DIW Wochenbericht 26 / 2021, S. 443-452
Xi Sun, Frederik Lettow, Karsten Neuhoff
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„Plastik verursacht nicht nur bei der Produktion erhebliche Treibhausgasemissionen: Etwa zwei Drittel des Kunststoffabfalls werden aktuell mit hohem CO2-Ausstoß verbrannt. Die Klimaziele können nur erreicht werden, wenn ein deutlich höherer Anteil wiederverwertet wird.“ Xi Sun
Deutschland will bis 2045, Europa bis 2050 klimaneutral werden. Um dieser Herausforderung begegnen zu können, ist es erforderlich, sich stärker in Richtung einer Kreislaufwirtschaft zu orientieren: Abfallvermeidung, Wiederverwendung und Recycling helfen dabei, primäre Ressourcen und die Emissionen bei der Produktion von Grundstoffen wie Stahl, Zement und Kunststoff einzusparen. Ohne dies, allein durch eine Umstellung der Produktion auf klimaneutrale Prozesse, entstünden erhebliche Kosten und ein sehr hoher Bedarf an erneuerbarer Energie. Dazu bedarf es jedoch geeigneter Politikmaßnahmen. So sollten Klimakosten vollständig in den Grundstoffpreisen berücksichtigt werden und mithilfe von Standards und Anreizen die Recycelbarkeit von Produkten sichergestellt werden. Zudem sollte das Verbraucherbewusstsein durch zuverlässige Informationen über Umweltauswirkungen gestärkt und Investitionen in eine verbesserte Recyclinginfrastruktur angeregt werden. Für die effektive Umsetzung dieser Maßnahmen sind klare Ziele und eine Festlegung von Verantwortlichkeiten notwendig.
70 Prozent der industriellen Treibhaugasemissionen fallen bei der Herstellung von Grundstoffen (Stahl, Zement und Kunststoff) an.Vgl. Internationale Energieagentur (2021): Net Zero by 2050: A Roadmap for the Global Energy Sector (online verfügbar, abgerufen am 24. Juni 2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Im Grundstoffsektor ist ein Umstieg auf klimaneutrale Herstellungsprozesse zwar möglich, aber mit hohen Kosten und einem erheblichen Energiebedarf verbunden.Vgl. Olga Chiappinelli et al. (2021): A green COVID-19 recovery of the EU basic materials sector: identifying potentials, barriers and policy solutions. Climate Policy, 1–19 (online verfügbar). Deswegen spielen Strategien für eine erhöhte Materialeffizienz und der Umbau hin zu einer Kreislaufwirtschaft, also mehr Abfallvermeidung, Wiederverwendung und Recycling, in langfristigen Szenarien etwa der EU oder der Internationalen Energieagentur (IEA) zur Klimaneutralität bis 2050 auch eine entscheidende Rolle.Vgl. Europäische Kommission (2020): Impact Assessment on Stepping up Europe’s 2030 climate ambition (online verfügbar); Internationale Energieagentur (2021), a.a.O.
Für die stärkere Ausrichtung auf eine Kreislaufwirtschaft ist jedoch ein Paket von Maßnahmen notwendig, für das ein geeigneter europäischer Rahmen genauso wichtig ist wie die nationale Umsetzung. Mitte Juli 2021 wird die Europäische Kommission das Fit-for-55-Maßnahmenpaket vorstellen, mit dem der EU-Emissionshandel reformiert werden soll.Im Rahmen des Fit-for-55-Pakets will die EU-Kommission Gesetzesänderungen in verschiedenen Politikbereichen vorschlagen, mit denen das erhöhte Klimaziel für 2030 von 55 Prozent Emissionsminderung im Vergleich zu 1990 erreicht werden soll. Es ist allerdings noch unklar, ob mit den Maßnahmen eine effektive Einpreisung der Klimakosten bei der Herstellung und Nutzung von Grundstoffen erreicht werden kann. Vgl. EU-Kommission (2020): Arbeitsprogramm der Kommission für 2021 (online verfügbar). Dabei ist wichtig, dass der CO2-Preis effektive Anreize für Materialeffizienz und Recycling schafft. Für Ende des Jahres 2021 ist darüber hinaus ein Maßnahmenpaket für nachhaltige Produkte angekündigt, welches die Chance bietet, viele der notwendigen Rahmenbedingungen für einen klimaneutralen und ressourceneffizienten Grundstoffsektor zu schaffen.Vgl. Europäische Kommission (2021): Sustainable Products Initiative (online verfügbar).
