von Durchschnittslohn West zu Durchschnittslohn Ost, wie es im Umrechnungswert (Anlage 10 SGB VI) ausgedrückt wird.Die Begriffe „Durchschnittsentgelt“ und „Durchschnittslohn“ werden hier synonym verwendet. Tatsächlich stimmen die aus einer Fortschreibung stammenden Werte des Durchschnittsentgelts nicht genau mit dem für ein Jahr statistisch ermittelten Durchschnittslohn überein. Vgl. Johannes Steffen (2020): Rechengrößen der Sozialversicherung und sonstige Werte. Übersicht und fachliche Erläuterungen mit langen Reihen. Portal Sozialpolitik, 10 (online verfügbar). 2016 lag der Umrechnungsfaktor bei 1,1415 (Tabelle 1). Das bedeutet, bei gleichem Lohn erwirbt man bei einer Arbeitsstelle in Ostdeutschland gut 14 Prozent mehr Entgeltpunkte als in Westdeutschland. Gleichzeitig ist allerdings der Wert der Anwartschaften in beiden Landesteilen unterschiedlich hoch. 2016 lag er bei 30,45 Euro im Westen (AR) und 28,66 Euro im Osten (AR (O)). Der Unterschied im aktuellen Rentenwert beträgt 2016 also etwa sechs Prozent. Das bedeutet, dass bei gleichem Lohn und gleichen Rentenbeiträgen eine Person, die in Ostdeutschland arbeitet, nicht nur mehr Entgeltpunkte bekommt, sondern trotz eines geringeren Rentenwerts insgesamt eine höhere Rente. Das geringere Lohnniveau wird also bei der Rente im Durchschnitt mehr als ausgeglichen.
In Euro
Jahr | Aktueller Rentenwert pro Entgeltpunkt | Verhältnis Ost/West | Durchschnittsentgelt | Umrechnungsfaktor | ||
---|---|---|---|---|---|---|
West | Ost | West | Ost | |||
1993 | 22,75 | 16,45 | 0,723 | 24633 | 18666 | 1,3197 |
1994 | 23,52 | 17,63 | 0,750 | 25126 | 19804 | 1,2687 |
1995 | 23,64 | 18,58 | 0,786 | 25905 | 21032 | 1,2317 |
1996 | 23,86 | 19,62 | 0,822 | 26423 | 21642 | 1,2209 |
1997 | 24,26 | 20,71 | 0,854 | 26660 | 22053 | 1,2089 |
1998 | 24,36 | 20,90 | 0,858 | 27060 | 22340 | 1,2113 |
1999 | 24,69 | 21,48 | 0,870 | 27358 | 22696 | 1,2054 |
2000 | 24,84 | 21,61 | 0,870 | 27741 | 23060 | 1,2030 |
2001 | 25,31 | 22,06 | 0,872 | 28231 | 23520 | 1,2003 |
2002 | 25,86 | 22,70 | 0,878 | 28626 | 23911 | 1,1972 |
2003 | 26,13 | 22,97 | 0,879 | 28938 | 24230 | 1,1943 |
2004 | 26,13 | 22,97 | 0,879 | 29060 | 24355 | 1,1932 |
2005 | 26,13 | 22,97 | 0,879 | 29202 | 24691 | 1,1827 |
2006 | 26,13 | 22,97 | 0,879 | 29494 | 24938 | 1,1827 |
2007 | 26,27 | 23,09 | 0,879 | 29951 | 25294 | 1,1841 |
2008 | 26,56 | 23,34 | 0,879 | 30625 | 25829 | 1,1857 |
2009 | 27,20 | 24,13 | 0,887 | 30506 | 26047 | 1,1712 |
2010 | 27,20 | 24,13 | 0,887 | 31144 | 26560 | 1,1726 |
2011 | 27,47 | 24,37 | 0,887 | 32100 | 27342 | 1,1740 |
2012 | 28,07 | 24,92 | 0,888 | 33002 | 28003 | 1,1785 |
2013 | 28,14 | 25,74 | 0,915 | 33659 | 28617 | 1,1762 |
2014 | 28,61 | 26,39 | 0,922 | 34514 | 29588 | 1,1665 |
2015 | 29,21 | 27,05 | 0,926 | 35363 | 30745 | 1,1502 |
2016 | 30,45 | 28,66 | 0,941 | 36187 | 31701 | 1,1415 |
2017 | 31,03 | 29,69 | 0,957 | 37077 | 32598 | 1,1374 |
2018 | 32,03 | 30,69 | 0,958 | 38212 | 33700 | 1,1339 |
2019 | 33,05 | 31,89 | 0,965 | 38901 | 35887 | 1,0840 |
2020 | 34,19 | 33,23 | 0,972 | 40551 | 37898 | 1,0700 |
2021 | 0,979 | 1,0560 | ||||
2022 | 0,986 | 1,0420 | ||||
2023 | 0,993 | 1,0280 | ||||
2024 | 1,000 | 1,0140 | ||||
2025 | 1,000 | 1,0000 | ||||
Wachstum 1993 bis 2020 in Prozent | 150,30 | 202,03 | 164,62 | 203,04 | ||
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate in Prozent | 1,52 | 2,64 | 1,86 | 2,66 |
Anmerkung: Die Werte für die Jahre 2021 bis 2025 sind gesetzlich festgelegt.
