E-Fuels: Ja, aber nicht für Pkw: Kommentar

DIW Wochenbericht 17 / 2021, S. 304

Wolf-Peter Schill

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In der energie- und klimapolitischen Debatte spielen E-Fuels, die auch als strombasierte oder synthetische Kraftstoffe oder Power-to-Liquid bezeichnet werden, derzeit eine große Rolle. Dabei handelt es sich um synthetische Kohlenwasserstoffe, die erdölbasierte Kraftstoffe wie Kerosin, Benzin und Diesel ersetzen sollen. Um E-Fuels klimaneutral herzustellen, braucht man sogenannten grünen Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, sowie eine klimaneutrale Kohlenstoffquelle. Steht hierfür keine nachhaltige Biomasse zur Verfügung, muss Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre entnommen werden. Der Produktionsprozess von E-Fuels und ihre spätere Nutzung in Verbrennungsmotoren gehen mit hohen Umwandlungsverlusten einher. Daher ist der Strombedarf gegenüber einem rein batterieelektrischen Pkw ungefähr um einen Faktor vier bis fünf höher. BefürworterInnen synthetischer Kraftstoffe argumentieren jedoch, dass Energieeffizienz kein entscheidendes Kriterium sei, da sie einfach zu transportieren seien und in Regionen erzeugt werden könnten, in denen die Potenziale erneuerbarer Energien sehr groß sind.

In Teilen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden Fördermaßnahmen für den zeitnahen Einsatz von E-Fuels insbesondere im Pkw-Bereich gefordert. Mit solchen Maßnahmen soll der Hochlauf entsprechender Produktionsstrukturen angestoßen werden. Blickt man isoliert auf den Pkw-Verkehr in Deutschland, scheint zunächst einiges dafür zu sprechen: Als sogenannte „Drop-In-Kraftstoffe“ versprechen E-Fuels ohne Veränderungen bei der Fahrzeugtechnik oder der Tankstelleninfrastruktur Treibhausgasminderungen im Pkw-Bestand. Somit könnte ihre Nutzung einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele bis 2030 im Pkw-Bestand leisten. Manche erhoffen sich dadurch sogar eine langfristige Perspektive für den Pkw mit Verbrennungsmotor.

Doch es greift zu kurz, nur Pkw zu betrachten. Die Nachfrage nach E-Fuels beziehungsweise dem ihnen zugrunde liegenden grünen Wasserstoff dürfte in einer weitgehend treibhausgasneutralen Welt sehr hoch sein. In einigen Bereichen werden sie dringend gebraucht, etwa für den Flug- und Schiffsverkehr oder auch Teile des Straßengüter- und des Schienenverkehrs. Auch in Teilen der energieintensiven und der Grundstoffindustrie und bei der langfristigen Stromspeicherung dürften sie eine große Rolle spielen – und all dies nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Dieser absehbar sehr stark steigenden Nachfrage nach grünem Wasserstoff und E-Fuels stehen weltweit zwar schier unerschöpfliche theoretische Potenziale erneuerbarer Energien gegenüber. Doch die tatsächlich zeitnah und kostengünstig realisierbaren Potenziale sind aufgrund einer Vielzahl politischer, regulatorischer, sozialer und ökologischer Faktoren begrenzt. Außerdem erfordert das Hochskalieren der Produktions- und Transportinfrastrukturen Zeit. Dass also in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten, die für die weltweiten Klimaschutzbemühungen besonders wichtig sind, global beliebig große Produktionskapazitäten für E-Fuels bereitgestellt werden können, erscheint äußerst zweifelhaft.

Eine möglichst hohe Energieeffizienz bleibt daher auch in einer von erneuerbaren Energien geprägten und dekarbonisierten Zukunft wichtig. Wo immer möglich sollten energieeffiziente Optionen bevorzugt werden. Im Pkw-Bereich stehen hierfür nach den jüngsten technologischen und industriellen Entwicklungen batterieelektrische Fahrzeuge als sehr viel energieeffizientere Alternative bereit. Der Pkw mit Verbrennungsmotor wird hingegen zum Auslaufmodell. Würden jetzt E-Fuels im Pkw-Bereich eingesetzt, könnte dies Herstellern und KäuferInnen eine falsche Zukunftsperspektive geben und die erforderliche Transformation verschleppen und verteuern. Somit könnte der Einsatz von E-Fuels in Pkw mittelfristig zwar moderate Treibhausgasminderungen in diesem Segment ermöglichen, langfristig und in einer Gesamtsystembetrachtung aber mehr schaden als nutzen. E-Fuels sollten stattdessen gleich in den Bereichen eingesetzt werden, in denen eine direkte Elektrifizierung aus heutiger Sicht nicht sinnvoll erscheint.

Dieser Kommentar ist in einer kürzeren Version am 21. April 2021 bei Tagesspiegel Background Verkehr & Smart Mobility erschienen.

Wolf-Peter Schill

Leiter des Forschungsbereichs „Transformation der Energiewirtschaft“ in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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