Auch auf nationaler Ebene stehen wichtige Aufgaben für die Bundesregierung an. Bisher stehen Maßnahmen im Vordergrund, mit denen klimaneutrale Produktionsprozesse in der Schwerindustrie gefördert werden. Dies sollte durch Maßnahmen zur Abfallvermeidung und Wiederverwertung ergänzt werden. Dazu können sowohl die Formulierung von Zielen im Klimaschutzgesetz wie auch konkrete Maßnahmen beitragen. So wird die Bundesregierung bis zum 1. Januar 2022 über weitergehende Anforderungen an die Ausrichtung der Entgelte der dualen Systeme an der Recycelbarkeit entscheiden müssen.Verpackungsgesetz § 21 Absatz 4.
Diese Fragestellungen werden im Folgenden am Beispiel von Kunststoffverpackungen untersucht, die derzeit am Ende ihrer Nutzung zu etwa zwei Dritteln verbrannt und nicht recycelt werden (Abbildung 1).Von dem bei Endverbrauchern anfallenden Kunststoffabfall werden 61 Prozent energetisch verwertet, hinzu kommen sechs Prozent aus Verlusten beim Recyclingprozess, von denen angenommen wird, dass diese ebenfalls verbrannt werden. Vgl. Conversio Market & Strategy (2020): Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2019. Kurzfassung der Studie (online verfügbar). Es zeigt sich, dass zwar ein großes ungenutztes Potenzial für ein verstärktes und hochwertigeres Recycling besteht, aber die Hürden dafür recht hoch sind. Sie zu überwinden bedarf es konkreter politischer Maßnahmen, die allerdings nicht nur die Rolle des Recyclings stärken können, sondern auch dazu geeignet sind, Einsparungen von Verpackungen sowie eine stärkere Nutzung von Mehrwegsystemen anzuregen.
Eine Kreislaufwirtschaft bezeichnet ein regeneratives System, in dem der Ressourceneinsatz, die Entstehung von Abfall und Emissionen sowie Energieverluste durch das Schließen und die Verlangsamung von Materialkreisläufen minimiert werden.Vgl. Martin Geissdoerfer et al. (2017): The Circular Economy – A new sustainability paradigm? Journal of cleaner production, 757–768 (online verfügbar). Dafür ist eine Verlängerung der Lebensdauer von Produkten, eine verstärkte Wiederverwendung, zum Beispiel in Mehrwegsystemen, sowie eine erhöhte Materialeffizienz erforderlich. Grundstoffe werden dann statt aus neuen Ressourcen zu einem immer größeren Anteil aus Abfallströmen wiedergewonnen (wiederverwendet oder recycelt). Das spart Energie und Emissionen.So werden für das Recycling von Aluminium, Stahl und Kunststoffen jeweils nur etwa drei Prozent, 26 Prozent beziehungsweise 30 Prozent der Energie herkömmlicher Primärprozesse benötigt. Vgl. Chiappinelli et al. (2021), a.a.O. Bei Kunststoffen werden so nicht nur die knapp zwei Tonnen CO2-Emissionen während der Primärproduktion eingespart – beziehungsweise die andernfalls mit klimaneutralen Prozessen verbundenen hohen Kosten und Bedarfe an erneuerbaren Energien – sondern auch weitere 2,7 Tonnen CO2, die bei der Verbrennung von einer Tonne Kunststoffabfall entstehen.Zusätzlich können Emissionen bei der Produktion von fossilen Rohstoffen anfallen. Vgl. Material Economics (2019): Industrial Transformation 2050: Pathways to Net-Zero Emissions from EU Heavy Industry (online verfügbar). Insgesamt leistet die verringerte Nutzung von Ressourcen auch einen Beitrag zur Reduktion von Risiken für Biodiversität und Belastungen von Luft, Wasser und Flächennutzung.Gleichzeitig können so Kosten gespart, lokale Arbeitsplätze geschaffen und die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten verbessert werden. Vgl. etwa Paul Ekins et al. (2019): The Circular Economy: What, Why, How and Where (online verfügbar); Ellen MacArthur Foundation und Material Economics (2019): Completing the Picture: How the Circular Economy tackles Climate Change (online verfügbar); International Resource Panel (2020): Resource Efficiency and Climate Change: Material Efficiency Strategies for a Low-Carbon Future. UNEP Report (online verfügbar).
