DIW Wochenbericht 19 / 2021, S. 323-332
Ludovica Gambaro, C. Katharina Spieß, Franz G. Westermaier
get_appDownload (PDF 264 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.65 MB)
„Ein großes Problem für Erzieherinnen ist die mangelnde monetäre und auch nichtmonetäre Anerkennung. Höhere Löhne und mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung sind unerlässlich. Wir brauchen endlich eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung, um das Arbeitsumfeld attraktiver zu machen.“ Ludovica Gambaro
Fachkräfte im Bereich der frühen Bildung und Betreuung sind nicht nur für Familien, sondern für die gesamte Gesellschaft essenziell. Oft wird über die Arbeitsbedingungen und das Gehalt von Erzieherinnen diskutiert. Wie diese selbst ihren Beruf, den Arbeitsalltag und die Entlohnung sehen, zeigt dieser Bericht auf Basis neuer und bis Ende 2019 reichender Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und einer speziellen SOEP-Zusatzbefragung in Kitas. Demnach sind Erzieherinnen in nahezu allen Bereichen unzufriedener als Grundschullehrerinnen. Mit Blick auf ihre Gesundheit sind Erzieherinnen fast auf dem Zufriedenheitsniveau von Krankenpflegerinnen angelangt. Weit über die Hälfte fühlt sich durch Zeitdruck mäßig bis sehr stark belastet. 81 Prozent empfinden eine Belastung aufgrund eines als nicht angemessen betrachteten Gehalts. Wenn Erzieherinnen ihre Arbeitszeit verändern möchten, wollen sie diese eher verringern. Mehr Personal in den Einrichtungen wäre nötig, um das Arbeitsumfeld insgesamt attraktiver zu machen und mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu können. Das würde nicht nur den Erzieherinnen, sondern auch den Kindern, Familien und der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Ein koordiniertes und verstärktes Engagement aller Beteiligten – vom Bund über die Länder und Kommunen bis zu den Kita-Trägern – ist dafür nötig.
ErzieherInnen sind systemrelevant, das wurde spätestens in der Corona-Pandemie mehr als deutlich. Ohne diese Berufsgruppe, ohne die pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen, der Kindertagespflege, den Horten und auch in schulischen Ganztagsangeboten ist es für viele Eltern sehr schwierig und nur bedingt möglich, Familien- und Erwerbsarbeit in Einklang zu bringen. Aber auch die frühkindliche Bildung, für die ErzieherInnen mitverantwortlich sind, kann von vielen Eltern nicht eins zu eins ersetzt werden. Seitdem die Sensibilität der Wirtschaft und auch anderer Bereiche der Gesellschaft dafür gestiegen ist, wird vermehrt über eine Aufwertung dieser Berufsgruppe und anderer sozialer Dienstleistungsberufe gesprochen. Ihnen kommt gegenwärtig eine größere Aufmerksamkeit zu als je zuvor.
Doch wie bewerten ErzieherInnen ihre Arbeit selbst, wie stark sind sie belastet und wie zufrieden mit ihrer Arbeit? Diesen Fragen geht der vorliegende Bericht nach. Dabei wird ein Vergleich mit anderen Berufsgruppen angestellt – Berufen, die entweder ebenfalls soziale Dienstleistungen anbieten oder vergleichbare Ausbildungsniveaus haben und in denen überwiegend Frauen tätig sind. Die Analysen beziehen sich auf die Zeit vor der Pandemie – zum einen deshalb, weil noch keine repräsentativen Daten für entsprechende Analysen ab dem Jahr 2020 vorliegen. Zum anderen aber auch, weil die gestellten Fragen während der Corona-Pandemie wohl anders beantwortet würden als in Nicht-Pandemiezeiten – damit wären sie für „normale“ Zeiten nicht repräsentativ und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen nicht zielgenau.
Dieser Bericht baut auf früheren DIW-Analysen für die Zeit bis 2014 auf.Vgl. C. Katharina Spieß und Franz G. Westermaier (2016): Berufsgruppe „Erzieherin“: Zufrieden mit der Arbeit, aber nicht mit der Entlohnung. DIW Wochenbericht Nr. 43, 1023–1033 (online verfügbar; abgerufen am 6. Mai 2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt); und C. Katharina Spieß und Johanna Storck (2016): Fachkräfte in der frühen Bildung – Erwerbssituation, Einstellungen und Änderungswünsche. Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 9 (online verfügbar). Seitdem hat sich im Bereich der Kindertagesbetreuung einiges verändert. Der quantitative Ausbau ging zwar nicht mehr in dem Umfang vonstatten wie in den Jahren bis 2014. Dennoch waren im Jahr 2019 mit 34 Prozent der unter drei Jahre alten Kinder zwei Prozentpunkte mehr als 2014 in einer Kindertagesbetreuung – das waren etwa 158000 zusätzliche Kinder unter drei Jahren. Der Bedarf ist jedoch nach wie vor nicht gedeckt: Im Jahr 2019 lag er Umfragen zufolge bei 49 Prozent. Bei den drei Jahre und älteren Kita-Kindern ist die Nutzungsquote mit 93 Prozent nach wie vor sehr hoch. Immer mehr Kinder besuchen dabei ganztägig eine Kita: 52 Prozent der drei- bis sechsjährigen Kita-Kinder wurden 2019 mehr als 35 Stunden pro Woche betreut – 2015 waren es 48 Prozent. Auch wenn die Nutzungsquoten insgesamt nicht merklich zugenommen haben, sind es absolut betrachtet deutlich mehr Kinder, die eine Kita besuchen: Insgesamt waren es 2019 etwa 363000 Kinder mehr als 2014. Auch das pädagogische Personal hat im Bereich der frühen Bildung und Betreuung 2019 mit 654000 pädagogisch Tätigen in der Kindertagesbetreuung einen Höchststand erreicht.Für alle Angaben vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2020): Bildung in Deutschland 2020. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung in einer digitalisierten Welt (online verfügbar). Beim qualitativen Ausbau hat sich im Vorfeld des sogenannten „Gute-KiTa-Gesetzes“, das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist, ebenfalls einiges getan, das sich in den Arbeitsbedingungen der ErzieherInnen bemerkbar macht. Die tatsächlichen Wirkungen des Gesetzes wird man jedoch erst in den nächsten Jahren genauer diskutieren können.Für einen ersten Monitoringbericht zum Gute-KiTa-Gesetz vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ (2020): Gute-KiTa-Bericht 2020 (online verfügbar). Für die vom BMFSFJ geförderte Evaluation vgl. Gute-Kita-Portal: Was das Gute-Kita-Gesetz erreicht (online verfügbar). Hinzu kommt, dass sich die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände sowie die Gewerkschaften GEW und ver.di im Frühherbst 2015 auf einen neuen Tarifvertrag für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst einigen konnten: Rückwirkend zum 1. Juli 2015 trat damit ein verbesserter Eingruppierungstarifvertrag in Kraft, von dem ErzieherInnen profitieren.
