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EU-Taxonomie stärkt Transparenz für nachhaltige Investitionen

DIW Wochenbericht 51 / 2020, S. 973-981

Franziska Schütze, Jan Stede, Marc Blauert, Katharina Erdmann

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  • EU schafft mit Taxonomie einheitliches und transparentes System zur Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten
  • Untersuchung ausgewählter emissionsintensiver Sektoren zeigt jedoch, dass Schwellenwerte noch nicht in allen Bereichen mit Klimaneutralität vereinbar sind
  • Schwellenwerte sollten zwischen Neuinvestition und Bestandsanlagen unterscheiden, um „Carbon-Lock-in-Effekte“ zu vermeiden
  • Anwendung der Taxonomie auf private und öffentliche Investitionen kann grüne Investitionen unterstützen
  • Mit ihrer ambitionierten Zielsetzung könnte EU-Taxonomie Blaupause für globalen Standard für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten sein

„Die EU-Taxonomie schafft die notwendige Transparenz über die Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche. Damit kann bei privaten sowie öffentlichen Investitionen Greenwashing vermieden werden.“ Franziska Schütze

Mit einer Taxonomie für nachhaltige Investitionen schafft die EU-Kommission erstmals einheitliche Kriterien für klimaverträgliche Wirtschaftsaktivitäten. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, soll Unternehmen und Investoren damit Orientierung gegeben werden, welche Investitionen mit der Vermeidung von Treibhausgasemissionen im Einklang stehen und als nachhaltig eingestuft werden können. Der vorliegende Bericht untersucht, inwiefern die Taxonomie diesem Ziel gerecht wird. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Kriterien zwar in einigen Wirtschaftszweigen wie dem Automobilsektor kompatibel mit einem Pfad zur Klimaneutralität sind. In anderen Bereichen, vor allem der emissionsintensiven Grundstoffindustrie, sind die Kriterien aber bisher nicht ausreichend. Zu schwache Schwellenwerte bergen die Gefahr eines „Carbon-Lock-In“, der Zementierung von emissionsintensiven Technologien und Strukturen. Stattdessen sollte die Taxonomie Anreize für Innovationen in die Dekarbonisierung der Wirtschaft bieten. Dies kann durch das Festlegen von unterschiedlichen Schwellenwerten für Neuinvestitionen und für die Bewertung bestehender Unternehmenswerte geschehen, wie es die Taxonomie im Bereich Gebäude bereits vorsieht.

Die EU-Kommission hat im Dezember 2019 den Europäischen Green Deal vorgestellt, der die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral machen soll.infoEuropäische Kommission (2019): Mitteilung der Kommission: The European Green Deal. COM(2019) 640 final, 11. Dezember (online verfügbar, abgerufen am 2. Dezember 2020. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Um die jüngst beschlossene Verschärfung der Klimaziele bis 2030 zu erreichen, müssen laut Schätzungen der Kommission zusätzliche Investitionen in Höhe von 350 Milliarden Euro pro Jahr mobilisiert werden.infoEuropäische Kommission (2020a): Mitteilung der Kommission: Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030 – In eine klimaneutrale Zukunft zum Wohl der Menschen investieren. COM(2020) 562 final, 17. September (online verfügbar). Ein wichtiger Baustein des Green Deal ist der EU-Aktionsplan „Sustainable Finance“ und die darin enthaltene EU-Taxonomie als Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Die Taxonomie legt Kriterien für etwa 80 Teilsektoren der Wirtschaft fest. Nur wenn Aktivitäten diese Kriterien erfüllen, gelten sie als nachhaltig. Die Kommission hat jüngst einen Entwurf der Prüfkriterien für die Taxonomie-Verordnung vorgestellt, der bis zum 18. Dezember öffentlich kommentiert werden kann und ab 2021 in Kraft treten soll.infoEuropäische Kommission (2020b): Sustainable finance – EU classification system for green investments (online verfügbar).

Auch bei privaten Anlegerinnen und Anlegern steigt das Interesse an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten: So stieg die Nachfrage allein im vergangenen Jahr in Deutschland um 96 Prozent gegenüber dem Vorjahr.infoForum Nachhaltige Geldanlagen e. V. (2020): Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen – Deutschland, Österreich und die Schweiz, Juni (online verfügbar). Bisher gibt es jedoch eine Vielzahl von Definitionen für Nachhaltigkeit und unterschiedliche Nachhaltigkeitsratings, was zu mangelnder Vergleichbarkeit von grünen Investitionen für private und staatliche Akteure führt. Vor diesem Hintergrund schafft die Taxonomie einheitliche Kriterien für nachhaltige Investitionen und dadurch mehr Transparenz und Vergleichbarkeit.

