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Deutsche Wirtschaft zwischen Lockdown und Normalität: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Frühjahr 2021

DIW Wochenbericht 11 / 2021, S. 190-208

Claus Michelsen, Paul Berenberg-Gossler, Marius Clemens, Max Hanisch, Simon Junker, Konstantin A. Kholodilin, Laura Pagenhardt

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Lockdown-Lockerungen trotz bereits wieder steigender Corona-Infektionszahlen und der langsame Impffortschritt schicken die deutsche Wirtschaft auf einen Stop-and-Go-Kurs. Auf Öffnungsschritte müssen wohl mindestens regional immer wieder Schließungen folgen, um das Infektionsgeschehen im Griff zu behalten. Die Industrie zeigt sich vor allem wegen des guten Auslandsgeschäfts insgesamt robust. In den Dienstleistungsbranchen wird die Erholung nach einem erneuten Rücksetzer zum Jahresbeginn allerdings schleppend verlaufen. Wohl erst im Laufe des dritten Quartals werden die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen nachhaltig zurückgefahren werden können. Nachdem noch im Dezember des vergangenen Jahres ein Wachstum der Wirtschaftsleistung von 5,3 Prozent im Jahr 2021 realistisch erschien, liegt die aktuelle Prognose mit 3,0 Prozent deutlich niedriger. Für 2022 sind derzeit 3,8 Prozent zu erwarten. Unklar sind bisher die wirtschaftlichen Langzeitfolgen der Corona-Pandemie: Beispielsweise bei den Unternehmensinsolvenzen wird sich das Ausmaß frühestens im Laufe dieses Jahres zeigen.

Die deutsche Wirtschaft steht in den kommenden Monaten vor einer schleppenden Erholung. Der beschlossene Stufenplan zur Öffnung in den Dienstleistungsbereichen dürfte zunächst zu einem Stop-and-Go, beispielsweise im Handel, der Gastronomie und der Veranstaltungsbranche, führen. Im ersten Quartal des laufenden Jahres wird die deutsche Wirtschaft voraussichtlich um knapp anderthalb Prozent schrumpfen (Abbildung 1). Im Schlussquartal 2020 konnte sie ihr Niveau trotz des neuerlichen Lockdowns noch halten, im Januar und Februar schlugen die Schließungen aber mit voller Wucht durch. Insbesondere in vielen Dienstleistungsbranchen sinkt daher die Aktivität im ersten Quartal. Vielerorts haben sich die Unternehmen zwar auf einen Geschäftsbetrieb unter Pandemiebedingungen eingestellt, der Lockdown dauert aber bereits jetzt länger an als der erste im Frühjahr vergangenen Jahres.

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. März wurde eine Fortsetzung des Lockdowns beschlossen, am Ende der Beratungen stand aber auch ein Fahrplan für sukzessive Lockerungen, die die Bundesländer je nach Infektionsverlauf seit 8. März regional und zeitlich gestaffelt vornehmen können. Angesichts der bereits jetzt wieder steigenden Inzidenzzahlen wird für die vorliegende Prognose unterstellt, dass zunächst vollzogene Öffnungsschritte spätestens um Ostern herum vielfach wieder zurückgenommen werden müssen und Lockerungen erst im Laufe des dritten Quartals nachhaltig Bestand haben werden (Kasten 1). Das Wechselspiel von Lockerungen und regional aufflammendem Infektionsgeschehen führt zu einem „Stop-and-Go“, das sich in den betroffenen Dienstleistungszweigen unterschiedlich bemerkbar macht. Alles in allem wird sich die wirtschaftliche Erholung länger hinziehen, als dies in der raschen Aufholphase vom vergangenen Sommer der Fall war (Tabelle 1).

Tabelle 1: Quartalsdaten zur Entwicklung der Verwendungs- und Entstehungskomponenten des realen Bruttoinlandsprodukts

Veränderung gegenüber dem Vorquartal in Prozent; saison- und kalenderbereinigt

2020 2021 2022
I II III IV I II III IV I II III IV
Privater Verbrauch −2,3 −11,0 10,8 −3,3 −3,9 3,8 2,3 2,1 1,4 1,1 0,8 0,8
Öffentliche Konsumausgaben 0,6 2,1 0,6 −0,5 0,5 0,7 0,5 0,4 0,4 0,3 0,2 0,2
Bruttoanlageinvestitionen −0,8 −6,6 3,9 1,0 −3,3 3,3 2,3 1,6 0,8 1,0 0,8 0,8
Bauten 4,3 −4,3 −1,3 1,8 −5,0 4,5 2,6 1,3 0,7 0,7 0,5 0,4
Ausrüstungen −6,9 −15,1 15,9 −0,1 −3,0 3,0 2,8 2,8 1,0 1,5 1,5 1,5
Sonstige Investitionen −4,1 0,6 1,9 0,6 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8
Lagerveränderung1 0,0 0,0 −1,9 1,4 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Inländische Verwendung −1,4 −7,1 4,7 −0,3 −2,8 3,0 1,9 1,6 1,0 0,9 0,7 0,7
Außenbeitrag1 −0,7 −2,9 3,9 0,6 1,2 −0,6 −0,1 −0,2 −0,2 −0,2 −0,2 −0,2
Export −3,3 −20,4 18,0 4,5 1,0 0,6 2,1 1,9 1,4 1,0 0,8 0,5
Import −2,0 −15,9 9,0 3,7 −1,8 2,2 2,9 2,8 2,2 1,7 1,2 1,0
Bruttoinlandsprodukt −2,0 −9,7 8,5 0,3 −1,4 2,2 1,6 1,3 0,7 0,6 0,5 0,5
Bruttowertschöpfung −1,6 −10,3 8,1 −0,2 −1,2 2,2 1,6 1,3 0,7 0,6 0,5 0,5
Verarbeitendes Gewerbe −3,9 −18,2 13,9 6,7 1,5 1,5 1,4 0,8 0,7 0,6 0,6 0,6
Baugewerbe 4,1 −3,0 −3,2 5,2 −4,3 3,5 0,8 0,8 0,7 0,7 0,5 0,4
Handel, Gastgewerbe, Verkehr −1,0 −14,2 13,3 −4,4 −4,2 3,2 4,4 3,4 0,9 0,7 0,5 0,5
Unternehmensdienstleister −1,8 −11,6 4,9 −0,5 −1,5 2,4 0,8 2,7 1,5 1,2 1,0 1,0
Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit −1,3 −7,8 9,6 −3,2 −0,9 3,5 0,5 0,5 0,5 0,4 0,4 0,4

1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.

Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. Prognose ab dem ersten Quartal 2021.

Weltweit kam es im Winter zu erheblichen Anstiegen der Covid-19-Infektionszahlen, auf die vielerorts mit rigiden Maßnahmen reagiert wurde. In vielen europäischen Ländern steigen die Infektionsfälle – auch aufgrund der Verbreitung der infektiöseren britischen Virusmutation – nach dem Abebben der zweiten Welle nun erneut. Für Deutschland hat die Ministerpräsidentenkonferenz am 3. März die Verlängerung des Lockdowns bis zum 28. März beschlossen, gleichzeitig unter Bedingungen aber auch erste Lockerungsschritte ermöglicht. Geöffnet werden schrittweise Schulen und Kindertagesstätten, Teile des Einzelhandels sowie bestimmte körpernahe Dienstleistungen. Weitere Lockerungen sind an den Verlauf der Sieben-Tage-Inzidenz geknüpft, insbesondere an das Unterschreiten gewisser Schwellenwerte. Davon abhängig können zunächst die übrigen Handelsbereiche, Museen und andere kulturelle Einrichtungen unter Auflagen öffnen, bei „hohen“ Inzidenzwerten (zwischen 50 und 100) sind zudem Terminvergaben die Voraussetzung. Steigt daraufhin die Inzidenz 14 Tage nicht an, folgen die Außengastronomie, Theater und Opern – bei „hohen“ Inzidenzen sind auch hier Termine notwendig und ein tagesaktueller negativer Corona-Schnelltest. Die Auflagen werden zurückgenommen und die Öffnungen auf weitere Bereiche ausgedehnt, wenn die Inzidenz weitere 14 Tage nicht steigt.

Vor dem Hintergrund der bereits ohne Öffnungen wieder steigenden Inzidenz und der zunehmenden Verbreitung der wohl gefährlicheren Virusmutation wird für die vorliegende Prognose davon ausgegangen, dass erste Öffnungen nur wenig verzögert mit steigenden Inzidenzzahlen einhergehen. Diese Infektionswelle könnte aber glimpflicher verlaufen, da immer mehr Menschen geimpft sind und auch zunehmend die Möglichkeit von Selbsttests besteht. Entsprechend wird unterstellt, dass die Zahlen auf einem niedrigeren Niveau zum Halten kommen als in der zweiten Welle (Abbildung). Dafür dürften auch die „Reißleinen“ sorgen, die in der Öffnungsstrategie vorgesehen sind: Ab Überschreiten der 50er-Inzidenzschwelle treten schärfere Einschränkungen innerhalb des dann aktuellen Öffnungsschritts in Kraft, jenseits der 100er-Schwelle eine „Notbremse“ mit weitreichender Rücknahme der Öffnungen. Angenommen wird, dass dies für eine Eindämmung des Infektionsgeschehens ausreicht, die Inzidenz in der Folge wieder sinkt und dies im Rahmen der Beschlusslage erneute Öffnungen ermöglicht. Dieses „Stop-and-Go“ setzt sich fort – jeweils mit geringerer Intensität –, solange noch nicht genug Menschen geimpft sind. Eine Impfquote, die ausreicht, um das Infektionsgeschehen nachhaltig einzudämmen, wird erst für die Zeit ab dem Spätsommer unterstellt.