Dieser Bericht über die subjektiven Einschätzungen von Erzieherinnen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ergänzt Befunde auf Basis der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik, die objektive Informationen über das pädagogische Personal in Kindertageseinrichtungen erfasst.Vgl. Statistisches Bundesamt (2020): Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege (online verfügbar). Darüber hinaus werden im Fachkräftebarometer Frühe Bildung weitere objektive Befunde auf Basis anderer Daten, etwa dem Mikrozensus, berichtetVgl. dazu Autorengruppe Fachkräftebarometer (2019): Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2019. Deutsches Jugendinstitut (online verfügbar). – auch die Monitoringberichte im Rahmen des Gute-KiTa-Gesetzes berichten über die Situation des pädagogischen Personals in Kitas. Diese Berichte belegen, dass Beschäftigte in der Kindertagesbetreuung meistens Frauen sind. Männer stellen mit gut sechs Prozent nach wie vor die Minderheit der Beschäftigten. Von daher beschränken sich die Analysen dieses Berichts überwiegend auf weibliche Beschäftigte.Lediglich bei den multivariaten Analysen auf Basis der SOEP-K2ID-Daten sind einige wenige männliche Beschäftigte in den Analysen enthalten, es wird deshalb auch das Geschlecht bei den Modellen berücksichtigt. Insgesamt ist sowohl die Gruppe der jüngeren als auch die Gruppe der älteren Beschäftigten in den vergangenen Jahren größer geworden. Nach wie vor arbeiten pädagogische Fachkräfte überwiegend in Teilzeit (rund 60 Prozent). Der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse betrug im Jahr 2019 für pädagogisches Personal laut amtlicher Statistik bundesweit 15 Prozent.Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2020), a.a.O.; Autorengruppe Fachkräftebarometer (2019), a.a.O. sowie BMFSFJ (2020), a.a.O.
In diesem Bericht wird die Berufsgruppe der Erzieherinnen mit anderen Berufsgruppen verglichen: Dies sind zum einen Grundschullehrerinnen, also eine andere Gruppe von Pädagoginnen, die ebenfalls mit jungen Kindern im Bereich der frühen Bildung arbeiten. Zum anderen wird ein Vergleich zu Krankenpflegerinnen gezogen, die ebenfalls Betreuungsaufgaben haben. Auch ein Vergleich mit sozialpädagogischen Berufen liegt nahe. Darüber hinaus wird den Erzieherinnen eine vollkommen andere Berufsgruppe gegenübergestellt, die Verwaltungsfachfrauen im mittleren Dienst, und schließlich ein Vergleich mit allen Beschäftigten angestellt, die eine berufliche Ausbildung habenDie berufliche Ausbildung umfasst sowohl duale Ausbildungsberufe als auch Ausbildungen an beruflichen Schulen. Ausgeschlossen sind Personen mit einem akademischen Abschluss. (exklusive Erzieherinnen). Zusätzlich werden innerhalb der Gruppe der Erzieherinnen auch Vergleiche nach dem Erwerbsumfang vorgenommen, da dieser erwartungsgemäß mit den Belastungen der Beschäftigten zusammenhängt.
Die Analysen basieren auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) am DIW Berlin. Die Daten ermöglichen es, die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbelastung der unterschiedlichen Berufsgruppen differenziert abzubilden.Die Analysen dieses Berichtsteils konzentrieren sich ausschließlich auf weibliche Beschäftigte, da die Gruppe der männlichen Beschäftigten in der Stichprobe für deskriptive Analysen zu klein ist. Außerdem wird die spezielle SOEP-Zusatzerhebung K2ID („Kinder und Kitas in Deutschland“) in die Analyse einbezogen. Diese Daten beschränken sich auf Fachkräfte, die in Kitas beschäftigt sind (Kasten).
Die vorliegenden Analysen basieren hauptsächlich auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) der Jahre 2011 bis 2019.Vgl. Jan Goebel et al. (2019): The German Socio-Economic Panel Study (SOEP). Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik/Journal of Economics and Statistics 239(2), 345–360. Für das SOEP werden derzeit jedes Jahr etwa 30000 Personen in rund 19000 Privathaushalten befragt, die für die Bevölkerung in Deutschland repräsentativ sind. Im SOEP wird der Beruf der Befragten erfasst. Die Berufsgruppen, so auch die ErzieherInnen, können über die Klassifizierung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 1992 (KldB-92) identifiziert werden.Vgl. Spieß und Westermaier (2016), a.a.O.
In den Analysen, die diesem Bericht und analog dem VorgängerberichtVgl. Spieß und Westermaier (2016), a.a.O. zugrunde liegen, werden nur erwerbstätige Befragte berücksichtigt, die als höchsten Bildungsabschluss mindestens eine Berufsausbildung absolviert haben. Auf Basis dieser Stichprobe werden unterschiedliche Berufsgruppen mit der für diesen Bericht zentralen Gruppe der Erzieherinnenberufe verglichen. Diese umfasst vorwiegend Erzieherinnen und zu einem sehr viel geringeren Anteil Kinderpflegerinnen oder Kinderpflegehelferinnen. Im vorliegenden Bericht wird diese Gruppe unter dem Begriff „Erzieherinnen“ zusammengefasst. Das SOEP erfasst grundsätzlich keine Informationen über den Arbeitgeber der Befragten. Somit ist nicht bekannt, ob die Erzieherinnen auch tatsächlich alle in einer Kindertageseinrichtung arbeiten. Aufgrund der Informationen zum Wirtschaftszweig, den die SOEP-Befragten angeben, kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die große Mehrheit der Erzieherinnen in entsprechenden Einrichtungen beschäftigt ist. In den Analysen werden Selbständige, Tagespflegepersonal und alle Befragten über 63 Jahren ausgeschlossen.