Quellen: Deutsche Rentenversicherung; eigene Berechnungen.
Betrachtet man das Verhältnis der Rentenwerte und der Durchschnittsentgelte in Ost und West seit 1993, wird deutlich, dass die Anpassung der Rentenwerte weiter fortgeschritten ist als bei den Durchschnittsentgelten (Abbildung 1). Daraus ergibt sich, dass heute jüngere Ostdeutsche durch die (stufenweise) Erhöhung des aktuellen Rentenwerts auf Westniveau weniger gewinnen, als sie durch den (stufenweisen) Wegfall der Aufwertung der Löhne bei der Festlegung der Rentenansprüche (Entgeltpunkte) verlieren. Sollten die strukturellen Unterschiede in der Lohnverteilung zwischen Ost und Westdeutschland weiter bestehen bleiben, gilt das auch für alle folgenden Generationen. Umgekehrt profitieren die Bestandsrentnerinnen und -rentner sowie die rentennahen Jahrgänge eher von der nun beschlossenen Angleichung, da die Erhöhung des Rentenwerts Ost für sie eine größere Bedeutung hat und ihre gesamten Anwartschaften aufgewertet werden.
Zu Beginn der 1990er Jahre lagen die Bestandsrenten für Männer im Westen noch deutlich über den Renten der ostdeutschen Männer. Seit dem Jahr 1996 liegen die Werte für Männer im Osten jedoch kontinuierlich über denen für westdeutsche Männer (Abbildung 2). Seit dem Jahr 2000 waren die durchschnittlichen Renten von Männern im Osten beispielsweise etwa acht Prozent höher als die Renten der Männer im Westen. Für diese Unterschiede gibt es mehrere Gründe. Im Rentenbestand profitieren viele Rentner noch von der durchgehenden Erwerbstätigkeit in der ehemaligen DDR. Zudem führt die Umrechnung der Rentenbeiträge Ost zu höheren Anwartschaften. Das gleicht den – trotz höherer Wochenarbeitszeit – bestehenden Einkommensnachteil bei den Renten aus.
Hinzu kommt auch noch ein Struktureffekt, der sich schwer beziffern lässt. In Westdeutschland wird die durchschnittliche Altersrente in höherem Maße durch ehemalige Selbständige und Beamte mit sehr niedrigen Ansprüchen gedrückt. Verbeamtung und eine größere Verbreitung von selbständiger Erwerbstätigkeit sind erst seit der Wiedervereinigung in Ostdeutschland entstanden und wirken sich daher erst teilweise (und damit schwächer als in Westdeutschland) auf die heutigen Renteneinkommen aus.Heute sind die Anteile der Selbständigen in West- und Ostdeutschland recht ähnlich, mit leicht höheren Werten in Ostdeutschland. Immer noch merklich höher ist dagegen in Westdeutschland der Anteil von Beamten. Vgl. Statistisches Bundesamt (2019): Fachserie 1, Reihe 4.1, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung, Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2018, Wiesbaden, 110.
Die Renteneinkommen von Frauen in Ost und West unterscheiden sich noch deutlicher als diejenigen der Männer. Über den gesamten Zeitraum liegen die Renten von Frauen im Westen merklich unter den Ansprüchen von ostdeutschen Frauen. Zuletzt (Jahr 2018) betrug der Unterschied knapp 50 Prozent (Abbildung 2). Der zentrale Grund für die höheren Renten im Osten ist die stärkere Arbeitsmarktbeteiligung von ostdeutschen Frauen.Vgl. für die 1990er Jahre Statistisches Bundesamt (2003): Fachserie 1, Reihe 4.1.1, 2002, Ergebnisse des Mikrozensus 2002, Band 2: Deutschland, Abschnitt 7: Lange Reihen, Wiesbaden. Heute liegen die Erwerbstätigenquoten der Frauen (bezogen auf die Gesamtbevölkerung im jeweiligen Gebiet) in West- und Ostdeutschland nahezu gleichauf.Vgl. Statistisches Bundesamt (2019), a.a.O., 64. Wird allerdings nur die Erwerbsbevölkerung betrachtet, ist bei den Frauen zwischen 15 bis 64 Jahren die Erwerbstätigenquote in Ostdeutschland nach wie vor etwas höher als in Westdeutschland.Vgl. Statistisches Bundesamt (2019), a.a.O., 71. Zudem liegen die durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten der Frauen in Ostdeutschland spürbar höher als in Westdeutschland (29 gegenüber 25,6 Stunden im Jahr 2018).Vgl. Statistisches Bundesamt (2019), a.a.O., 89–90.
