DIW Wochenbericht 51 / 2020, S. 982
Franziska Schütze, Erich Wittenberg
get_appDownload (PDF 83 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 3.34 MB)
Frau Schütze, mit einer Taxonomie für nachhaltige Investitionen schafft die EU-Kommission erstmals einheitliche Kriterien für klimaverträgliche Wirtschaftsaktivitäten. Was genau ist die Idee hinter diesem Vorhaben? In der EU-Taxonomie werden Kriterien festgelegt, anhand derer man entscheiden kann, ob ein Unternehmen oder ein Projekt nachhaltig ist. Dabei werden verschiedene Kriterien betrachtet. Ein Unternehmen muss einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Gleichzeitig muss es soziale Mindeststandards einhalten und darf keinem anderen Umweltziel schaden.
Wie kann man sich die Anwendung der EU-Taxonomie in der Praxis vorstellen? Aus unserer Sicht gibt es zwei Ebenen der Anwendung. Das ist einerseits die Projektebene. Hier wird geprüft, ob eine Neuinvestition, also zum Beispiel ein Windpark, den Kriterien der Taxonomie entspricht. Wenn dies der Fall ist, kann ein Projekt als nachhaltig eingestuft werden. Die zweite Ebene ist die Unternehmensebene. Da ist es etwas komplexer. Da werden Unternehmen als Ganzes bewertet und der Anteil der Aktivitäten des Unternehmens, der diesen Kriterien entspricht. Je höher der Anteil dieser Aktivitäten, desto nachhaltiger ist ein Unternehmen.
Welche Folgen hat es für ein Unternehmen, wenn diese Kriterien nicht eingehalten werden? Im ersten Moment ist die Taxonomie vor allem ein Instrument, das Transparenz schafft. Große Unternehmen müssen berichten, welche ihrer Aktivitäten dieser Taxonomie entsprechen. Es gibt keine Bestrafung für Aktivitäten, die die Kriterien nicht erfüllen. Aber es kann umgekehrt durchaus Vorteile für Unternehmen bringen, wenn die Aktivitäten taxonomiekonform sind. Zum Beispiel gibt es aktuell ein Förderprogramm der KfW, das einen Zuschuss für Investitionen bietet, die der Taxonomie entsprechen. Weiterhin können auch Banken gewisse Zinsvorteile für solche Investitionen bieten.
Inwieweit hilft die EU-Taxonomie, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen? Die definierten Schwellenwerte sind noch nicht in allen Bereichen mit dem Ziel der Klimaneutralität vereinbar. Im Automobilsektor ist das Ziel der Klimaneutralität bereits explizit in den Kriterien verankert. Autos müssen bis zum Jahr 2025 einen CO2-Grenzwert von 50 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen. Ab 2026 sinkt dieser Wert auf null Gramm. In anderen Bereichen jedoch, wie der emissionsintensiven Grundstoffindustrie, aber auch in der Gebäudesanierung, ist der Pfad noch nicht klar festgelegt. Daher ist es wichtig, dass die Taxonomie auch aktualisiert wird und in den Bereichen, in denen das Ziel der Klimaneutralität noch nicht explizit verankert ist, noch einmal nachgeschärft wird. Wenn die Schwellenwerte zu schwach sind, dann birgt dies die Gefahr, emissionsintensive Technologien weiter für die Zukunft festzuschreiben. Die Taxonomie soll Anreize für Innovation bieten und damit sind die Schwellenwerte eine zentrale Stellschraube in Richtung Klimaneutralität.
Inwieweit sind diese Schwellenwerte innerhalb der EU-Taxonomie in Stein gemeißelt und inwieweit besteht die Chance, dass sie zeitnah angepasst werden können, um eben das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen? In der Taxonomie-Verordnung ist vorgesehen, die Schwellenwerte regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren. Ganz konkret werden im kommenden Jahr Kriterien für weitere Umweltziele der EU, wie den Erhalt der Biodiversität und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, erarbeitet und festgelegt. Die Schwellenwerte für den Bereich Klimaschutz können noch bis zum 18. Dezember kommentiert werden.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Unternehmen, Öffentliche Finanzen, Konjunktur, Klimapolitik, Europa
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-51-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/229639