Eine zentrale Rolle in der Taxonomie spielen die Schwellenwerte für emissionsintensive Transformationssektoren. Im vorliegenden Bericht wird beispielhaft untersucht, inwieweit die in der Taxonomie festgelegten Schwellenwerte mit dem Ziel einer klimaneutralen EU im Jahr 2050 vereinbar sind. Hierfür werden die drei Sektoren Automobilindustrie, Gebäude und Grundstoffe unter die Lupe genommen, die für einen großen Teil der Gesamtemissionen in der EU verantwortlich sind. Zudem werden die Vorteile einer einheitlichen Definition von Nachhaltigkeit durch die Taxonomie anhand einer Fallstudie, dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), näher beleuchtet. Für die Untersuchung werden drei Datenquellen ausgewertet: Emissionsdaten je WirtschaftssektorinfoEurostat (2020): Air emissions accounts by NACE Rev. 2 activity (online verfügbar)., die öffentliche Konsultation der EU-Kommission zur TaxonomieinfoVgl. Franziska Schütze und Jan Stede (2020): EU Sustainable Finance Taxonomy – what is its role on the road towards climate neutrality. DIW Discussion Paper Nr. 1923 (online verfügbar). sowie die Projektbeschreibungen der finanzierten Projekte im Europäischen Fonds für strategische Investitionen.

Zwei verschiedene Anwendungsfälle für die Taxonomie

Grundsätzlich gibt es zwei Anwendungsebenen für die Taxonomie: die Projektebene und die Unternehmensebene.infoVgl. Schütze und Stede (2020), a.a.O. Die Projektebene bezieht sich auf Neuinvestitionen, zum Beispiel auf den Bau eines neuen Kraftwerks, einer neuen Produktionsanlage oder eines neuen Gebäudes. Die Taxonomie kann etwa im Rahmen von Investitionsprogrammen wie dem EFSI oder als Screening-Instrument zum Beispiel für Förderprogramme genutzt werden.

Auf derUnternehmensebene kann ein Unternehmen anhand der Umsätze oder Ausgaben bewertet werden, die der Taxonomie entsprechen. Bisher gibt es auf Unternehmensebene verschiedene Nachhaltigkeitsratings, die jedoch keine einheitlichen Kriterien für die Bewertung von nachhaltigen Investitionen nutzen. Dies ist zum Beispiel für eine bessere Vergleichbarkeit nachhaltiger Investmentfonds wichtig.infoSo stimmt beispielsweise nur ein geringer Teil von sich selbst als grün bezeichnenden Fonds mit den Taxonomie-Schwellenwerten überein. Vgl. Hessenius et al. (2020): Testing draft EU ecolabel criteria on UCITS equity fonds, 26. Juni (online verfügbar).

Beide Anwendungsfälle können einen Effekt auf die Kapitalkosten von Unternehmen haben. Auf Projektebene kann die Vergabe öffentlicher Förderprogramme an die Taxonomie gekoppelt werden und dadurch Finanzierungsvorteile bieten.infoDie deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat mit dem Programm „Klimaschutzoffensive für den Mittelstand“ bereits ein erstes Programm zur Projektförderung basierend auf der EU-Taxonomie aufgelegt. Auf Unternehmensebene führt die Verankerung der Taxonomie in der Berichterstattung von Unternehmen zu einer erhöhten Transparenz, die in der Bewertung von Unternehmen berücksichtig werden kann: Firmen mit hohen Anteilen an taxonomiekonformen Aktivitäten könnten so von einer größeren Nachfrage am Kapitalmarkt und dadurch von günstigeren Finanzierungsbedingungen profitieren.infoStudien zur Offenlegung von CO2-Emissionen zeigen, dass Firmen mit höheren CO2-Emissionen höhere Kapitalkosten haben und dass Firmen durch das Offenlegen ihre Emissionen deutlich vermindern. Vgl. Stefanie Kleinmeier und Michael Viehs (2018): Carbon Disclosure, Emission Levels, and the Cost of Debt (online verfügbar), sowie Benedikt Downar, Jürgen Ernstberger, Hannes Rettenbacher, Sebastian Schwenen und Aleksandar Zaklan (2019). Fighting Climate Change with Disclosure? The Real Effects of Mandatory Greenhouse Gas Emission Disclosure (DIW Discussion Paper No. 1795) (online verfügbar). Ein ähnlicher Effekt auf die Kapitalkosten könnte von der Taxonomie ausgehen.

Die Taxonomie schließt einen Großteil der europäischen Emissionen ein

Die Taxonomie teilt die von ihr berücksichtigten Wirtschaftssektoren in drei Kategorien ein. Grüne Aktivitäten, die einen substantiellen Beitrag zum Klimaschutz leisten, unterstützende AktivitäteninfoUnterstützend bezieht sich hierbei auf das Potential des Sektors, erhebliche Emissionsreduktionen in anderen Sektoren zu ermöglichen. Beispiele sind Investitionen in den Ausbau des Energienetzes, die Herstellung von erneuerbaren Energiequellen (z.B. Solar- oder Windkraftanlagen) oder den Ausbau von Infrastruktur für CO2-neutralen Verkehr., die Emissionsreduktionen in andere Sektoren ermöglichen, und Transformationsaktivitäten, bei denen große Anstrengungen in Richtung Klimaneutralität notwendig sind. Für die dritte Kategorie definiert die Taxonomie zusätzlich Mindestanforderungen in Form von Schwellenwerten, die darüber entscheiden, ob eine Aktivität als nachhaltig definiert wird oder nicht. Für alle drei Kategorien gelten zusätzliche Mindestanforderungen im Bereich Umwelt und Soziales.infoDas Nicht-Verletzen eines von sechs Umweltzielen (Do no significant harm-Kriterien) sowie die Einhaltung sozialer Mindeststandards (minimum social safeguards). Die sechs Umweltziele der EU sind 1) Klimaschutz, 2) Anpassung an den Klimawandel, 3) Schutz von Wasser- und Meeresressourcen 4) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft 5) Vermeidung von Umweltverschmutzung 6) Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und von Ökosystemen. Die vorliegende Untersuchung legt den Fokus auf den Beitrag zum Klimaschutz und damit die Vereinbarkeit der Schwellenwerte mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050.