Bei den jeweiligen Neurentnern ab etwa dem Jahr 2010 unterscheiden sich die Rentenanwartschaften zwischen Ost und West kaum noch. Bei den Frauen sieht es dagegen anders aus. Ostdeutsche Neurentnerinnen bezogen im Jahr 2018 immer noch rund 40 Prozent mehr als westdeutsche Neurentnerinnen.Deutsche Rentenversicherung (2019): Rentenversicherung in Zahlen (online verfügbar).
Trotz der geringeren Renteneinkommen von Männern und Frauen im Westen ist deren Einkommenssituation – also das verfügbare Haushaltseinkommen – deutlich höher als im Osten (Abbildung 3).
Die deutlichen Unterschiede in der Einkommenssituation älterer Menschen zwischen Ost und West haben sich über die vergangenen 30 Jahre kaum verändert. Die durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen (äquivalenzgewichtet, einschließlich Einkommensvorteil durch selbstgenutztes Wohneigentum) lagen in Ostdeutschland immer bei rund 80 Prozent der Westwerte. Ohne unterstellte Mieteinnahmen ist die entsprechende Relation um etwa zwei Prozentpunkte höher und damit die relative Situation für Ostdeutschland etwas günstiger.
Die Unterschiede bei den Alterseinkommen sind geringer, wenn statt des Durchschnitts der Median betrachtet wird. Hier erreichen die Haushaltsnettoeinkommen rund 85 Prozent der Westwerte, wobei der Wert im Zeitverlauf Schwankungen von einigen Prozentpunkten aufweist.
Stellt sich die Frage, warum sich die Alterseinkommen zwischen Ost und West so deutlich zu Gunsten des Westens unterscheiden, obwohl die Rentenbezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Durchschnitt im Osten höher sind. Aufschluss geben die unterschiedlichen Einkunftsarten, aus denen sich das Haushaltseinkommen zusammensetzt. Im Osten bezieht ein wesentlich geringerer Anteil der Haushalte Einkommen aus privaten Renten (inklusive Betriebsrenten) und weniger wohnen in einer selbstgenutzten Immobilie. Einkommen aus Vermögen bezieht zwar ein ähnlich großer Anteil an älteren Haushalten im Osten wie im Westen, allerdings ist die Höhe der Einkünfte im Osten weitaus geringer (Tabelle 2).
In Euro
Jahr | Rente/Pension | Erwerbseinkommen | Vermögenseinkommen | Private Transfers | Staatliche Transfers | Private Renten (inklusive betriebliche Altersvorsorge) | unterstellte Mieteinnahmen | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
West | Ost | West | Ost | West | Ost | West | Ost | West | Ost | West | Ost | West | Ost | |
1993 | 15247 | 12092 | 3770 | 2799 | 1573 | 350 | 56 | 0 | 158 | 288 | 1316 | 211 | 1402 | 623 |
1994 | 15884 | 13359 | 3620 | 2456 | 1850 | 418 | 89 | 0 | 160 | 312 | 1342 | 246 | 1467 | 762 |
1995 | 16112 | 14602 | 3665 | 1821 | 1849 | 500 | 50 | 2 | 268 | 585 | 1393 | 355 | 1578 | 813 |
1996 | 16425 | 15322 | 3845 | 1817 | 1780 | 497 | 113 | 58 | 363 | 550 | 1468 | 352 | 1715 | 721 |
1997 | 17136 | 16580 | 3659 | 1853 | 1812 | 496 | 38 | 1 | 365 | 440 | 1500 | 218 | 2109 | 1183 |
1998 | 17499 | 17201 | 3232 | 1628 | 2206 | 507 | 44 | 7 | 386 | 453 | 1629 | 388 | 2161 | 817 |
1999 | 17886 | 17667 | 4623 | 1844 | 2400 | 507 | 52 | 5 | 324 | 490 | 1566 | 151 | 2378 | 1025 |
2000 | 18428 | 17443 | 4335 | 2152 | 2487 | 577 | 86 | 23 | 459 | 504 | 1715 | 420 | 2226 | 1111 |
2001 | 18257 | 17886 | 4354 | 1753 | 2644 | 641 | 73 | 21 | 456 | 468 | 1946 | 472 | 2513 | 1354 |