Das Infektionsgeschehen unterscheidet sich zwischen den (Land-)Kreisen in Deutschland teils erheblich. Angenommen wird, dass diese Unterschiede strukturelle Ursachen haben – etwa die Bevölkerungsdichte oder die Nähe zu Nachbarländern, die auch im Folgenden zu ähnlich divergierenden Infektionsentwicklungen führen. Dies wird in der Prognose berücksichtigt, indem die aktuelle Inzidenz mit der gesamtdeutschen Entwicklung fortgeschrieben wird. Dies führt zwischenzeitlich zu einem Flickenteppich regional unterschiedlicher Öffnungsgrade.

Für die Prognose relevant ist der Bevölkerungsanteil, der – alle Kreise zusammengenommen – die Vorzüge gewisser Öffnungsstufen nutzen kann. Für die einzelnen Dienstleistungsbranchen sind unterschiedliche Öffnungsstufen relevant. Diese werden ihrem Anteil entsprechend auf die Wertschöpfungsentwicklung umgelegt.

Anders als vor einem Jahr, als die globalen Lieferketten empfindlich gestört waren, dürfte die Industrie ihren Aufwärtstrend fortsetzen. Mit der Automobilindustrie erhält zwar der gewichtigste Industriezweig zu Jahresbeginn einen Dämpfer; die Produktion ist im Januar zweistellig eingebrochen. Dies dürfte aber größtenteils an Engpässen beim Bezug von Halbleitern gelegen haben und im Folgenden aufgeholt werden. Die im vergangenen Jahr in erheblichem Umfang vorgezogenen Pkw-Käufe – wie sie bei einer angekündigten (Wieder-)Anhebung der Mehrwertsteuer üblich sind – lasten nun allerdings auf der Nachfrage. Andere Schlüsselindustrien wie der Maschinenbau sind, auch im Zuge einer regen Auslandsnachfrage, mit kräftigen Zuwächsen in das Jahr gestartet.

Der Arbeitsmarkt hat sich von dem Einbruch im vergangenen Frühjahr bislang kaum erholt (Abbildung 2). Die Entwicklung verläuft in den unterschiedlichen Beschäftigungsformen allerdings gegensätzlich: Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat sich bis zuletzt merklich erholt, die Zahl der geringfügig Beschäftigten ist im Zuge des neuerlichen Lockdowns wieder gesunken – sogar unter das Niveau vom vergangenen Frühjahr. Dabei schlägt die eingeschränkte Aktivität in einigen Dienstleistungsbranchen zu Buche. Zum größten Teil dürfte der geringere Arbeitseinsatz aber wieder über Kurzarbeit aufgefangen werden, die Zahl der hiervon betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfte bis Februar auf über 2,8 Millionen gestiegen sein, bevor sie im Zuge der allmählichen Erholung wieder abschmilzt. Weil sich die Beschäftigung zunächst kaum ändert und im späteren Verlauf allmählich wieder aufgebaut wird, verharrt auch die Arbeitslosenquote vorerst auf hohem Niveau, sinkt im Jahresdurchschnitt aber auf 5,8 Prozent in diesem beziehungsweise 5,0 Prozent im kommenden Jahr (Tabelle 2). In diesem Umfeld bleiben die Lohnzuwächse verhalten. In der Summe steigen die Löhne aber merklich, um 3,8 Prozent in diesem und um 5,5 Prozent im Jahr 2022 – vor allem, weil mehr und mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Kurzarbeit in ihre reguläre Beschäftigung zurückkehren.

Tabelle 2: Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland

2017 2018 2019 2020 2021 2022
Reales Bruttoinlandsprodukt1 (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent) 2,6 1,3 0,6 −4,9 3,0 3,8
Erwerbstätige im Inland (1000 Personen) 44262 44868 45269 44782 44743 45087
Erwerbslose, ILO 1621 1468 1373 1846 1946 1685
Arbeitslose, BA 2533 2340 2267 2695 2651 2308
Erwerbslosenquote, ILO2 3,8 3,4 3,2 4,2 4,4 3,8
Arbeitslosenquote, BA2 5,7 5,2 5,0 5,9 5,8 5,0
Verbraucherpreise3 1,5 1,8 1,4 0,5 2,1 1,5
Lohnstückkosten4 1,1 2,8 3,2 4,2 0,0 1,0
Finanzierungssaldo des Staates5
in Milliarden Euro 44,4 61,6 52,5 −139,6 −157,8 −69,9
in Prozent des BIP 1,4 1,8 1,5 −4,2 −4,5 −1,9
Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP 7,8 7,9 7,5 7,0 8,0 6,8

1 In Preisen des Vorjahres.

2 Bezogen auf die inländischen Erwerbspersonen insgesamt (ILO) bzw. zivilen Erwerbspersonen (BA).

3 Verbraucherpreisindex.

4 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in Preisen des Vorjahres je Erwerbstätigenstunde.

5 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).

Quellen: Angaben nationaler und internationaler Institutionen; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. Prognose ab 2021.

Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr wohl nur um 3,0 Prozent zulegen, im kommenden Jahr dann etwas stärker, um 3,8 Prozent. Dies sind zwar vergleichsweise hohe Zuwächse, die Unterauslastung bleibt aber erheblich (Abbildung 3). Nachdem die Krise die Wirtschaft im vergangenen Jahr fast fünf Prozent unter die Normalauslastung gestürzt hatte, bleibt diese Lücke auch in diesem Jahr mit gut drei Prozent hoch und wird sich selbst im kommenden Jahr noch nicht ganz schließen.

Durch die neuerlichen Lockdowns – und der nur allmählichen Öffnung bis zum Sommer – wird vor allem der Konsum getroffen. Die Investitionen bleiben in diesem Umfeld zunächst zwar verhalten, entwickeln sich im weiteren Verlauf aber nach einem Rücksetzer zu Jahresbeginn im Zuge der regen Industriekonjunktur dynamisch. Die ausländische Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen entwickelt sich kräftig, die coronabedingt eingeschränkte Reisetätigkeit belastet aber vorerst noch. Die unterstellte Eindämmung der Pandemie im späteren Verlauf wird die Urlaubsfreude – und damit die Importe – beflügeln. Alles in allem bleibt der Leistungsbilanzüberschuss hoch: In diesem Jahr wird er in Relation zum Bruttoinlandsprodukt 8,0 Prozent betragen und im kommenden Jahr 6,8 Prozent.

Die vorliegende Prognose ist geprägt durch die Annahmen zum Pandemieverlauf. Nicht auszuschließen ist, dass die Infektionszahlen im Zaum gehalten werden und die geplanten Öffnungsschritte zügiger als hier unterstellt vollzogen werden können. Allerdings ist auch eine massive dritte Infektionswelle – in Deutschland oder auch in ganz Europa – nicht auszuschließen. Die Auslandsnachfrage, die derzeit die Industriekonjunktur anschiebt, könnte dann wegbrechen. Doch schon allein die stärker eingeschränkten Dienstleistungsbranchen würden die wirtschaftliche Entwicklung dann erheblicher bremsen.

Arbeitsmarkt: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung trotzt Krise

Der Arbeitsmarkt hat sich seit dem Einbruch vom vergangenen Frühjahr bislang kaum erholt, die Zahl der Erwerbstätigen lag zuletzt nahezu unverändert um rund eine Dreiviertelmillion niedriger. Dabei hat die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bereits seit Juni wieder mit hohem Tempo zugenommen; die der geringfügig Beschäftigten ist dagegen – nach einer kaum merklichen Erholung während der Sommermonate – seit Beginn des Lockdowns wieder im Sinkflug. Die Corona-Krise hat zudem den Abwärtstrend bei der Zahl der Selbstständigen verschärft; bis zuletzt sank deren Zahl insbesondere in den betroffenen Branchen, allen voran im Handel.

Dabei hat die Kurzarbeit Schlimmeres verhindert: Um den Arbeitseinsatz in gleichem Maße an die geringere Wirtschaftsleistung anzupassen wie durch den Einsatz von Kurzarbeit, hätte die Zahl der Beschäftigten in der Spitze um fast zweieinhalb Millionen Personen reduziert werden müssen. Nachdem sie auf rund eine dreiviertel Million gesunken war, ist diese Zahl bis Dezember im Zuge des neuerlichen Lockdowns wieder auf über 1,2 Millionen angewachsen.

Auch im ersten Quartal wird dem lockdownbedingten Rückgang bei der Wertschöpfung wohl vor allem mit Kurzarbeit begegnet werden. In den ersten Monaten des Jahres dürfte die Zahl der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter von zuletzt 2,4 Millionen auf gut 2,8 Millionen gestiegen sein. Mit der zunehmenden Belebung der wirtschaftlichen Aktivität wird sie aber bald – und dann rasch – wieder sinken (Abbildung 4).

Weil die Anpassung des Arbeitseinsatzes analog zum vergangenen Jahr über die Inanspruchnahme von Kurzarbeit laufen dürfte, wird sich der neuerliche Lockdown kaum spürbar auf die Beschäftigung insgesamt auswirken. Die Zahl der Minijobberinnen und Minijobber wird indes weiter sinken (Tabelle 3). Im weiteren Verlauf wird die Erholung dann auch die Erwerbstätigkeit erfassen, allen voran die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Alles in allem wird das Arbeitsvolumen bereits in diesem Jahr wieder zulegen; vor allem im kommenden Jahr wirkt sich die Rücknahme der Kurzarbeit aus, die Arbeitszeit wird dann den Vorkrisentrend erreichen.

