Pressemitteilung vom 10. Februar 2021
Studie des DIW Berlin und der Universität Bielefeld zur Gesundheit von lesbischen, schwulen, bisexuellen, Trans*-, queer und Inter*-Menschen (LGBTQI*) im Vergleich zum Rest der Bevölkerung – LGBTQI*-Menschen erkranken öfter – Diskriminierungserfahrungen oft als Ursache anzusehen
LGBTQI*-Menschen haben schlechtere Aussichten auf ein gesundes Leben: Sie leiden deutlich häufiger an psychischen und körperlichen Erkrankungen als die übrige Bevölkerung. Zu diesem Ergebnis kommt die Vergleichsstudie zur allgemeinen gesundheitlichen Lage von LGBTQI*-Menschen in Deutschland auf Basis von Daten aus dem Jahr 2019. Wissenschaftler*innen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Universität Bielefeld haben unter anderem ermittelt, dass bei LGBTQI*-Menschen dreimal so häufig Depressionen und Burnout diagnostiziert werden. Nach aktuellem Stand der Forschung können Anfeindungen und Ablehnung Auslöser dieser Erkrankungen sein.
„Die Gleichstellung von LGBTQI*-Menschen ist politisch seit Jahren auf der Agenda, der Fortschritt ist aber sehr zäh“, sagt Studienautorin Mirjam Fischer. „Unsere Studie offenbart, welche tiefgehenden psychischen und körperlichen Auswirkungen anhaltende Diskriminierungen haben können. Der Weg zu gleichen Chancen auf ein gesundes Leben ist steinig.“
„Der Weg zu gleichen Chancen auf ein gesundes Leben ist steinig.“ Mirjam Fischer
Etwas mehr als ein Viertel der LGBTQI*-Menschen leiden im Laufe ihres Lebens an einer depressiven Erkrankung. Bei heterosexuellen Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das sie laut Geburtsurkunde hatten (cis-heterosexuell), sind es lediglich zehn Prozent. Zehn bis 15 Prozent der LGBTQI*-Menschen empfinden Einsamkeit – doppelt so viele wie in der Vergleichsgruppe. Bei Trans*-Menschen liegt der Anteil sogar bei rund einem Drittel. Auch Schlafstörungen, Nervosität und allgemeine Niedergeschlagenheit sind bei ihnen überproportional verbreitet.
Auch bei körperlichen Leiden mit potenziell stressbedingtem Auslöser lassen sich klare Unterschiede feststellen: LGBTQI*-Menschen leiden im Schnitt doppelt so oft an Herzerkrankungen wie die restliche Bevölkerung, auch chronische Rückenschmerzen kommen deutlich häufiger vor. Bei Krebsleiden, Schlaganfällen und Gelenkerkrankungen liegen hingegen keine statistisch relevanten Unterschiede vor.
„Die Ergebnisse sind bereits jetzt alarmierend“, so Studienautor David Kasprowski. „Wir müssen aber damit rechnen, dass depressive Symptome und Gefühle der Isolation unter LGBTQI*-Menschen während der Corona-Pandemie weiter zunehmen.
© DIW Berlin
Die Studie auf Basis einer Befragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) von Haushalten mit LGBTQI*-Menschen und einer Online-Umfrage der Universität Bielefeld schlägt eine Brücke zwischen bereits bekannten Forschungsergebnissen: Auf der einen Seite ist erwiesen, dass Diskriminierung die psychische und auch die körperliche Gesundheit beeinträchtigen kann. Auf der anderen Seite belegen weitere Studien, unter anderem des DIW Berlin, dass LGBTQI*-Menschen in vielen Lebenssituationen Ablehnung und Diskriminierung ausgesetzt sind.
Die Wissenschaftler*innen bewerten die beschlossenen Gesetze zur Gleichstellung von LGBTQI*-Menschen positiv, sehen aber in vielen Bereichen Nachholbedarf. So sollten etwa homophobe und transfeindliche Hasskriminalität ausdrücklich im Strafgesetzbuch benannt und sanktioniert werden.
Zudem könnte die Resilienz von LGBTQI*-Menschen der Studie zufolge zum Beispiel über mehr sogenannte „Safe Spaces“, zum Beispiel (Sport-)Vereine, Treffpunkte und kulturelle Angebote, gestärkt werden. Auch Initiativen zur Förderung gesellschaftlicher Akzeptanz von LGBTQI*-Menschen wie verpflichtende Workshops und Trainings an Schulen könnten einen Beitrag leisten.
Themen: Gesundheit