Dieses Potenzial wird derzeit jedoch unzureichend genutzt. Nicht nur werden in Deutschland weniger als 20 Prozent des bei Endverbrauchern anfallenden Kunststoffabfalls tatsächlich recycelt,Vgl. Conversio Market & Strategy (2020), a.a.O. sondern auch die Qualität recycelter Kunststoffe ist zumeist gering. So kann ein Großteil des aus Abfallströmen recycelten Kunststoffs (Rezyklate) nur in minderwertigen Anwendungen wie Rohren oder Blumentöpfen eingesetzt werden. Bei dem für Kunststoffverpackungen verwendeten Material betrug der Anteil von Rezyklaten im Jahr 2019 dagegen nur elf Prozent. Um die von der EU festgelegten Recyclingziele für Kunststoffverpackungen zu erreichen, müssen die Recycling-Anstrengungen deutlich erhöht werden.Die Ziele legen fest, dass bis 2025 50 und bis 2030 55 Prozent des Kunststoffverpackungsabfalls recycelt werden soll. Während die Daten für 2018 darauf hindeuten, dass Deutschland nur drei Prozentpunkte von dem Ziel für 2025 entfernt ist, wird sich der Abstand wahrscheinlich auf mehr als zehn Prozentpunkte vergrößern, sobald die überarbeitete europäische Methode zur Ermittlung der Recyclingquoten angewendet wird. Dies liegt daran, dass bisher der Input zum Recycling ebenfalls als recycelt klassifiziert wurde, während sich die neue Methode stärker am tatsächlichen Output des Recyclingprozesses orientiert. Vgl. European Court of Auditors (2020): EU action to tackle the issue of plastic waste (online verfügbar).
Werkstoffliches (mechanisches) Recycling ist grundsätzlich dazu geeignet, eine geschlossene Kreislaufwirtschaft zu erreichen und bereits heute weit verbreitet. Dies ist jedoch derzeit nur für klares Polyethylenterephthalat (PET) technologisch machbar und erfordert sortenreine Abfallströme, etwa aus einem Pfandsystem, was mit relativ hohen Kosten verbunden ist. Gemischte Kunststoffabfälle, die beispielsweise über die gelbe Tonne gesammelt werden, müssen nach unterschiedlichen Kunststoffarten sortiert werden, wobei Zusatzstoffe und Verunreinigungen den Recyclingprozess zusätzlich erschweren.Vgl. Raymond Gradus (2020): Postcollection Separation of Plastic Recycling and Design-For-Recycling as Solutions to Low Cost-Effectiveness and Plastic Debris. Sustainability (online verfügbar). Daher werden sie meist zu qualitativ minderwertigem Material recycelt, das nur begrenzt eingesetzt werden kann.Außerdem kann der thermisch-mechanische Prozess die Qualität des Materials mit jedem Recyclingzyklus verschlechtern. Zwar können Additive eingesetzt werden, um dieses Problem zu verringern, damit nimmt jedoch auch die Komplexität des Recyclingprozesses zu. Vgl. Kim Ragaert et al. (2017): Mechanical and chemical recycling of solid plastic waste. Waste Management 69, 24–58 (online verfügbar). Verbesserte Sortiertechnologien, die insbesondere auf verstärkter Digitalisierung, Robotik und künstlicher Intelligenz basieren, haben zwar das Potenzial, die Leistung des werkstofflichen Recyclings von gemischten Abfallströmen erheblich zu verbessern, sind aber aufgrund ihrer höheren Kosten noch nicht weit verbreitet.In Interviews befragte Experten gingen davon aus, dass bei einem weiter verbreiteten Einsatz der besten, verfügbaren Sortier- und Recyclingtechnologien etwa 50 bis 75 Prozent des Kunststoffverpackungsmaterials werkstofflich recycelt werden könnte. Vgl. Olga Chiappinelli et al. (2021), a.a.O.
