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Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität

DIW Wochenbericht 3 / 2021, S. 36-42

Anja Kirsch, Katharina Wrohlich

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Der Frauenanteil in Aufsichtsräten großer Unternehmen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Wie dieser zweite Teil des DIW Managerinnen-Barometers 2021 zeigt, wirkt sich das deutlich positiv auf die Interaktion, Diskussion und Entscheidungsfindung in den Kontrollgremien vieler Unternehmen aus. Das geht aus qualitativen Interviews mit 60 AufsichtsrätInnen hervor, die Mandate in insgesamt 75 börsennotierten Unternehmen in Deutschland innehaben. Sie betonen Veränderungen in der Atmosphäre, zudem werden Diskussionen als umfassender und facettenreicher beschrieben. Auch hinterfragen Frauen offenbar eher Vorschläge und Entscheidungen des Vorstandes und fordern öfter zusätzliche Informationen. Geschlechterdiversität in Aufsichtsräten kann daher dazu beitragen, Vorstände effektiver zu kontrollieren. Die Vorstellung, dass Frauen in Aufsichtsräten besonders risikoaverse, altruistische und ethische Beiträge machen, bestätigte sich nicht. Angesichts immer wieder auftretender Fälle von Betrug durch das Top-Management – wie im jüngsten prominenten Beispiel Wirecard – erscheint eine Verbesserung der Diskussion und Entscheidungsfindung in Aufsichtsräten enorm wichtig. In diesem Sinne besteht die Hoffnung, dass auch die jüngst vom Bundeskabinett beschlossene gesetzliche Vorgabe für eine Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen mehr als gleichstellungspolitische Impulse bewirkt.

Seit Mai 2015 ist in Deutschland das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen (FüPoG) in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, zu einer Geschlechterquote im Aufsichtsrat von 30 Prozent. Diese Regelung trifft gegenwärtig auf 107 Unternehmen zu. Unternehmen, die entweder börsennotiert oder paritätisch mitbestimmt sind, müssen sich eigenständig Zielgrößen für den Frauenanteil in ihren Aufsichtsräten setzen.infoSiehe dazu in dieser Wochenberichtsausgabe auch den Bericht von Anja Kirsch und Katharina Wrohlich (2021): Mehr Frauen in Spitzengremien großer Unternehmen, Dynamik aber verhalten – Gesetzliche Vorgabe könnte Schwung bringen. DIW Wochenbericht Nr. 3, 22–34.

Die Einführung von Quotenregelungen für unternehmerische Spitzengremien basiert auf zwei Motiven: Erstens zielen Gesetzgeber darauf ab, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Ein zweites Motiv wird in der öffentlichen, politischen und wissenschaftlichen Debatte stark hervorgehoben: der sogenannte „Business Case“, also die Vorstellung, dass eine verstärkte Präsenz von Frauen in den Spitzengremien eines Unternehmens diesem ökonomische Vorteile verschaffen wird.infoCathrine Seierstad (2016): Beyond the business case: The need for both utility and justice rationales for increasing the share of women on boards. Corporate Governance: An International Review 24 (4), 390–405.

Die Untersuchung des ersten Motivs war der Schwerpunkt des Managerinnen-Barometers im vergangenen Jahr.infoVgl. Anja Kirsch und Katharina Wrohlich (2020): Mehr Frauen in Aufsichtsräten: Hinweise für Strahlkraft der Geschlechterquote auf Vorstände verdichten sich. DIW Wochenbericht Nr. 4, 50–55 (online verfügbar; abgerufen am 12. Januar 2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Denn mit der Einführung des ersten FüPoG war die Hoffnung verbunden, dass die Quotenregelung für Aufsichtsräte einen indirekten Effekt auf die Repräsentation von Frauen in Vorständen haben würde. Im Managerinnen-Barometer 2020 wurden Hinweise auf eine solche Strahlkraft dargelegt: je größer der Frauenanteil im Aufsichtsrat eines Unternehmens, desto höher zu einem späteren Zeitpunkt der Frauenanteil im Vorstand. Zudem wurde gezeigt, dass Aufsichtsratsmitglieder vielfältige Möglichkeiten haben, die Besetzung von Vorstandsposten zu beeinflussen und damit auf mehr Frauen in den Vorständen hinzuwirken.infoVgl. Kirsch und Wrohlich (2020), a.a.O.

Dieser Bericht untersucht das zweite Motiv, nämlich die Erwartung, dass Geschlechterdiversität in Spitzengremien positive wirtschaftliche Effekte hervorbringt. Metaanalysen haben einen kleinen positiven Effekt von Geschlechterdiversität in Spitzengremien auf die finanzielle PerformanceinfoCorinne Post und Kris Byron (2015): Women on boards and firm financial performance: A meta-analysis. Academy of Management Journal 58 (5), 1546–1571. und einen positiven Effekt auf die Corporate Social ResponsibilityinfoKris Byron und Corinne Post (2016): Women on boards of directors and corporate social performance: A meta-analysis. Corporate Governance: An International Review 24 (4), 428–442. von Unternehmen festgestellt. Allerdings ist wenig darüber bekannt, auf welche Weise die festgestellten Unterschiede zwischen Unternehmen mit männerdominierten Gremien und denjenigen mit einer ausgewogeneren Besetzung zustande kommen.

