DIW Wochenbericht 48 / 2020, S. 889
Dawud Ansari, Erich Wittenberg
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Herr Ansari, die Corona-Pandemie hat auch die Golfstaaten erfasst, zudem ist Anfang des Jahres der Ölpreis eingebrochen. Wie stark ist die Wirtschaft der Golfstaaten dadurch unter Druck geraten? Insgesamt steht die Wirtschaft der Golfstaaten deutlich unter Druck. Im Durchschnitt sehen wir einen Rückgang im Bruttoinlandsprodukt (BIP) von etwa sechs Prozent in den einzelnen Ländern, allerdings mit deutlichen Unterschieden. In den Staaten des Golf-Kooperationsrates konnte mithilfe von umfangreichen Hilfsprogrammen gegengesteuert werden. In den anderen Anrainerstaaten des Golfs, wie zum Beispiel dem Irak, ist die Lage deutlich brenzliger. Hier ist das BIP um zwölf Prozent zurückgegangen.
Ist der Einbruch des Ölpreises eine direkte Folge der Corona-Pandemie? Natürlich ist die Corona Pandemie der wichtigste Faktor für den aktuellen Ölpreiseinbruch gewesen, aber die globale Ölnachfrage ist bereits im Jahr 2019 schwächer gewachsen als erwartet. Das liegt unter anderem an einer Abkühlung der Weltkonjunktur. Auf der anderen Seite hatten wir Anfang des Jahres den großen strategischen Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Russland um die Förderleistungen des OPEC+-Abkommens.
Wie hat sich der Ölpreis nach dem Einbruch im Frühjahr dieses Jahres entwickelt? Nach diesem historisch einzigartigen Einbruch im April haben sich die OPEC+-Staaten Ende April schnell zu einem neuen Abkommen durchgerungen und starke Förderkürzungen schon ab Mai durchgesetzt. Deswegen haben wir seit Juni wieder moderate Ölpreise um die 40 US-Dollar pro Fass gesehen. Jetzt sehen wir wieder einen Abwärtstrend, aber keine völlige Destabilisierung des Preises wie im April.
Wovon wird die künftige Entwicklung des Ölmarkts abhängen? Für die künftige Entwicklung sind vor allem drei große Faktoren entscheidend. Das eine sind die Pandemieentwicklungen, die sich direkt auf die Nachfrage auswirken. Zweitens haben wir die Frage, ob die OPEC+ es schafft, das Förderabkommen weiter einzuhalten. Drittens: Was passiert mit den Produzenten, die ausgefallen sind? Es könnte zum Beispiel sein, dass Iransanktionen mit einer neuen US-Administration abgebaut werden und der Iran wieder mehr produziert. In all diesen Fällen würde der Preis weiter sinken. Für die Exporterlöse der Golfstaaten bedeutet das, dass zunächst keine Erholung in Sicht ist.
Muss sich die Wirtschaft der Golfstaaten stärker diversifizieren, um Herausforderungen wie der Corona-Pandemie auch in Zukunft gewachsen zu sein? Das Problem ist, dass hier ein Konflikt zwischen langfristiger Entwicklung und kurzfristigen Gewinnen besteht. Die Ölförderung ist in den Golfstaaten sehr billig und das profitable Ölgeschäft die Grundlage des Staatshaushaltes - mit teilweise über 90 Prozent der Staatseinnahmen. Ein Umschwung vom Ölsektor auf andere Sektoren und damit auch auf einen Staat, der stärker besteuert, würde die Rolle der Königsfamilien gefährden. Dementsprechend sind die Anstrengungen zur Diversifizierung sehr begrenzt.
Was bedeuten die Ergebnisse Ihrer Untersuchung für uns in Europa? Aus den Ergebnissen können wir einerseits lernen, dass der Ölmarkt weiter destabilisiert ist und wir auch künftig mit moderaten Preisen rechnen können. Auf der anderen Seite erzählen uns die Ergebnisse der Studie viel über internationale Klimapolitik, denn wir müssen verstehen, dass die Perspektive der Exporteure von fossilen Brennstoffen extrem wichtig für die internationale Debatte ist. Momentan fokussieren wir uns in der Klimapolitik sehr auf unsere nationalen Ziele. Letztendlich kann Klimapolitik aber nur gelingen, wenn wir uns auch diese globalen Interessenkonflikte näher anschauen und versuchen zu lösen.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Ressourcenmärkte, Gesundheit, Finanzmärkte, Energiewirtschaft
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-48-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/226777