2002 | 18611 | 18874 | 4820 | 1906 | 3101 | 700 | 62 | 14 | 452 | 584 | 2210 | 374 | 2463 | 1154 |
2003 | 18463 | 19611 | 4599 | 1769 | 3129 | 614 | 55 | 44 | 494 | 590 | 2300 | 249 | 2571 | 978 |
2004 | 19074 | 19818 | 4500 | 2011 | 2770 | 738 | 42 | 0 | 598 | 559 | 2315 | 350 | 2389 | 1124 |
2005 | 18955 | 19879 | 5084 | 1693 | 3031 | 607 | 67 | 7 | 474 | 477 | 2584 | 277 | 2556 | 1226 |
2006 | 19004 | 20278 | 5089 | 1725 | 3459 | 882 | 75 | 0 | 565 | 460 | 2771 | 337 | 2642 | 2279 |
2007 | 19159 | 20122 | 5508 | 1967 | 3589 | 836 | 103 | 18 | 556 | 513 | 3063 | 398 | 2776 | 2018 |
2008 | 19280 | 20326 | 5052 | 2008 | 3545 | 879 | 49 | 3 | 556 | 438 | 3272 | 518 | 3045 | 1982 |
2009 | 20036 | 21046 | 5067 | 1890 | 2928 | 986 | 87 | 0 | 592 | 518 | 3394 | 654 | 3183 | 1677 |
2010 | 20683 | 20710 | 6141 | 3123 | 2830 | 771 | 96 | 2 | 624 | 507 | 3176 | 351 | 3117 | 1477 |
2011 | 20866 | 21332 | 5712 | 2225 | 2775 | 738 | 118 | 218 | 566 | 584 | 3690 | 443 | 3121 | 3132 |
2012 | 21409 | 21739 | 5929 | 2694 | 2619 | 673 | 95 | 4 | 589 | 546 | 3746 | 620 | 3394 | 1900 |
2013 | 21762 | 22115 | 6105 | 3042 | 2616 | 858 | 76 | 2 | 529 | 610 | 3951 | 393 | 2892 | 1893 |
2014 | 22581 | 22278 | 6674 | 4031 | 2847 | 707 | 70 | 1 | 533 | 625 | 3904 | 615 | 3195 | 1330 |
2015 | 22923 | 22043 | 6913 | 4763 | 3041 | 673 | 80 | 5 | 567 | 635 | 3876 | 557 | 3739 | 1740 |
2016 | 24175 | 23185 | 6995 | 5397 | 3024 | 737 | 79 | 7 | 619 | 703 | 3813 | 569 | 3826 | 2142 |
2017 | 24758 | 23994 | 7512 | 6095 | 3074 | 759 | 101 | 44 | 685 | 553 | 3774 | 569 | 3810 | 1815 |
Anmerkungen: Das Einkommen wird auf der Haushaltsebene gemessen und nicht nach der Größe des Haushaltes gewichtet. Erwerbseinkommen, Rente und Vermögenseinkommen sind Bruttogrößen.
Quelle: SOEP v35, eigene Berechnungen.
Lenkt man generell den Blick von den Anteilen der Haushalte mit einer bestimmten Einkommensart auf die durchschnittliche Höhe der Einkommen aus einer Einkommensart, zeigt sich, dass in beiden Landesteilen die Einkommen aus gesetzlichen Renten und Beamtenpensionen die höchsten Werte aufweisen.Nach den Ergebnissen zu den GRV-Renten waren sowohl die durchschnittlichen Renten der Männer als auch der Frauen in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland. Daraus folgt, dass auch die durchschnittlichen Renten (ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht) in Ostdeutschland höher sind als in Westdeutschland. In Tabelle 2 zeigt sich für GRV-Renten und Beamtenpensionen sowie Renten aus Versorgungswerken der freien Berufe ein etwas höherer Wert in Westdeutschland. Der wesentliche Grund für die abweichenden Ergebnisse sind die in Westdeutschland häufigeren und im Vergleich zu GRV-Renten höheren Beamtenpensionen. Zu beachten ist aber auch, dass die jeweiligen Zahlen aus unterschiedlichen Datenquellen stammen, so dass sich auch darüber Unterschiede ergeben können. Darüber hinaus sticht hervor, dass die Vermögenseinkommen, die Einkommen aus privaten Renten (inklusive Betriebsrenten) und der unterstellte Einkommensvorteil einer Eigentümerwohnung im Westen deutlich höher sind als im Osten. Im Jahr 2017 sind die Einkommen aus Vermögen je Haushalt in Westdeutschland viermal so hoch wie in Ostdeutschland. Bei den privaten Renten ist der Wert im Westen sechsmal so hoch wie im Osten, bei den unterstellten Mietvorteilen immerhin noch doppelt so hoch.