Die subjektive Zufriedenheit und Arbeitsbelastung lässt sich im SOEP durch mehrere Fragen abbilden.Vgl. Spieß und Westermaier (2016), a.a.O. Die Zufriedenheit der Befragten mit ihrem Leben im Allgemeinen und mit einzelnen Bereichen wird im SOEP jährlich abgefragt. Die verschiedenen Zufriedenheitsdimensionen werden mit der Frage „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig mit Ihrer Arbeit/Gesundheit/Ihrem persönlichen Einkommen und (alles in allem) mit ihrem Leben?“ erhoben. Jede Zufriedenheit wird auf einer sogenannten 11er-Likert-Skala erfasst, die einen Wertebereich von 0 (ganz und gar unzufrieden) bis 10 (ganz und gar zufrieden) hat.
Für die Jahre 2011, 2012 und 2016 ist es in Abhängigkeit der Stichprobe des SOEP möglich, die Arbeitszufriedenheit von Erwerbstätigen mit spezifischen Items (einzelne Fragen und Bewertungen) abzufragen, die auf das Effort-Reward-Imbalance-Modell zurückgehen.Vgl. Johannes Siegrist (1996): Adverse health effects of high-effort/low-reward conditions. Journal of occupational health psychology, 1(1), 27–41. Dabei können zwei Konstrukte (Verausgabung und Belohnung) unterschieden werden, über die die Befragten angeben, dass entsprechende Belastungen vorliegen beziehungsweise inwiefern sie bestimmten Aussagen zustimmen. Letzteres wurde im Jahr 2016 erfragt. Die Antworten werden in allen Jahren auf einer 4er-Likert-Skala von „gar nicht“ bis „sehr stark“ erfasst.Sofern die Befragten im Jahr 2016 antworteten, dass sie „nicht zustimmen“, wurde dies als „keine Belastung“ interpretiert – analog war das Vorgehen bei den anderen Antworten. Wegen leichter Änderungen im Jahr 2016 sind die Tabellen 1 und 2 dieses Berichts nicht vergleichbar mit den Ergebnissen der früheren DIW-Analysen.
Das Konstrukt der beruflichen Verausgabungsneigung lässt sich ebenfalls durch SOEP-Daten abbilden.Vgl. Johannes Siegrist et al. (2004): The measurement of Effort-Reward Imbalance at work: European comparisons. Social Science & Medicine, 58(8), 1483–1499. Diese Verausgabungsneigung wird über sechs Items (zum Beispiel Aufopferung für den Beruf, Denken an Arbeitsprobleme) abgefragt, deren Zustimmung auf einer 4er-Likert-Skala von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme voll zu“ erfasst wird. Bei den einzelnen Items der beruflichen Verausgabungsneigung werden jeweils die Anteile zusammengefasst, die eher oder voll zustimmen. In diesem Zusammenhang wird häufig auch ein Gesamtwert für die berufliche Verausgabungsneigung ausgewiesen, das Overcommitment. Im Sinne einer Likert-Skalierung bildet der gewichtete Summenscore dieser sechs Items die Dimension des Overcommitments ab, die zwischen null und 100 Prozent liegt.Johannes Siegrist et al. (2009): A short generic measure of work stress in the era of globalization: effort-reward imbalance. International archives of occupational and environmental health, 82(8), 1005–1013.
Außerdem werden im SOEP Wünsche hinsichtlich einer Arbeitszeitveränderung erfasst. Diese beruhen auf einem Abgleich der jährlichen Frage nach der gewünschten ArbeitszeitDiese Frage lautet wie folgt: „Wenn Sie den Umfang Ihrer Arbeitszeit selbst wählen könnten und dabei berücksichtigen, dass sich Ihr Verdienst entsprechend der Arbeitszeit ändern würde: Wie viele Stunden in der Woche würden Sie dann am liebsten arbeiten?“ und der tatsächlichen Arbeitszeit.
Die Substichproben umfassen in Abhängigkeit der untersuchten Zusammenhänge unterschiedliche Fallzahlen. Insgesamt kann für die einzelnen Analysen auf die Angaben von 320 bis 326 Befragten in der Berufsgruppe der Erzieherinnen und bis zu 988 Personen in den anderen einzelnen Berufsgruppen zurückgegriffen werden. Die untersuchte Gruppe derjenigen mit einer beruflichen Bildung umfasst bis zu 4285 Befragte. Sollte mehr als eine Beobachtung pro Person vorliegen, beschränken sich die Analysen jeweils auf die letzte Beobachtung im Panel.
Darüber hinaus werden in diesem Bericht Daten aus einer Zusatzstichprobe des SOEP, K2ID („Kinder und Kitas in Deutschland“), verwendet. In deren Rahmen wurden Eltern im SOEP, die Kinder in einer Kita hatten, nach der Adresse der Kita gefragt. Die Leitung der Kita-Gruppe, die die Kinder besucht haben, und die Kita-Leitungen wurden in den Jahren 2014 und 2015 anhand spezifischer Fragebögen befragt – in wenigen Fällen wurden die Fragebögen von einer anderen Kita-Fachkraft ausgefüllt.Vgl. Pia Schober et al. (2017): The Early Childhood Education and Care Quality in the Socio-Economic Panel (SOEP-ECEC Quality) Study – K2ID-SOEP Data. DIW Data Documentation Nr. 91 (online verfügbar); und C. Katharina Spieß, Juliane F. Stahl und Pia S. Schober (2020): The Early childhood education and care quality in the Socio-Economic Panel (SOEP-ECEC Quality) study – K2ID-SOEP. Journal of Economics and Statistics, 240(1), 111–120. Unter anderem wurden sie gefragt, wie sie ihre Arbeit erleben. Auf einer 7er-Likert-Skala (von „nie“ bis „immer“) wurde erfragt, ob bestimmte Aussagen zutreffen. Außerdem wurde gefragt, wie oft es in den jeweils zurückliegenden vier Wochen vorkam, dass die Befragten sich gehetzt oder unter Zeitdruck fühlten. Die Antworten wurden auf einer 5er-Likert-Skala (von „nie“ bis „immer“) erfasst. Außerdem wurde eine Vielzahl weiterer Merkmale zur Ausbildung und Arbeitszeit erfasst. Insgesamt beruhen die Analysen auf der Basis dieser Daten je nach Schätzmodell auf 581 bis 587 Kita-Fachkräften. Im Gegensatz zu dem Datensatz auf Basis des SOEP sind alle erfassten Fachkräfte ausschließlich und mit Sicherheit in einer Kindertageseinrichtung aktiv.