Die Taxonomie erfasst mit etwa 80 Prozent einen Großteil der direkten Treibhausgas-Emissionen in der EU, vor allem in den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude, Transport und Landwirtschaft (Abbildung 1). Einige emissionsintensive Aktivitäten in der Industrie (zum Beispiel die Herstellung von Koks und raffiniertem Erdöl mit 3,2 Prozent der Emissionen), im Transport (zum Beispiel der Luftverkehr mit circa 3,6 Prozent der Emissionen) sowie der Groß- und Einzelhandel (mit 2,4 Prozent der Emissionen) wurden hingegen bisher nicht mit einbezogen. Für diese Bereiche existieren somit weder Schwellenwerte noch wurden diese explizit als nicht nachhaltig gekennzeichnet (Tabelle).

Tabelle: Erweiterte Klassifizierung von Wirtschaftsaktivitäten durch EU-Taxonomie

Wirtschaftsaktivitäten Durch die EU-Taxonomie erfasst Nicht erfasst
Grün Unterstützend In Transformation Hohe Emissionen Niedrige Emissionen
Beispiele

Erneuerbare Energien

Netzausbau, Energiespeicher

Pkw und leichte Nutzfahrtzeuge

Grundstoffindustrien, Gebäudesanierung

Flugverkehr, Groß- und Einzelhandel

Bildung, Gesundheit und Sozialarbeit

Gegenwärtiger Schwellenwert Ja Ja Ja Ja Schwellenwert fehlt Kein Schwellenwert notwendig
Zukünftige Schwellenwerte mit Pfad zur Klimaneutralität Ja Ja Ja Pfad fehlt Schwellenwert fehlt Kein Schwellenwert notwendig

Anmerkung: Bei der Grundstoffindustrie und anderen Transformationsaktivitäten fehlt bisher ein Pfad zur Klimaneutralität. Bisher nicht erfasste Aktivitäten sollten in klimaschädliche und nicht-klimaschädliche Aktivitäten unterschieden werden.

Quelle: Eigene Darstellung.

„Greening the brown“ – Analyse von Schwellenwerten in wichtigen Transformationsbereichen

In der Logik der Taxonomie können nicht nur traditionell grüne wirtschaftliche Aktivitäten (wie erneuerbare Energien) als nachhaltig eingestuft werden, sondern auch Aktivitäten in bislang emissionsintensiven Bereichen. Die Schwellenwerte der Transformationssektoren sind damit die zentralen Bausteine der Taxonomie. Zu niedrige Schwellenwerte können bedeuten, dass gerade bei Neuinvestitionen emissionsintensive Technologien und fossile Infrastruktur für viele Jahrzehnte zementiert werden („Carbon-Lock-in-Effekt“).infoVgl. Gregory C. Unruh (2000): Understanding carbon lock-in. Energy Policy 28(12), 817–830; Linus Mattauch, Felix Creutzig und Ottmar Edenhofer (2015): Avoiding carbon lock-in: policy options for advancing structural change. Economic modelling, 50, 49–63. Zu strikte Schwellenwerte können wiederum dazu führen, dass sehr wenige Investitionen als nachhaltig eingestuft werden und die Finanzierungskosten für Investitionen in die Transformation emissionsintensiver Sektoren steigen. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten, für die lediglich ein aktueller Schwellenwert existiert und solchen, bei denen auch ein zukünftiger Schwellenwert für Null-Emissionen bis 2050 festgelegt wurde (Tabelle). Im Folgenden werden drei Transformationssektoren mit hoher Klimarelevanz als Beispiele diskutiert und bewertet. Eine wichtige Grundlage für diese Bewertung ist eine umfassende Analyse der öffentlichen Konsultation der EU zum Zwischenbericht der Taxonomie (Kasten).

