DIW Wochenbericht 22 / 2021, S. 367-375
Franziska Bremus, Franziska Schütze, Aleksandar Zaklan
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„Die Geldpolitik der EZB entfaltet am jungen Markt grüner Anleihen eine vergleichbare Wirkung wie bei konventionellen Bonds. Für eine nachhaltigere Ausrichtung der EZB-Kaufprogramme müssten klimabezogene Risiken stärker in die Bonitätsbewertung für Anleihen einfließen.“ Franziska Bremus, Studienautorin
Der Markt für grüne Anleihen insbesondere aus dem Euroraum ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Mit Blick auf die angestrebten Klimaziele der Europäischen Union ist anzunehmen, dass die Nachfrage nach Bonds, die gezielt nachhaltige Projekte fördern, künftig weiter steigen wird. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) investiert im Rahmen ihrer Kaufprogramme in derartige Anleihen und plant eine Neuausrichtung ihrer Strategie hin zu mehr Nachhaltigkeit. Dieser Wochenbericht untersucht empirisch die Entwicklung des noch jungen grünen Anleihemarktes. Zudem wird beleuchtet, welchen Einfluss EZB-Anleihekäufe im Rahmen des Corporate Sector Purchase Programme (CSPP) und Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) auf die Renditen haben. Es zeigt sich, dass die Anleihekäufe die Finanzierungsbedingungen auch für Emittenten grüner Unternehmensanleihen verbessern. Die Bonitätseinstufung eines Unternehmens ist ein entscheidendes Kriterium dafür, ob seine Anleihen von der EZB gekauft werden dürfen. Daher ist diese Bewertung auch eine wichtige Stellschraube mit Blick auf eine grünere Geldpolitik. Derzeit werden klimabezogene Risiken für Unternehmen nicht ausreichend bei der Bonitätsbewertung berücksichtigt, so dass Vorteile der grünen Anleihen im Vergleich zu konventionellen kaum Beachtung finden. Eine verbesserte Abbildung klimabezogener Risiken in der Bonitätsbewertung wäre aber nicht nur mit Blick auf die Marktstabilität wichtig, sondern könnte auch die Finanzierungsbedingungen für Emittenten grüner Anleihen weiter verbessern.
Der weltweite Markt für grüne Anleihen verzeichnete zuletzt ein starkes Wachstum: von knapp 45 Milliarden Euro an Neuemissionen im Jahr 2015 auf 237 Milliarden Euro im Jahr 2020.Umgerechnet rund 50 und 270 Milliarden US-Dollar, vgl. Climate Bond Initiative (online verfügbar, abgerufen am 22.03.2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Dabei spielte der Euroraum eine bedeutende Rolle: 2020 wurde fast die Hälfte aller neuen grünen Anleihen in Euro begeben. Machten Anleihen aus dem öffentlichen Sektor dabei anfangs noch den Großteil der in Euro begebenen grünen Bonds aus, so wurden diese inzwischen von Unternehmensanleihen überholt. Der Anteil von Neuemissionen grüner Unternehmensanleihen an den insgesamt begebenen Firmenbonds stieg zwischen 2016 und 2020 von unter einem auf 3,5 Prozent.Bloomberg-Daten, eigene Berechnungen. Definition grüner Anleihen gemäß Bloomberg.
Seit Einführung ihres Kaufprogramms für Unternehmensanleihen (Corporate Sector Purchase Programme, CSPP) im Jahr 2016 entwickelte sich die EZB zu einer wichtigen Käuferin am Markt für europäische Unternehmensanleihen. Dies wirft auch die Frage auf, welche Unternehmen und Sektoren von den EZB-Anleihekäufen besonders profitieren. Erste Untersuchungen zeigen einen relativ hohen Anteil an Anleihen von Unternehmen aus emissionsintensiven Sektoren wie der Energieversorgung, dem Transport- und dem Automobilsektor.Für eine erste Analyse vgl. Sini Matikainen, Emanuele Campiglio und Dimitri Zenghelis (2017): The climate impact of quantitative easing. Policy Paper, Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment, London School of Economics and Political Science.