Tabelle 3: Arbeitsmarktbilanz

In Millionen Personen

2018 2019 2020 2021 2022
Erwerbstätige im Inland 44,87 45,27 44,78 44,74 45,09
Selbständige und mithelfende Familienangehörige 4,22 4,15 4,00 3,85 3,76
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 32,99 33,54 33,58 33,92 34,26
BeamtInnen, RichterInnen, Zeit- und BerufssoldatInnen 1,86 1,88 1,90 1,92 1,94
Ausschließlich geringfügig Beschäftigte (Minijobber) 4,67 4,57 4,27 4,11 4,20
Sonstige 1,12 1,12 1,04 0,95 0,93
+/− PendlerInnen, Beschäftigtigte in staatlichen Einrichtungen des Auslandes bzw. im Ausland etc. -0,14 -0,15 -0,11 -0,11 -0,11
Erwerbstätige Inländer 44,73 45,12 44,68 44,64 44,98
Erwerbslose 1,47 1,37 1,85 1,95 1,69
Erwerbspersonen 46,20 46,50 46,52 46,58 46,67
Nachrichtlich:
Arbeitslose 2,34 2,27 2,70 2,65 2,31
Arbeitslosenquote BA1 (Prozent) 5,2 5,0 5,9 5,8 5,0
Arbeitslosenquote SGB2 (Prozent) 6,6 6,3 7,4 7,2 6,3
Erwerbslosenquote VGR3 (Prozent) 3,2 3,0 4,0 4,2 3,6
Erwerbslosenquote ILO-Statistik (Prozent) 3,4 3,2 4,2 4,4 3,8
Erwerbstätige am Wohnort nach ILO 41,7 42,2 42,3 42,3 42,6

1 Registrierte Arbeitslose bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen.

2 Registrierte Arbeitslose bezogen auf die Summe von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und registrierten Arbeitslosen.

3 Erwerbslose bezogen auf die Summe der Erwerbstätigen nach VGR und der Erwerbslosen.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021

Im Zuge dieser Belebung sinkt auch die Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote wird von 6,0 Prozent im Februar allmählich zurückgehen und im Verlauf des kommenden Jahres wieder unter fünf Prozent fallen; dabei spielt allerdings auch eine Rolle, dass die Zahl der Erwerbspersonen demografisch bedingt kaum noch zulegt. Im Jahresdurchschnitt 2021 liegt die Arbeitslosenquote aufgrund des hohen Niveaus zum Jahresbeginn noch bei 5,8 Prozent, im kommenden Jahr dann bei 5,0 Prozent.

Angesichts der zunächst noch anhaltenden schwachen Gewinnentwicklung dürften die effektiven Stundenlöhne in diesem Jahr nur wenig über dem ohnehin schon gedämpften Tariflohnanstieg liegen. Im kommenden Jahr wird sich die konjunkturelle Erholung in einem höheren Plus widerspiegeln.

Inflation: Nur vorübergehend hoch

Die Inflation wird derzeit durch Sondereffekte und die starken Ölpreisschwankungen geprägt: Die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung zum Jahresbeginn hat die Verbraucherpreise deutlich angeschoben und hinzu kam die Einführung der bundesweiten CO2-Bepreisung. Ab Juli werden die Preise mit der nun wieder erhöhten Mehrwertsteuer mit denen vom vergangenen Jahr verglichen, als die Preise durch die Senkung der Steuersätze vorübergehend niedriger waren. Vor allem deswegen wird die Inflation dann über zweieinhalb Prozent liegen; ab dem kommenden Jahr fällt dieser Effekt weg – und die Raten fallen mit rund anderthalb Prozent deutlich geringer aus. In diesem Jahr kommen zudem die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise hinzu. Alles zusammengenommen ergibt sich für dieses Jahr mit 2,1 Prozent eine ungewöhnlich hohe Inflation – zumal die Kapazitäten noch deutlich unterausgelastet sind. Im kommenden Jahr dürfte die Inflation dann wieder auf anderthalb Prozent zurückgehen. Ohne die Energiepreise liegt die Teuerung (Kernrate) in diesem Jahr bei 1,8 Prozent. Im kommenden Jahr beträgt sie bei annahmegemäß leicht sinkenden Rohölnotierungen (Kasten 2) 1,7 Prozent.

Die Finanzpolitik war im Jahr 2020 nicht zuletzt wegen der Covid-19-Hilfsmaßnahmen und dem beschlossenen Konjunkturprogramm expansiv ausgerichtet. Bereits vor Beginn der Pandemie beschlossene Maßnahmen wie die Abschaffung des Solidaritätszuschlags in Höhe von rund neun Milliarden Euro, die Mehrausgaben für die Grundrente in Höhe von jährlich 1,4 Milliarden, die steuerlichen Entlastungen für Familien sowie diverse investive Ausgaben, unter anderem für Klimaschutz und das Gute-Kita-Gesetz, sorgen im Jahr 2021 für eine expansive Grunddynamik.

Hinzu kommen verschiedene Maßnahmen des im Juni 2020 beschlossenen Konjunkturprogramms, die entweder erst jetzt abfließen können oder ohnehin erst in diesem Jahr geplant sind. Zu ersteren zählen die wirtschaftlichen Soforthilfemaßnahmen in Höhe von 25 Milliarden Euro, von denen bisher rund 13 Milliarden Euro beantragt worden sind.infoGenau genommen sind die zum aktuellen Zeitpunkt beantragten Mittel in Höhe von rund zehn Milliarden Euro den November- und Dezemberhilfen zuzuordnen. Die im Konjunkturprogramm veranschlagten Überbrückungshilfen I, II und III b wurden bis zum aktuellen Zeitpunkt nur in relativ geringem Umfang beantragt. Unter letzteren lassen sich eine Vielzahl investiver Maßnahmen zusammenfassen, die im Zukunftspaket des Konjunkturprogramms angekündigt wurden und zum Teil über den deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) finanziert werden. Insgesamt wird für diese Prognose mit einem zusätzlichen finanzpolitischen Impuls durch das Konjunkturprogramm in Höhe von 16 Milliarden Euro gerechnet. Die Unsicherheit bezüglich des tatsächlichen zukünftigen Abflusses von Mitteln aus dem Hilfs- und Konjunkturprogramm ist allerdings hoch. Es wird angenommen, dass die geplanten Mittel, die über den DARP finanziert werden, bis 2027 vollständig abgerufen werden. Bezüglich der wirtschaftlichen Soforthilfemaßnahmen wird angenommen, dass 15 Milliarden Euro im ersten Quartal abgerufen werden und aufgrund des unterstellten Pandemieverlaufs auch im zweiten Quartal 2021 noch Mittel in Höhe von fünf Milliarden abfließen.

Um die negativen wirtschaftlichen Folgen der verlängerten Einschränkungsmaßnahmen zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens abzumildern, hat die Bundesregierung zudem steuerliche Hilfsmaßnahmen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro verlängert und ausgeweitet. Die Maßnahmen umfassen eine Verlängerung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Gastronomiebranche bis zum 31. Dezember 2022, eine Erhöhung des steuerlichen Verlustrücktrags für die Jahre 2020 und 2021 sowie einen zusätzlichen Kinderbonus im Jahr 2021. Auch die Regelungen zum Kurzarbeitergeld wurden verlängert.

Neben den Rettungsmaßnahmen für die Wirtschaft wurden im Rahmen der nationalen Impf- und Teststrategien zusätzliche Mittel bereitgestellt. Diese umfassen Bestellungen von Impfdosen für insgesamt rund neun Milliarden Euro (ein Teil hiervon wird über das COVAX-System an andere Länder vergeben). Die Bereitstellung von Schnelltests wird für die nächsten Monate rund zwei Milliarden Euro kosten. Während letzteres wohl eine einmalige Maßnahme sein könnte, wird angenommen, dass im Jahr 2022 nochmals drei Milliarden Euro für die Impfung der BundesbürgerInnen bereitgestellt werden.

Tabelle 1: Annahmen dieser Prognose

2020 2021 2022
EZB-Leitzins Prozent 0,0 0,0 0,0
Geldmarktzins EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent −0,4 −0,5 −0,5
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit 10-jähriger Restlaufzeit 0,0 0,0 0,3
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit 10-jähriger Restlaufzeit −0,5 −0,4 −0,2
Wechselkurs US-Dollar/Euro 1,14 1,21 1,21
Tarifliche Monatslöhne Änderung gegenüber Vorjahr in Prozent 1,9 1,6 1,8
Erdölpreis US-Dollar/Barrel 43,1 60,5 57,2
Erdölpreis Euro/Barrel 37,8 49,9 47,1

Quelle: DIW Frühjahrsgrundlinien 2021.