Die Vergleiche zwischen Berufsgruppen (und für die Berufsgruppe der Erzieherinnen nach Erwerbsumfang) werden bivariat geschätzt und jeweils der Unterschied zur Berufsgruppe der Erzieherinnen auf seine statistische Signifikanz geprüft.
Die Analysen, die auf den K2ID-SOEP-Daten beruhen, basieren auf multivariaten OLS-Schätzungen, die unterschiedliche Merkmale der pädagogischen Fachkräfte und ihrer Arbeit berücksichtigen und den Zusammenhang mit diesen darstellen.
Auf einer Skala von 0 („ganz und gar unzufrieden“) bis 10 („ganz und gar zufrieden“) bewerten Erzieherinnen die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit mit durchschnittlich 7,3 Punkten. Damit sind sie ähnlich zufrieden wie Sozialpädagoginnen (Abbildung 1). Ihre Arbeitszufriedenheit ist allerdings signifikant höher als die von anderen Beschäftigten mit beruflicher Bildung. Im Gegensatz zu den Analysen früherer Jahre ist die Zufriedenheit mit der Arbeit bei Erzieherinnen aber deutlich und statistisch signifikant geringer als bei Grundschullehrerinnen. Wenig überraschend ist, dass Grundschullehrerinnen deutlich zufriedener mit ihrem Einkommen sind als Erzieherinnen und alle anderen Gruppen. Erzieherinnen sind im Mittel ähnlich zufrieden mit ihrem Einkommen wie Sozialpädagoginnen und Verwaltungsfachfrauen. Am unzufriedensten ist die Gruppe mit allen Ausbildungsberufen (ohne Erzieherinnen). Grundschullehrerinnen sind auch mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben im Allgemeinen zufriedener als Erzieherinnen – in beiden Bereichen unterscheiden sich Erzieherinnen in ihrer Zufriedenheit allerdings nicht signifikant von den anderen Berufsgruppen, was vor einigen Jahren noch anders war. Damals waren Krankenpflegerinnen beispielsweise unzufriedener mit ihrer Gesundheit als Erzieherinnen.
Die beruflichen Belastungen von Erzieherinnen werden im Sinne des Effort-Reward-Imbalance-Modells als berufliche Verausgabungen gemessen (Kasten). „Zeitdruck wegen viel Arbeit“ empfinden 69 Prozent der Erzieherinnen als mäßig bis sehr stark belastend (Tabelle 1). In anderen Berufsgruppen im Bereich Pädagogik und Pflege liegt der Anteil der durch Zeitdruck bei der Arbeit Belasteten allerdings noch höher – der Unterschied zu den Krankenpflegerinnen (90 Prozent mindestens mäßig belastet) ist am größten. Die berufsbezogenen Verausgabungen durch Unterbrechungen und Störungen bei der Arbeit bewerten 74 Prozent der Erzieherinnen als belastend. Dieser Wert ist mit allen anderen Berufen vergleichbar. Das Gefühl, dass die Arbeit mehr geworden ist, wird von 77 Prozent der Erzieherinnen als mäßig bis sehr stark belastend empfunden – hier sind nur Unterschiede zu Grundschullehrerinnen und Krankenpflegerinnen erkennbar, bei denen der Anteil mit 87 Prozent signifikant höher ist.
Anteile derer, die sich mäßig bis sehr stark belastet fühlen, in Prozent
Zeitdruck wegen viel Arbeit | Unterbrechung/Störung bei Arbeit | Arbeit ist mehr geworden | Befragte Personen (absolute Zahl) | |
---|---|---|---|---|
Grundschullehrerinnen | 85*** | 74 | 87** | 256 |
Krankenpflegerinnen | 90*** | 72 | 87** | 341 |
Sozialpädagoginnen | 82** | 79 | 73 | 148 |
Verwaltungsfachfrauen | 71 | 83 | 77 | 243 |
Alle mit beruflicher Bildung1 | 74 | 71 | 78 | 4282 |
Erzieherinnen | 69 | 74 | 77 | 324 |
darunter: | ||||
Mehr als 32 Stunden pro Woche | 70 | 76 | 77** | |
21 bis 32 Stunden pro Woche | 74* | 75 | 87*** | |
Unter 21 Stunden pro Woche | 51 | 59 | 53 |
1 Erwerbstätige Frauen mit berufsqualifizierendem Abschluss exklusive Erzieherinnen.
Anmerkung: Die Sternchen an den Werten bezeichnen das Signifikanzniveau (das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt) des Unterschieds zwischen Erzieherinnen und der jeweils anderen Berufsgruppe beziehungsweise des Unterschieds zwischen Erzieherinnen mit weniger als 21 Arbeitsstunden pro Woche und Erzieherinnen mit anderen Erwerbsumfängen. Je mehr Sternchen, desto genauer: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an.
Quellen: Eigene Berechnungen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP v.36), gewichtete Daten für die Jahre 2011, 2012 und 2016.
Eine differenziertere Analyse der Belastungen nach dem Erwerbsumfang innerhalb der Berufsgruppe der Erzieherinnen zeigt, dass diejenigen mit einer Arbeitszeit von weniger als 21 Wochenstunden am seltensten Belastungen empfinden. Zwischen den Erzieherinnen mit einer mindestens vollzeitnahen Stelle und denen mit einer mittleren Wochenarbeitszeit von 21 bis 32 Wochenstunden existieren keine großen Unterschiede in den berufsbezogenen Verausgabungen. Bemerkenswert ist allerdings, dass der Anteil derjenigen, die sich wegen mehr Arbeit belastet fühlen, insbesondere in der Gruppe mit einem mittleren Erwerbsumfang mit 87 Prozent sehr hoch ist, sogar höher als in der Gruppe mit einer Vollzeittätigkeit.
Das Effort-Reward-Modell gibt auch Auskunft darüber, inwiefern sich Erzieherinnen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen durch fehlende berufliche Belohnungen belastet fühlen. Dazu zählen beispielsweise eine zu geringe Anerkennung von Vorgesetzten, ein gefährdeter Arbeitsplatz oder ein als nicht angemessen empfundener Lohn. Wenn es um das Empfinden von schlechten Aufstiegschancen geht, spüren Erzieherinnen im Vergleich zu den anderen analysierten Berufsgruppen keine höheren Belastungen, lediglich Sozialpädagoginnen weisen mit einem Anteil von 85 Prozent einen statistisch signifikant höheren Wert auf als Erzieherinnen, von denen sich immerhin 75 Prozent mäßig bis sehr stark durch schlechte Aufstiegschancen belastet fühlen (Tabelle 2).