Im Zuge der Corona-Pandemie hat die EZB ihr Anleihekaufprogramm noch einmal deutlich ausgeweitet. Das Pandemie-Kaufprogramm PEPP umfasst sowohl öffentliche Anleihen als auch Unternehmensanleihen. Damit rückt die Frage nach den Auswirkungen eines Wandels zu einer emissionsarmen Wirtschaft sowie den daraus resultierenden Transformationsrisiken der Unternehmen auf das Anleihe-Portfolio der EZB zunehmend in den Fokus.Für eine aktuelle Analyse vgl. Yannis Dafermos et al. (2020): Decarbonising is easy: Beyond market neutrality in the ECB's corporate QE. The New Economics Foundation. London. Mit der politischen Entscheidung für einen Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 ergeben sich bei vielen Unternehmen veränderte Marktbedingungen. Zudem werden sie mit einem erhöhten Investitionsbedarf konfrontiert, wie etwa Änderungen der Produktionsabläufe aufgrund neuer Emissionsvorschriften. Beispielsweise verlieren durch den Übergang zur Elektromobilität künftig die Produktionsanlagen der Hersteller von Verbrennungsmotoren an Wert, sofern sie nicht in gleichem Maße für andere Zwecke nutzbar sind. Werden diese Risiken beim Ankauf von Anleihen durch die EZB nicht berücksichtigt, könnten sich in Zukunft im Portfolio der Zentralbank teils erhebliche Wertminderungen ergeben. Gleichzeitig würden mögliche Vorteile grüner Anleihen gegenüber konventionellen vernachlässigt.
Aktuell überprüft die EZB im Rahmen ihrer Strategierevision den Umgang mit Klima- und Umweltrisiken in verschiedenen Geschäftsbereichen.Vgl. Franziska Bremus, Geraldine Dany-Knedlik und Thore Schlaak (2020): Preisstabilität und Klimarisiken: Was im Rahmen der Strategierevision der Europäischen Zentralbank sinnvoll ist. DIW-Wochenbericht Nr. 12, 238–245 (online verfügbar, abgerufen am 17.03.2021) sowie die Website der EZB (online verfügbar).,Neben der geldpolitischen Strategie umfasst dies auch die Bankenregulierung. Im November 2020 veröffentlichte die EZB bereits einen Leitfaden für Banken zum Umgang mit Klima- und Umweltrisiken (online verfügbar). Darin ist vorgesehen, dass die beaufsichtigten Banken im Jahr 2021 eine Selbsteinschätzung vornehmen, die 2022 von der EZB überprüft wird. Zugleich werden Klimarisiken in den nächsten Stresstest im Jahr 2022 aufgenommen. Die neue Strategie wird für den Herbst 2021 erwartet.
Dieser Bericht gibt zunächst einen Überblick über den wachsenden Markt für grüne Anleihen. Anschließend wird untersucht, wie sich die EZB-Ankäufe von Unternehmensanleihen auf die Finanzierungsbedingungen in diesem neuen Marktsegment ausgewirkt haben.Die empirische Analyse basiert auf Franziska Bremus, Franziska Schütze und Aleksandar Zaklan (2021): The Impact of ECB Corporate Sector Purchases on Corporate Green Bonds. DIW Discussion Paper Nr. 1938 (online verfügbar).
Grüne Anleihen werden von Emittenten des öffentlichen und privaten Sektors begeben mit dem Ziel, klimafreundliche Projekte zu finanzieren.Vgl. auch Claudia Kemfert et al. (2019): Green Finance – The Macro Perspective. DIW Vierteljahreshefte für Wirtschaftsforschung 88 (2), 5–10 (online verfügbar). Der weltweite Markt für grüne Bonds ist im Vergleich zum Markt für konventionelle Anleihen zwar immer noch klein, jedoch in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Die ersten grünen Anleihen wurden 2007 und 2008 von der Europäischen Investitionsbank (EIB) sowie der Weltbank emittiert. 2013 folgten Göteborg als erste StadtVgl. Climate Bonds Initiative (online verfügbar). mit 57 Millionen Euro, der französische Stromerzeuger Electricité de France (EDF)Vgl. EDF-Pressemitteilung vom 20.11.2013 (online verfügbar). und die schwedische Immobilienfirma VasakronanVgl. John Hay (2013): Vasakronan issues ‚first‘ corporate green bond. Global Capital, 18.11.2013 (online verfügbar). als erste Unternehmen mit 1,4 Milliarden beziehungsweise 145 Millionen Euro. Auch die Bundesregierung hat im September und November 2020 erstmals grüne Anleihen ausgegeben, das Gesamtvolumen betrug 11,5 Milliarden Euro.Vgl. Website der Deutschen Finanzagentur (online verfügbar) Damit gehörte Deutschland neben dem US-Immobilienfinanzierer Fannie Mae zu einem der größten Emittenten derartiger Papiere im vergangenen Jahr.Vgl. Climate Bond Initiative. Top 10 largest green bond issuers 2020 (online verfügbar). Gemäß den Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg lag der Anteil grüner Unternehmensanleihen am Emissionsvolumen aller Firmenbonds im Jahr 2016 bei unter einem Prozent. 2020 machten grüne Unternehmensanleihen immerhin schon 3,5 Prozent des insgesamt ausgegebenen Unternehmensanleihevolumens aus.