Alle Einkommensarten, die im Westen wesentlich höher ausfallen als im Osten, setzen entweder Erbschaften oder einen langjährigen Vermögensaufbau durch Ersparnis voraus, sei es in Anlagen wie Sparguthaben oder in Wertpapieren, durch Beiträge zu einer privaten oder betrieblichen Altersvorsorge oder durch den Erwerb (und die Entschuldung) von Wohneigentum. Die hier verglichenen Alterseinkommen bis zum Jahr 2017 sind für Ostdeutschland noch in hohem Maße an Einkommen von Personen geknüpft, die ihr ganzes oder den Großteil ihres Erwerbslebens in der DDR verbracht haben. In dieser Zeit standen die beschriebenen privaten Vorsorgeformen überwiegend gar nicht zur Verfügung. Darüber hinaus war ein großer Teil der heutigen Bestandsrentnerinnen und -rentner in den Jahren nach der Wiedervereinigung von niedrigen Löhnen und hoher Arbeitslosigkeit betroffen. Entsprechend schwer fiel es, Mittel für die zusätzliche Altersvorsorge zu erlangen oder einzusetzen.
Ab dem Jahr 2025 sollen die rechtlichen Regelungen der GRV in den alten und neuen Bundeländern vereinheitlicht sein. Durch das Gesetz wurde damit zwar ein einheitliches Recht für die gesetzliche Rente in Deutschland beschlossen und es zeigt sich auch bereits heute tendentiell eine Angleichung bei den tatsächlich bezogenen Renteneinkommen aus der GRV. Der gewählte Weg der Vereinheitlichung wird aber die ostdeutschen Bestandsrentnerinnen und -rentner sowie alle rentennahen Jahrgänge begünstigen. Finanziert wird dieser Schritt größtenteils aus Beitragsmitteln. Langfristig könnten jüngere ostdeutsche Kohorten durch den Wegfall der höheren Bewertung ihrer Beiträge im Mittel sogar verlieren, nämlich dann, wenn es zu keiner weiteren Angleichung der Löhne zwischen Ost und West kommt.
Der Blick auf die weiteren Einkommenskomponenten zeigt, dass ein alleiniger Fokus auf die GRV beim Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland zu kurz greift. Bei den anderen Einkommenskomponenten der älteren Bevölkerung, insbesondere den privaten und betrieblichen Renten sowie Vermögenseinkommen, herrschen nach wie vor persistente Unterschiede, so dass sich bei den gesamten Alterseinkommen keine Einheit zwischen Ost- und Westdeutschland anbahnt.
Es zeigt sich, dass alle Einkommensarten, die im Westen wesentlich höher ausfallen als im Osten, entweder Erbschaften oder einen langjährigen Vermögensaufbau durch Ersparnis voraussetzen, wie durch Sparguthaben oder Wertpapiere, durch Beiträge zu einer privaten oder betrieblichen Altersvorsorge oder durch den Erwerb (und die Entschuldung) von Wohneigentum.
Um auch eine Angleichung bei den Alterseinkommen und den Lebenslagen von Älteren zwischen Ost und West zu erreichen, wird es neben einer guten Entwicklung von Beschäftigung und Löhnen in Ostdeutschland notwendig sein, Reformen bei der privaten und betrieblichen Altersvorsorge anzustoßen. Die Lücke bei der Altersvorsorge könnte langfristig durch eine Kombination aus einer verpflichtenden privaten oder betrieblichen Altersvorsorge und finanzieller Unterstützung durch den Staat geschlossen werden. Auch die Förderung des Wohneigentums in Ostdeutschland sollte stärker in den Fokus genommen werden. Um auch den Vermögensaufbau zu stärken, wäre eine Möglichkeit, das kürzlich vorgeschlagene Modell des Mietkaufs auch regional gezielt umzusetzen.Peter Gründling und Markus M. Grabka (2019): Staatlich geförderter Mietkauf kann einkommensschwachen Familien Weg in die eigenen vier Wände ebnen. DIW Wochenbericht Nr. 29, 499–506.
JEL-Classification: H55;J26;J11
Keywords: Public pensions, East and West Germany, income of pensioners
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-38-4
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/226719