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Die absolute Ungleichheit steigt durch Erbschaften und Schenkungen: Interview

DIW Wochenbericht 5 / 2021, S. 72

Markus M. Grabka, Erich Wittenberg

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Herr Grabka, wie viele Personen in Deutschland haben in den letzten 15 Jahren eine Erbschaft oder Schenkung erhalten? In den vergangenen 15 Jahren haben etwa zehn Prozent der befragten Erwachsenen eine Erbschaft oder größere Schenkung erhalten. Je höher das Einkommen beziehungsweise das eigene Vermögen ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese Personen eine Erbschaft oder eine Schenkung erhalten.

Um welche Summen geht es dabei und wie fällt der Vergleich zu den Jahren davor aus? Die Höhe der Erbschaften und Schenkungen lag zwischen 2002 und 2017 im Schnitt bei etwas mehr als 85000 Euro. In der Zeit zwischen 1986 und 2001 lag dieser Durchschnitt bei 72500 Euro. Das macht also einen Anstieg von knapp 20 Prozent. Gemessen am Median fällt der Zuwachs mit 23 Prozent sogar noch stärker aus.

Welche Personengruppen erhalten am ehesten eine Schenkung oder eine Erbschaft? Zunächst sind das Personen in Westdeutschland, weil Personen in der DDR systembedingt weniger in der Lage waren, Vermögen aufzubauen, und entsprechend auch weniger an ihre Kinder oder Enkelkinder weitergeben. Ansonsten spielt die soziale Herkunft eine Rolle. Kinder, die in einem Haushalt aufgewachsen sind, der bereits ein höheres Einkommens- und Vermögensniveau aufwies, erhalten später im Schnitt auch höhere Erbschaften und Schenkungen.

Welche Rolle spielt das Alter bei Schenkungen und bei Erbschaften? Schenkungen erhalten eher Personen in einem Alter zwischen 35 und 45 Jahren. Das sind typischerweise Lebenssituationen wie die Geburt eines Enkelkinds, in denen die Elterngeneration ihre Kinder noch zu Lebzeiten finanziell unterstützt. Erbschaften finden dagegen eher ab einem Alter von 50 bis 55 Jahren statt, wenn entweder ein Ehepartner oder die Elterngeneration stirbt.

Welchen Einfluss haben Erbschaften und Schenkungen auf die Vermögensungleichheit? Hier muss man zwischen relativer und absoluter Ungleichheit unterscheiden. Die relative Ungleichheit wird zum Beispiel am Gini-Koeffizienten gemessen. Hier beobachten wir, dass die relative Ungleichheit durch Erbschaften und Schenkungen eher sinkt. Das ist wenig verwunderlich, denn wenn eine Person stirbt, überträgt sie ihr Vermögen oft auf mehrere Erben, wodurch das Vermögen auf mehrere Personen umverteilt wird. Die absolute Ungleichheit hingegen nimmt durch Erbschaft und Schenkung zu. Bei der absoluten Ungleichheit messen wir die Vermögensdifferenz zwischen denjenigen, die eine Erbschaft oder Schenkung erhalten haben und denen, die diesen Transfer nicht erhalten haben. Bei Durchschnittserbschaftssummen von 85000 Euro nimmt natürlich die Vermögensdifferenz zwischen diesen Personengruppen zu.

Wie ließe sich der Anstieg der absoluten Ungleichheit durch Erbschaften und Schenkungen reduzieren? Derzeit bietet das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht die Möglichkeit, Freibeträge mehrmals, nämlich alle zehn Jahre, in Anspruch zu nehmen. Das trägt zu einer deutlichen Ungleichbehandlung von Personen bei, die hohe und Personen, die nur niedrige Erbschaften und Schenkungen erhalten. Beispielsweise betragen die Freibeträge bei Kindern 400000 Euro pro einzelnem Elternteil. In zehn Jahren können beide Elternteile 800000 Euro steuerfrei an ein Kind übertragen. Darüber hinaus sollte man die veränderten Familienformen in Deutschland stärker berücksichtigen. In Patchworkfamilien, in denen nicht leibliche Kinder mit nicht leiblichen Elternteilen zusammen leben, sind derzeit bei Erbschaften und Schenkungen sehr hohe Steuerraten zu leisten und die Freibeträge gering. Für diese Konstellationen sollten die Freibeträge angehoben werden.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Markus M. Grabka
Die absolute Ungleichheit steigt durch Erbschaften und Schenkungen - Interview mit Markus Grabka

Markus M. Grabka

Senior Researcher in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

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