Anteile derer, die sich mäßig bis sehr stark belastet fühlen, in Prozent
Schlechte Aufstiegschancen im Betrieb | Erwartung/Erfahrung einer Verschlechterung der Arbeitssituation | Chancen beruflichen Fortkommens nicht angemessen | Gehalt/Lohn nicht angemessen | Gefährdung des Arbeitsplatzes | Wenig Anerkennung vom Vorgesetzten | Anerkennung nicht angemessen | Befragte Personen (absolute Zahl) | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Grundschullehrerinnen | 79 | 55 | 76 | 77 | 20 | 70 | 72 | 255 |
Krankenpflegerinnen | 81 | 63 | 78 | 84 | 28 | 71 | 77 | 339 |
Sozialpädagoginnen | 85* | 54 | 73 | 83 | 25 | 58 | 63 | 148 |
Verwaltungsfachfrauen | 82 | 47 | 72 | 67** | 17* | 73 | 72 | 242 |
Alle mit beruflicher Bildung1 | 76 | 49 | 72 | 78 | 32 | 65 | 67 | 4251 |
Erzieherinnen | 75 | 52 | 75 | 81 | 25 | 70 | 71 | 326 |
darunter: | ||||||||
Mehr als 32 Stunden pro Woche | 74 | 50 | 74 | 47 | 18** | 71 | 72 | |
21 bis 32 Stunden pro Woche | 79 | 61 | 78 | 57* | 35 | 73 | 71 | |
Unter 21 Stunden pro Woche | 66 | 44 | 74 | 35 | 43 | 54 | 61 |
1 Erwerbstätige Frauen mit berufsqualifizierendem Abschluss exklusive Erzieherinnen.
Anmerkung: Die Sternchen an den Werten bezeichnen das Signifikanzniveau (das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt) des Unterschieds zwischen Erzieherinnen und der jeweils anderen Berufsgruppe beziehungsweise des Unterschieds zwischen Erzieherinnen mit weniger als 21 Arbeitsstunden pro Woche und Erzieherinnen mit anderen Erwerbsumfängen. Je mehr Sternchen, desto genauer: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an.
Quellen: Eigene Berechnungen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP v.36), gewichtete Daten für die Jahre 2011, 2012 und 2016.
52 Prozent der Erzieherinnen belastet die Erwartung oder Erfahrung einer Verschlechterung der Arbeitssituation. Nur bei den Krankenpflegerinnen sind es mit 63 Prozent mehr. Mindestens mäßig belastet dadurch, dass die Chancen des beruflichen Fortkommens nicht angemessen sind, fühlen sich knapp 75 Prozent der Erzieherinnen – bei Krankenpflegerinnen sind es etwas mehr, wobei der Unterschied nicht statistisch signifikant ist.Im Gegensatz zu den Aufstiegschancen im Betrieb beziehen sich die Chancen des beruflichen Fortkommens auf die Branche oder das Berufsfeld im Allgemeinen. Ein aus ihrer Sicht nicht angemessenes Gehalt empfinden Krankenpflegerinnen und Sozialpädagoginnen mit einem Anteil von 84 beziehungsweise 83 Prozent am häufigsten als Belastung, gefolgt von Erzieherinnen mit 81 Prozent. Statistisch signifikant sind die Anteilsunterschiede jedoch nur gegenüber Verwaltungsfachfrauen, bei denen sich mit 67 Prozent relativ betrachtet weniger durch einen unangemessenen Lohn belastet fühlen. Über wenig Anerkennung von dem oder der Vorgesetzten oder auch einer generell nicht angemessenen Anerkennung fühlen sich 70 beziehungsweise 71 Prozent der Erzieherinnen belastet. Bei Sozialpädagoginnen sind diese Anteile geringer, unterscheiden sich aber nicht im statistisch signifikanten Sinne von den Erzieherinnen.
Innerhalb der Gruppe der Erzieherinnen empfinden vollzeitbeschäftigte Erzieherinnen die Gefahr, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, weniger oft (18 Prozent) als belastend als Erzieherinnen mit weniger Wochenstunden (35 beziehungsweise 43 Prozent). 57 Prozent der Erzieherinnen, die 21 bis 32 Stunden arbeiten, fühlen sich außerdem belastet, da sie ihr Arbeitsentgelt als nicht angemessen betrachten – dies sind deutlich mehr als in der Gruppe mit mehr und insbesondere als in der Gruppe der Erzieherinnen mit weniger Arbeitsstunden.
Die subjektive Belastung bei der Erwerbsarbeit kann über den Index abgebildet werden, der die intrinsische Komponente der beruflichen Verausgabungsneigung („Overcommitment“) abbildet. Eine berufliche Verausgabungsneigung bedeutet ein übermäßiges Streben nach Anerkennung in Form von Einstellungen, Verhaltensweisen und Emotionen. Sie kann in einem Gesamtindex und untergliedert in Einzelfaktoren dargestellt werden. Der Gesamtindex zeigt keine großen Unterschiede zwischen Erzieherinnen (38 Prozent) und den anderen untersuchten Berufsgruppen (Tabelle 3): Nur Grundschullehrerinnen fühlen sich mit einem Anteil von 54 Prozent eher beruflich verausgabt. Ein genauerer Blick auf die Gruppe der Erzieherinnen deutet darauf hin, dass die Neigung, sich zu verausgaben, mit dem Erwerbsumfang deutlich und statistisch signifikant steigt: Die Teilzeitbeschäftigten mit bis zu 20 Wochenstunden fühlen sich am wenigsten verausgabt (27 Prozent), gefolgt von Teilzeitbeschäftigten mit 21 bis 32 Wochenstunden (37 Prozent) und Vollzeit(nah)erwerbstätigen (41 Prozent).