Laut Climate Bonds Initiative, Entwickler eines anerkannten Standards für grüne Anleihen, erreichte der weltweite Markt für grüne Anleihen im abgelaufenen Jahr mit einem Emissionsvolumen von rund 237 Milliarden Euro einen neuen Höchststand seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 2011.Vgl. Climate Bonds Initiative (online verfügbar). Den größten Teil dieser Emissionen machen grüne Anleihen aus den Vereinigten Staaten aus, gefolgt von Anleihen aus Deutschland, Frankreich und China. Ein Blick auf die Größe der Marktanteile nach Währungen zeigt, dass grüne Anleihen aus dem Euroraum gemessen am kumulierten Emissionsvolumen aktuell den größten Teil des globalen Marktes ausmachen. Im ersten Halbjahr 2020 lag ihr Marktanteil bei rund 40 Prozent, gefolgt von Anleihen in US-Dollar (34 Prozent) und Papieren in chinesischen Yuan (knapp 10 Prozent).Vgl. Website der Climate Bonds Initiative, Werte für 2020H1 (online verfügbar). Seit 2017 hat das jährliche Emissionsvolumen grüner Anleihen im Euroraum schneller zugelegt als der weltweite Markt.
Anleihedaten von Bloomberg zeigen, dass sowohl die Anzahl der in Euro begebenen grünen Anleihen als auch das jährliche Emissionsvolumen in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet wurde (Abbildung 1). Die Anzahl der grünen Anleihen im Euroraum ist demnach seit 2013 von drei auf mehr als 600 gestiegen – und zwar mit zunehmendem Tempo. Während grüne Anleihen zu Beginn des Beobachtungszeitraums hauptsächlich von Emittenten aus dem öffentlichen Sektor begeben wurden, wurde das Marktwachstum in der Folge vor allem durch vermehrte Emissionen grüner Unternehmensanleihen getrieben. Im Jahr 2020 hatten die Anleihen privater Emittenten (Unternehmen und Finanzinstitute) bereits mehr als 80 Prozent der Gesamtanzahl an grünen Bonds im europäischen Markt erreicht.
Mit der Anzahl grüner Anleihen hat auch das Emissionsvolumen deutlich zugenommen. Wurden im Jahr 2013 grüne Anleihen im Umfang von knapp fünf Milliarden Euro begeben, so lag das Volumen im vergangenen Jahr 2020 mit rund 106 Milliarden Euro mehr als 20-mal so hoch. Das kumulierte Volumen grüner in Euro denominierter Anleihen betrug Ende 2020 rund 370 Milliarden Euro.