Tabelle 2: Finanzpolitische Maßnahmen1

Belastungen (–) und Entlastungen (+) des gesamtstaatlichen Haushalts in Milliarden Euro gegenüber Vorjahr

2021 2022
Einnahmen der Gebietskörperschaften2
Teilabschaffung Soli −9 −1,4
Alterseinkünftegesetz −1,4 −1,4
Mehreinnahmen durch steigende Rentenbesteuerung 0,4 0,4
Erhöhung Grund- , Kinderfreibetrag, Verschiebung Tarifeckwerte/ Familienentlastungsgesetz −0,8 −0,2
Zweites Familienentlastungsgesetz −3,9 −4,4
Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen −0,2 −0,9
Sonstige steuerliche Maßnahmen3 −0,1 0,2
Steuerliche Förderung von F&E-Ausgaben −1,2 −0,1
Steuerliche Förderung Mietwohnungsneubau −0,1 0
Paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung 0 0
CO2-Bepreisung in Verkehr und Wärme (Beschluss des Klimakabinetts) 7,3 1,5
Zusätzliche Maßnahmen (Beschluss des Klimakabinetts) −0,2 −0,2
Einnahmen der Sozialversicherungen
Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung 2,3 0,0
Ausgaben der Gebietskörperschaften
Kindergelderhöhung um 10 bzw. 15 Euro zum 1. Juli 2019 und 1. Januar 2021 −2,8 0
Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung 0 0
Einsparungen bei ALG II durch das Familienentlastungsgesetz bzw. Kindergeldanhebung 0,2 0
Gute KiTa-Gesetz −1 −0,5
Beihilfen aufgrund von Ernteausfällen von Bund und Ländern 0 0
„Bauernmilliarde“ −0,1 0,1
Arbeit-von-morgen-Gesetz −0,1 −0,1
Pflegebonus 0,5 0
Senkung EEG-Umlage −5,4 0
Weitere sozialpolitische Maßnahmen4 −0,5 0
Verteidigung 0 0
Mehrausgaben für Entwicklungshilfe 0,7 0
Mehrpersonal innere Sicherheit −0,3 0
Aufstockung des BAFöG, Aufstiegsfortbildung in der beruflichen Bildung −0,2 0
Investive Ausgaben GroKo 2018 −6,4 −2,1
Sonstige investive Ausgaben5 0,5 0,5
Ausgaben der Sozialversicherungen
Gesetz für fairen Kassenwettbewerb in der GKV 0 0
Qualifizierungschancengesetz (ALV) 0 0
Arbeit-von-morgen-Gesetz −0,2 −0,2
Anpassung der Renten Ost −0,6 −0,5
Erhöhung der Zurechnungszeit der Erwerbsminderungsrente −0,1 −0,1
Grundrente −1,4 0
Gesundheits- und pflegepolitische Maßnahmen6 −1,3 0
Finanzpolitische Maßnahmen −25,4 −9,4
Finanzpolitische Corona-Maßnahmen −3,9 90,7
Insgesamt −29,3 81,3
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent −0,8% 2,2%

1 Ohne makroökonomische Rückwirkungen

2 Die Wirkungen der Steuerrechtsänderungen beziehen sich auf das Kassenjahr.

3 u.a. steuerliche Absetzbarkeit Erhöhung des PV-Beitrags, Bürokratieentlastungsgesetz.

4 u.a. Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung, Baukindergeld (inkl. Bayrische Eigenheimzulage und Baukindergeld Plus), Erhöhung des Wohngelds (einschließlich Klimapaket), Starke-Familien-Gesetz, Teilhabechancengesetz, Angehörigenentlastungsgesetz.

5 u. a. Fonds zur Förderung der künstlichen Intelligenz, Bayirsches Programm zur Förderung der Automobilindustrie, Erhöhter „Umweltbonus“ für Elektroautos, Sofortprogramm „Saubere Luft“, Digitalpakt Schule, Ausbau Bahnstrecke.

6 Konzertierte Aktion Pflege, Pflegepersonalstärkungsgesetz, Terminservice- und Versorgungsgesetz und Krankenhausstrukturgesetz.

Quellen: Bundesregierung, Bundesministerium der Finanzen; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021.

Privater Verbrauch: Es fehlen die Möglichkeiten, nicht das Einkommen

Die Corona-Krise schlägt sich vor allem beim privaten Verbrauch nieder: Die verfügbaren Einkommen entwickeln sich zwar – auch dank der staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen – angesichts der tiefen Krise solide. Im Zuge der Lockdowns werden die Konsummöglichkeiten aber immer wieder beschnitten. Und selbst erhebliche Umlenkungseffekte – so wird etwa der ausgefallene Restaurantbesuch durch zusätzliche Lebensmittelnachfrage im Einzelhandel ersetzt und der Onlinehandel boomt – können nur einen Teil des ausfallenden Konsums kompensieren. Entsprechend wird ein immenser Teil des Einkommens gespart. Auch im Auftaktquartal wird der Konsum erneut empfindlich sinken; im weiteren Verlauf erholt er sich dann – allerdings langsamer als im vergangenen Sommer, weil die nach wie vor hohen Inzidenzzahlen zunächst nur allmähliche Lockerungen zulassen.

Die Löhne werden nach dem Rücksetzer im vergangenen Jahr bereits 2021 wieder spürbar steigen. Zu den eher verhaltenen Lohnzuwächsen kommt eine merkliche Ausweitung der Arbeitszeit, weil mehr und mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Kurzarbeit in die reguläre Beschäftigung zurückkehren. Dieser Effekt ist besonders im kommenden Jahr ausgeprägt, wenn die Kurzarbeit nahezu vollständig abgebaut sein dürfte. Entsprechend ziehen allerdings auch die Lohnsteuer und die Sozialbeiträge an; vor allem im kommenden Jahr ist das Plus bei der Lohnsteuer erheblich – auch, weil coronoabedingte Entlastungen entfallen. Netto verbleiben in beiden Jahren Zuwächse von rund vier Prozent.

Die monetären Sozialleistungen steigen sowohl dieses als auch kommendes Jahr; das Plus reicht aber bei weitem nicht an das vom vergangenen Jahr heran, als die Lohnausfälle aufgrund der Kurzarbeit durch Lohnersatzleistungen aufgefangen wurden. Alles in allem steigen die verfügbaren Einkommen wohl um jeweils gut zwei Prozent. Angesichts zunehmender Konsummöglichkeiten wird sich auch das Sparverhalten im Prognoseverlauf normalisieren. Bei nur vorübergehend anziehender Teuerung tritt der private Konsum im Durchschnitt dieses Jahres wohl noch auf der Stelle, für das kommende Jahr ist dann ein kräftiges Plus zu erwarten.

Ausrüstungsinvestitionen: Trotz weiterer Infektionswellen stabil

Trotz der zweiten Infektionswelle und des erneuten Lockdowns blieben die Anschaffungen von Maschinen, Geräten und Fahrzeugen im vierten Quartal 2020 stabil. Zwar gingen die Ausrüstungsinvestitionen um 0,1 Prozent zurück, dies ist jedoch hauptsächlich auf die im Vergleich zum Sommerhalbjahr zurückhaltende Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand zurückzuführen (minus 10,4 Prozent zum Vorquartal). Bei den privaten Investoren flaute die starke Aufholdynamik des dritten Quartals, als die privaten Ausrüstungsinvestitionen nach historischem Einbruch im Frühjahr um 22,7 Prozent gestiegen waren, zwar ab, dennoch weiteten diese ihre Ausgaben zum Jahresende noch um 0,9 Prozent aus. Nahezu alle Branchen des verarbeitenden Gewerbes verzeichneten dabei bis zuletzt und trotz des seit November verhängten Lockdowns stetige Umsatzzuwächse. Diese wurden erst von den stärkeren Einschränkungsmaßnahmen im Dezember gebremst. Auch die Auftragslage blieb zum Jahresende stabil. Insgesamt waren die Ausrüstungsinvestitionen im Jahr 2020 dennoch deutlich von der Corona-Pandemie gezeichnet: Sie gingen um 12,1 Prozent zurück. Die Erholung im zweiten Halbjahr verhinderte dabei Schlimmeres: Im Jahr der Finanzkrise 2009 waren die Ausrüstungsinvestitionen um über 20 Prozent gesunken.

Im laufenden Quartal ist angesichts der Beschränkungen und der Unsicherheit bezüglich der weiteren wirtschaftlichen Erholung mit einem erneuten Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen zu rechnen. Zwar bleibt die Industrie vom Lockdown weitgehend verschont und Investitionsgüterhersteller zeigen sich mit Blick auf die Geschäftslage laut ifo-Konjunkturumfrage zuversichtlicher als in den vergangenen Monaten – die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung hemmt jedoch auch die Investitionsbereitschaft: Auftragseingänge und Inlandsumsätze der Investitionsgüterhersteller gingen zu Jahresbeginn merklich zurück. Dies betraf in erster Linie die Automobilhersteller. Bei den Maschinenbauern ist die Lage derweil stabil. Insgesamt ist im laufenden Quartal ein Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen um drei Prozent zu erwarten.

Für den weiteren Prognoseverlauf ist damit zu rechnen, dass die Unsicherheit sinkt und die Zuversicht zurückkehrt. Neben den Hoffnungen auf eine weitere Erholung der wirtschaftlichen Lage im Inland durch die fortschreitenden Impfungen und sukzessiven Öffnungen gibt die stabile Auslandsnachfrage aus China und den USA Grund zum Optimismus. Die Investitionstätigkeit wird damit steigen. Die öffentlichen Ausrüstungsinvestitionen dürften außerdem zu einer stärkeren Dynamik beitragen, wenn voraussichtlich ab dem Sommer die geplanten Investitionsinitiativen aus dem Konjunkturpaket und dem Koalitionsvertrag in die Tat umgesetzt werden.

Bauinvestitionen: Strenger Winter legt Baustellen lahm

Die Bauinvestitionen trugen im vierten Quartal des Jahres 2020 bedeutend zur Stabilisierung der Konjunktur bei: Nach einem schwächeren Sommerhalbjahr verzeichnete die Bauwirtschaft zum Jahresende wieder ein deutliches Plus. Vor allem der Wohnungsbau und der öffentliche Bau legten kräftig zu und sorgten so für ein Quartalswachstum von insgesamt 1,8 Prozent. Dabei dürften nicht zuletzt Vorzieheffekte aufgrund der zum Jahreswechsel anstehenden Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer als Treiber gewirkt und veranlasst haben, dass Bauprojekte verstärkt vorangetrieben und fertiggestellt wurden. So verzeichneten nahezu alle Sparten zum Jahresende ein deutliches Umsatzplus; sogar der Wirtschaftsbau, von der Corona-Pandemie stark in Mitleidenschaft gezogen, konnte das Jahr mit einem leichten Anstieg beenden.