Chemisches Recycling führt Kunststoff in seine chemischen Grundbausteine zurück, die dann als direktes Ausgangsmaterial für neuen Kunststoff oder als Grundstoff für die chemische Industrie verwendet werden können (Abbildung 2). Chemisches Recycling könnte damit das Potenzial bieten, auch nur schwer oder gar nicht werkstofflich recycelbare Kunststoffabfälle zu hochwertigen und vielseitig einsetzbaren Produkten zu verarbeiten.Für eine Übersicht und Einschätzung des chemischen Recyclings, siehe etwa Umweltbundesamt (2020): Chemisches Recycling (online verfügar); Simon Hann und Toby Connock (2020): Chemical Recycling: State of Play (online verfügbar). Da die Technologien sich allerdings noch in der Entwicklung befinden, ist ihre wirtschaftliche und ökologische Bilanz derzeit noch nicht gesichert. Weil die Rückführung in die chemischen Grundbausteine mehr Energie benötigt, ist chemisches Recycling eher energie- und emissionsintensiver als werkstoffliches Recycling (Abbildung 3). Außerdem ist noch ungewiss, in welchem Ausmaß bei chemischen Recyclingprozessen gemischte und verunreinigte Kunststoffabfälle verwertet werden können, sodass die Sortenreinheit des Abfallinputs wahrscheinlich wichtig bleiben wird.
Das Potenzial von Recycling kann derzeit nicht ausgeschöpft werden. Dies liegt vor allem daran, dass die Funktion aller drei Hauptmärkte der Kreislaufwirtschaft – des Grundstoff-, des Konsumgüter- und des Abfallgütermarkts – unter den gegebenen Rahmenbedingungen beeinträchtigt ist (Abbildung 4).
Auf dem Grundstoffmarkt fragen Konsumgüterhersteller entweder primäre oder sekundäre (recycelte) Grundstoffe nach. Dabei besteht eine wesentliche Hürde für hochwertige recycelte Kunststoffe derzeit darin, dass ihr Preis höher ist als der von Primärkunststoff.Der günstige Ölpreis während der Corona-Krise hat das Problem noch verschärft und den Preis für Neuware deutlich unter den für hochwertiges Rezyklat fallen lassen. Ende 2020 lag der Preis für High-Density-Polyethylen-(HD-PE)-Rezyklate mit 1050 Euro etwa 150 Euro über dem von primären HD-PE. Vgl. S&P Global Platts (2021): Recycled plastics recover from pandemic but economics remain challenging (online verfügbar). Dies liegt einerseits daran, dass eine verbesserte Sortierung und Verwertung mit relativ hohen Kapital- und Betriebskosten verbunden sind. Andererseits spiegeln sich die Umweltauswirkungen von Primärkunststoff nicht im Preis wider.Zusätzlich haben freiwillige Verpflichtungen von großen Unternehmen, einen bestimmten Anteil an Rezyklaten einzusetzen, die Nachfrage und damit den Preis in die Höhe getrieben. Vgl. Circular Economy Initiative (2020): Kunststoffverpackungen im geschlossenen Kreislauf: Potenziale, Bedingungen, Herausforderungen (online verfügbar).
Auf dem Konsumgütermarkt wäre es für ein effektiveres Recycling essenziell, dass Hersteller Verpackungen recycelbar gestalten. Dazu haben sie aber keinen Anreiz. Verbraucher achten auf die Umweltauswirkungen von Verpackungen nur selten, auch weil sich diese Kosten nicht im Verkaufspreis niederschlagen. Selbst wenn die Umweltauswirkungen der Abfallverbrennung durch eine CO2-Bepreisung berücksichtigt würden, fielen diese Umweltkosten allein bei den Abfallbehandlern an. Gleiches gilt für die Vorteile einer verbesserten Recycelbarkeit (Split Incentives).
Auf dem Abfallgütermarkt können Verbraucher ihre Verpackungsabfälle in einem Recyclingzentrum (etwa einem Leergutautomaten im Supermarkt), einer Recycling-Mülltonne (Abfalltrennung) oder zusammen mit anderen Haushaltsabfällen in der Restmülltonne entsorgen. Dabei ermöglicht die Abfalltrennung ein hochwertiges Recycling und hat die geringsten Umweltauswirkungen. Auch hier besteht allerdings das Problem der Split Incentives: Die Vorteile einer verbesserten Trennung fallen bei den Abfallbehandlern an, die Verbraucher werden hingegen in der Regel nicht für den mit der Abfalltrennung verbundenen höheren Aufwand kompensiert. Wieder sind die Anreize für die Verbraucher, zu einer effektiven Sortierung beizutragen, begrenzt.