Immer wieder wird in quantitativen Studien die Annahme getroffen, dass Geschlechterunterschiede in Einstellungen und Wertvorstellungen, die in der allgemeinen Bevölkerung festgestellt worden sind, in Spitzengremien ebenfalls auftreten und sich in genderstereotypen Verhaltensweisen niederschlagen. Es wird angenommen, dass Frauen in Spitzengremien risikoaverser, ethischer und altruistischer sind als Männer und sich entsprechend verhalten.infoZu den Unterschieden in Einstellungen und Wertvorstellungen siehe Rachel Croson und Uri Gneezy (2009): Gender differences in preferences. Journal of Economic Literature 47 (2), 448–474; Maureen L. Ambrose und Marshall Schminke (1999): Sex differences in business ethics: The importance of perceptions. Journal of Managerial Issues 11 (4), 454–474; James Andreoni und Lise Vesterlund (2001): Which is the fair sex? Gender differences in altruism. Quarterly Journal of Economics 116 (1), 293–312 sowie Julie A. Nelson (2015): Are women really more risk-averse than men? A re-analysis of the literature using expanded methods. Journal of Economic Surveys 29 (3), 566–585. Doch gibt es keine empirischen Belege für diese Annahme; es scheint sogar der Fall zu sein, dass sich Frauen, die Mandate in Spitzengremien bekleiden, in ihren Einstellungen und Wertvorstellungen von Frauen in der allgemeinen Bevölkerung unterscheiden.infoRenée B. Adams (2016): Women on boards: The superheroes of tomorrow? The Leadership Quarterly 27 (3), 371–386; Renée B. Adams und Patricia Funk (2012): Beyond the Glass Ceiling: Does Gender Matter? Management Science 58 (2), 219–235.

Wichtig sind daher in dieser Frage Forschungsansätze, die untersuchen, wie die Präsenz von Frauen in Spitzengremien eine Auswirkung auf Entscheidungsfindungsprozesse in diesen Gremien hat.infoSabina Nielsen und Morten Huse (2010): The contribution of women on boards of directors: Going beyond the surface. Corporate Governance: An International Review 18 (2), 136–148. Anknüpfend an diese Forschungsrichtung wird in diesem Bericht mit einem qualitativen Forschungsdesign untersucht, wie sich die Präsenz von Frauen auf die Arbeit im Aufsichtsrat börsennotierter Unternehmen in Deutschland auswirkt.

Mehrheit der Befragten bemerkt Veränderungen in Diskussion und Interaktion durch Frauen im Aufsichtsrat

Die hier berichteten Forschungsergebnisse basieren auf 60 Interviews mit AufsichtsrätInnen deutscher börsennotierter Unternehmen, die im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Freien Universität Berlin geführt wurden (Kasten). Alle 60 InterviewpartnerInnen haben sich zum Thema geäußert. Die große Mehrheit, nämlich 22 Männer und 27 Frauen, waren der Ansicht, dass das Beisein von Frauen eine Auswirkung auf die Diskussion, Interaktion und Entscheidungsfindung in ihrem Aufsichtsrat (beziehungsweise im Fall von Mehrfachmandaten in ihren Aufsichtsräten) hatte. Die anderen bemerkten keinen Unterschied oder sahen sich nicht in der Lage, das zu beurteilen (Tabelle).