Über den Zeitraum von 2013 bis 2020 betrachtet war der öffentliche Sektor mit einem durchschnittlichen Marktanteil von 42 Prozent der größte Emittent grüner Anleihen in Euro (Abbildung 2) gefolgt vom Finanzwesen (26 Prozent). Auch in emissionsintensiven Unternehmen wie dem VersorgungssektorDer Versorgungssektor beinhaltet Unternehmen im Bereich der Strom-, Wasser und Gasversorgung. (20 Prozent) und von Industrieunternehmen (fünf Prozent) werden grüne Anleihen zur Finanzierung klimafreundlicher Projekte ausgegeben. Die sektorale Betrachtung des Marktes für grüne Anleihen zeigt, dass gerade emissionsintensive Wirtschaftszweige wie der Versorgungssektor eine wichtige Rolle bei der Ausgabe grüner Anleihen spielen. Dies ist näher betrachtet wenig überraschend, da gerade hier ein hoher Investitionsbedarf in die Dekarbonisierung und daher hohes Potenzial für grüne Anleihen besteht. Laut Schätzungen der EU-Kommission werden bis 2050 jährlich bis zu 235 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen benötigt, der Großteil davon im Bereich der Energieerzeugung, der Gebäudesanierung und dem Transport.Vgl. Impact Assessment der EU-Kommission zur Anhebung des 2030 Klimaziels der EU, Tabelle 12. Szenario inklusive Investitionen in den Transportsektor (online verfügbar). Daher ist es wichtig, die EZB-Anleihekäufe nicht nur mit Blick auf die sektorale Verteilung des emittierenden Unternehmens zu betrachten, sondern auch auf den Anteil der grünen Anleihen. Dabei muss die Zertifizierung der grünen Bonds jedoch glaubwürdig und transparent sein.Kapraun und Scheins (2019) zeigen, dass die Glaubwürdigkeit von grünen Anleihen ein wichtiger Faktor für die Bewertung der Anleihen ist, vgl. Julia Kapraun und Christopher Scheins (2019): (In)-Credibly Green: Which Bonds Trade at a GreenBond Premium? SSRN Scholarly Paper No. ID 3347337 (online verfügbar): Die Glaubwürdigkeit kann vor allem durch gesetzliche Mindeststandards, externe Verifizierung und Überprüfung der Einhaltung sichergestellt werden. Die EU-Kommission arbeitet bereits an einem einheitlichen Standard für grüne Anleihen in der EU, basierend auf der EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Für weitergehende Informationen zur EU-Taxonomie vgl. Franziska Schütze et al. (2020): EU-Taxonomie stärkt Transparenz für nachhaltige Investitionen. DIW Wochenbericht Nr. 51, 973 – 981 (online verfügbar).
Um die wirtschaftliche Erholung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 zu unterstützen, kaufte die EZB zwischen 2009 und 2012 in geringem Umfang Pfandbriefe europäischer Emittenten. 2015 begann sie im Rahmen des Public Sector Purchase Programme (PSPP) mit dem Ankauf von Staatsanleihen im größeren Stil (Abbildung 3). Im März 2016 folgte dann das zu der Zeit größte Kaufprogramm für Unternehmensanleihen weltweit: das Corporate Sector Purchase Programme (CSPP).
Unternehmensanleihen müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen, um im Rahmen des CSPP ankaufbar zu sein: Der Emittent darf nicht dem Finanzsektor angehören und muss in einem Land der Eurozone beheimatet sein. Zudem muss die Anleihe in Euro ausgegeben werden, eine verbleibende Laufzeit von mindestens sechs Monaten und höchstens 30 Jahren haben und von mindestens einer der großen Ratingagenturen mit Investment Grade bewertet worden sein, also eine hohe Kreditwürdigkeit besitzen.Investment Grade umfasst nach der Skala der Rating-Agenturen Standard & Poor‘s und Fitch die Ratings von AAA bis BBB-. Werden diese Anforderungen erfüllt, darf die EZB im Rahmen des Programms neben konventionellen auch grüne Unternehmensanleihen kaufen. Entsprechend des Prinzips der Marktneutralität hat die EZB dies von Anfang an umgesetzt.
In Reaktion auf die Corona-Pandemie und die damit verbundenen wirtschaftlichen Unsicherheiten und Einschränkungen nahm die EZB im März 2020 unter dem PEPP-Programm die Ankäufe zusätzlicher Unternehmensanleihen wieder auf. Die Kriterien zum Kauf sind dabei die des CSPP – mit dem Unterschied, dass nun auch kurzfristige Anleihen mit einer verbleibenden Laufzeit von mindestens 28 Tagen gekauft werden dürfen. Das gilt fortan ebenso für grüne Unternehmensanleihen.
