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Unternehmen und Staat müssen den Restart gemeinsam angehen: Kommentar

DIW Wochenbericht 7 / 2021, S. 104

Martin Gornig

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Weltweit hat die Corona-Pandemie zu erheblichen Verlusten in der Wertschöpfung geführt. Regierungen und Zentralbanken halten mit Liquiditätshilfen und expansiven geldpolitischen Maßnahmen dagegen. Gehen im Zuge der Impfungen die Sterbefälle und Belegungszahlen auf den Intensivstationen zurück, dürfte in den meisten entwickelten Ländern allmählich eine wirtschaftliche Erholung einsetzen. Für Deutschland geht das DIW Berlin derzeit von einem Wachstum der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr von gut drei Prozent aus. Ende 2022 könnte hierzulande dann die reale Produktion wieder das Vorkrisenniveau erreichen.

Diese Aussicht mag auf den ersten Blick beruhigen. Auf den zweiten Blick allerdings zeigt sich, dass wir durch die Pandemie viel Zeit und Energie bei der Umstrukturierung unserer Wirtschaft verloren haben. Der fortschreitende demografische Wandel sowie die Dekarbonisierung und Digitalisierung unserer Produktionsprozesse schaffen erhebliche Investitionsbedarfe. Im Jahr 2020 sind aber die Ausrüstungsinvestitionen nicht gestiegen, sondern im zweistelligen Bereich geschrumpft. Und auch die Investitionen in unsere Köpfe – in das sogenannte Wissenskapital – sind zurückgegangen. Um so wichtiger ist es nun, dass Unternehmen und die öffentliche Hand den Neustart nach dem Lockdown zu einer Investitionsoffensive nutzen. Das gilt für den Bildungssektor, die digitalen Netze und die kommunale Infrastruktur ebenso wie für Investitionen in klima- und ressourcensparende Technologien.

Die Chancen für eine solche Neuausrichtung stehen gar nicht so schlecht. Staat und Unternehmen haben in der Krise gelernt, dass sie aufeinander angewiesen sind. Dogmen vom freien Markt oder allwissenden Staat haben an Einfluss verloren. Erfolgreich ist nur ein Miteinander. So geben uns gerade jetzt staatliche Garantien und unternehmerische Innovationskraft gemeinsam die Hoffnung, mit entsprechenden Impfstoffen die Pandemie zu überwinden.

Gleichzeitig ist bei KonsumentInnen wie Unternehmen die Einsicht gewachsen, dass ein bloßes Mehr an Gütern und Dienstleistungen für unseren Wohlstand nicht entscheidend ist. Präferenzverschiebungen zugunsten klima- und ressourcensparender Produktionen scheinen an Fahrt gewonnen zu haben. Zudem bekommen Werte wie Resilienz von Produktions- und Lieferketten gegenüber statischen Effizienzkriterien mehr Gewicht. Lokale Produktion beispielsweise könnte so nicht nur für landwirtschaftliche Produkte, sondern auch für viele Konsumgüter zu einem Markenzeichen werden. Dies vor allem auch, weil uns digitale Technologien erlauben, vieles in Kleinserien kostengünstig produzieren zu können.

Was bedeutet das für räumliche Entwicklungsmuster? Derzeit wird viel über die Zukunft der Städte oder die Perspektiven des ländlichen Raumes nach Corona spekuliert. In den vergangenen Jahren sind in Deutschland die Großstädte, allen voran die Hauptstadt, überdurchschnittlich stark gewachsen. Damit sind sie auch immer teurer geworden. Die Beschleunigung von Homeoffice und Onlinehandel im Lockdown hat nun scheinbar eine Alternative zum teurem Stadtpflaster aufgezeigt.

In der Tat werden die räumlichen Bindungen im Produktionsprozess wieder einmal lockerer. Bloße Größe als ökonomischer Vorteil zählt immer weniger. Metropolen aber, die in der Lage sind, aus ihrer Mischung von Produktion, Handel, Dienstleistungen, Erholung und Wohnen einen kreativen Mehrwert zu generieren, werden auch künftig die Zentren der wirtschaftlichen Entwicklung sein. Welche Großstädte dazu zählen, hängt auch vom Handeln der lokalen Akteure ab. Dazu müssen die Städte beispielsweise erschwingliche Räume für eine gesunde Mischung von Arbeit und Leben sichern und ausbauen. Das bedeutet, planungsrechtlich das Nebeneinander der Funktionen möglich zu machen und auch attraktive Stadtteile mit solchen Mischungen zu entwickeln.

Dieser Beitrag ist am 3. Februar 2021 in einer etwas längeren Fassung in der „Berliner Wirtschaft“ erschienen.

Martin Gornig

Forschungsdirektor für Industriepolitik in der Abteilung Unternehmen und Märkte

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