Tabelle: Zusammenfassung der Schilderungen der InterviewpartnerInnen

Männer (Interviewnummer) Frauen (Interviewnummer)
Schilderungen zu Umgang, Atmosphäre, Kultur, Stil, Ton und Klima im Aufsichtsrat
Höflicher, zuvorkommender 2, 9, 25 3, 11, 17, 23
Netter, freundlicher, freundschaftlicher 26, 30 6, 12, 18, 21
Sensibler, rücksichtsvoller, moderater, bewusster in dem, was man sagt 9, 13, 28 2, 17, 19
Entspannter, angenehmer, ruhiger, gelassener 21, 25 1, 2, 19, 20, 23
Wertschätzender, mehr Miteinander, Offenheit und Zusammenarbeit 10, 13 6, 20
Aufmerksamer, man hört sich mehr zu, kommunikativer, gute Diskussionskultur 2, 10, 28 6, 13, 17, 20, 25
Weniger aggressiv, weniger persönlich, weniger Emotionen, Ton weniger rau 7, 9 5, 13, 19, 24
Niveauvoller, weniger Old-Boys-Redeweisen, weniger burschikos, weniger kameradschaftlich 9 5, 18, 23
Weniger Hahnenkämpfe, Platzhirschmentalität, männliche Eitelkeit und Selbstdarstellung 3, 7, 8 1, 2, 10, 21, 26
Schilderungen zu Diskussionen im Aufsichtsrat
Belebter, lebendiger, intensiver 1, 6, 15, 21 18, 20, 29
Faktenbetonter, sachlicher, strukturierter 6, 7, 15, 30 1, 5, 13, 20
Breiter, facettenreicher, größeres Meinungsspektrum, Themen von unterschiedlichen Richtungen betrachtet, neue Blickwinkel 10, 15, 18, 19, 25, 27, 28 17, 20
Aufbrechen alter Machtkonstellationen, Frauen als Gegenpol zu Tendenzen in Männergruppen, Dinge relativ gleich zu sehen 14 17
Schilderungen zu Eigenschaften und Verhalten von Frauen im Aufsichtsrat im Vergleich zu Männern
Fachlich orientiert, wirklich vom Fach, höchst kompetent, mit Spezialkompetenzen 11, 28 16, 22
Fragen präziser, beharrlicher und investigativer nach, hinterfragen Entscheidungen, sehen eher etwas, das eine Auffälligkeit sein könnte, schauen über den Tellerrand, überlegen, was nachkommen könnte, fordern mehr Informationen, sagen „das reicht mir noch nicht, dazu möchte ich mehr wissen“, „ich will es verstehen, denn ich muss es vertreten“, erzeugen eine Sparringssituation für den Vorstand, so dass dieser gezwungen ist, sorgfältig zu arbeiten, Rede und Antwort zu stehen und seine Vorschläge intensiver zu begründen 3, 5, 6, 7, 8, 14 4, 14, 16
Schlichtend, vermittelnd 7
Aktiver in der Diskussion, initiativer, stärker im Vorschlagen von Berichten, Anhörungen und Maßnahmen 7, 21, 28
Furchtloser und gliedern sich nicht in die bestehende Hierarchie ein 29 14, 25
Knallhart, sprechen schwierige Themen direkter und ungeschminkter an, nicht so umschweifig, schnell auf den Punkt 15, 24 6, 23
Anteilseignervertreterinnen respektieren ArbeitnehmervertreterInnen mehr, erleichterte Kommunikation, Interaktion mehr auf Augenhöhe 21 20

Die Auswirkungen des steigenden Anteils an Frauen unter den Aufsichtsratsmitgliedern waren Gegenstand einer qualitativen Untersuchung im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Freien Universität Berlin.infoDie Forschungsarbeiten, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, wurden gemäß der Finanzhilfevereinbarung Nr. 303571 im Zuge des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Union (RP7/2007-2013) sowie durch das Margherita-von-Brentano-Zentrum der Freien Universität Berlin gefördert. Um die Interpretationen und Perspektiven beteiligter Akteure auf gesellschaftliche Phänomene wie den steigenden Anteil von Frauen in Aufsichtsräten kennen zu lernen, eignen sich qualitative Interviews als Forschungsmethode besonders.infoSteinar Kvale (2007): Doing Interviews. London. Es wurden Interviews mit 30 Frauen und 30 Männern geführt, die Aufsichtsratsmandate in 75 verschiedenen börsennotierten deutschen Unternehmen bekleideten (Tabelle 1).infoDie Interviews wurden im Zeitraum von Januar 2017 bis Februar 2020 geführt. Sie wurden aufgezeichnet und transkribiert. Ein Interview wurde auf Wunsch des Interviewpartners nicht aufgezeichnet, stattdessen wurden in diesem Fall Notizen angefertigt. Viele hatten weitere Mandate in nichtbörsennotierten Unternehmen, ausländischen Unternehmen und in Kuratorien und Beiräten in anderen Arten von Organisationen. Von den 30 Frauen waren elf Arbeitnehmervertreterinnen und eine Aufsichtsratsvorsitzende, während von den 30 Männern 13 Arbeitnehmervertreter und sechs Vorsitzende waren (Tabelle 2).

Tabelle 1: Übersicht der Unternehmen

Anzahl an Unternehmen

(Männer)

Anzahl an Unternehmen

(Frauen)

Börsennotierung
DAX-30 8 8
MDAX 14 5
SDAX 8 10
Andere 14 23
Aufsichtsrat
Groß (13–21 Mitglieder) 13 13
Mittelgroß (7–12 Mitglieder) 18 17
Klein (3–6 Mitglieder) 13 16
Mitbestimmt 30 33
Summe 44 46

Tabelle 2: Merkmale der Interviewten

Männer (Anzahl) Frauen (Anzahl)
AnteilseignervertreterInnen
VertreterInnen eines Wirtschaftsverbandes 1 1
VertreterInnen von Aktionärsvereinigungen 1 2
Ehemalige Vorstandsvorsitzende des Unternehmens 2 0
VertreterInnen der Gründerfamilie mit Führungserfahrung im Unternehmen 0 2
VertreterInnen eines staatlichen Anteilseigners (z.B. PolitikerInnen) 2 2
„Business experts“ (VertreterInnen mit Erfahrung in anderen Unternehmen als UnternehmerInnen oder obere Führungskräfte) 7 6
Andere ExpertInnen (z.B. ProfessorInnen, WirtschaftsprüferInnen, AnwältInnen, BeraterInnen) 4 6
ArbeitnehmervertreterInnen
GewerkschaftsvertreterInnen 7 6
Leitende Angestellte 3 2
BetriebsrätInnen 3 3
Insgesamt 30 30
Demografische Daten
Durchschnittliches Alter 62 Jahre 54 Jahre
Durchschnittliche Anzahl an Mandaten in börsennotierten Unternehmen 1,6 1,6
Durchschnittliche Anzahl an Jahren Erfahrung als Aufsichtsratsmitglied in börsennotierten Unternehmen 15,2 9,9

