Direkt zum Inhalt

EZB sollte Klimarisiken stärker in den Fokus nehmen: Interview

DIW Wochenbericht 22 / 2021, S. 376

Aleksandar Zaklan, Erich Wittenberg

get_appDownload (PDF  82 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.84 MB)

Herr Zaklan, was genau versteht man unter grünen Anleihen? Es handelt sich um Anleihen, mit denen sich Unternehmen oder auch die öffentliche Hand Geld am Finanzmarkt leihen, um bestimmte nachhaltige Projekte umzusetzen. Bei einem Unternehmen wären das beispielsweise Investitionen in emissionssenkende Maßnahmen.

Wie hat sich der Markt für diese Anleihen entwickelt? Der Markt ist sehr stark gewachsen. So hatten wir 2013 im Euroraum ein Ausgabevolumen von rund fünf Milliarden Euro, 2020 hat sich das verzwanzigfacht. Wir sind also bei 106 Milliarden Euro an grünen Anleihen, die im vergangenen Jahr im Euroraum ausgegeben wurden. Diese Entwicklung ist weltweit zu verzeichnen, allerdings geht Europa sogar noch etwas stärker voran.

Die Europäische Zentralbank (EZB) investiert im Rahmen verschiedener Programme in grüne Anleihen. Welche Gründe und welche Strategie stecken dahinter? Diese Anleihekaufprogramme wurden ursprünglich im Zusammenhang mit der Eurokrise aufgelegt. Zu Beginn wurden öffentliche Anleihen gekauft, im Jahr 2016 ging die EZB dazu über, auch Unternehmensanleihen aufzukaufen. Dieses Kaufprogramm hieß Corporate Sector Purchase Programme (CSPP) und hatte das Ziel, für Unternehmensanleihen, die bestimmte Kriterien erfüllten und dabei eine hohe Bonität aufwiesen, eine zusätzliche Nachfrage durch die EZB zu generieren. Das Programm an sich war zwar nicht speziell für grüne Anleihen konstruiert, dennoch profitierten grüne Anleihen ebenfalls davon. Im Zuge der Coronakrise im Jahr 2020 gab es dann im Prinzip eine Neuauflage im Rahmen des Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP).

Wie stark profitieren grüne Anleihen von den Kaufprogrammen der EZB? Sie profitieren mehr oder weniger genauso stark wie konventionelle Anleihen, die keinen besonderen grünen Fokus haben. Das ist aus unserer Sicht bemerkenswert, weil dieser Markt noch klein ist und noch in den Kinderschuhen steckt. Trotzdem scheinen die Finanzmärkte schon recht großes Vertrauen in dieses Marktsegment zu haben und reagieren ähnlich wie beim allgemeinen Anleihemarkt auf die Käufe der EZB. Die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, die in der Eurozone grüne Anleihen ausgeben, haben sich durch diese EZB-Programme verbessert.

Welche Auswirkungen haben die Kaufprogramme der EZB auf die Renditen für grüne Anleihen? Unsere Untersuchung hat ergeben, dass die Kaufprogramme der EZB die Renditen senken. Durch die Ankäufe der EZB entsteht zusätzliche Nachfrage für grüne Anleihen wie auch für andere ankaufbare Anleihen, so dass die Preise steigen. Weil die Preise steigen, sinken im Umkehrschluss die Renditen dieser Anleihen. Das ist gut für Unternehmen, die sich überlegen, grüne Anleihen auszugeben, weil sie geringere Zinszahlungen aufbringen müssen.

Hat die EZB mit den Kaufprogrammen den Weg in Richtung einer grüneren Geldpolitik eingeschlagen oder bedarf es dafür noch weiterer Maßnahmen? Aus unserer Sicht sollte die EZB im Rahmen ihrer aktuellen Strategieüberprüfung überlegen, wie man Klimarisiken in den Bonitätskriterien am besten abbilden kann. Im Moment bekommt eine konventionelle Anleihe möglicherweise dasselbe Rating wie eine grüne Anleihe, doch unter den aktuellen Parametern der Klimapolitik könnte zum Beispiel eine Produktionsanlage für Verbrennungsmotoren in Zukunft weniger wert sein als eine für Elektromotoren. Die EZB holt sich ein gewisses Risiko in ihr Portfolio, wenn sie diesen Unterschied nicht beachtet. Im Moment tut sie das nicht ausreichend und wir argumentieren, dass die EZB hier unterscheiden sollte, um einerseits Portfoliorisiken zu vermindern und auch etwas stärker grüne Elemente in die Geldpolitik zu bringen.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Aleksandar Zaklan
EZB sollte Klimarisiken stärker in den Fokus nehmen - Interview mit Alexsandar Zaklan

keyboard_arrow_up