Die von der EU-Kommission mit der Ausarbeitung der Taxonomie betraute Technical Expert Group (TEG) veröffentlichte im Juni 2019 einen ZwischenberichtinfoTechnical Expert Group on Sustainable Finance (2019): Report on Benchmarks – Interim Report, Juni (online verfügbar)., der Gegenstand einer umfangreichen öffentlichen Konsultation war.infoTechnical Expert Group on Sustainable Finance (2019): Responses on the June 2019 Interim Report on the EU Taxonomy, (online verfügbar). Unter Berücksichtigung der Konsultation hat die TEG Empfehlungen für Kriterien und Schwellenwerte für alle Wirtschaftssektoren veröffentlicht.infoTechnical Expert Group on Sustainable Finance (2020): Technical Report, März (online verfügbar). Auf der Grundlage des Endberichtes der TEG und der im Juni 2020 veröffentlichten Taxonomie-VerordnunginfoEuropäisches Parlament und Rat der Europäischen Union (2020): Verordnung 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088. L 198/13, 18. Juni (online verfügbar). hat die EU-Kommission im November 2020 einen Entwurf der delegierten Rechtsakte veröffentlicht, welche die Schwellenwerte rechtsverbindlich festlegen.infoEin Entwurf für die delegierten Rechtsakte wurde im November 2020 veröffentlicht, vgl. Annex 1 von Europäische Kommission (2020c): Draft Delegated Regulation supplementing EU regulation 2020/852 – Ares (2020)6979284 (online verfügbar). In den untersuchten Sektoren haben sich die Schwellenwerte nicht grundlegend verändert.

An der EU-Konsultation beteiligten sich insgesamt 642 Stakeholder. Im Rahmen der hier vorgestellten AuswertunginfoVgl. Schütze und Stede (2020), a.a.O wurden nur die Antworten der 355 öffentlichen und privaten Organisationen berücksichtigt, Antworten von Privatpersonen flossen nicht in die Analyse ein. Die Auswertung erfolgte in zwei Schritten: Zunächst wurden für eine quantitative Auswertung insgesamt 1 672 Antworten zu verschiedenen Metriken und Schwellenwerten der Taxonomie kodiert und diese grafisch ausgewertet. In einem zweiten Schritt wurden die Antworten qualitativ ausgewertet, indem die Argumente unabhängig von der Häufigkeit der Nennung untersucht wurden.infoDamit wurde der Verzerrung in der Verteilung der Antwortenden entgegengewirkt. Denn es handelt sich nicht um eine Zufallsstichprobe: Etwa 70 Prozent dieser Organisationen waren Industrieverbände und Unternehmen. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hingegen machten nur zwölf Prozent der Antwortenden aus. Im Transparenzregister der EU sind hingegen 27 Prozent der registrierten Organisationen NGOs. Um die Antworten und Argumente der Antwortenden einzuordnen und die Kompatibilität der Schwellenwerte der Taxonomie mit dem Ziel der EU-Klimaneutralität zu bewerten, wurde zusätzlich weiterführende Literatur berücksichtigt.

Automobilsektor: Die Zukunft gehört den alternativen Antrieben

Die Taxonomie definiert in Einklang mit der „Clean Vehicles Directive“infoVgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union (2019): Richtlinie 2019/1161 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrtzeuge. L 188/116, 20. Juni (online verfügbar). zwei Schwellenwerte für die Klasse der Pkw und leichten Nutzfahrzeuge.infoDer Schwellenwert bezieht sich auf Auspuffemissionen, also die Emissionen, die bei der Nutzung eines Autos durch den Kraftstoffverbrauch entstehen. Bis 2025 dürfen neu produzierte Pkw und leichte Nutzfahrzeuge maximal 50 Gramm CO2 pro Fahrtkilometer (g CO2/km) gemäß dem neuen EU-weiten WLTP-Messverfahren (WLTP)info2017 hat das Messverfahren Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure (WLTP) das bis dahin genutzte Verfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) in der EU abgelöst. Das Ziel der Umstellung ist, durch realitätsnähere Fahrbedingungen den tatsächlichen Kraftstoffverbrauch besser darzustellen. ausstoßen, um als nachhaltig klassifiziert zu werden. Ab 2026 müssen die Emissionen dann auf null sinken. Mit diesen Schwellenwerten geht die Taxonomie deutlich über den derzeit bestehenden EU-Flottengrenzwert von 95g CO2/km als klimapolitische Mindestanforderung hinaus und setzt damit zusätzliche Anreize für die Produktion von klimafreundlicheren Fahrzeugen.infoUnter dem alten NEFZ-Verfahren wurden Verbräuche in der Regel zu niedrig angegeben – in der Praxis um etwa 20 Prozent (online verfügbar). Während der EU-Flottengrenzwert sich noch auf das NEFZ-Messverfahren bezieht, nutzt die Taxonomie bereits das WLTP-Verfahren als Referenzpunkt. Entsprechend ist die tatsächliche Lücke zwischen den beiden Normen noch einmal um etwa 20 Prozent größer. In der Praxis wird der Schwellenwert von 50g CO2/km nach WLTP nur von emissionsneutralen Antriebstechnologien, also insbesondere Elektrofahrzeugen, aber auch Wasserstoff- beziehungsweise Brennstoffzellenfahrzeugen erreicht. Verbrennungsmotoren und viele der heutigen Plug-In-Hybride sind dagegen nicht mit der Taxonomie vereinbar.infoVgl. Tabelle 13 in Umweltbundesamt (2019): Ermittlung der Schadstoff- und Klimagasemissionen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen durch WLTP und RDE unter Berücksichtigung zukünftiger Kraftstoffe und Antriebskonzepte, März (online verfügbar).