Der Wintereinbruch im Januar und Februar dürfte die positive Entwicklung im laufenden Quartal unterbrochen haben. Laut ifo-Konjunkturtest beklagte in allen Sparten ein großer Anteil der Bauunternehmen witterungsbedingte Einschränkungen. Dies spiegelt sich auch in den Produktionszahlen des Baugewerbes wider, die im Januar einen Einbruch von über zwölf Prozent gegenüber Dezember verzeichneten.

Im Wohnungsbau ist im laufenden Quartal ein besonders deutliches Minus zu erwarten. Gründe dafür sind nicht nur die Witterung, sondern auch die Anhebung der Mehrwertsteuer zum Jahreswechsel und die damit verbundenen Vorzieheffekte, die nun vor allem im Ausbaugewerbe eine negative Gegenbewegung nach sich ziehen. Entsprechend war hier der Produktionsrückgang im Januar besonders deutlich (minus 16,6 Prozent). Dennoch dürfte der Wohnungsbau bald wieder Fahrt aufnehmen: Neue Höchstwerte bei den Auftragseingängen im vierten Quartal, ebenso wie der generelle Aufwärtstrend bei den Baugenehmigungen stimmen die Bauunternehmen für die kommenden Monate zuversichtlich. Eine zentrale Rolle dürften dabei weiterhin die sehr günstigen Finanzierungsbedingungen spielen; der Effektivzins für Wohnungsbaukredite markierte zum Jahresende einen neuen Tiefpunkt, während die Nachfrage nach solchen Krediten weiterhin dynamisch steigt.infoVgl. Europäische Zentralbank (2021): The euro area bank lending survey – Fourth Quarter of 2020 (online verfügbar; abgerufen am 12. März 2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Laut Bundesbank nahm der Bestand an Wohnimmobilienkrediten bei deutschen Banken im vierten Quartal um eine Rekordrate von knapp 6,5 Prozent zu.

Auch der Wirtschaftsbau dürfte durch das Winterwetter stark gebremst worden sein. Hier kehrte zuletzt dank steigender Auftragszahlen im Tiefbau vorsichtiger Optimismus ein. Dieser ist jedoch besonders wetteranfällig, sodass die positiven Impulse wohl erst mit dem Frühlingsanfang ihre Wirkung werden entfalten können. Der Wirtschaftshochbau hingegen zeigt sich weiterhin stark von der pandemiebedingten Unsicherheit und Investitionszurückhaltung in den Industrie- und Dienstleistungssektoren gezeichnet. Auch in den kommenden Monaten ist hier nur mit einer schwachen Dynamik zu rechnen, da Unternehmen sich voraussichtlich auf Bestandsmaßnahmen konzentrieren und bei der Planung größerer Bauprojekte noch zögerlich agieren werden. Zwar dürften die zunehmende Eingrenzung der Pandemie und die Stabilisierung der Wirtschaft den gewerblichen Bau ab dem kommenden Jahr etwas beleben, das Vorkrisenniveau wird jedoch wohl erst zum Ende des Prognosezeitraums wieder erreicht werden.

Eine wichtige Stütze des Baugewerbes werden in diesem Jahr die öffentlichen Auftraggeber sein (Tabelle 4). Der Ausgleich der kommunalen Gewerbesteuerausfälle durch Bund und Länder hat hier bereits im vergangenen Jahr die Investitionspläne gestützt und dürfte weiterhin für eine Stabilisierung der öffentlichen Nachfrage sorgen. Auch die sonstigen Maßnahmen des Konjunkturpakets, unter anderem die Beschlüsse zum Breitband- sowie Kita-Ausbau, lassen vor allem ab dem Sommer kräftige Impulse erwarten. Der Betriebsstart der Autobahn GmbH des Bundes, die die Planung, Verwaltung und Finanzierung des Autobahnnetzes bündelt, dürfte darüber hinaus die Projektplanung und -umsetzung im Straßenbau beschleunigen. Insgesamt wird die öffentliche Hand, abgesehen von der Winterunterbrechung, im Jahr 2021 wohl eine treibende Kraft bei den Bauinvestitionen sein.

Tabelle 4: Reale Bauinvestitionen

Konstante Preise, Veränderung in Prozent

2020 2018 2019 2020 2021 2022
Anteile in Prozent Veränderungen gegenüber dem Vorjahr
Wohnungsbau 61,5 3,0 4,0 2,8 −0,4 5,1
Nichtwohnungsbau 38,5 1,9 3,5 0,4 −0,4 4,2
Gewerblicher Bau 26,1 1,1 2,4 -0,8 −2,8 3,0
Öffentlicher Bau 12,4 3,9 6,0 3,2 4,6 6,5
Bauinvestitionen 100,0 2,6 3,8 1,9 −0,4 4,8
Ausrüstungen 4,4 0,5 −12,1 4,7 7,3

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021.

Die Baupreise hatten sich zuletzt, bedingt durch die Mehrwertsteuersenkung sowie niedrige Öl- und Energiepreise, schwach entwickelt. In diesem Jahr ist derweil mit einem etwas stärkeren Preisauftrieb zu rechnen, was neben der Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auch an steigenden Materialkosten liegen dürfte, die zumindest teilweise von den Bauunternehmen an die AuftraggeberInnen weitergegeben werden können.

Außenhandel: Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?

Die Corona-Pandemie hat auch im Außenhandel deutliche Spuren hinterlassen. Der Einbruch von gut zehn Prozent im Jahr 2020 hat die Exporte auf das Niveau von 2015 zurückgeworfen. Der Rückgang von 20 Prozent im zweiten Quartal ist der mit Abstand stärkste seit der im Jahr 1991 beginnenden Statistik und übertrifft die Folgen der Finanzkrise bei Weitem. Im dritten und vierten Vierteljahr 2020 legten die deutschen Exporte um 18 beziehungsweise 4,5 Prozent zu. Sie konnten den vorherigen Einbruch damit teilweise wieder wettmachen.

Im Schlussquartal des vergangenen Jahres haben die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland und Europa abermals zu einer Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit geführt, unter der vor allem die Einnahmen aus grenzüberschreitenden Dienstleistungsgeschäften gelitten haben. Mit dem erneuten Lockdown ist vor allem die Reisetätigkeit eingebrochen; die übrigen Dienstleistungen sind indes kräftig in das Jahr gestartet. Die Warenexporte hielten sich besser als im Frühjahr 2020, vor allem da die Industrie weitestgehend störungsfrei produzieren konnte und gleichzeitig die Volkswirtschaften in China und den USA ihre Expansion fortsetzten. Eine Folge dieser asymmetrischen Entwicklung ist, dass China und die USA 2020 mit einem Anteil von 16,4 Prozent an den gesamten deutschen Ausfuhren zu den wichtigsten Exportmärkten für Deutschland aufgestiegen sind und Frankreich auf den dritten Platz verwiesen haben. Allein die Exporte nach China stiegen im Dezember um 11,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Lage ist damit gänzlich anders als im Frühjahr 2020, als die deutschen Exporte um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr einbrachen. Daher dürften die Folgen der aktuellen Einschränkungen im Außenhandel moderater ausfallen. Mit einsetzenden Lockerungen im Sommer dürfte es allerdings zu Nachholeffekten kommen. Dank der aufgestauten Konsum- und Investitionsgüternachfrage ist dann ein recht kräftiger Schub für den deutschen Außenhandel zu erwarten.

Auch die Dienstleistungsimporte leiden unter dem neuerlichen Aufflammen der Infektionszahlen. Das Ausbleiben vieler Dienst- und Urlaubsreisen macht sich deutlich bemerkbar. Erst mit einem nachhaltigen Abbebben der Pandemie dürfte die Reisetätigkeit wieder anziehen – dann werden die Zuwächse aber auch kräftig ausfallen. Auch die Güterimporte werden von zusätzlicher Konsumnachfrage und dem hohen Importanteil deutscher Exporte profitieren, ehe sich im weiteren Verlauf des Prognosehorizonts vergleichsweise schwächere, aber positive Zuwachsraten einstellen (Kasten 3).

Um die Fülle der für das jeweils laufende Quartal vorliegenden Indikatoren umfassend zu berücksichtigen, stützt das DIW Berlin seine Prognose in der kurzen Frist auf Faktormodelle und Model-Averaging-Ansätze. Diese wiederum stützen ihre Vorhersage auf Muster, die sich in der Vergangenheit zwischen den Variablen herausgebildet haben. Allerdings sind gängige statistische Verfahren derzeit nur bedingt in der Lage, die mit der Corona-Krise einhergehenden Verwerfungen vollständig zu erfassen. Üblicherweise entwickeln sich die Dienstleistungsbereiche nämlich relativ gleichmäßig; Schwankungen gehen ansonsten eher von der Industrie aus. Verfahren, die auf derartigen historischen Mustern beruhen, zeichnen daher derzeit ein tendenziell zu positives Bild: Die Industrie entwickelt sich nämlich robust, während die Lockdowns die Dienstleistungsbereiche einschränken. Die dargestellten Modellergebnisse sind vor diesem Hintergrund eher als grobe Orientierungshilfe zu interpretieren.