Mit der Expansion des Marktes für grüne Unternehmensanleihen hat seit dem Beginn der Anleihekäufe der EZB auch die Menge der grünen Anleihen zugenommen, die die Ankaufkriterien erfüllen:Die deutliche Zunahme der Ankäufe grüner Anleihen wurde in einem Bulletin der EZB thematisiert, vgl. ECB Economic Bulletin, Issue 7/2018: Roberto A. De Santis et al. (2018): Purchases of green bonds under the Eurosystem’s asset purchase programme (online verfügbar). Für das Jahr 2016 enthält der hier zugrundeliegende Datensatz lediglich 25 grüne Unternehmensanleihen mit einem Emissionsvolumen von acht Milliarden Euro. Im Jahr 2020 waren es 149 Titel mit einem Volumen von knapp 32 Milliarden Euro (Abbildung 4). Damit waren 2020 knapp 30 Prozent der grünen in Euro denominierten Unternehmensanleihen prinzipiell von der EZB ankaufbar. Dieser im Vergleich zu konventionellen Anleihen immer noch geringe Wert rührt unter anderem daher, dass grüne Anleihen des öffentlichen Sektors sowie von Finanzinstituten – zwei bedeutende Akteure in diesem Markt – nicht unter das Kaufprogramm für Unternehmensanleihen fallen.Grüne Anleihen des öffentlichen Sektors können jedoch unter dem Public Sector Purchase Programm (PSPP) gekauft werden. Außerdem verfügt etwa ein Drittel der grünen Anleihen realwirtschaftlicher Unternehmen im vorliegenden Datensatz nicht über das notwendige Investment-Grade-Rating.
Im Folgenden wird mittels eines Differenz-von-Differenzen-Ansatzes (Kasten) untersucht, ob und inwiefern sich die beiden EZB-Anleihekaufprogramme CSPP und PEPP auf die Finanzierungsbedingungen am Markt für grüne Unternehmensanleihen auswirken.Vgl. Bremus, Schütze und Zaklan (2021), a.a.O. Hierbei werden im Rahmen einer Regressionsanalyse Renditen von grünen Unternehmensanleihen, die unter die EZB-Kaufprogramme fallen, mit Renditen von grünen Anleihen in Euro verglichen, für die das nicht zutrifft. Dabei werden zwei Kontrollgruppen betrachtet:Vgl. Bremus, Schütze und Zaklan (2021), a.a.O. für eine weiterführende Analyse zweier zusätzlicher Vergleichsgruppen: grüne Anleihen, die in US-Dollar beziehungsweise schwedischen Kronen ausgegeben wurden.
Die in diesem Wochenbericht präsentierten Schätzergebnisse beruhen auf dem Differenz-von-Differenzen-Ansatz. Dieser DvD- Ansatz ist eine empirische Annäherung an ein idealtypisches Experiment. Für die Analyse des Effekts von EZB-Anleihekäufen auf die Renditen ankaufbarer Anleihen würde ein ideales Experiment die Renditen einer Gruppe ankaufbarer Anleihen mit Renditen derselben Gruppe von Anleihen in einem hypothetischen Zustand ohne das EZB-Kaufprogramm vergleichen. Da ein solches idealtypisches Experiment in der Realität nicht umsetzbar ist, müssen in empirischen Analysen die hypothetischen (auch: kontrafaktischen) Renditen von ankaufbaren Anleihen im Zustand ohne EZB-Programme angenähert werden. Dazu dienen die Renditen von Anleihen, die nicht von der EZB ankaufbar, jedoch trotzdem mit ankaufbaren Anleihen vergleichbar sind.
Beim DvD-Ansatz werden also grundsätzlich zwei Gruppen verglichen, die Behandlungs- und die Kontrollgruppe. Die Behandlungsgruppe ist von einer Intervention betroffen, im vorliegenden Fall von der Ankündigung eines der EZB-Ankaufprogramme. Die Kontrollgruppe ist nicht vom Politikeingriff betroffen und dient als Annäherung an die Behandlungsgruppe für den hypothetischen Fall, dass die Intervention nicht stattgefunden hätte. Die Zulässigkeit der gewählten Kontrollgruppe wird statistisch über die parallele Entwicklung der Renditen in beiden Gruppen vor der EZB-Intervention ermittelt.
Die Regressionsanalyse im Rahmen des DvD-Ansatzes (Abbildung Kasten) schätzt den kausalen Effekt des EZB-Kaufprogramms als die Differenz zwischen den Differenzen in den Renditen der beiden Gruppen, vor und nach der Ankündigung des EZB-Programms. Die gestrichelte Linie in der Abbildung zeigt den hypothetischen Zustand – im vorliegenden Fall die hypothetischen Renditen – der Behandlungsgruppe ohne die Politikintervention. Zur Annäherung an diesen hypothetischen Zustand der Behandlungsgruppe wird die Kontrollgruppe genutzt. Hierbei ist die parallele Entwicklung der Trends zwischen den beiden Gruppen entscheidend.