Außerdem stehen einem verbesserten Recycling verhaltensökonomische Gründe entgegen. So erfolgen Verhaltensänderungen zum Beispiel von Herstellern in Bezug auf ein recycelbareres Produktdesign oder von Verbrauchern in Bezug auf Produktwahl oder Abfalltrennung nur langsam. Zudem wird eine Verhaltensänderung etwa auf Seiten der Verbraucher zur Auswahl umweltfreundlicher Produkte durch ein Fehlen von leicht zugänglichen und verlässlichen Informationen zu den Umweltauswirkungen ihrer Konsumentscheidung erschwert. Schließlich werden langfristige Vorteile eines verbesserten Recyclings weniger stark gewichtet als kurzfristige Kosten der dafür notwendigen Verhaltensänderung.
Es gibt eine Reihe von Politikinstrumenten, die die Rahmenbedingungen für eine Kreislaufwirtschaft gestalten können. Allerdings weisen diese noch entscheidende Schwächen in ihrer Umsetzung auf.
Die Emissionen aus Raffinerien und der chemischen Industrie zur Herstellung von Kunststoffen unterliegen dem EU-Emissionshandelssystem (EU ETS). Daher könnte man im Prinzip davon ausgehen, dass sich die CO2-Kosten auf die Kunststoffpreise auswirken. Da Kunststoffprodukte jedoch weltweit gehandelt werden, wird davon ausgegangen, dass Hersteller nicht in der Lage sind, die vollen Kosten auf die Produktpreise umzulegen. Um zu vermeiden, dass Produktion – und die damit verbundenen Emissionen – in Drittländer verlagert wird (Carbon Leakage), erhalten Produzenten kostenlose Zertifikate zugeteilt, die den Großteil ihrer Emissionen abdecken. Deswegen spiegeln sich die erheblichen Klimaauswirkungen der Kunststoffproduktion nicht in den Produktpreisen wider.Vgl. Karsten Neuhoff und Robert Ritz (2019): Carbon cost pass-through in industrial sectors. Cambridge Working Papers in Economics (online verfügbar).
Die EU-Kommission hat für Mitte Juli einen Gesetzesvorschlag als Teil des Fit-for-55-Pakets angekündigt, um mit der Reform des EU ETS eine effektive CO2-Bepreisung zu gewährleisten und Carbon Leakage-Risiken zu vermeiden. Dazu ist vorgesehen, zu einer vollständigen Versteigerung der Zertifikate und einem Grenzausgleichmechanismus überzugehen. Wird, wie in ersten Entwürfen vorgesehen, die Grundstoffchemie nicht einbezogen, sollten die Externalitäten anderweitig berücksichtigt werden, beispielsweise über eine CO2-Steuer. Eine effektivere, effizientere und von administrativer und juristischer Seite wirksamere Lösung wäre allerdings die Ergänzung des EU ETS um einen Klimabeitrag.Vgl. Climate Strategies (2021): Policy proposal: A design of the carbon border adjustment mechanism for an inclusive transition to climate neutrality (online verfügbar); weitere Analysen zu administrativen, ökonomischen und juristischen Aspekten auf der Website der Climate Friendly Materials Platform (online verfügbar). Dieser wird auf die Produktion von Grundstoffen, also auch Grundchemikalien, auf dem Niveau der Emissionsintensität konventioneller Produktion und des EU ETS Emissionspreises erhoben. Um eine Doppelbepreisung mit dem EU ETS zu vermeiden, erhalten dann konventionelle Produktionsprozesse kostenlose CO2-Zertifikate, wenn sie einen Übergangsplan zu klimaneutralen Prozessen verfolgen. Mehrkosten klimaneutraler Produktionsprozesse können mit CO2-Differenzverträgen aus den Erträgen des Klimabeitrages finanziert werden.