So dürfte die Modellrate von 0,7 Prozent für das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal die voraussichtlich deutlich sinkende Wirtschaftsleistung überschätzen. Darin kommt wohl vor allem der Aufwärtstrend in der Industrie zum Ausdruck: Obwohl sich die Automobilindustrie nach den steuerbedingten Vorziehkäufen im vergangenen Jahr auf eine schwächere Nachfrage einstellen muss und es zudem zum Jahresauftakt zu Produktionsstopps wegen fehlender Bauteile kam, dürfte die Industrie insgesamt die Wertschöpfung im ersten Vierteljahr deutlich ausweiten. Darauf deuten auch die jüngst veröffentlichen Produktionszahlen des Verbands der Automobilindustrie hin – diese haben im Februar angezogen.

Beim privaten Konsum zeigen die Modellergebnisse einen Rückgang an. Tatsächlich dürfte dieser sogar noch deutlicher ausfallen. So lagen etwa die Umsatzsteuereinnahmen zuletzt 18 Prozent unter ihrem Vorjahresniveau – damit geben sie aber wohl immer noch ein zu positives Signal. Das Modell berücksichtigt nicht die Wiederanhebung der Steuersätze, die für sich genommen die Einnahmen anschiebt. Ohne diesen Effekt wäre dieser Indikator wohl noch stärker eingebrochen. Zum Vergleich: Im ersten Lockdown lagen die Einnahmen 38 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Die Exporte profitieren von einer regen Auslandsnachfrage nach deutschen Waren; deren Ausfuhr lag zuletzt knapp zwei Prozent über dem Durchschnitt des Schlussquartals. Die Dienstleistungsexporte werden durch die eingeschränkten Geschäfts- und Urlaubsreisen belastet; diese konnten zwar im Januar leicht zulegen, bleiben aber noch 22 Prozent unter dem Durchschnitt des vierten Quartals.

Bei den Importen zeichnet sich für das erste Quartal ein Rückgang ab – die Wareneinfuhren sind zuletzt deutlich gesunken. Die Dienstleistungsausgaben lagen im Januar 1,1 Prozent höher als im Schlussquartal; die Reiseausgaben dagegen sind auch zum Jahresbeginn gesunken.

Für die Ausrüstungsinvestitionen ergibt sich ein gemischtes Bild: Die Unsicherheit ist deutlich zurückgegangen und mit der Aussicht auf – wenn auch schleppende – Impffortschritte haben sich auch die Umfragewerte unter Investitionsgüterherstellern aufgehellt. Die Produktion der Maschinenbauer verzeichnete zum Jahresauftakt gar ein fast zweistelliges Plus. So weisen die Modellergebnisse auch auf einen geringen Anstieg hin. Die inländischen Umsätze der Investitionsgüterhersteller insgesamt sprechen allerdings für einen deutlichen Rücksetzer; und auch die zuletzt deutlich gesunkenen Importe deuten eher auf rückläufige Investitionen hin.

Die Bauinvestitionen sind schwach in das Jahr gestartet. Zu der Flaute nach möglichen Vorzieheffekten aufgrund der zeitweiligen Mehrwertsteuersenkung im vergangenen Jahr kam auch eine ungünstige Wetterlage: Die Umfrageergebnisse zu den Behinderungen der Bautätigkeit ergeben für Januar und Februar witterungsbedingte Einschränkungen.

Die Terms of Trade sind im Wesentlichen durch den zuletzt recht kräftigen Ölpreis- und den damit verbundenen Importpreisanstieg geprägt. Bei nur leicht steigenden Exportpreisen verschlechtern sie sich im Jahresverlauf, insbesondere im ersten Quartal. Im kommenden Jahr dürften die Terms of Trade nahezu unverändert bleiben.

Öffentliche Finanzen: Finanzierungsdefizit 2021 höher als 2020

Das gesamtstaatliche Defizit war im Jahr 2020 mit knapp 140 Milliarden Euro deutlich geringer als erwartet. So betrug beispielsweise die geplante Neuverschuldung im Nachtragshaushalt des Bundes, der im Juni 2020 beschlossen wurde, allein mehr als 210 Milliarden Euro. Wesentliche Ursachen für das geringere Defizit sind zum einen der im Vergleich zu den ursprünglichen Erwartungen weniger umfangreiche konjunkturelle Einbruch, der zu geringeren Rückgängen der Einnahmen geführt hat. Zum anderen sind einige der im Jahr 2020 beschlossenen und geplanten Maßnahmen auch wegen bürokratischer Anlaufschwierigkeiten noch nicht genutzt worden. Zudem könnte die bessere konjunkturelle Entwicklung auch dazu geführt haben, dass die Mittel nicht in dem Maße benötigt wurden.

Ein Teil der für das Jahr 2020 eingeplanten Mittel dürfte allerdings in diesem Jahr fließen. Hinzu kommen bereits länger-, aber auch kurzfristig geplante expansive Maßnahmen in Höhe von insgesamt 29 Milliarden Euro (Tabelle 2 in Kasten 2), zu denen unter anderem Ausgaben des im Juni 2020 beschlossenen Konjunkturprogramms, aber auch zusätzliche Gesundheitsausgaben zählen (Tabelle 5). Der verlängerte Lockdown und die für den weiteren Verlauf unterstellten partiellen Einschränkungen dürften zudem die öffentlichen Haushalte zusätzlich belasten. Bei der hier prognostizierten konjunkturellen Entwicklung ergibt sich für das Jahr 2021 ein gesamtstaatliches Haushaltsdefizit in Höhe von 158 Milliarden Euro oder 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Tabelle 6).

Tabelle 5: Finanzpolitische Corona-Maßnahmen

Be- (–) und Entlastungen (+) des gesamtstaatlichen Haushalts gegenüber Vorjahr in Milliarden Euro

Finanzpolitische Maßnahmen 2021 2022
Bund
Staatliche Beschaffung von Schutzprodukten inkl. Impfstoff 0,5
Krankenhausfinanzierungsgesetz 11,5
Impfstoffforschung, Nationales Forschungsnetzwerk Corona −0,3
Solidaritätsfonds: Zuschuss an Soloselbstständige und Kleinstbetriebe 13,7
Sozialschutzpaket 5 6
Entschädigung für Verdienstausfall bei Kita- und Schulschließung 3,2
Konjunkturprogramm (ohne Überbrückungshilfen) −16 29
Überbrückungshilfen III −5 9
November- und Dezemberhilfen −15 15
Home Schooling −0,25 0,5
Lohnfortzahlung für Eltern wg. Privater Kinderbetreuung 1 3
Drittes Corona-Steuerhilfegesetz inkl. Kinderbonus −4,2 1,3
Neustart Kultur −1,2 1,2
Härtefallfonds −1 1
Länder
Globale Mehrausgaben (u.a. Zuschüsse, Gesundheitsausgaben) 0 10
Corona-Pflegebonus 0,4 0
Härtefallfonds −1 1
Sozialversicherungen
Ausweitung Kurzarbeitergeld 4 10,5
Krankenhausentlastungsgesetz 1,5 0
Verlängerung Anspruchsdauer Arbeitslosengeld 0,6 0,4
Sozialschutzpaket −1,3 2,8

Quellen: Finanzministerien der Länder; Bundesfinanzministerium; Bundesgesundheitsministerium; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021.

Tabelle 6: Ausgewählte finanzpolitische Indikatoren1

In Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt in Prozent

Staatseinnahmen Staatsausgaben Finanzierungssaldo Nachrichtlich: Zinssteuerquote2 Staatsschuldenquote nach Maastricht
insgesamt darunter: insgesamt darunter:
Steuern Sozialbeiträge Zinsausgaben Bruttoinvestitionen
2011 44,4 22,3 16,4 45,2 2,5 2,3 −0,9 11,2 80
2012 44,9 22,9 16,6 44,9 2,3 2,2 0,0 10,1 81
2013 45,0 23,0 16,6 44,9 1,8 2,2 0,0 8,0 79
2014 44,9 22,8 16,5 44,3 1,6 2,1 0,6 7,1 76
2015 45,1 23,1 16,6 44,1 1,4 2,1 1,0 6,0 72
2016 45,5 23,4 16,7 44,4 1,2 2,2 1,2 5,1 69
2017 45,6 23,5 16,9 44,2 1,0 2,2 1,4 4,4 65
2018 46,3 23,9 17,1 44,5 0,9 2,3 1,8 3,9 62
2019 46,7 24,0 17,3 45,2 0,8 2,5 1,5 3,3 60
2020 46,9 23,2 18,2 51,1 0,7 2,8 −4,2 2,8 69
2021 46,2 22,9 18,0 50,7 0,6 2,8 −4,5 2,5 71
2022 46,1 23,0 17,9 48,0 0,5 2,8 −1,9 2,2 69
2022/2020 46,4 23,0 18,1 49,9 0,6 2,8 −3,5 2,5 70

1 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

2 Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen.

Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021.

Die Lohnsteuereinnahmen sind im Jahr 2020 um 2,3 Prozent gesunken und dürften in diesem Jahr trotz der erwarteten Erholung im zweiten Halbjahr nur um knapp zwei Prozent steigen. Gründe dafür sind die erneut vielfach genutzte Kurzarbeit, der geringere Beschäftigungsaufbau sowie die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Im Jahr 2022 werden die Lohnsteuereinnahmen entsprechend der Lohndynamik und aufgrund des Wegfalls der Sondereffekte (unter anderem temporärer Kinderbonus und Kurzarbeit) recht kräftig steigen.

Die Unternehmenssteuern, im Wesentlichen Körperschaft-, Gewerbe- und die veranlagte Einkommensteuer, sind um 19,4 Prozent gesunken. Durch den verlängerten Lockdown werden die unternehmerischen Steuern in diesem und im nächsten Jahr wohl nur um fast elf beziehungsweise sieben Prozent steigen und damit auch im Jahr 2022 nicht ihr Vorkrisenniveau erreichen.