Die Analyse der Kommentare aus der EU-Konsultation zur geplanten Taxonomie-Richtlinie (Kasten) zeigt für den Automobilsektor eine starke Segmentierung der Antworten in zwei Gruppen. Während Umweltbehörden und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) die vorgeschlagenen Schwellenwerte unterstützen, fordert die Automobilindustrie sowohl eine Verlängerung des Übergangszeitraums bis 2030 als auch eine Änderung des Messparameters hin zu Lebenszyklusanalysen (LCAs) anstelle der Auspuffemissionen (Abbildung 2). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass das Potential der Emissionsreduktion bei alternativen Antrieben höher ist. Durch den gleichzeitigen Ausbau von erneuerbarem Strom werden die Gesamtemissionen von Elektroautos mittelfristig weiter sinken.infoBundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2019): Wie umweltfreundlich sind Elektroautos? Eine ganzheitliche Bilanz. Oktober (online verfügbar).

Gebäude: Nationale Unterschiede und noch kein Pfad zur Klimaneutralität

Im Gebäudebereich sind insbesondere die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden und der Neubau von klimapolitischer Relevanz. Für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden definiert die Taxonomie zwei unabhängige Kriterien, die jeweils als Schwellenwerte herangezogen werden können. Zum einen, wenn sie eine größere Renovierung im Sinne der EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD-Richtlinie) darstellt.infoEuropäisches Parlament und Rat der Europäischen Union (2010): Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung). L153/13, 19. Mai (online verfügbar). Zum anderen, wenn sie zu einer Reduzierung des Primärenergiebedarfs um mindestens 30 Prozent führt, für die der Nachweis durch einen Energieausweis sowie ein vorangegangenes Energieaudit notwendig ist.

Das zweite Kriterium der Senkung um 30 Prozent ist im Vergleich zu den energetischen Anforderungen der EPBD-Richtlinie deutlich einfacher zu erfüllen.infoAbhängig von Gebäude und Bedingungen im Mitgliedsstaat führt eine größere Renovierung zu einer Senkung des Primärenergiebedarf um 50 bis 80 Prozent. Dementsprechend existiert eine große Lücke zwischen den beiden Schwellenwerten. Vgl. für die Effekte einer größeren Renovierung ZEBRA2020 (2016): Nearly Zero-Energy Building Strategy 2020 – Strategies for a nearly Zero-Energy Building market transition in the European Union. Oktober (online verfügbar). Übertragen auf den deutschen Gebäudebestand bedeutet dieses Mindestziel, dass der temperaturbereinigte Jahresheizenergiebedarf eines durchschnittlichen Mehrfamilienhauses von etwa 130 KilowattstundeninfoJan Stede, Franziska Schütze, Johanna Wietschel (2020): Wärmemonitor 2019: Klimaziele bei Wohngebäuden trotz sinkender CO2-Emissionen derzeit außer Reichweite. DIW Wochenbericht Nr. 40, 770-779 (online verfügbar). auf 91 Kilowattstunden je Quadratmeter sinken und damit lediglich von der Energieeffizienzklasse D/E in die Klasse C wechseln würde.infoVgl. Anlage 10 in Deutscher Bundestag (2020): Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG) vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1728).

Die Antworten auf die EU-Konsultation für den Bereich Gebäudesanierung zeigen eine unterschiedliche Einschätzung der Schwellenwerte im Vergleich zum Automobilsektor (Abbildung 2). Bei der energetischen Gebäudesanierung fordert die Hälfte der Antwortenden – auch aus der Industrie – die Verschärfung der geplanten Schwellenwerte. Im Mittelpunkt der Kritik stehen die relativen Schwellenwerte, die keinen klaren Weg zur Klimaneutralität für Bestandsgebäude aufzeigen. So wird zum Beispiel die Einführung länderspezifischer absoluter Schwellenwerte vorgeschlagen. Diese stärkere Unterstützung schärferer Schwellenwerte steht im Gegensatz zur Automobilindustrie. Daran ist zu erkennen, dass es in der Bauwirtschaft mehr Akteure ein wirtschaftliches Interesse an einer Anhebung der Schwellenwerte haben.

