Geflüchtete waren vor und während der Corona-Pandemie psychisch stark belastet: Interview

DIW Wochenbericht 12 / 2021, S. 234

Hannes Kröger, Erich Wittenberg

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Herr Kröger, in einer früheren Studie hatten Sie bereits festgestellt, dass die psychische Gesundheit Geflüchteter in Deutschland schlechter ist als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Wie haben sich jetzt die ersten Monate der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit der Geflüchteten ausgewirkt? Wir hatten folgende Situation: Im Rest der Bevölkerung ist in der Corona-Pandemie beispielsweise die Einsamkeit im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten sehr stark angestiegen. Vor der Corona-Pandemie waren Geflüchtete deutlich einsamer als der Rest der Bevölkerung. Jetzt in den ersten Monaten der Corona-Pandemie hat sich das angeglichen. Das heißt aber auch, dass Geflüchtete im Jahr 2016 und 2017, also kurz nachdem die meisten in Deutschland angekommen sind, im Schnitt so einsam waren wie Menschen ohne Migrationshintergrund während der ersten Monate der Corona-Pandemie. Darüber hinaus kann man auch einen gewissen Angleichungseffekt bei Depressions- und Angstsymptomen sehen, wobei hier auch vor und während der ersten Monate der Corona-Pandemie Geflüchtete immer noch stärker belastet sind als Menschen ohne Migrationshintergrund.

Kann man generell das Phänomen Einsamkeit für das Auftreten von psychischen Erkrankungen verantwortlich machen? Es ist in der Literatur gut belegt, dass Einsamkeit über einen längeren Zeitraum – also chronische Einsamkeit – zu psychischen Belastungen und zum Risiko von Depressions- und Angststörungen führen kann.

Wie ist es denn zu erklären, dass die psychische Gesundheit der Geflüchteten im Schnitt stabil geblieben ist, obwohl sich die äußeren Umstände stark geändert haben? Wir vermuten, dass es den Geflüchteten vorher ohnehin schon schlechter ging und daher sozusagen der Raum für Verschlechterungen durch die Corona-Pandemie deutlich geringer war als beim Rest der Bevölkerung. Das heißt, dass dieses Ereignis sie nicht in gleicher Art und Weise getroffen hat. Das heißt aber nicht, dass es ihnen insgesamt gut geht, sondern dass es vorher schon relativ schlecht war.

Was ist der Grund dafür, dass gerade diese Gruppe von Menschen so stark unter Einsamkeit leidet? Ich kann hier drei Ergebnisse vielleicht einmal exemplarisch darstellen. Einsamkeit wird natürlich durch viele Faktoren beeinflusst. Wir haben uns beispielsweise die Erwerbstätigkeit angeschaut. Wenn Geflüchtete erwerbstätig sind, dann sind sie auch weniger einsam. Auch wenn sie mehr ökonomische Ressourcen im Sinne des Haushaltseinkommens haben, reduziert das die Einsamkeit, und schließlich haben wir auch einen Zusammenhang zwischen deutschen Sprachkenntnissen und Einsamkeit gefunden. Das sind natürlich auch alles wichtige Integrationsmarker. Es zeigt sich also, dass Einsamkeit und Integration zusammenhängen.

Was kann der Staat tun, um den Geflüchteten in dieser speziellen Situation zu helfen? Ich denke, dass es weiterhin wichtig ist, Integrationsanstrengungen zu unternehmen, das heißt, die Möglichkeit zu geben, erwerbstätig zu sein und Kontakte zu knüpfen. Und natürlich müssen jetzt die Hilfsangebote, die es zur Integration gibt, auch digital zur Verfügung stehen, denn wenn Kontaktbeschränkungen herrschen, muss es dafür Alternativen geben. Ein anderer Aspekt, der glaube ich sehr wichtig ist, ist, dass den Personen, die psychisch belastet sind, auch geholfen wird, Integrationsangebote und zum Beispiel auch den Weg in den Arbeitsmarkt zu finden und wahrzunehmen, denn das können natürlich auch zusätzliche Hürden sein, die die Personen in der ohnehin schon schwierigen Situation überwinden müssen. Man muss also Integration und die psychische Gesundheit zusammen denken.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Hannes Kröger
Geflüchtete waren vor und während der Corona-Pandemie psychisch stark belastet - Interview mit Hannes Kröger

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