Die Umsatzsteuereinnahmen sind um 8,4 Prozent gesunken, was neben der allgemeinen Konsumzurückhaltung auch zu einem großen Teil auf die Reduktion des Mehrwertsteuersatzes zurückzuführen ist. Auch wenn der Gastronomiebereich bis Ende 2022 noch durch einen ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf Speisen mit insgesamt bis zu fünf Milliarden Euro unterstützt wird, dürften sich die beiden Haupteffekte in diesem und nächstem Jahr wieder umkehren und zu starken Einnahmezuwächsen von sieben beziehungsweise acht Prozent führen.

In der Summe sind die Steuereinnahmen im vergangenen Jahr um gut sechseinhalb Prozent im Vorjahresvergleich gesunken. In diesem und im nächsten Jahr werden die Steuern bei dem unterstellten konjunkturellen Verlauf ein Einnahmeplus von drei beziehungsweise sechs Prozent erzielen.

Die Sozialbeiträge sind im vergangenen Jahr leicht, um 1,7 Prozent, gestiegen. Auch im ersten Halbjahr 2021 dürften die Kurzarbeitergeldzahlungen der schwachen Lohn- und Beschäftigungsentwicklung entgegenwirken. Die Anhebung des Zusatzbeitrags bei der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die im zweiten Halbjahr wieder leicht anziehende Lohndynamik werden wohl mit etwas höheren Zuwachsraten einhergehen als im vergangenen Jahr. Im nächsten Jahr dürften die Sozialbeiträge dann wieder deutlich stärker steigen.Bei den weiteren Einnahmen muss das Finanzministerium im Jahr 2021 auf den Bundesbankgewinn in Höhe von etwa zweieinhalb Milliarden Euro verzichten, der in diesem Jahr zur Risikovorsorge bei der Bundesbank angelegt wird. Alles in allem steigen die gesamtstaatlichen Einnahmen in diesem und nächstem Jahr um fast drei beziehungsweise gut fünf Prozent.

Die Ausgaben sind im Jahr 2020 um 9,3 Prozent gestiegen. Auch in diesem Jahr ist die Entwicklung der Ausgabenkomponenten durch die Soforthilfe- und Gesundheitsmaßnahmen im ersten Halbjahr sowie den Ausgaben im Rahmen des im Juni 2020 beschlossenen Konjunkturprogramms angesichts des hohen Niveaus mit gut dreieinhalb Prozent recht dynamisch.

Die ohnehin schon hohe Dynamik bei den Vorleistungskäufen wird durch zusätzliche Ausgaben für Impfzentren und der entsprechenden Ausrüstung, aber auch durch zusätzliche Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag und dem Klimaschutzpaket verstärkt, sodass die Vorleistungen trotz des hohen Zuwachses im Jahr 2020 von 11,4 Prozent auch im Jahr 2021 wachsen, wenn auch mit knapp einem Prozent nur geringfügig. Im nächsten Jahr dürften dann einige Maßnahmen wegfallen, sodass die Vorleistungen leicht sinken. Die sozialen Sachleistungen sind im Jahr 2020 mit 3,8 Prozent in deutlich geringerem Maße gewachsen, weil beispielsweise viele gesundheitliche Dienstleistungen verschoben oder ganz ausgesetzt wurden. Der aufgestaute Bedarf sowie die Ausgaben im Bereich der Impfstoffbeschaffung dürften sich in diesem und nächstem Jahr in kräftigeren Zuwachsraten von rund sieben beziehungsweise gut fünf Prozent niederschlagen.

Die Arbeitnehmerentgelte im öffentlichen Dienst sind im Jahr 2020 aufgrund der bestehenden Tarifabschlüsse sowie dem kräftigen Beschäftigungsaufbau mit 4,4 Prozent noch recht stark gewachsen. Allerdings werden die Lohnsteigerungen bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in diesem und im nächsten Jahr auch wegen der knapperen Kassenlage mit etwa zweieinhalb beziehungsweise gut zwei Prozent verhaltener ausfallen.

Die monetären Sozialleistungen haben im Jahr 2020 dynamisch um 8,7 Prozent zugelegt. Insbesondere die höheren Auszahlungen für Kurzarbeitergeld und die verlängerte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld sowie der im Konjunkturprogramm beschlossene Kinderbonus haben dazu beigetragen. In diesem Jahr sorgt im ersten Halbjahr die dauerhafte Erhöhung des Kindergeldes zum 1. Januar 2021 um 15 Euro sowie die Einführung der Grundrente für eine Steigerung der Auszahlungen. Hinzu kommt auch ein einmaliger Kindebonus in Höhe von 150 Euro pro kindergeldberechtigtem Kind, der im Rahmen des dritten Corona-Steuerhilfegesetzes beschlossen wurde und insgesamt zu Mehrausgaben von 2,1 Milliarden Euro führt.infoSiehe auch DIW (2021): Anhörung im Bundestag zum Dritten Corona-Steuerhilfegesetz. Allerdings werden die besseren Aussichten auf dem Arbeitsmarkt im zweiten Halbjahr zu deutlich geringeren Transferzahlungen führen. Auch die Rentenanpassungen werden im Zuge der aktuell schwachen Lohndynamik wohl deutlich geringer ausfallen, sodass die monetären Sozialleistungen insgesamt um zweieinhalb Prozent zunehmen. Im Jahr 2022 dürften sie dann auch aufgrund des Wegfalls des temporären Kinderbonus mit knapp einem Prozent nur leicht zunehmen.

Der größte Anstieg zeigte sich im Jahr 2020 bei den Subventionen, denn hier fließen nicht nur zusätzliche Ausgaben des im vergangenen Jahr beschlossenen Klimaschutzpakets, sondern auch mehrere Tranchen der wirtschaftlichen Soforthilfen (November-, Dezember-, und Überbrückungshilfen) in Höhe von zusammengenommen etwa 18 Milliarden Euro. Die Dynamik in diesem Jahr hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Maße die Überbrückungshilfen III abgerufen werden, also vom Fortgang der Pandemie. Annahmegemäß und nach bisherigem Stand wird davon ausgegangen, dass Soforthilfegelder im Umfang von 20 Milliarden Euro abfließen. Darüber hinaus setzt der Bund mit rund elf Milliarden die EEG-Umlage für Unternehmen im Jahr 2021 aus, so dass die Subventionen sogar trotz des Rekordanstiegs nochmals leicht um knapp zwei Prozent zunehmen werden. Im Jahr 2022 dürften die Subventionen dann infolge des Auslaufens der Maßnahmen deutlich, um mehr als 40 Prozent, sinken.

Auch die geleisteten Vermögenstransfers haben sich infolge des Konjunkturprogramms im Jahr 2020 mit 10,7 Prozent dynamisch entwickelt. Der Großteil der im Zukunftspaket des Konjunkturprogramms beschlossenen Investitionszuschüsse dürfte aber in diesem und im nächsten Jahr mit zehn beziehungsweise fünf Milliarden Euro (vier beziehungsweise zwei Milliarden Euro mehr als im Jahr 2020) abgerufen werden. Einige dieser investiven Maßnahmen zur Verbesserung der Digitalisierung und des Klimaschutzes sind auch Bestandteil des deutschen Aufbau- und Resilienzplans, der allerdings wohl erst im Laufe des zweiten Quartals von der EU-Kommission genehmigt werden wird. Insgesamt entwickeln sich die Vermögenstransfers in diesem Jahr mit 14 Prozent deshalb sehr dynamisch, ehe sie im Jahr 2022 technisch bedingt wohl wieder zurückgehen.

Die staatlichen Bruttoinvestitionen sind im Jahr 2020 mit leichten Abschlägen der recht dynamischen Entwicklung der vergangenen Jahre gefolgt. Ursachen für die stabile Entwicklung der öffentlichen Investitionen waren einerseits das Vorziehen von Ausrüstungsinvestitionen, die um 13,7 Prozent gestiegen sind, sowie die Ausgleichszahlungen des Bundes für coronabedingte Defizite bei den Gemeinden, die wohl auch dadurch an ihren Plänen festhalten konnten und ihre Investitionstätigkeit sogar um siebeneinhalb Prozent ausgebaut haben. Auch in diesem Jahr dürfte die öffentliche Investitionstätigkeit nicht zuletzt durch die im Rahmen des Zukunftspakets des Konjunkturprogramms beschlossenen Maßnahmen weiterhin recht hoch sein. So sind weitere Bruttoinvestitionen, beispielsweise für den Ausbau von Ganztagesschulen und Kitas und der digitalen Infrastruktur, geplant. Außerdem werden wohl auch die Maßnahmen zur Schaffung finanzieller Spielräume für Gemeinden, beispielsweise ein jährlicher Zuschuss in Höhe von einer halben Milliarde Euro zur Förderung strukturschwacher ostdeutscher Regionen, die öffentliche Investitionstätigkeit erhöhen. In Summe dürften die gesamtstaatlichen Investitionen in diesem Jahr um rund sechs Prozent steigen. Im Jahr 2022 dürfte die Dynamik auch durch den Gegeneffekt vorgezogener Investitionen etwas abflachen. Die Investitionsdynamik hängt dann allerdings auch wesentlich vom Ausgang der Bundestagswahl ab und vom Willen der neuen Bundesregierung, den derzeit vorgezeichneten Modernisierungs- und Transformationspfad weiter zu verfolgen oder gar auszubauen. Ein Zurückfahren der Investitionen, beispielsweise aufgrund von Spar- und Konsolidierungszwängen, dürfte nicht nur zusätzliches Potenzialwachstum kosten, sondern auch die Entschuldung erschweren. Der Bedarf insbesondere in den Bereichen Bildung, Erziehung, Klimaschutz und Digitalisierung, das zeigt nicht zuletzt die Corona-Pandemie, ist mit rund 220 Milliarden Euro bis 2030 recht hoch und die Finanzierungskosten sind weiterhin negativ, sodass sich öffentliche Investitionen mehrfach rentieren und einen positiven Beitrag bei der mittelfristigen Rückführung der öffentlichen Verschuldung liefern.infoHeike Belitz et al. (2020): Öffentliche Investitionen als Triebkraft privatwirtschaftlicher Investitionstätigkeit. DIW Politikberatung kompakt Nr. 158 (online verfügbar).