Anteile derer, die einer Verausgabungsneigung eher oder voll zustimmen, in Prozent
Insgesamt (aggregiert) | Bei Arbeit unter Zeitdruck | Gedanken an Arbeitsprobleme beim Aufwachen | Abschalten zu Hause fällt schwer | Aufopfern für Beruf | Arbeit geht abends durch Kopf | Schlafprobleme wegen nicht erledigter Arbeiten | Befragte Personen (absolute Zahl) | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Grundschullehrerinnen | 54*** | 49 | 51** | 61** | 63*** | 53** | 45*** | 256 |
Krankenpflegerinnen | 39 | 62*** | 27 | 45 | 44 | 32 | 27 | 341 |
Sozialpädagoginnen | 32 | 53 | 25 | 30** | 29* | 26 | 29 | 148 |
Verwaltungsfachfrauen | 34 | 55** | 30 | 36* | 39 | 23** | 25 | 243 |
Alle mit beruflicher Bildung1 | 36 | 49** | 32 | 42 | 49 | 31 | 25 | 4285 |
Erzieherinnen | 38 | 39 | 36 | 48 | 44 | 38 | 24 | 325 |
darunter: | ||||||||
Mehr als 32 Stunden pro Woche | 41* | 43** | 46** | 50 | 44 | 40 | 24 | |
21 bis 32 Stunden pro Woche | 37 | 38 | 26 | 45 | 51** | 38 | 25 | |
Unter 21 Stunden pro Woche | 27 | 22 | 18 | 43 | 26 | 27 | 26 |
1 Erwerbstätige Frauen mit berufsqualifizierendem Abschluss exklusive Erzieherinnen.
Anmerkung: Die Sternchen an den Werten bezeichnen das Signifikanzniveau (das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt) des Unterschieds zwischen Erzieherinnen und der jeweils anderen Berufsgruppe beziehungsweise des Unterschieds zwischen Erzieherinnen mit weniger als 21 Arbeitsstunden pro Woche und Erzieherinnen mit anderen Erwerbsumfängen. Je mehr Sternchen, desto genauer: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an.
Quellen: Eigene Berechnungen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP v.36), gewichtete Daten für die Jahre 2011, 2012 und 2016.
Auch die Analyse der Einzelfaktoren der beruflichen Verausgabungsneigung zeigt, dass Grundschullehrerinnen die im Vergleich zu Erzieherinnen größere Verausgabungsneigung haben: Sie spüren beispielsweise häufiger Zeitdruck (49 Prozent) – was allerdings auch bei allen anderen Berufsgruppen im Vergleich zu den Erzieherinnen (39 Prozent) der Fall ist. Mit 51 Prozent denken Grundschullehrerinnen beim Aufwachen öfter an Arbeitsprobleme und mit 61 Prozent können sie zudem schwerer abschalten als Erzieherinnen, auch wenn dies bei immerhin 36 beziehungsweise 48 Prozent der Erzieherinnen der Fall ist. Bis auf das „Arbeiten unter Zeitdruck“ sind alle Unterschiede zwischen Grundschullehrerinnen und Erzieherinnen statistisch signifikant. Auf die Unterschiede zu anderen Berufsgruppen trifft dies mehrheitlich nicht immer zu, wenngleich Sozialpädagoginnen und Verwaltungsfachfrauen das Abschalten zu Hause leichter fällt.
Wird der Zusammenhang zwischen den Wochenarbeitsstunden und den Einzelfaktoren der beruflichen Verausgabungsneigung für Erzieherinnen untersucht, bestätigt sich wie beim Gesamtindex, dass die berufliche Verausgabungsneigung vor allem ein Problem von Beschäftigten mit einem mindestens vollzeitnahen Erwerbsumfang ist. Mit einer Ausnahme: Teilzeitbeschäftigte mit 21 bis 32 Wochenstunden opfern sicher eher für den Beruf auf (51 Prozent) als dies bei Teilzeitbeschäftigten mit weniger Stunden und bei Vollzeit(nah)erwerbstätigen der Fall ist.
Die Arbeitszufriedenheit und Belastungen am Arbeitsplatz hängen, wie die Analysen gezeigt haben, vielfach mit dem Erwerbsumfang zusammen. Daraus ließe sich auf der einen Seite ein Veränderungsbedarf bei der Arbeitszeit ableiten, um Belastungen zu reduzieren. Auf der anderen Seite könnte etwa eine Unzufriedenheit mit dem Einkommen mit dem Wunsch verbunden sein, die Arbeitszeit zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend analysiert, inwiefern Beschäftigte in den unterschiedlichen Berufsgruppen ihre Arbeitszeit verändern wollen.
Der Anteil derer, die ihre aktuelle Arbeitszeit verändern möchten, ist unter Erzieherinnen ähnlich hoch wie in anderen Berufsgruppen (Tabelle 4). 16 Prozent der Erzieherinnen würden ihre Arbeitszeit gerne erhöhen – nur die Gruppe aller mit beruflicher Bildung (ohne Erzieherinnen) will mit 24 Prozent deutlich eher ihre Arbeitszeit erhöhen. Den Wunsch, weniger Stunden pro Woche zu arbeiten, haben 32 Prozent der Erzieherinnen.
Anteile in Prozent
Beibehalten | Verringern | Erhöhen | Befragte Personen (absolute Zahl) | |
---|---|---|---|---|
Grundschullehrerinnen | 48 | 32 | 20 | 243 |
Krankenpflegerinnen | 42 | 37 | 21 | 319 |
Sozialpädagoginnen | 49 | 30 | 22 | 226 |
Verwaltungsfachfrauen | 47 | 35 | 18 | 154 |
Alle mit beruflicher Bildung1 | 46 | 30 | 24** | 4147 |
Erzieherinnen | 52 | 32 | 16 | 320 |
darunter: | ||||
Mehr 32 Stunden pro Woche | 54 | 39*** | 7*** | |
21 bis 32 Stunden pro Woche | 48 | 28*** | 24* | |
Unter 21 Stunden pro Woche | 50 | 2 | 48 |
1 Erwerbstätige Frauen mit berufsqualifizierendem Abschluss exklusive Erzieherinnen.
Anmerkung: Die Sternchen an den Werten bezeichnen das Signifikanzniveau (das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt) des Unterschieds zwischen Erzieherinnen und der jeweils anderen Berufsgruppe beziehungsweise des Unterschieds zwischen Erzieherinnen mit weniger als 21 Arbeitsstunden pro Woche und Erzieherinnen mit anderen Erwerbsumfängen. Je mehr Sternchen, desto genauer: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an.
Quellen: Eigene Berechnungen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP v.36), gewichtete Daten für die Jahre 2015 bis 2019.