Für den Neubau gibt die Taxonomie als Schwellenwert vor, dass der jährliche Primärenergiebedarf eines neuen Gebäudes 20 Prozent unter dem nationalen Standard für Niedrigstenergiegebäude (Nearly Zero Energy Buildings – nZEBs) liegen muss.infoLaut Entwurf der Delegierten Rechtsakte (Kasten) muss bei Gebäuden, deren Grundfläche 5 000 Quadratmeter übersteigt, außerdem eine Lebenszyklusanalyse für das globale Erwärmungspotential aufgrund des Baus des Gebäudes erstellt und auf Wunsch Investoren oder Klienten zur Verfügung gestellt werden. Laut der EPBD müssen ab 2021 alle Neubauten in der EU diesen Niedrigstenergiestandard erfüllen. Die Schwäche der nZEBs liegt allerdings darin, dass diese wiederum von den Mitgliedsstaaten individuell festgelegt werden und dass es keine festen Mindestanforderungen seitens der EU gibt.infoVgl. Schütze und Stede (2020), a.a.O. In Deutschland wurde der nZEB-Standard mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) im November 2020 eingeführt. Allerdings führt dieses lediglich das Niveau der aus 2016 stammenden Energieeinsparverordnung fort und bleibt damit deutlich hinter dem von der EU formulierten (nicht bindenden) Zielkorridor sowie eigenen früheren Ankündigungen zurück.infoDie EU hat für Einfamilienhäuser ein Netto-Energiebedarf zwischen 15 bis 30 kWh/m pro Jahr als Richtwert für die nationale Implementierung des Niedrigstenergiegebäude-Standards für ein ozeanisches Klima angegeben (online verfügbar). Deutschland hatte in der Vergangenheit für die Definition von Niedrigstenergiegbäuden eine Anlehnung an den KfW-Effizienzhausstandard angekündigt (online verfügbar). Mit der Einführung des GEG, das die bisherige Energieeinsparverordnung ablöst, wurden dann jedoch alle Neubaugebäude, die die seit 2016 energetischen Mindestanforderungen von 75 Prozent eines „Referenzgebäudes“ erfüllen, als Niedrigstenergiebäude definiert. Ähnlich zur Sanierung von Gebäuden wäre es daher wichtig, eine einheitliche europäische Verbrauchsuntergrenze für Neubauten einzuführen.

Grundstoffindustrie: Keine Klimaneutralität mit historischen Benchmarks

Im Bereich des produzierenden Gewerbes konzentriert sich die Taxonomie auf emissionsintensive Grundstoffindustrien – wie die Herstellung von Zement, Stahl oder chemischen Produkten. Als Schwellenwerte für diese Sektoren werden die branchenspezifischen Benchmarks aus dem EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) herangezogen. Diese spiegeln das Emissionsniveau wider, das von den zehn Prozent der Anlagen mit den niedrigsten Treibhausgasemissionen innerhalb eines Sektors erreicht wird.infoEuropäische Kommission (2011): Beschluss zur Festlegung EU-weiter Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, 27. April (online verfügbar). Übertragen auf den Zementsektor bedeutet dies, dass eine Zementproduktion als nachhaltig eingestuft wird, wenn für die direkten Emissionen der geltende EU-ETS-Benchmark von 0,766 Tonnen CO2-Äquivalent für eine Tonne Zement-Klinker erreicht wird.infoLaut Entwurf der Delegierten Rechtsakte (Kasten) sollen die vor mehr als zehn Jahren errechneten EU-ETS Benchmarks durch neue Schwellenwerte ersetzt werden, die sich aufgrund der Revision der EU-ETS Richtlinie gerade in der Überarbeitung befinden.

Das Beispiel der Zementindustrie verdeutlicht die Schwierigkeiten bei der Verwendung von nur einem Schwellenwert für Bestandsanlagen und Neuanlagen im Bereich der Grundstoffindustrien. Während die Verwendung der EU-ETS- Benchmarks für Bestandsanlagen durchaus sinnvoll sein kann, um die besten Unternehmen eines Sektors zu identifizieren, so birgt sie für neue Produktionsanlagen die Gefahr von „Lock-in-Effekten“. Denn neue Industrieanlagen haben in der Regel eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten und würden somit mit dem Ziel der EU-Klimaneutralität 2050 im Widerspruch stehen.

Zusammenfassend zeigt die Analyse der drei Transformationssektoren, dass die Schärfe der Schwellenwerte eine wichtige Stellschraube in Richtung Klimaneutralität ist. Bislang ist nur im Automobilbereich ein klarer Pfad zur Klimaneutralität vorhanden. Im Gebäudebereich sollten insbesondere für die energetische Sanierung die Schwellenwerte sukzessive nachgeschärft werden oder absolute Ziele eingeführt werden. In der Grundstoffindustrie zeigt sich der schwierige Spagat zwischen der Bewertung eines Unternehmens mit bestehenden Produktionsanlagen und einer Investition in neue Anlagen – beide Ziele zugleich sind mit einem gemeinsamen Schwellenwert kaum zu erreichen.

Fallstudie: Wieviel Nachhaltigkeit steckt im Europäischen Fonds für Strategische Investitionen?