1. Grüne Anleihen, die von Unternehmen aus dem Finanzsektor ausgegeben wurden. Diese Wertpapiere sind aufgrund der sektoralen Zugehörigkeit ihrer Emittenten im Rahmen der EZB-Programme nicht ankaufbar.
2. Grüne Anleihen, die von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ausgegeben wurden, jedoch nicht mit Investment Grade eingestuft sind, und daher auch nicht von der EZB gekauft werden dürfen.
Eine Gegenüberstellung durchschnittlicher Renditen der für die Ankaufprogramme zugelassenen Anleihen und der Kontrollgruppen verdeutlicht, dass die Durchschnittsrenditen von Behandlungs- und Kontrollgruppen vor der Ankündigung von CSPP beziehungsweise PEPP grundsätzlich parallel verlaufen. Somit ist eine wesentliche Anforderung an eine Differenz-von-Differenzen-Analyse erfüllt (Abbildung 5). Die Durchschnittsrendite der nicht ankaufbaren grünen Unternehmensanleihen lag kurz vor der Ankündigung des CSPP mit knapp fünf Prozent aufgrund des schlechteren Ratings deutlich höher als die durchschnittliche Rendite der zum Kauf zugelassenen grünen Unternehmensanleihen von gut einem Prozent. Im Gegensatz dazu waren die Renditen der grünen Anleihen von Finanzinstituten mit etwa 0,7 Prozent zum Zeitpunkt der Ankündigung des CSPP niedriger als die der ankaufbaren grünen Unternehmensanleihen. Es ist zu beobachten, dass die Renditen von ankaufbaren grünen Unternehmensanleihen sowohl bei der Ankündigung des CSPP im März 2016 als auch zu Beginn der Ankäufe im Juni 2016 gesunken sind und sich denen von Finanzinstituten angeglichen haben. Dieser deskriptive Befund deutet darauf hin, dass die zusätzliche Nachfrage der EZB nach grünen Anleihen die Finanzierungsbedingungen für Emittenten kaufberechtigter Anleihen verbessert hat.
Die Differenz der Renditen der im Rahmen des PEPP ankaufbaren grünen Unternehmensanleihen im Vergleich zu denselben Kontrollgruppen ist zum Zeitpunkt der Ankündigung des PEPP Mitte März 2020 und der unmittelbar danach beginnenden Anleihekäufe Ende März 2020 qualitativ vergleichbar zum Jahr 2016. Weiterhin liegen die durchschnittlichen Renditen der nicht unter das Kaufprogramm fallenden grünen Unternehmensanleihen wie schon beim CSPP außerhalb des Finanzsektors deutlich höher als die Renditen ankaufbarer Unternehmensanleihen. Die Renditen von grünen Anleihen aus der Finanzbranche liegen hingegen darunter. Im Gegensatz zur früheren Periode ist der durch Corona verursachte Schock auf den Anleihenmärkten deutlich sichtbar. Das PEPP wurde angekündigt, als viele europäische Länder, unter anderem Deutschland, im Zuge der ersten Corona-Infektionswelle Ausgangsbeschränkungen erließen oder ankündigten. In allen drei Untersuchungsgruppen steigen die durchschnittlichen Renditen daher rapide an, bevor sie im April 2020 wieder sanken.
Die empirische Analyse der Renditen grüner Anleihen zeigt, dass sich die Anleihekäufe der EZB auf die Finanzierungsbedingungen ankaufbarer Anleihen auswirken. Die Ankündigung sowohl des CSPP als auch des PEPP senkt die Renditen ankaufbarer grüner Unternehmensanleihen im Vergleich zu nicht ankaufbaren grünen Unternehmensanleihen und verbessert dadurch die Finanzierungsbedingungen der zugrundeliegenden Investitionsprojekte. Dadurch steigt aus Sicht emittierender Unternehmen auch die Attraktivität des Euroraumes als Basis für künftige Platzierungen grüner Anleihen.