48 Prozent der Erzieherinnen mit einer Wochenarbeitszeit von weniger als 21 Stunden wünschen sich eine Arbeitszeiterhöhung – hier scheint es also Potenzial zu geben, dem Problem des Fachkräftemangels zu begegnen. Allerdings handelt es sich dabei um eine relativ kleine Gruppe.Dies sind in etwa zehn Prozent der Beschäftigten, vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2018): Bildung in Deutschland 2018. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Wirkungen und Erträgen von Bildung (online verfügbar). Immerhin 39 Prozent derjenigen mit mehr als 32 Stunden Arbeitszeit und 28 Prozent derjenigen mit 21 bis 32 Stunden Erwerbsumfang wünschen sich allerdings eine geringere Wochenarbeitszeit. Insgesamt besteht also eher das Problem, dass viele Fachkräfte ihr Arbeitsvolumen verringern wollen, wenngleich insgesamt immerhin 52 Prozent ihre Arbeitszeit beibehalten wollen.
In weiteren Analysen auf Basis der K2ID-Daten ist es möglich, sich auf Kita-Fachkräfte zu fokussieren (Tabelle 5). Wie sie ihre Arbeit erleben, wird in Modellen erklärt, die unterschiedliche Merkmale der Beschäftigten und ihrer Arbeit berücksichtigen. Im Mittel bewerten die Fachkräfte ihre Arbeit fast immer bis sehr häufig als nützlich: Auf einer Skala von 1 („nie“) bis 7 („immer“) beträgt der Mittelwert 6,5. Die Fachkräfte empfinden ihre Arbeit als umso nützlicher, je höher der Anteil der Arbeit ist, die sie mit Kindern verbringen. Die Begeisterung für die Arbeit sinkt mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit – allerdings steigt sie bei einer sehr langen Beschäftigung auch wieder an. Im Mittel geben die Fachkräfte an, sehr häufig von ihrer Arbeit begeistert zu sein. Fachkräfte mit einem akademischen Abschluss sind von ihrer Arbeit allerdings weniger begeistert als solche mit einem beruflichen Abschluss. Sehr häufig – so gibt der Durchschnitt an – inspiriert die Arbeit die Fachkräfte: Je älter sie sind, desto mehr ist das der Fall. Im Mittel sind sie auch sehr häufig stolz auf ihre Arbeit. Dies sind insbesondere Fachkräfte, die relativ viele Stunden ihrer Arbeitszeit direkt mit Kindern verbringen und solche, die mehr Überstunden machen. Weniger stolz sind diejenigen mit einem akademischen Abschluss oder auch solche mit einer längeren Betriebszugehörigkeit – allerdings gilt auch hier, dass eine sehr lange Betriebszugehörigkeit die befragten Fachkräfte stolzer auf ihre Arbeit sein lässt. Der Durchschnitt aller Fachkräfte empfindet die Arbeit sehr häufig als Herausforderung: Dabei handelt es sich insbesondere um ältere Fachkräfte oder auch Kita-Leitungen. Manchmal bis oft fühlen sie sich im Mittel gehetzt oder unter Zeitdruck – insbesondere Beschäftigte ohne pädagogische Ausbildung oder diejenigen, die mit ihrem Einkommen unzufriedener sind. Solche, die bereits lange in der gegenwärtigen Kita arbeiten, fühlen sich weniger unter Zeitdruck.
Abweichung zum jeweiligen Mittelwert in Punkten auf einer Likert-Skala von 1 (trifft nie zu) bis 7 (trifft immer zu)1
(1) „Meine Arbeit ist nützlich und sinnvoll“ |
(2) „Ich bin von meiner Arbeit begeistert“ |
(3) „Meine Arbeit inspiriert mich“ |
(4) „Ich bin stolz auf meine Arbeit“ |
(5) „Meine Arbeit ist eine Herausforderung für mich“ |
(6) „Wie oft kam es in den letzten vier Wochen vor, dass Sie sich gehetzt oder unter Zeitdruck fühlten?“1 |
|
---|---|---|---|---|---|---|
Mittelwert | 6,5 | 5,8 | 5,6 | 5,9 | 5,7 | 2,6 |
Keine oder andere Berufsausbildung als ErzieherIn | −0,116 | 0,081 | 0,023 | 0,183 | −0,024 | 0,399** |
Universitätsabschluss | −0,109 | −0,257** | −0,210 | −0,403** | −0,251 | 0,019 |
Berufserfahrung derzeitige Einrichtung | −0,020 | −0,043*** | −0,032** | −0,033** | −0,021 | −0,020* |
Berufserfahrung derzeitige Einrichtung (quadriert) | 0,000 | 0,001** | 0,001 | 0,001** | 0,000 | 0,000 |
Alter | −0,001 | 0,006 | 0,014*** | −0,005 | 0,023*** | −0,001 |
Überstunden pro Woche | −0,013 | 0,018 | 0,027 | 0,046** | 0,001 | −0,019 |
Anteil an Arbeitszeit mit Kindern | 0,481** | 0,369 | 0,635* | 0,718** | 0,783* | 0,191 |
Leitungsfunktion in Kita | −0,028 | 0,276 | 0,061 | 0,082 | 0,738** | −0,070 |
Zufriedenheit mit Einkommen | −0,006 | 0,019 | −0,000 | 0,007 | −0,023 | 0,049*** |
Befragte Personen (absolute Zahl) | 587 | 583 | 584 | 581 | 582 | 583 |
1 Der Zeitdruck wurde abweichend auf einer Likert-Skala von 1 (trifft immer zu) bis 5 (trifft nie zu) erfasst.
Anmerkung: Die Sternchen an den Werten bezeichnen das Signifikanzniveau, das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt. Je mehr Sternchen, desto genauer: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an. Zusätzlich zu den angeführten Merkmalen der Erzieherinnen wurden auch das Geschlecht, die Schulbildung (Abitur) und die Arbeitszeit berücksichtigt.
Lesebeispiel: Je mehr ihrer Arbeitszeit pädagogische Fachkräfte direkt mit Kindern verbringen, desto nützlicher und sinnvoller empfinden sie ihre Arbeit. Der Effekt beträgt auf einer Likert-Skala von 1 bis 7 knapp 0,5 Punkte (ausgehend vom Mittelwert 6,5) und ist auf dem Fünf-Prozent-Level signifikant.
Quellen: Eigene Berechnungen auf Basis der Zusatzstichprobe K2ID („Kinder und Kitas in Deutschland“) des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), Daten für die Jahre 2014 und 2015.
ErzieherInnen sind systemrelevant – das hat die Zeit der Corona-Pandemie einmal mehr verdeutlicht. Sie haben für Kinder, Eltern, Familien, die Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes eine große Bedeutung und wichtige Funktion.