In den Interviews wurden die Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte gebeten, basierend auf ihrer persönlichen Erfahrung in einem Aufsichtsrat (beziehungsweise in mehreren Aufsichtsräten) einzuschätzen, ob die Anwesenheit von Frauen eine Auswirkung auf die Diskussion, Interaktion und Entscheidungsfindung in diesem Aufsichtsrat hatte oder nicht. Es wurde betont, dass sich die Frage nicht auf ihre Meinung zur Wirkung von Frauen auf die Aufsichtsratsarbeit allgemein bezog, sondern auf ihre konkreten Erfahrungen in den Gremien, denen sie angehörten.

Die InterviewpartnerInnen antworteten aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Einige männliche Aufsichtsratsmitglieder konnten Mandate in rein männlich besetzten Gremien mit Mandaten in gemischten Gremien vergleichen. Langjährige, weibliche Aufsichtsratsmitglieder konnten ihre frühen Erfahrungen als einzige Frau in einem Gremium mit denjenigen als eine von mehreren Frauen in heutigen Gremien vergleichen. Andere Aufsichtsrätinnen konnten berichten, was ihnen männliche Aufsichtsratsmitglieder über Veränderungen seit ihrem Beitritt erzählt hatten. Viele Aufsichtsratsmitglieder konnten andere Männer und Frauen in ihrem Aufsichtsrat beobachten und deren Verhalten vergleichen.

Die von den interviewten Aufsichtsratsmitgliedern beobachteten Effekte werden in reduzierter, tabellarischer Form dargestellt.infoSiehe die Tabelle im Haupttext dieses Wochenberichts. Sie wurden in deren Worten aufgeschrieben und thematisch gruppiert. Die Darstellung in der Sprache der InterviewpartnerInnen – abgesehen von einigen wenigen sprachlichen und grammatikalischen Glättungen – erlaubt es den LeserInnen nachzuvollziehen, dass sich die hier gezeigten Forschungsergebnisse zur Wirkung der Präsenz von Frauen auf die Diskussion, Interaktion und Entscheidungsfindung in Aufsichtsräten tatsächlich aus den zugrundeliegenden Interviewdaten ergeben. Dieses Vorgehen erhöht die Glaubwürdigkeit der Forschungsergebnisse.infoUwe Flick (2014): Gütekriterien qualitativer Sozialforschung. In: Nina Baur und Jörg Blasius (Hrsg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden, 411–423.

Die Schilderungen der Aufsichtsratsmitglieder werden in diesem Bericht im Detail dargelegt. Dabei werden Angaben zur Anzahl dieser Schilderungen gemacht. Diese Angaben dienen dazu, die Studienergebnisse möglichst transparent darzulegen, damit die LeserInnen sich selbst ein Bild von der Bedeutung einzelner Aspekte machen können. Aus diesen Angaben können jedoch keine Schlüsse darüber gezogen werden, wie häufig die geschilderten Phänomene in anderen Aufsichtsräten vorkommen.

Atmosphäre: Viele erkennen Zunahme an Höflichkeit und gegenseitiger Wertschätzung

Besonders viele Schilderungen bezogen sich auf „Umgang“, „Stil“, „Ton“, „Atmosphäre“, „Kultur“, und „Klima“ im Aufsichtsrat. Sehr viele Aufsichtsratsmitglieder betonten, dass hier Verbesserungen eingetreten sind, so dass es im Aufsichtsrat „netter“ und „freundlicher“ zugeht. Beispielsweise erzählte eine Unternehmerin von der Entwicklung im Aufsichtsrat ihres börsennotierten Familienunternehmens:

„Bevor Frauen im Aufsichtsrat waren, wurden Geburtstage von Aufsichtsratsmitgliedern, selbst wenn sie am Tag der Sitzung stattfanden, überhaupt nicht wahrgenommen. Heute ist es hingegen schon so, dass dem Geburtstagskind ein kleiner Blumenstrauß überreicht wird und ihm gratuliert wird.“

Viele beobachteten eine Zunahme an Höflichkeit, Rücksicht und gegenseitiger Wertschätzung. Ein Anteilseignervertreter konstatierte:

„Es verändert sich etwas in positiver Weise, weil man im Umgang miteinander sensibler und rücksichtsvoller wird. Ich habe das als angenehm empfunden. Ganz normal, down to earth, aber mit etwas mehr Wertschätzung und etwas mehr Eleganz, sodass das insgesamt eine positive Erfahrung war.“

Eine weitere Beobachtung war, dass sich die Aufsichtsratsmitglieder aufmerksamer zuhörten. Ein Aufsichtsratsvorsitzender brachte dieses Phänomen mit der Neuheit der Situation in Verbindung:

„Man hört sich aufmerksam bei etwas zu, weil es ja auch noch etwas neu ist. Das führt dazu, dass mehr Aufmerksamkeit und mehr Sorgfalt auf Argumentationen gelegt wird. (…) Davon betroffen sind die Themensensibilität und die Argumentationssensibilität, was eben an dem Neuigkeitswert der Situation liegt.“