Jedoch sind die Wirkungen beider EZB-Programme heterogen. Das CSPP hat keinen signifikanten Effekt auf die Renditen ankaufbarer grüner Unternehmensanleihen im Vergleich zu nicht ankaufbaren (Abbildung 6). Im Gegensatz dazu reduziert das CSPP die durchschnittliche Rendite von ankaufbaren grünen Unternehmensanleihen gegenüber grünen Anleihen von Finanzinstituten um rund 30 Basispunkte. Dieses Ergebnis legt nahe, dass Investoren durch die zusätzliche Nachfrage der EZB nach grünen Anleihen hoher Bonität ihre Portfolios zumindest teilweise in Richtung nicht ankaufbarer Unternehmensanleihen umgeschichtet haben – trotz oder gerade wegen der höheren Risikoprämien (und damit Renditen) dieser Anleihen.Für detailliertere Informationen und Ergebnisse zu Portfolioumschichtungen von Investoren nach Anleihekäufen von Zentralbanken vgl. zum Beispiel Nordine Abidi und Ixart Miquel-Flores (2018): Who Benefits from the Corporate QE? A Regression Discontinuity Design Approach. SSRN Scholarly Paper No. ID 2914911 (online verfügbar), Arvind Krishnamurthy und Annette Vissing-Jorgensen (2011): The effects of quantitative easing on interest rates: Channels and implications for policy. NBER Working Paper No. 17555 (online verfügbar) und Andrea Zaghini (2019): The CSPP at work: Yield heterogeneity and the portfolio rebalancingchannel. Journal of Corporate Finance 56, 282–297. Diese Einschätzung wird von einer weiterführenden Analyse der Wirkungsdauer unterstützt. Es kann kein langfristiger Effekt des CSPP auf die Renditen von ankaufbaren Unternehmensanleihen im Vergleich zu nicht ankaufbaren festgestellt werden. Im Gegensatz dazu bleiben die Renditen ankaufbarer Unternehmensanleihen im Vergleich zu Anleihen aus dem Finanzsektor für etwa ein halbes Jahr nach Ankündigung des CSPP merklich geringer.Vgl. Bremus, Schütze und Zaklan (2021), a.a.O. Insgesamt weisen die Ergebnisse für grüne Anleihen in eine ähnliche Richtung wie die Befunde zu den Auswirkungen der EZB-Anleihekäufe auf die Renditen konventioneller Anleihen: Verschiedene Studien zeigen, dass die Renditen ankaufbarer Unternehmensanleihen nach der Ankündigung des CSPP im Vergleich zu Anleihen, die die EZB-Kriterien nicht erfüllen, um 20 bis 30 Basispunkte zurückgehen.De Santis et al. (2018): The impact of the corporate sector purchase programme on corporate bond markets and the financing of euro area non-financial corporations. Economic Bulletin Articles 3 (online verfügbar), Karamfil Todorov (2020): Quantify the quantitative easing: Impact on bonds and corporate debt issuance. Journal of Financial Economics 135 (2), 340–358. Grüne Anleihen zeigen demnach vergleichbare Marktreaktionen wie konventionelle Anleihen – trotz ihres noch geringen Marktanteils und ihrer speziellen Ausrichtung auf Nachhaltigkeit.
Die empirische Analyse der Wirkung des PEPP auf die Renditen zeigt, dass die Anleihekäufe der EZB im Jahr 2020 ebenfalls die Finanzierungsbedingungen ankaufbarer grüner Unternehmensanleihen verbessert haben. So sinken ihre Renditen aufgrund des PEPP sogar um fast 80 Basispunkte im Vergleich zu nicht ankaufbaren Unternehmensanleihen. Dieser Effekt bleibt für etwa ein halbes Jahr nach Ankündigung des PEPP erkennbar.Vgl. Bremus, Schütze und Zaklan (2021), a.a.O. Im Gegensatz dazu hat das PEPP keinen signifikanten Einfluss auf Renditen ankaufbarer grüner Unternehmensanleihen im Vergleich zu nicht ankaufbaren grünen Anleihen von Finanzinstituten. Investoren waren nach dem durch die Corona-Pandemie bedingten Schock möglicherweise weniger bereit, ihr Portfolio zu Gunsten nicht ankaufbarer Unternehmensanleihen umzuschichten – also in grüne Firmenbonds geringerer Bonität – als bei der Einführung des CSPP.
Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass Investoren grüner Anleihen in der Zeit der Auflage des CSPP bereit waren, ihre Portfolios auf der Suche nach einer höheren Rendite in riskantere grüne Unternehmensanleihen mit geringerer Bonität umzuschichten.
Diese Bereitschaft war im Jahr 2020 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie geringer und Investoren wählten als Ausweichoption nach dem Beginn der EZB-Ankäufe eher Titel des Finanzsektors, die überwiegend eine hohe Bonitätseinstufung hatten. 2020 dürfte also das Sicherheitsmotiv der Investoren eine stärkere Rolle gespielt haben als die Suche nach Rendite.