Die Analysen in diesem Wochenbericht zeigen, dass Erzieherinnen insbesondere im Vergleich zu Grundschullehrerinnen mit ihrer Arbeit und auch anderen Bereichen weniger zufrieden sind. Sie fühlen sich auch durch ein als nicht angemessen empfundenes Gehalt belastet – daran haben auch die Tariferhöhungen der jüngeren Vergangenheit offenbar nichts geändert. Erzieherinnen fühlen sich am Arbeitsplatz eher verausgabt – allerdings nicht so sehr wie Grundschullehrerinnen oder Krankenpflegerinnen. Mit einer längeren Betriebszugehörigkeit lässt die Begeisterung für die Arbeit eher nach. Auch eine akademische Ausbildung ist mit weniger Begeisterung für die Arbeit verbunden. Akademikerinnen unter den Kita-Fachkräften sind zudem weniger stolz auf ihre Arbeit. Sofern Erzieherinnen keine pädagogische Ausbildung haben, fühlen sie sich eher gestresst oder unter Zeitdruck. Dies zeigt zum einen, dass insbesondere mit Blick auf akademisch ausgebildete Fachkräfte daran gearbeitet werden muss, die Bedingungen so zu schaffen, dass auch sie mehr von ihrer Arbeit begeistert sind. Zum anderen sollten nichtpädagogisch Ausgebildete auf die Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung aufmerksam gemacht werden, da weitergebildetes Personal eine bessere Stressbewältigung an den Tag legt. Multiprofessionelle Teams, in denen Beschäftigte mit einer großen Bandbreite an Qualifikationsniveaus arbeiten, sollten in den Einrichtungen verstärkt etabliert werden, um unterschiedlichen Ausbildungsgruppen adäquate Beschäftigungsfelder zu bietenBisher sind multiprofessionelle Teams nach wie vor eher die Minderheit, vgl. Autorengruppe Fachkräftebarometer (2019), a.a.O. – es sollten unterschiedliche Fachkarrieren möglich sein und aufgezeigt werden.Vgl. Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin und prognos (2020): Kurzstudie: Zukunftsgelder für Erzieherberufe – Fachkarrieren in der frühen Bildung. Es ist zudem ratsam, eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik und den Einsatz bereits bekannter und etablierter Ansätze im Personalbereich endlich auszubauen.Vgl. zum Beispiel Elke K. Klaudy et al. (2016): Nachhaltige Personalwirtschaft für Kindertageseinrichtungen – Herausforderungen und Strategien. Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 336. Insbesondere auch bei der Gewinnung neuer Fachkräfte könnten dies wichtige Ansatzpunkte sein.
Das ist umso wichtiger, als in Zukunft immer mehr Fachkräfte in diesem Berufsfeld gebraucht werden – denn es fehlen weiterhin Plätze im Bereich der Kindertagesbetreuung, zudem soll die Qualität weiter verbessert werden. Dies erfordert mehr Fachkräfte. Auch aufgrund des geplanten Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz für Grundschulkinder werden in diesem Bereich mehr Fachkräfte benötigt. Schätzungen gehen davon aus, dass für den weiterhin notwendigen Ausbau der Angebote für Kinder unter drei Jahren, der Ganztagseinrichtungen für die Drei- bis Sechsjährigen sowie den geplanten Rechtsanspruch auf ganztägige Erziehung, Bildung und Betreuung für Kinder im Grundschulalter bis zum Jahr 2025 bis zu 400000 zusätzliche sozialpädagogische Fachkräfte für das System Kindertagesbetreuung benötigt werden.Vgl. unter anderem Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (online verfügbar, zuletzt abgerufen am 8. Januar 2020) und Angelika Guglhör-Rudan und Christian Alt (2019): Kosten des Ausbaus der Ganztagsgrundschulangebote. Bedarfsgerechte Umsetzung des Rechtsanspruchs ab 2025 unter Berücksichtigung von Wachstumsprognosen, Deutsches Jugendinstitut.
Das Arbeitsfeld sollte also weiterhin attraktiver werden, wenn sich die an dem Beruf Interessierten letztlich auch für diesen entscheiden sollen. Immerhin geben in einer aktuellen Umfrage unter 1000 befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen 24 Prozent an, dass sie sich eine Tätigkeit in der frühen Bildung sehr gut beziehungsweise grundsätzlich vorstellen können. Allerdings zeigt sich auch hier, dass 76 Prozent das Gehalt für das, was in diesem Beruf geleistet wird, als zu gering empfinden und 56 Prozent nur schlechte Aufstiegsmöglichkeiten sehen.Vgl. SINUS (2020): Kindertagesbetreuung und Pflege – attraktive Berufe? Forschungsbericht zu quantitativer und qualitativer Forschung mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 20 Jahren, Heidelberg und Berlin.
Mit der „Fachkräfteoffensive Erzieherin und Erzieher“ will das Bundesfamilienministerium vor diesem Hintergrund einen Impuls für Länder und Träger von Kindertageseinrichtungen setzen, um zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen, bisherige Fachkräfte im Beruf zu halten und deren Kompetenzen zu stärken.Der Bund investiert 160 Millionen Euro für mehr praxisintegrierte vergütete Ausbildungsplätze, für eine gute Ausbildungspraxis mit professioneller Praxisanleitung und neue berufliche Perspektiven mit Aufstiegsbonus. Zusammen mit den Ausgaben des Bundes im Rahmen des „Gute-Kita-Gesetzes“ werden insgesamt 580 Millionen Euro eingesetzt, die Fachkräften im Bereich der frühen Bildung und Betreuung zugutekommen sollen.Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020): System-relevant! Fachkräfte in der Frühen Bildung (online verfügbar). Es ist in der Tat wichtig und richtig, dass sich an dieser Stelle auch der Bund engagiert, denn letztlich geht es um die Ausbildung des Humanpotenzials der Gesellschaft und Volkswirtschaft. Allerdings ist das koordinierte Engagement aller Akteure im Bund, in den Ländern, Kommunen und bei den Trägern gefragt.Vgl. dazu beispielsweise Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (2020): Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung für (sozialpädagogische) Fachkräfte und Lehrende für den Bereich der Kindertagesbetreuung (online verfügbar). Die Empfehlungen (DV 6/19) wurden am 30. April 2020 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet.
Themen: Wohlbefinden, Gesundheit, Familie, Bildung, Arbeit und Beschäftigung
JEL-Classification: J44
Keywords: Day care teacher, child care worker, life satisfaction, well-being
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-19-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/235726