Manche InterviewpartnerInnen schilderten, dass in der Anwesenheit von Frauen weniger maskuline Verhaltensweisen stattfanden (in deren Worten: „Hahnenkämpfe“, „Platzhirschmentalität“, „männliche Eitelkeit“, „Selbstdarstellung“, „toller Hecht“, „burschikoses“ und „kameradschaftliches“ Verhalten, „Old-Boys-Redeweisen“), was sich auch in einem weniger „rauen“, „aggressiven“ und „emotionalen“ Umgang niederschlug. Eine Anteilseignervertreterin fasste ihre Erfahrungen zusammen:

„Weniger aggressiv, weniger persönlich, sachorientierter – es tut mir leid, ich fühle mich nicht wohl, Klischees zu bedienen, aber ich muss die Antwort eben trotzdem geben, weil ich es so erlebe.“

Diskussionen: Sowohl Frauen als auch Männer empfinden sie als „intensiver“ und „faktenorientierter“

Diversität kann bekanntlich sowohl positive als auch negative Konsequenzen für die Leistung einer Arbeitsgruppe haben.infoBertolt Meyer (2017): Team Diversity. In: Eduardo Salas, Ramón Rico und Jonathan Passmore (Hrsg.): The Wiley Blackwell Handbook of the Psychology of Team Working and Collaborative Processes. Chichester, 151–175. Zu den positiven Effekten gehören eine größere Bandbreite an Informationen und Perspektiven, die der Arbeitsgruppe ermöglichen, gute und auch innovative Lösungen für Probleme zu finden. Solche positiven Effekte wurden von vielen Aufsichtsratsmitgliedern betont. Bezüglich der Diskussionen und Entscheidungsfindungsprozesse im Aufsichtsrat schilderten sowohl Männer als auch Frauen, dass die Diskussionen „intensiver“ und „faktenbetonter“ geworden sind. Insbesondere Männer erzählten, dass Diskussionen nun „facettenreicher“ geführt und Themen von verschiedenen Richtungen beleuchtet werden. Beispielsweise beobachtete ein Anteilseignervertreter:

„Die Diskussion ist erkennbar intensiver geworden, faktenbetonter. Frisches Blut sorgt für einen anderen Blickwinkel, was eine echte Bereicherung ist, die wir ohne Frauenquote so nicht gehabt hätten.“

Ähnlich formulierte es ein Aufsichtsratsvorsitzender:

„Man kann glaube ich sagen, dass das Spektrum an Aspekten, die in der Diskussion eine Rolle spielen, wenn Frauen und Männer um den Tisch sitzen, breiter ist, als wenn nur Männer und vermutlich auch als wenn nur Frauen am Tisch sitzen. Es kommt einfach mehr zu Tage. Ob das nun die Frauen sind, die das artikulieren, oder ob Männer vielleicht auch anders denken, wenn Frauen dabei sind, kann ich jetzt so genau nicht analysieren. Aber insgesamt ist die Diskussion breiter und reicher.“

Erwähnt wurde außerdem von einem Arbeitnehmervertreter und einer Arbeitnehmervertreterin, dass durch die Präsenz von Frauen im Aufsichtsrat etablierte „Machtkonstellationen“ aufgebrochen und Tendenzen zu Gruppendenken entgegengewirkt werden konnte.

Zu den negativen Effekten von Diversität in Arbeitsgruppen gehören erschwerte Kommunikation, geringere Kohäsion, weniger Wissensaustausch oder erhöhte Konfliktanfälligkeit.infoMeyer (2017), a.a.O. Von solchen Effekten wurde zwar weit weniger gesprochen, dennoch berichteten mehrere InterviewpartnerInnen von derartigen Problemen, insbesondere im Zusammenhang mit der Einstellung des Aufsichtsratsvorsitzenden zu Geschlechterdiversität. Zum Beispiel erinnerte sich eine Arbeitnehmervertreterin:

„Der frühere Vorsitzende gehörte ja zu der Riege, die meint, dass Frauen eben dabei sind, obwohl er das nicht gewollt hat. (…) Der neue Vorsitzende ist jünger, nicht so verbohrt, wie das der alte Herr [Aufsichtsratsvorsitzender] war. Das ist ein ordentlicher Umgang, das ist völlig in Ordnung, der kommt auch mit der Rolle der Frauen ganz gut klar. Aber wenn ich mich zurückerinnere, wie das mit Herrn [Aufsichtsratsvorsitzender] war, da hatte ich schon das ein oder andere Mal eine Auseinandersetzung und ich glaube es hatte wirklich viel damit zu tun, dass ich eine Frau bin.“

Frauen fragen im Vergleich zu Männern „beharrlicher“ und „investigativer“ nach

Mehrere InterviewpartnerInnen betonten, dass die Aufsichtsrätinnen „fachspezifisch ausgesucht“ worden waren und dadurch über „Spezialkompetenzen“ verfügten. Eine Arbeitnehmervertreterin berichtete beispielsweise:

„Da kamen zwei supertolle Frauen [auf der Anteilseignerseite] dazu, die wirklich renommiert waren, Koryphäen auf ihren Gebieten. Und die haben im Gegensatz zu den Männern wirklich mal investigativ nachgefragt, manchmal also auch Fragen gestellt, bei denen ich dachte: ‚Ja genau, das wollte ich jetzt eigentlich auch mal fragen‘. Das war richtig spannend, und da die Frauen auf der Anteilseignerseite waren, fühlte sich, glaube ich, der Vorstand auch ein bisschen anders verpflichtet, ihnen zu antworten als uns [Arbeitnehmervertretern]. Die Diskussionsfreude und wie sie agiert haben, war wirklich vom Fach und sagen wir mal eine andere Liga. Sie wurden wirklich ernstgenommen.“

Manche InterviewpartnerInnen berichteten von ihren Beobachtungen zum Verhalten von Frauen im Aufsichtsrat. Am häufigsten erörterten sie, dass Aufsichtsrätinnen eine „Sparringssituation“ für den Vorstand erzeugten, indem sie dessen „Entscheidungen hinterfragten“. Durch besonders „beharrliches“ und „investigatives Nachfragen“ zwangen sie den Vorstand dazu, „sorgfältig zu arbeiten“ und seine Entscheidungen „gut zu begründen“. Sie „forderten mehr Informationen“ und sahen eher Dinge, die „eine Auffälligkeit sein könnten“. Beispielsweise erzählte ein Arbeitnehmervertreter:

„Ich sehe, dass Frauen sehr akkurat, sehr gut vorbereitet die richtigen Fragen stellen und damit in einer Sparringssituation den Vorstand aus der Deckung holen. Aber ich habe noch nicht erlebt, dass eine Entscheidung deshalb anders ausgefallen wäre. (…) Was passiert ist, dass Entscheidungen mal vertagt werden. Das habe ich auch schon bei Männern erlebt, aber es sind im Verhältnis mehr Frauen als Männer, die sagen: ‚Nee, dazu möchte ich noch etwas wissen, das reicht mir noch nicht. Da brauche ich noch mehr Input.‘“

Ein Anteilseignervertreter thematisierte die schlichtende und vermittelnde Rolle von Frauen in Diskussionen. Er sagte:

„Wenn es unter den Männern mal etwas schärfer wird, eskaliert, dann melden sie sich zu Wort und bringen einen sachlichen Beitrag. Sie sagen ‚wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen, beide Argumente haben was für sich, das müssen wir in Ruhe abwägen‘. Sie sagen ‚Stellen wir doch den anderen nicht in die Ecke, lass‘ uns doch mal sachlich über beides in Ruhe nachdenken‘. Das habe ich ein paar Mal erlebt, dass es dann einen Ruck gibt und alle fortan auf einem anderen Niveau diskutieren. Das ist ein bisschen eine vermittelnde Rolle.“

Mehrere Männer nahmen Aufsichtsrätinnen als besonders aktiv und initiativ wahr. Ein Aufsichtsratsvorsitzender drückte es so aus:

„Die Frauen sind initiativer. Weil Frauen in der Minderheit sind und es eine neuere Entwicklung ist, dass Frauen öfter in solche Positionen kommen, wollen diese Frauen auch zeigen, dass sie eine gewisse Handschrift hinterlassen. Sie sind initiativer, stärker in der Wortbildung, stärker auch im Vorschlagen von Berichten oder Leuten, die angehört werden sollen oder auch mit Blick auf Maßnahmenkataloge, die der Vorstand zu bestimmten Themen vorlegen soll. In den Aufsichtsräten und Beiräten, in denen ich bin und in denen sonst nur Männer sind, ist das eingefahrener. Da gibt es eine Dominanz des Vorsitzenden, vielleicht noch eines weiteren Mitglieds, aber auch viele, die kommen und gehen.“

Ein weiterer Aufsichtsratsvorsitzender nahm ebenfalls deutliche Veränderungen wahr und betonte, dass Aufsichtsrätinnen sich nicht in bestehende Hierarchien eingliederten:

„Früher war das ein sehr hierarchisches Prinzip in diesen Aufsichtsräten. Der Vorsitzende sagte etwas und fragte in die Runde: ‚Hat noch jemand Bemerkungen?‘ Dann gab es zaghafte Meldungen und dann war der Punkt erledigt. Ich persifliere ein wenig. Und ich glaube, das machen sie mit Frauen nicht, insbesondere mit den selbstbewussten Frauen nicht, die im Aufsichtsrat sitzen. Es hat sich auch die Zeit geändert, muss man sagen. Ich führe diesen Aufsichtsrat auch sehr so, dass man wirklich seine Meinung sagen soll – und die Damen sind da sehr furchtlos. Diese hierarchische Eingliederung, die es früher gab und die vielleicht auch heute noch zum Teil da ist, trifft auf Frauen eigentlich nicht zu, weil sie sich anders positionieren. (…) Sie sagen ihre Meinung und sind offener in der Kommunikation. (…) Das sind ja Frauen, die sich in einer für sie vielleicht nicht einfachen Zeit in Unternehmen durchgesetzt haben (...) Und sie haben schon viel gesehen, also schon einmal die Ellenbogen ausfahren müssen. Das merkt man dann schon. Ich finde das sehr, sehr positiv.“