Die vorliegende empirische Untersuchung zeigt, dass der europäische Markt für grüne Anleihen in den vergangenen Jahren deutlich expandierte. Gleichzeitig haben EZB-Kaufprogramme für Unternehmensanleihen die Finanzierungsbedingungen für grüne Firmenbonds im Euroraum verbessert. Dadurch gewinnt der europäische Markt grüner Anleihen für Emittenten weiter an Attraktivität. Während in den Monaten nach der Ankündigung der Anleihekäufe aufgrund der zusätzlichen Nachfrage durch die EZB die Renditen ankaufbarer grüner Unternehmensanleihen zurückgegangen sind, nähern sich die Renditen von ankaufbaren und nicht ankaufbaren grünen Anleihen im späteren Verlauf an. Grundsätzlich entfalten die Anleihekäufe der EZB durch sinkende Renditen eine positive Wirkung auf die Finanzierungsbedingungen für Emittenten grüner Unternehmensanleihen. Gleichzeitig legen die Ergebnisse nahe, dass für Investoren im von hoher Unsicherheit geprägten Jahr 2020 das Sicherheitsmotiv eine größere Rolle spielte als das Streben nach Rendite.
Die Ergebnisse spielen auch eine wichtige Rolle in der aktuellen Diskussion über eine grünere Ausrichtung der Geldpolitik der EZB. Will sich die EZB stärker in Richtung Nachhaltigkeit orientieren, sollte dies mit einer Anpassung der Bonitätsanforderungen an ankaufbare Anleihen einhergehen. Um im Zuge der immer mehr an Bedeutung gewinnenden klimabezogenen Risiken eine Wertminderung durch Ausfälle der von ihr gekauften Anleihen zu vermeiden, sollte sie ihre Bonitätseinstufung vor allem bei langlaufenden Unternehmensanleihen im grünen als auch im konventionellen Bereich auf den Prüfstand stellen. Ähnlich wie bei der Bewertung von klimabezogenen Risiken für die Preis- und Finanzstabilität ist es auch mit Blick auf die Anleihekäufe der EZB von großer Bedeutung, dass derartige Risiken bei der Bewertung der Bonität angemessen berücksichtigt werden.Die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) hat Empfehlungen für klimabezogene Informationen entwickelt, die es dem Finanzsektor ermöglichen sollen, die Exponiertheit gegenüber klimabezogenen Risiken besser zu verstehen (online verfügbar). Bei einer entsprechenden Anpassung der Ankaufkriterien – oder der Anforderungen an Rating-Agenturen – könnte beispielsweise ein gewisser Anteil aktuell ankaufbarer konventioneller Anleihen bei adäquater Berücksichtigung von klimabedingten Risiken die Kaufberechtigung verlieren.Für detaillierte Untersuchungen und weiterführende Politikempfehlungen vgl. Romain Svartsman et al (2020): Central banks, financial stability and policy coordination in the age of climate uncertainty: a three-layered analytical and operational framework. Climate Policy (online verfügbar), Dirk Schoenmaker (2020): Greening monetary policy. Climate Policy (online verfügbar) und Dafermos et al (2020), a.a.O. Um die genauere Abschätzung solcher Risiken voranzutreiben, sollten die Anforderungen an Emittenten zur Transparenz und Offenlegung klimabezogener Daten, zum Beispiel von Emissionsdaten und -zielen, als zusätzliche Bedingung aufgenommen werden.Die Anforderungen an die nicht-finanziellen Berichterstattung von Unternehmen in der Europäischen Union wird aktuell überarbeitet, siehe NFRD-Richtlinie (online verfügbar). Eine wichtige Rolle soll dabei auch die EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten spielen, vgl. Schütze et al. (2020), a.a.O. Dies ist sowohl für die EZB als auch für andere Finanzmarktakteure bei der Risikobewertung ihrer Investitionsentscheidungen von großer Bedeutung.
Themen: Unternehmen, Klimapolitik, Geldpolitik, Finanzmärkte, Europa
JEL-Classification: E52;E58;G12;G18;Q54
Keywords: green bonds, bond yields, monetary policy, corporate sector purchase programme (CSPP), pandemic emergency purchase programme (PEPP)
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-22-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/235735