Insgesamt dürften die Ausgaben trotz des bereits hohen Niveaus in diesem Jahr nochmals um dreieinhalb Prozent zunehmen und damit zu einem gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizit von rund 158 Milliarden Euro führen. Auch im nächsten Jahr wird wohl noch mit einem deutlichen Defizit in Höhe von knapp 70 Milliarden Euro zu rechnen sein. Bereinigt man den Finanzierungssaldo um Konjunktur- und Einmaleffekte, lag das strukturelle Finanzierungsdefizit im Jahr 2020 bei 57 Milliarden Euro beziehungsweise 1,6 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts. Im nächsten und übernächsten Jahr dürfte das strukturelle Defizit gut 100 beziehungsweise 60 Milliarden Euro oder drei beziehungsweise eineinhalb Prozent betragen. Der Bruttoschuldenstand des Gesamtstaates in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt dürfte, bei zusätzlichen Krediten und Beteiligungen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds in Höhe von rund 50 Milliarden Euro, im Jahr 2020 bei knapp 69 Prozent gelegen haben. In diesem Jahr dürfte er unter Annahme zusätzlicher Kredite und Beteiligungen in Höhe von 20 Milliarden Euro auf 71 Prozent steigen, ehe er im Jahr 2022 wieder unter 70 Prozent sinkt.

Mittelfristprojektion: Konsum stabil bei kräftigen Importen

Im Jahr 2023 erholt sich die deutsche Wirtschaft noch von den Nachwehen der Corona-Krise und schließt mit einem relativ kräftigen Plus die bis dahin noch bestehende, leichte Unterauslastung. Insbesondere der Konsum steigt spürbar. Die Erwerbstätigkeit legt ebenfalls noch etwas zu, die Produktivität je Beschäftigten liegt auf dem mittelfristigen Trend von gut einem Prozent. Über den gesamten Fünf-Jahres-Zeitraum von 2020 bis 2025 betrachtet liegt die Produktivität höher (Tabelle 7), weil in diesem und im kommenden Jahr die Rücknahme der Kurzarbeit den Wert (wie auch bei der Arbeitszeit) nach oben verzerrt.

Tabelle 7: Erwerbstätige, Beschäftigte und Arbeitszeit

Erwerbstätige (Inland) beschäftigte ArbeitnehmerInnen (Inland) Arbeitszeit je Erwerbstätigen Bruttoinlandsprodukt
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte
insgesamt je Erwerbstätigen je Erwerbstätigenstunde in jeweiligen Preisen Deflator
in Millionen in Millionen in Stunden in Milliarden Euro in Euro in Euro in Milliarden Euro 2015 = 100
2015 43122 38717 1401 3026 70177 50 3026 100
2020 44782 40784 1332 3074 68644 52 3332 108
2025 44996 41316 1359 3383 75193 55 3976 118
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent1
2020/2015 0,8 1,0 −1,0 0,3 −0,4 0,6 1,9 1,6
2025/2020 0 1/4 1/2 2 1 3/4 1 1/2 3 1/2 1 3/4

1 In dieser Projektion sind die Vorausschätzungen auf 1/4-Prozentpunkte gerundet.

Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021.

Die Jahre bis 2025 sind geprägt von der demografisch bedingten Verlangsamung bei der Wirtschaftsleistung (Kasten 4). Der Konsum je Einwohnerin beziehungsweise Einwohner hält – bei kräftigen Importen – sein Tempo von durchschnittlich gut einem Prozent bei. Die Exporte entwickeln sich im Zuge einer leicht entschleunigenden Weltkonjunktur – deren Zuwachsraten dürften annahmegemäß etwa drei Prozent betragen – ebenfalls robust, der Handelsbilanzsaldo schmilzt aber graduell – bis auf gut fünf Prozent zum Ende des Projektionszeitraums. In diesem Umfeld bleiben die Unternehmensinvestitionen aufwärtsgerichtet; zusammen mit den Sonstigen Investitionen, die unter anderem Forschung und Entwicklung beinhalten und an Bedeutung gewinnen, halten die Ausrüstungsinvestitionen in etwa den Anteil an der Wirtschaftsleistung, den sie vor der Krise erreicht hatten (Tabelle 8). Der Aufwärtstrend am Bau hält an, verliert aber merklich an Fahrt. Alles in allem schwenkt die deutsche Wirtschaft auf einen gemächlicheren Wachstumspfad ein – im Jahr 2025 wächst das Bruttoinlandsprodukt nur noch mit der Potentialrate von 0,7 Prozent.

Tabelle 8: Verwendung des nominalen Bruttoinlandsprodukts

Bruttoinlandsprodukt Konsumausgaben Bruttoinvestitionen Außenbeitrag
private Haushalte Staat
In Milliarden Euro
2015 3026 1603 596 597 230
2020 3332 1709 751 678 194
2025 3976 2054 889 817 216
Anteile am BIP in Prozent1
2015 100 53,0 19,7 19,7 7,6
2020 100 51,3 22,5 20,4 5,8
2025 100 52 22 1/4 20 1/2 5
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent1
2020/2015 1,9 1,3 4,7 2,6 -
2025/2020 3 1/2 3 3/4 3 1/2 3 3/4 -

1 In dieser Projektion sind die Vorausschätzungen auf 1/4-Prozentpunkte gerundet.

Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021.

Die Berechnung des Produktionspotenzials basiert auf dem Verfahren der Europäischen Kommission.infoFür eine ausführliche Beschreibung dieser Methode siehe Karel Havik et al. (2010): The Production Function Methodology for Calculating Potential Growth Rates and Output Gaps. Europäische Kommission in ihrer Reihe European Economy – Economic Papers Nr. 420. Demografische Effekte werden durch ein Alterskohortenmodell berücksichtigt.infoSiehe Ferdinand Fichtner et al. (2017): Deutsche Wirtschaft bleibt gut ausgelastet: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Herbst 2017. DIW Wochenbericht Nr. 36, 715–736 (online verfügbar).

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird im Wesentlichen anhand der im Juni 2019 aktualisierten Bevölkerungsprojektion (Variante 2) fortgeschrieben. Diese wurde vor dem Hintergrund der hohen Zuwanderung vorgenommen und nimmt für 2019 eine verhältnismäßig hohe Nettozuwanderung an, die im Verlauf allerdings deutlich zurückgeht. Für den Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung bei den Erwerbszuwanderern und den Nicht-Erwerbszuwanderern wird der aktuelle Wert aus dem Ausländerzentralregister angesetzt.infoRund 90 Prozent der EU-Zuwanderer sind im erwerbsfähigen Alter. Bei der Nicht-Erwerbszuwanderung beträgt der Anteil 71 Prozent. Siehe Statistisches Bundesamt (2020): Ausländische Bevölkerung – Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 2019. Fachserie 1, Reihe 2. Insgesamt können die positiven Wanderungssalden jedoch den altersbedingten Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung bis 2025 nicht kompensieren. Die Partizipationsquoten werden für Geflüchtete und die übrige Bevölkerung getrennt geschätzt und anschließend zusammengefasst. Angefangen mit 74,7 Prozent im Jahr 2020 bleibt sie bis 2023 in etwa konstant und geht dann zurück. Auch die natürliche Erwerbslosenquote ergibt sich als gewichteter Durchschnitt der entsprechenden Werte für Geflüchtete und der übrigen Bevölkerung. Sie liegt im Jahr 2020 bei 4,0 Prozent, steigt auf 4,2 Prozent im Jahr 2021 und geht 2022 zurück auf 3,6 Prozent. Auf diesem Niveau bleibt sie bis 2025.

Die durchschnittliche Wachstumsrate des Arbeitsvolumens dürfte bis 2025 bei minus einem Fünftel Prozentpunkt liegen. Bis 2021 wird sie hauptsächlich durch die wachsende Erwerbsbevölkerung getrieben werden, danach durch einen Abwärtstrend bei der Arbeitszeit. Die Partizipationsquote geht über den Zeitraum zurück. Außerdem wird auch die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den Jahren 2023 bis 2025 einen negativen Wachstumsbeitrag leisten. Alles in allem dürfte das potenzielle Arbeitsvolumen in Stunden bis 2025 damit durchschnittlich einen Wachstumsbeitrag von -0,1 Prozentpunkten leisten.

Zusammen mit dem Wachstumsbeitrag des Kapitalstocks in Höhe von knapp einem halben Prozentpunkt und dem der totalen Faktorproduktivität in Höhe von knapp zwei Drittel Prozentpunkten ergibt sich, dass das reale Produktionspotenzial bis 2025 um jahresdurchschnittlich 0,9 Prozent zunehmen wird, wobei die Raten demografisch bedingt von Jahr zu Jahr sinken.

Laura Pagenhardt

Doktorandin in der Abteilung Makroökonomie

Konstantin A. Kholodilin

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie



JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-11-3

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/233777

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