Vollkommen vernachlässigt werden in den meisten EU-Mitgliedstaaten Emissionen, die bei der Verbrennung von Siedlungsabfällen entstehen; sie sind vom EU ETS ausgenommen.Verbrennungsemissionen aus Siedlungs- und gefährlichen Abfällen sind vom EU-ETS ausgenommen, jedoch haben Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sich für eine Erfassung dieser Aktivität über Opt-In Regelungen zu entscheiden. Vgl. EU-Richtlinie 2018/410 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen und zur Förderung von Investitionen mit geringem CO2-Ausstoß und des Beschlusses (EU) 2015/1814 (online verfügbar); Die Opt-in-Klausel wurde beispielsweise von Dänemark genutzt. OECD (2019): OECD Environmental Performance Reviews: Denmark 2019 (online verfügbar). Bei Kunststoffen entstehen bei der Abfallverbrennung aber noch größere Mengen an Emissionen als bei der Primärproduktion. Die Ausnahmeregelungen sollten daher abschafft werden. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass die entsprechenden Kosten in die Entscheidungen der Hersteller zum Produktdesign und der Verbraucher beim Kauf einfließen.Ähnliche Anreize wurden in anderen Ländern umgesetzt, etwa durch eine verursachergerechte Gebühr auf Abfall (Pay-as-You-Throw) oder eine Steuer auf Einwegkunststoffverpackungen (wie beispielsweise in Dänemark, Lettland und Litauen). Vgl. Matthias Runkel und Alexander Mahler (2017): Steuerliche Subventionierung von Kunststoffen. FÖS Kurzstudie im Auftrag von Bündis 90/Die Grünen (online verfügbar).
Ein Instrument hierzu ist die erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR). Das Verpackungsgesetz nimmt Hersteller und Vertreiber von Verpackungen für den privaten Endverbrauch bei den Kosten der Abfallbehandlung in die Verantwortung, indem sie verpflichtet werden, sich an einem dualen System zu beteiligen. Duale Systeme sind Herstellerverantwortungsorganisationen (Producer Responsibility Organizations), denen die Sammlung und Behandlung von Verpackungsabfällen privater Endverbraucher obliegt. Die damit verbundenen Kosten werden über Beteiligungsentgelte gedeckt, die von den Unternehmen erhoben werden, welche Verpackungen in den Umlauf bringen.Das duale System besteht als zweites (duales) System neben der öffentlichen-rechtlichen Entsorgung. Aktuell gibt es zehn duale Systeme (Betreiber), an denen Hersteller von Verpackungen sich beteiligen können. Das allgemein bekannteste Duale System Deutschland (DSD, Der Grüne Punkt) kommt dabei auf einen Marktanteil von 16 Prozent bei den Leichtverpackungen. Vgl. Zentrale Stelle Verpackungsregister (2021): Marktanteile der Systeme für das zweite Quartal 2021 (online verfügbar). Eine umfassende Berücksichtigung der Klimakosten von Einwegverpackungen im Rahmen der EPR würde nicht nur Anreize für ein verstärktes und hochwertiges Recycling stärken, sondern zugleich auch mehr Wiederverwendung und Einsparung von Verpackungen anregen.
Damit aus der erweiterten Herstellerverantwortung auch die erwünschten Anreize entstehen, reicht es nicht, alle anfallenden Kosten anhand des Gewichtes von Verpackungen umzulegen. Die Entsorgungsgebühren sollten hingegen die durch das jeweilige Produkt verursachten Umweltkosten abbilden. Die Betreiber im Dualen System wurden 2018 verpflichtet solche Anreize zu schaffen, etwa durch geringere Entgelte für recycelbare Verpackungen.Das Umweltbundesamt und das Zentrale Verpackungsregister veröffentlichen jährlich Mindeststandards für die Recycelbarkeit als Orientierung und die dualen Systeme sind verpflichtet, jährliche Berichte über die Umsetzung vorzulegen. Aufgrund der Erfahrungen mit diesem System sieht das Verpackungsgesetz vor, dass bis zum 1. Januar 2022 über eine weitergehende Regelung entschieden werden soll. Die genaue Höhe der Beteiligungsgebühren ist nicht öffentlich bekannt. Die konkrete Umsetzung wurde aber den Systembetreibern überlassen. Da diese ihre Gebührenstrukturen nur begrenzt anpassten, blieben die Anreize für ein verstärktes Ökodesign aber gering.Vgl. Kritik an der unzureichenden Anreizwirkung, Funktionsfähigkeit des Finanzierungsmechanismus und Notwendigkeit der neuen Formulierung von Anforderungen an das Duale System in Abschnitt 5.3, Circular Economy Initiative Deutschland (2020), a.a.O. Ein EU-weiter Vergleich zeigt, dass die Anpassung der EPR-Gebühren auf Grundlage der Recycelbarkeit in anderen Ländern konkreter und transparenter umgesetzt wurde.Vgl. Eunomia (2020): EC Waste Framework Directive EPR Recommendations for Guidance (online verfügbar). So werden in Frankreich, Spanien, Italien, Schweden und den Niederlanden die Entsorgungsgebühren nach Sortierbarkeit, Recycelbarkeit und dem Vorhandensein von Sortieranweisungen bemessen.Vgl. PRO-Europe (2020): Participation Costs Overview 2020 (online verfügbar).
