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Der CO2-Preis ist nur ein winziger Schritt in die richtige Richtung: Kommentar

DIW Wochenbericht 6 / 2021, S. 92

Claudia Kemfert

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Wer es nicht schon aus der Zeitung wusste, sah es im Januar unmissverständlich an den Zapfsäulen der Tankstellen: Die Preise für Kraftstoffe stiegen Anfang Januar um im Schnitt sieben Cent. Grund war, dass zum Jahreswechsel in Deutschland ein Preis für Kohlendioxid (CO2) eingeführt wurde. Das sorgte im Land der Autofahrer für Aufregung. Es gibt zwar tatsächlich Anlass zur Empörung, aber anders als viele denken.

Fakt ist: Heiz- und Kraftstoffe waren immer schon sehr viel teurer, als es den Anschein hatte. Bezahlt haben den Preis jedoch auch diejenigen, die kaum von der vermeintlichen fossilen Freiheit profitieren und am wenigsten zum Klimaschaden beitragen, nämlich Menschen mit geringem Einkommen. Egal, ob Pflegekraft, Friseur oder Rentnerin, sie verbrauchen in der Regel wenig Ressourcen und haben daher nur einen vergleichsweise kleinen CO2-Fußabdruck.Trotzdem zahlen sie, ohne es zu wissen, auch für die Emissionen der anderen, der Vielfliegerinnen und SUV-Fahrer. Denn die Schäden, die die fossile Freiheit einzelner anrichtet, werden – versteckt und nirgends offen ausgewiesen – von der Gemeinschaft bezahlt.

Und wer profitiert? Die Besserverdienenden mit großzügig bemessenem Einfamilienhaus, mit Erst- und Zweitwagen und mit Dienst- und Urlaubsreisen in ferne Länder. Ausgerechnet diejenigen, die als Gruppe einen klimaschädlichen Lebensstil pflegen, werden durch den Fiskus auch noch bevorzugt: durch direkte und indirekte Subventionen für fossile Energien, Infrastruktur und emissionsstarke Verhaltensweisen. Dabei ist es eigentlich ein Gebot der Fairness, dass Menschen den Schaden vollständig bezahlen, den sie anrichten.

Fair und wirkungsvoll wäre es, man würde für Klimaschädlinge wie Kerosin, Diesel, Benzin und Gas stärker und angemessen zur Kasse bitten und alle realistisch an den verursachten Klimawandel-Folgekosten beteiligen. Nicht mit der Gießkanne, sondern nach dem Prinzip wer mehr verbraucht, bezahlt auch mehr. Richtig fair wäre es, man würde den Menschen das Geld, das ihnen jahrzehntelang heimlich aus den Taschen gezogen wurde, zurückgeben. Vorstellbar? Natürlich! Als sogenannten Klimabonus oder Klimaprämie könnten die Einnahmen einer CO2-Steuer an die privaten Haushalte zurückgezahlt werden.

Der positive Lenkungseffekt wäre offensichtlich: Je weniger fossile Energien ich verbrauche, desto mehr Geld kann ich behalten. Und Haushalte mit niedrigen Einkommen würden – wie in einer Studie mit meiner Beteiligung nachgewiesen – meist mehr Geld bekommen, als sie qua Verbrauch bezahlen.

Der jetzt eingeführte CO2-Preis ist weder fair noch wirkungsvoll. Man hat einen komplizierten und kostspieligen nationalen Emissionsrechtehandel eingerichtet. Was nach freiem Markt klingen soll, ist in Wahrheit per (viel zu niedrigem) Festpreis geregelt: Statt den Preis pro Tonne CO2 bei 195 Euro anzusetzen, wie es nach Schätzung des Umweltbundesamts notwendig wäre, ist der fossile Spaß zum Schnäppchenpreis von anfangs 25 Euro und später 60 Euro zu haben. Besonders absurd: Mit der gleichzeitigen Erhöhung der Pendlerpauschale wird ausgerechnet das Vielfahren von emissionsstarken Verbrennern belohnt. Die angestrebte Emissionsminderung wird so höchstens zu einem Drittel erreicht.

Die parallele Vereinbarung zur Senkung des Strompreises ist gut und wichtig, belohnt aber leider fossile wie erneuerbare Energien gleichermaßen. Wo ist dort die Lenkungswirkung?

Trotz aller Unzulänglichkeiten ist aber die Einführung eines CO2-Preises ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn auch nur ein winzig kleiner. Was wir brauchen, um tatsächlich die CO2-Emissionen zu mindern, ist Kostenwahrheit und soziale Gerechtigkeit. Kluger Klimaschutz schafft beides.

Der Beitrag erschien in einer etwas kürzeren Fassung am 11. Januar 2021 im Handelsblatt.

Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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