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Anreize dafür setzen, dass beide Elternteile die Kinder gleichermaßen betreuen: Interview

DIW Wochenbericht 9 / 2021, S. 140

Katharina Wrohlich, Erich Wittenberg

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Frau Wrohlich, wenn Kitas und Schulen geschlossen sind, müssen die Kinder zu Hause betreut werden. Ist in dieser Situation ein Rückfall in traditionelle Rollenmuster zu beobachten oder hat die Gleichheit der Geschlechter in der Pandemie vielleicht sogar zugenommen? Wir finden in dieser Frage ein differenziertes Bild. Die Paare, die sich bereits vor der Pandemie die Hausarbeit und Kinderbetreuung in etwa gleich aufgeteilt haben, blieben auch während des Lockdowns im Frühjahr bei dieser Aufteilung. Hingegen macht bei Paaren, bei denen schon vor der Pandemie überwiegend die Frau diese Arbeit übernommen hat, jetzt die Frau sogar noch mehr.

Wie häufig übernimmt die Frau sämtliche Betreuungsarbeiten? Vor der Pandemie, im Jahr 2019, war das bei etwa acht Prozent der Familien der Fall. Dieser Anteil hat sich im Frühjahr 2020 auf etwa 16 Prozent verdoppelt.

Inwieweit haben Väter die Betreuungsarbeit in der Pandemie gesteigert? Auch der Anteil der Familien, in denen überwiegend oder fast ausschließlich der Vater die Betreuung übernimmt, ist gestiegen, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau. Vor der Pandemie waren das etwa 2,5 Prozent der Familien. Dieser Anteil ist dann im Frühjahr 2020 auf etwa fünf Prozent gestiegen.

Was kann der Staat tun, um den betroffen Familien in der Pandemie zu helfen und die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern? Am DIW Berlin haben wir schon vor einem Jahr eine Lohnersatzleistung gefordert, die erwerbstätige Eltern beziehen können, wenn die Betreuung ihrer Kinder aufgrund von Schul- und Kitaschließungen wegfällt. Idealerweise hätte eine solche Leistung auch Anreize dafür gesetzt, dass beide Elternteile sich die Kinderbetreuung gleichmäßig aufteilen. Solch eine Lohnersatzleistung gab es nicht, aber es wurden die Kinderkrankentage ausgeweitet. Allerdings wird das vermutlich nicht ausreichen, weil der Lockdown noch länger andauern wird und Kinder im weiteren Verlauf des Jahres noch erkranken können.

Nicht nur bei der Sorgearbeit, auch bei der Bezahlung ist die Gleichstellung der Geschlechter noch nicht erreicht. Wie groß ist aktuell die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern in Deutschland? Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes betrug der Gender Pay Gap im Jahr 2019 19 Prozent.

Wie groß ist dieser Gender Pay Gap im europäischen Vergleich? Diese Zahl ist im europäischen Vergleich ziemlich hoch. Allerdings möchte ich betonen, dass es wenig Sinn macht, beim Gender Pay Gap Länder zu vergleichen, die sehr unterschiedliche Frauenerwerbsquoten haben. Allgemein lässt sich nämlich beobachten, dass eine hohe Frauenerwerbsquote mit einem großen Gender Pay Gap einhergeht. Das liegt daran, dass in Ländern mit niedriger Frauenerwerbsquote in erster Linie die Frauen arbeiten, die am Arbeitsmarkt hohe Löhne erzielen können. Man muss aber sagen, dass es in Deutschland auch im Vergleich zu Ländern mit ähnlich hoher Frauenerwerbsquote einen großen Gender Pay Gap gibt.

Woran liegt das? Die meisten Länder, die bei mindestens gleich hoher Frauenerwerbsquote besser abschneiden, haben eine Familienpolitik mit deutlich stärkeren gleichstellungspolitischen Elementen. Das sind insbesondere die nordischen Länder. Die Familienpolitik in diesen Ländern – damit meine ich die Kita-Infrastruktur, das Steuersystem, Elternzeitregelungen und so weiter – geht davon aus, dass grundsätzlich beide Elternteile erwerbstätig sind und sich zu Hause die Sorgearbeit gleichmäßig aufteilen. Das schlägt sich am Arbeitsmarkt nieder und zwar sowohl in Bezug auf höhere Frauenerwerbsquoten als auch niedrigere Gender Pay Gaps.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Katharina Wrohlich
Anreize dafür setzen, dass beide Elternteile die Kinder gleichermaßen betreuen - Interview mit Katharina Wrohlich

Katharina Wrohlich

Leiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics

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