Um die Anwendbarkeit der Taxonomie und die Notwendigkeit einer einheitlichen Definition von nachhaltigen Investitionen zu illustrieren, werden im Folgenden die unter dem Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) getätigten Investitionen unter die Lupe genommen. Der EFSI wurde von der Europäischen Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EIB) initiiert.infoDer EFSI wurde von 2015 bis 2018 ins Leben gerufen und danach für drei weitere Jahre verlängert. Ab 2021 wird er durch das InvestEU Programm abgelöst. Er soll langfristige, strategische Investitionen in risikoreiche Projekte mit Wachstums- und Arbeitsmarktpotential ermöglichen und privates Kapital mobilisieren. Klimaschutz ist seit einigen Jahren ein wichtiger Schwerpunkt für die EIB: 2018 wurde beschlossen, 40 Prozent der Investitionen des EFSI in Klimaschutz zu investieren.infoEuropäische Investitionsbank (2020), „Das Erbe des EFSI: Zwischen Märkten und Staaten“ (online verfügbar). Im November 2020 kündigte die EIB an, diesen Anteil bis zum Jahr 2025 auf 50 Prozent zu erhöhen.infoEuropäische Investitionsbank (2020): EIB Group Climate Bank Roadmap 2021-25, 11. November (online verfügbar). Dabei ist jedoch nicht allein die Höhe des Klimaanteils wichtig, sondern auch die Kriterien für die Projekte, die diesem Anteil zugerechnet werden. Im Vergleich zur bisher genutzten Definition würde die Anwendung der Taxonomie eine Nachschärfung der Schwellenwerte in einigen Sektoren nach sich ziehen.infoDie bisher von der EIB genutzte Definition für Projekte zum Klimaschutz basiert auf der „Multilateral Development Banks Joint Methodology for Tracking Climate Finance“ (online verfügbar).

Im Folgenden wird daher überprüft, inwiefern die finanzierten Projekte von der Taxonomie erfasst und im Einklang mit den Schwellenwerten stehen. Die Untersuchung fokussiert sich auf den Bereich Infrastruktur und InnovationinfoEs gibt zwei Investitionsbereiche: 1) Infrastruktur und Innovation, sowie 2) Kleine- und mittelständische Unternehmen. In diesem Bericht wird nur der erste Bereich untersucht., in dem von 2015 bis 2019 über 500 Projekte mit einem Volumen von 45,6 Milliarden EuroinfoEigene Berechnung basierend auf der Projektliste der EIB (online verfügbar). Projekte, die von der EIB bis einschließlich 15. Juli 2020 unterzeichnet wurden, sind in der Analyse berücksichtigt. Nicht unterzeichnete Projekte fließen nicht in die Untersuchung ein. finanziert wurden und damit Gesamtinvestitionen in Höhe von 213,2 Milliarden Euro realisiert werden konnten. Im Speziellen wurden Projekte im Bereich Energie- und Transportsektor untersucht, die zusammen fast die Hälfte des EFSI-Finanzierungsvolumens ausmachen: Circa 30 Prozent im Energiesektor (inklusive Energieeffizienzmaßnahmen) und 18 Prozent im Transportsektor. Weitere, hier nicht berücksichtigte Sektoren sind beispielsweise kleine und mittelständische Unternehmen (18 Prozent) und die Digitalisierung (acht Prozent).

Im Energiesektor können circa 38 Prozent des Finanzierungsvolumens als taxonomiekonform klassifiziert werden (Abbildung 3), was nur geringfügig unter dem Ziel von 40 Prozent Klimaschutzinvestitionen liegt. Hierbei handelt es sich vor allem um Investitionen in erneuerbare Energien, die ein Drittel der Finanzierung für den Energiesektor bilden. Fast die Hälfte des Finanzierungsvolumens (rund 46 Prozent) entsprechen hingegen nicht den Kriterien der Taxonomie: Investitionen in fossile Energieträger – vor allem in Gasinfrastruktur – machen noch circa 20 Prozent der Finanzierung für den Energiesektor aus. Im Bereich der Energieeffizienz in Gebäuden konnten die Projekte nicht eindeutig zugeordnet werden (12,3 Prozent), erreichen den Schwellenwert nicht oder führen Energieeffizienzmaßnahmen durch, die nicht in der Taxonomie enthalten sind (8,2 Prozent). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die bisher verwendeten Schwellenwerte im Bereich Energieeffizienz niedriger sind als jene, die in der Taxonomie festgelegt wurden.

Im Transportsektor ist der Anteil der Finanzierung von Projekten, die mit der Taxonomie vereinbar sind, deutlich geringer als im Energiesektor und liegt damit weit unter dem angestrebten Klimaanteil. Nur circa zehn Prozent der Investitionen sind taxonomiekonform, das heißt sie erreichen die Schwellenwerte. Es handelt sich vor allem um Züge mit Elektroantrieb und um ein Projekt für Ladestationen von Elektroautos (Abbildung 3). Weitere 17 Prozent sind teilweise als konform einzustufen, da Teilbereiche der Projekte Antriebsarten fördern, die nach der Taxonomie nicht nachhaltig sind.infoAufgrund der nicht ausreichend detaillierten Projektbeschreibung konnte der genaue Anteil der taxonomiekonformen Teilprojekte nicht ermittelt werden. 13 Prozent können aufgrund fehlender Informationen nicht eindeutig zugeordnet werden, ihr Großteil gehört zum Teilbereich urbane Mobilität.