Ähnlich schilderte es auch eine Arbeitnehmervertreterin, die die Anteilseignerinnen in ihrem Aufsichtsrat beobachtete:

„Ich stelle fest, dass die Frauen sehr viel beharrlicher nachfragen und sehr viel weniger sensibel sind in der Furcht, möglicherweise etwas Falsches gefragt zu haben. Das wird dann von dem einen oder anderen Gesprächspartner gekontert mit: ‚Haben Sie’s immer noch nicht verstanden?‘ Aber das perlt an den Damen, mit denen ich da wirke, Gott sei Dank komplett ab. Die sagen dann ganz selbstbewusst: ‚Solange ich es nicht verstanden habe, werde ich hier kein Ok geben.‘ (…) Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass man, wenn man es einmal in ein solches Mandat geschafft hat, relativ schmerzfrei ist. Man hat dann ja schon viele Blessuren hinter sich. (…) Und das ist es glaube ich, was qualitativ ein bisschen anders ist.“

Ein weiterer Unterschied im Verhalten von Frauen und Männern wurde beobachtet, nämlich dass schwierige Themen schneller im Aufsichtsrat diskutiert wurden. Ein Anteilseignervertreter erinnerte sich:

„Knallhart, knallhart. Knallhart, ja. Also in einem Gremium, das ist jetzt meine individuelle Wahrnehmung, gab es ein oder zwei Frauen, die direkt reingesprungen sind in den schwierigen Teil, in die Zahlen. Da wurde keine warme Vorrede gehalten, sondern ‚Peng!‘ (Haut auf den Tisch) ‚Wir haben ein Problem.‘ (…) Ich glaube, dass härter diskutiert wird seitens der Frauen. Ein bisschen direkter ist es. Das bedeutet aber nicht, dass die Diskussion anders verlaufen ist, sondern das Thema war schneller da. Die Themen sind etwas ungeschminkter gekommen.“

Ein Arbeitnehmervertreter und eine Arbeitnehmervertreterin thematisierten Veränderungen im Verhältnis zwischen der Arbeitnehmerseite und der Anteilseignerseite. Die Arbeitnehmervertreterin stellte fest:

„Wenn Frauen auf beiden Seiten sitzen, verändert sich das Verhältnis von Kapitalseite und Arbeitnehmerseite. Weil diese Gemeinsamkeit, dass man als Frau auf der einen Seite ist und es auf der anderen Seite ebenfalls Frauen gibt, ein verbindendes Element ist.“

Der Arbeitnehmervertreter hatte Verbesserungen in der Interaktion und Kommunikation erlebt:

„Die Arbeitnehmerbank in diesem Aufsichtsrat ist vom Vorstand lange eher als Hindernis und Blockierer angesehen worden, man hat uns eigentlich nicht geliebt. Und das hieß auch, dass die Kommunikation mit dem Vorstand bei manchen Sachen nicht einfach war. Auffällig ist aus meiner Sicht, dass die zwei neuen Anteilseignerfrauen im Aufsichtsrat einen angenehmeren Umgang, sagen wir besseren Respekt für die Arbeitnehmervertreter haben als ihre männlichen Vorgänger. (…) Uns hat das genützt, weil sie offener und mehr auf Augenhöhe mit uns kommunizieren. (…) Auch von [der neuen Vorständin] fühle ich mich als Arbeitnehmer einfach auf Augenhöhe respektiert. Also das scheint bei diesen drei Frauen leichter oder selbstverständlicher als bei den Männern.“

Fazit: Unternehmen können von mehr Frauen in Spitzengremien profitieren

Frauen im Aufsichtsrat wirken sich positiv auf die Diskussion, Interaktion und Entscheidungsfindung in diesem Gremium aus. Das ist zusammengefasst die Ansicht der meisten AufsichtsrätInnen, die im Rahmen des diesem Bericht zugrundliegenden Forschungsprojekts interviewt wurden. Einige konstatierten, dass es zu Veränderungen in der Atmosphäre und im Umgang der Aufsichtsratsmitglieder untereinander gekommen ist, so dass sich die Diskussionskultur und die Zusammenarbeit verbesserten. Andere berichteten, dass die Diskussionen selbst umfassender und facettenreicher geworden sind. Mit Blick auf das Verhalten von Frauen im Aufsichtsrat fiel einigen InterviewpartnerInnen auf, dass Aufsichtsrätinnen besonders investigativ nachfragten, Vorschläge und Entscheidungen des Vorstands hinterfragten und weitere Informationen forderten. Dadurch zwangen sie den Vorstand, seine Vorhaben intensiver und damit besser zu begründen.

Diese Befunde zeigen, wie sich die Präsenz von Frauen in Aufsichtsräten auf Diskussions- und Entscheidungsfindungsprozesse auswirkt. Im Gegensatz zu den eingangs genannten Annahmen zu genderstereotypen Einstellungen und Wertvorstellungen von Frauen in Spitzengremien enthielten die Aussagen der InterviewpartnerInnen zur Wirkung von Frauen in Aufsichtsräten keine Hinweise darauf, dass Aufsichtsrätinnen besonders risikoaverse, altruistische oder ethische Beiträge zur Diskussion und Entscheidungsfindung leisten.

