DIW Wochenbericht 19 / 2021, S. 333
Ludovica Gambaro, Erich Wittenberg
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Frau Gambaro, welche Bedeutung haben ErzieherInnen für Familien und die Gesellschaft? ErzieherInnen haben für Eltern und Kinder große Bedeutung und eine wichtige Funktion. Ohne ErzieherInnen wäre die Vereinbarung von Beruf und Familie für viele Eltern sehr schwierig oder sogar kaum möglich. Das hat Auswirkungen auf das Wohlbefinden und das Einkommen der Eltern, insbesondere der Mütter. Ohne die frühkindliche Bildung, für die ErzieherInnen mitverantwortlich sind, wäre es für viele Kinder schwierig, die kognitiven und sozialemotionalen Kompetenzen zu entwickeln, die für das Wohlbefinden und den späteren Schulerfolg wichtig sind. Wir als Gesellschaft sollten die Gesundheit und Bildung von Menschen schätzen, und dazu tragen Berufsgruppen wie ErzieherInnen, LehrerInnen und medizinisches Pflegepersonal bei.
Sie haben sich in Ihrem Bericht auf Erzieherinnen konzentriert, da nach wie vor die überwältigende Mehrheit in diesem Beruf Frauen sind. Wie schätzen diese ihre berufliche Belastung ein und wie zufrieden sind sie mit ihrer Arbeit? Auf einer Skala von null bis zehn wird die Zufriedenheit mit der Arbeit von Erzieherinnen im Mittel mit 7,3 Punkten bewertet. Die berufliche Belastung hat mehrere Dimensionen. Es geht um Verausgabung, aber auch um Belohnung. Erzieherinnen schätzen die Verausgabung als hoch ein. Zwei Drittel fühlen sich unter Zeitdruck und drei Viertel geben an, dass die Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren gestiegen ist.
Was sind die Gründe dafür? Einfach gesagt, zu wenig Anerkennung. Unsere Daten zeigen, dass 81 Prozent der Erzieherinnen sich belastet fühlen, weil sie ihr Gehalt als nicht angemessen empfinden. Generell spüren mehr als zwei Drittel der Erzieherinnen zu wenig Anerkennung. Das gilt auch mit Blick auf die Anerkennung durch Vorgesetzte.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Unzufriedenheit und Bildung oder Alter? Diesen Zusammenhang können wir nur mit einigen subjektiven Arbeitsbewertungen untersuchen. Dabei stellen wir fest, dass Fachkräfte mit einem akademischen Abschluss von ihrer Arbeit weniger begeistert und stolz sind als diejenigen, die keinen akademischen Abschluss haben. Die Begeisterung für die Arbeit sinkt mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit, allerdings steigt sie bei einer sehr langen Beschäftigung auch wieder an.
In welchen Bereichen sind die Probleme am größten? Sowohl monetäre als auch nichtmonetäre Anerkennung ist das größte Problem. Löhne sind wichtig, nicht nur weil sie den Lebensstandard beeinflussen, sondern auch, weil sie eine Botschaft darüber vermitteln, wie sehr eine Arbeit geschätzt wird. Die Arbeitszeiten sind ebenfalls problematisch. Die Hälfte der Erzieherinnen möchte ihre Arbeitszeit nicht ändern, aber mehr als ein Drittel derjenigen, die mehr als 32 Stunden arbeiten, wollen sie verkürzen.
Sind Sozialpädagoginnen, Krankenpflegerinnen und Grundschullehrerinnen zufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen? Erzieherinnen sind insbesondere im Vergleich zu Grundschullehrerinnen mit ihrer Arbeit weniger zufrieden. Sie fühlen sich auch mehr durch ein als nicht angemessen empfundenes Gehalt belastet. Vergleichen kann man das mit Krankenpflegerinnen, die ebenfalls nicht genug Anerkennung wahrnehmen.
Was könnte getan werden, um die Situation von Erzieherinnen zu verbessern? Höhere Löhne und mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung sind unerlässlich, aber wir brauchen auch eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik im Bereich der frühkindlichen Bildung. Angesichts der aktuellen Governance-Struktur brauchen wir das koordinierte langfristige Engagement aller Akteure: von Bund, Ländern, Kommunen und auch den Kita-Trägern.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Wohlbefinden, Gesundheit, Familie, Bildung, Arbeit und Beschäftigung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-19-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/235727