Deutlich mehr als die Hälfte (60 Prozent) des Finanzierungsvolumen des Transportsektors entspricht jedoch nicht den Kriterien der Taxonomie. Dies sind zum großen Teil Investitionen in Infrastruktur, die auf emissionsintensiven Transport ausgelegt sind: Allein die Förderung von Autobahnen und Infrastruktur für den Flugverkehr machen rund 40 Prozent der Gesamtfördersumme aus, während in den Schienenverkehr weniger als zehn Prozent fließen.infoHierbei ist zu beachten, dass der Flugverkehr noch nicht in der Taxonomie enthalten ist und daher noch keine Schwellenwerte definiert wurden. Damit riskieren die geförderten Projekte, klimaschädliche Formen der Mobilität zu zementieren.

Die Analyse zeigt, dass die Höhe der Schwellenwerte einen entscheidenden Einfluss auf den Anteil der Klimaschutz-Investitionen hat. Die Schwellenwerte der Taxonomie sind an vielen Stellen strikter als die bisher genutzten. Um die höheren Schwellenwerte der Taxonomie zu erreichen, bedarf es einer Neuausrichtung und Anpassung der Investitionskriterien. Insbesondere im Bereich der Energieeffizienz und im Transport müssen die Anforderungen an die Projekte deutlich erhöht werden. Dies ist vor allem für öffentlich geförderte Infrastrukturinvestitionen wichtig, da diese einen entscheidenden Einfluss auf die Emissionsintensität der Mobilität und der Energieversorgung in der Zukunft haben.

Fazit: Taxonomie schafft Referenzpunkte für Pfad zur Klimaneutralität

Die Taxonomie schafft eine einheitliche Definition nachhaltiger Investitionen und nimmt damit eine unterstützende Funktion auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft ein. Aufgrund der verbesserten Transparenz über die Klimawirkung von Investitionen in der Realwirtschaft kann „Greenwashing“ verhindert werden. Für Unternehmen, die bereits Nachhaltigkeitsberichte erstellen, kann eine einheitlichere Berichterstattung den Aufwand sogar reduzieren, da verschiedene Daten nicht mehr an unterschiedliche Datenanbieter geliefert werden müssen. Für Finanzinstitute kann dies die Vergleichbarkeit von Unternehmen deutlich verbessern. Darauf aufbauend soll die Taxonomie als Grundlage für Nachhaltigkeitslabels im Markt für private Anlegerinnen und Anleger dienen und mehr Transparenz und Vergleichbarkeit für Endkunden schaffen. Zusätzlich kann sie als einheitliche Definition für öffentliche Förder- und Investitionsprogramme genutzt werden.

Die Taxonomie erfasst mit circa 80 Prozent der europäischen Emissionen bereits einen Großteil der emissionsintensiven Branchen der Wirtschaft. Es ist jedoch wichtig, unter den nicht adressierten Sektoren die klimaschädlichen von den weniger klimaschädlichen Sektoren zu unterscheiden. Für Aktivitäten, die aufgrund technologischer Alternativen substituierbar sind, sollten klare Ausschlusslisten erstellt werden. Für andere klimaschädliche, aber bislang nicht erfasste Sektoren (wie zum Beispiel den Luftverkehr), sollten künftig Schwellenwerte definiert werden.

Die meisten Sektoren in der Taxonomie sind sogenannte Transformationssektoren. Hier werden nur Unternehmen und Anlagen als nachhaltig eingestuft, die branchenspezifische Schwellenwerte erreichen. In einigen Branchen steht dieser Schwellenwert bereits im Einklang mit dem Ziel einer klimaneutralen EU im Jahr 2050, so zum Beispiel bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen. In anderen Branchen, vor allem in der Grundstoffindustrie wie Stahl oder Zement, orientieren sich die Kriterien an den Schwellenwerten des EU-ETS und zeigen bisher keinen Pfad zur Klimaneutralität auf. Gerade in diesen Sektoren handelt es sich jedoch um sehr kapitalintensive und langfristige Investitionen. Bei Neuinvestitionen besteht daher die Gefahr eines „Lock-Ins“ in emissionsintensive Technologien, die zu Investitionsruinen für Investoren führen können.

Ein zweiter, strikterer Schwellenwert für Neuinvestitionen kann hier Abhilfe schaffen. Dieses Prinzip ist bereits bei Gebäuden zu finden, wo im Neubau strengere Regeln als bei der Sanierung des Gebäudebestands festgelegt wurden. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Unternehmen in emissionsintensiven Branchen eine Klimaneutralitätsstrategie nachweisen müssen, aus der hervorgeht, wie das Unternehmen klimaneutral werden kann.

Vor dem Hintergrund des voranschreitenden Klimawandels und des Europäischen Green Deals bedarf es einer deutlichen Erhöhung der Investitionen in Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Eine konsequente Anwendung der Taxonomie kann Unternehmen, Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümern, Investoren und Kreditinstituten einen besseren Einblick in die Auswirkungen ihrer Investitionen und Finanzierung auf das Klima geben. Durch ihren umfassenden Ansatz hat die EU-Taxonomie das Potenzial, als Blaupause für einen globalen Standard zur Definition nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten zu dienen.

Franziska Schütze

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Klimapolitik



JEL-Classification: G00;G14;G18;G38;Q01;Q54;Q56
Keywords: EU taxonomy, sustainable finance, green finance, green investment, energy transition, financial decarbonization, financial markets
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-51-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/229637

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