Es zeigt sich insbesondere, dass Geschlechterdiversität in Aufsichtsräten dazu beitragen kann, Vorstände effektiver zu kontrollieren. Damit bestätigen sie jüngste Forschungsergebnisse zu den Ursachen von Fehlverhalten durch das Top-Management. Die Zusammensetzung von Spitzengremien und die Kultur in den obersten Führungsriegen von Unternehmen sind demzufolge Faktoren, die Betrug durch das Top-Management beeinflussen. Dabei begünstigen homogen zusammengesetzte Gremien und Organisationskulturen, in denen unethisches Verhalten rationalisiert wird, betrügerische Aktivitäten.infoShaker A. Zahra, Richard L. Priem und Abdul A. Rasheed (2005): The antecedents and consequences of top management fraud. Journal of Management 31 (6), 803–828 und Karen Schnatterly, K. Ashley Gangloff und Anja Tuschke (2018): CEO wrongdoing: A review of pressure, opportunity, and rationalization. Journal of Management 44 (6), 2405–2432. Es gibt in der Forschung zunehmend Belege, dass Unternehmen mit Frauen in Spitzengremien seltener wegen betrügerischer Aktivitäten auffallen.infoBinay K. Adhikari, Anup Agrawal und James Malm (2019): Do women managers keep firms out of trouble? Evidence from corporate litigation and policies. Journal of Accounting & Economics 67 (1), 202–225; Douglas Cumming, T. Y. Leung und Oliver Rui (2015): Gender diversity and securities fraud. Academy of Management Journal 58 (5), 1572–1593; Trang Doan und Mai Iskandar-Datta (2020): Are female top executives more risk-averse or more ethical? Evidence from corporate cash holdings policy. Journal of Empirical Finance 55, 161–176; Yaoyao Fan, Yuxiang Jiang, Xuezhi Zhang und Yue Zhou (2019): Women on boards and bank earnings management: From zero to hero. Journal of Banking & Finance 107; Meredith B. Larkin, Richard A. Bernardi und Susan M. Bosco (2013): Does female representation on boards of directors associate with increased transparency and ethical behavior? Accounting & the Public Interest 13 (1), 132–150; Chelsea Liu (2018): Are women greener? Corporate gender diversity and environmental violations. Journal of Corporate Finance 52, 118–142; Alaa Mansour Zalata et al. (2019): Female directors and managerial opportunism: Monitoring versus advisory female directors. Leadership Quarterly 30 (5).

Auch in der öffentlichen Debatte wird dieses Argument vorgebracht. Beispielsweise bezweifelt die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, dass der VW-Diesel-Skandal mit Frauen im Vorstand passiert wäre.infoGeorg Meck (2020): „Mit Frauen wäre der VW-Skandal nicht passiert“. Interview mit Monika Schnitzer, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 10. Mai 2020, 21. Denn in einer heterogenen Gruppe wäre die Gruppendynamik eine andere gewesen, sodass kriminelles Verhalten nicht ohne Widerstand hätte stattfinden können, so Schnitzer. Auch im Wirecard-Skandal geht es um kriminelles Verhalten von Top-Managern, das durch den Aufsichtsrat nicht unterbunden werden konnte. Wie aus ihrem nun öffentlich gewordenen Rücktrittsbrief an den Aufsichtsratsvorsitzenden aus dem Jahr 2017 hervorgeht, hatte die ehemalige Wirecard-Aufsichtsrätin Tina Kleingarn versucht, eine effektive Kontrolle des Unternehmens durchzuführen. Sie begründete ihren Rücktritt damit, dass zwischen ihren Vorstellungen einer adäquaten Corporate Governance und der gelebten Aufsichtsratspraxis bei Wirecard eine große Diskrepanz bestand und es ihr nicht gelungen war, diese Praxis zu ändern.infoMartin Hesse (2020): Wirecard: Ehemalige Aufsichtsrätin belastet Ex-Chef Markus Braun. Spiegel Online vom 19. November 2020 (online verfügbar) und Tim Bartz (2020): Die verspätete Heldin des Wirecard-Skandals. Spiegel Online vom 20. November 2020 (online verfügbar).

Es besteht demnach durchaus die Hoffnung, dass auch eine durch eine gesetzliche Vorgabe erreichte Erhöhung des Frauenanteils in Vorständen großer Unternehmen in Deutschland nicht nur gleichstellungspolitische Wirkungen hat. Ein Anstieg des Frauenanteils in diesen Gremien kann auch positive Wirkungen für die Unternehmen und die gesamte Gesellschaft haben.

Katharina Wrohlich

Leiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics



JEL-Classification: D22;J16;J59;J78;L21;L32;M14;M51
Keywords: corporate boards, board composition, boards of directors, board diversity, Europe, women directors, gender equality, gender quota, Germany, management, private companies, public companies, supervisory boards, executive boards, CEOs, women
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-3-3

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/229924

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