DIW Wochenbericht 17 / 2021, S. 300
Pio Baake, Erich Wittenberg
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Herr Baake, die Mobilfunkanbieter sind zum Netzausbau verpflichtet. Bis Ende 2022 soll jeder Anbieter 98 Prozent der Bevölkerung erreichen können. Um das erreichen zu können, sind auch Kooperationen zwischen den Anbietern zugelassen. Wie können diese aussehen? Kooperationen können verschiedene Formen annehmen. Zum Beispiel können sie die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur vorsehen. Hier spricht man vom Network Sharing, bei dem in der Regel Anbieter mit eigenen Netzen beteiligt sind und sich zum Beispiel wechselseitigen Zugang zu ihren Funkmasten gewähren. Eine andere Form der Kooperation ist das Roaming. Hier werden Gespräche und Daten über Netze anderer Anbieter übertragen. So lassen sich vor allem Gesprächsabbrüche in Gebieten vermeiden, in denen Anbieter keine eigenen Netze aufgebaut haben.
Was ist der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Verfahren? Der wesentliche Unterschied ist, dass beim Network Sharing in den Gebieten, in denen die Infrastrukturen geteilt werden, tatsächlich beide Anbieter Verträge und damit auch Anschlüsse anbieten können. Beim Roaming, wie im internationalen Fall, muss das nicht der Fall sein. Das heißt, wenn Sie roamen, dann können Sie zwar weiterhin mit Ihrem Anbieter telefonieren, aber außerhalb des Gebietes, das er abdeckt, werden keine Verträge angeboten.
Inwieweit bedeutet das, dass die Anbieter auch Gebietsabsprachen machen müssen? Vor allen Dingen das Network Sharing führt zu einer Art von Gebietsabsprache, weil klar ist, dass sich die Anbieter irgendwie darauf verständigen müssen, in welchen Gebieten sie wirklich Infrastrukturen aufbauen, die sie sich dann anschließend teilen.
Gibt es hier nicht Konflikte mit den Kartellregelungen? Ich denke nicht, da Kooperationen in den dünn besiedelten Regionen tatsächlich nur einen kleinen Teil der Bevölkerung erfassen und Wettbewerb vor allem in den Ballungsgebieten stattfindet. Das heißt, der ganze Preiswettbewerb spielt sich dort ab. Zudem differenzieren die Anbieter ihre Preise nicht regional, sodass das Preis- oder Tarifniveau tatsächlich durch den Wettbewerb in den Ballungsgebieten bestimmt wird.
Welche Variante verspricht den größten Nutzen für die KonsumentInnen – Sharing oder Roaming? Unsere Überlegungen zeigen, dass die KonsumentInnen am meisten vom Roaming profitieren. Das hat zwei Ursachen: Zum einen ist das Gebiet, in dem sie ihre Mobilfunkgeräte nutzen können, am größten, weil sie auch in dem Gebiet des jeweils anderen Anbieters telefonieren oder Daten übertragen können. Zum anderen zeigt sich, dass insgesamt die höchste Netzabdeckung erreicht wird, wenn sich die Anbieter zusätzlich zu den Roamingabkommen untereinander absprechen, in welchen Gebieten sie jeweils Netze aufbauen.
Ist das auch für die Anbieter die beste Variante? Nein, die Anbieter profitieren am stärksten vom Network Sharing, weil sie hier am meisten Kosten einsparen. Aber im Vergleich zu einer Situation ohne Kooperation profitieren die Anbieter auch vom Roaming, weil der Nutzen der KonsumentInnen und damit ihre Zahlungsbereitschaft in dieser Variante der Regulierung am höchsten sind.
Bislang wurde offengelassen, welche Kooperationsarten zugelassen sind. Sollte die Art der Kooperation von der Bundesnetzagentur oder des Kartellamts vorgeschrieben werden? Durchaus. Bei künftigen Frequenzauktionen kann man durchaus überlegen, dies zu tun, vor allem dann, wenn sich herausstellt, dass verschiedene Formen der Kooperationen die am Ende erreichte Netzabdeckung oder die Qualität der Netze in unterschiedlicher Weise beeinflussen.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Verbraucher, Regionalwirtschaft, Digitalisierung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-17-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/234441