Abfallströme werden künftig eine immer größere Rolle als Ressource spielen und sollten daher vor Verunreinigungen geschützt werden, die die weitere Verwertbarkeit des Abfalls einschränken. Derzeit wird eine Vielzahl von Zusatzstoffen (Additiven) verwendet, um etwa Flexibilität, thermische Stabilität sowie Durchlässigkeit zu erreichen. Eine Sortierung der Abfallströme nach dem jeweils eingesetzten Additiv ist aber nicht möglich und bereits geringe Anteile an Beimischungen verhindern ein hochwertiges Recycling.Vgl. Zoe Schyns and Michael Shaver (2020): Mechanical Recycling of Packaging Plastics: A Review. Macromolecular rapid communications, 42(3), 2000415 (online verfügbar). Ein ähnliches Problem besteht auch für Metalle aufgrund der Vielfalt an Legierungen. Eine allgemeine Beschränkung auf wenige, für die jeweilige Zielsetzung ausreichende, Zusatzstoffe bei Verpackungen erscheint daher sinnvoll.
Die EU-Ökodesign-Richtlinie kann ein Ansatzpunkt für eine solche Harmonisierung sein.Als ein zentrales Element des energiepolitischen Rahmens der EU hat die EU-Ökodesign-Richtlinie zur sukzessiven Steigerung der Energieeffizienz beigetragen. Vgl. Tobias Fleiter et al. (2015): Assessing the impact of the EU Ecodesign Directive on a member state level. Conference paper: Summer study on energy efficiency (online verfügbar). Sie legt verbindliche Mindestanforderungen an die Energieeffizienz ausgewählter energieverbrauchsrelevanter Produktgruppen fest, die zum Teil durch verpflichtende Kennzeichnungsvorschriften ergänzt werden. Darüber hinaus plant die EU derzeit, die Ökodesign-Richtlinie auf nicht energieverbrauchsrelevante Produkte auszuweiten. Dies sollte auch Kriterien für die Recycelbarkeit etwa von Kunststoffverpackungen einschließen. Dazu zählen neben der Begrenzung der Additive auch klare Anforderungen hinsichtlich weiterer Vereinfachungen von Verpackungen. So sollten beispielsweise Verpackungen, die aus mehreren, nicht trennbaren Schichten unterschiedlichen Materials bestehen aufgrund ihrer schlechten Recycelbarkeit eingeschränkt werden.
Die getrennte Sammlung von Abfällen ermöglicht eine deutlich höhere Recyclingquote.Von den 48 Prozent Kunststoffabfällen, die in Europa getrennt gesammelt werden, werden 62 Prozent recycelt, von den restlichen, nicht getrennt gesammelten Kunststoffen dagegen nur sechs Prozent. Vgl. Plastics Europe (2019): The circular economy for plastics. A European Overview (online verfügbar). Obwohl die Abfalltrennung in Deutschland gesetzlich festgelegt ist und hierfür bereits eine gute Infrastruktur existiert, werden zu viele Verpackungsabfälle noch nicht korrekt getrennt, zum Teil liegt die Fehlwurfquote bei bis zu 60 Prozent.Vgl. Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (2019): Die dualen Systeme starten Test-Kampagne zum Recycling in Euskirchen (online verfügbar).
Zu einer Erhöhung der Getrenntsammlungsquote kann auch eine Verhaltensänderung bei den Verbrauchern beitragen. Dies kann beispielweise über gezielte Kommunikationskampagnen oder mithilfe lokaler Aufklärung und Abfallberatung von privaten Haushalten angeregt werden. Darüber hinaus kann eine Verpflichtung zur Kennzeichnung von Trennhinweisen auf Verpackungen die Vorsortierung auf Verbraucherebene erleichtern.Die französische PRO CITEO gewährt beispielsweise Verpackungsherstellern einen Bonus, wenn sie vollständige Sortierrichtlinien auf den Verpackungen abbilden oder das Bewusstsein für das Thema Sortieren etwa über TV/Radio, Anzeigen, Presse und digitale Medien schärfen. Vgl. PRO-Europe (2020), a.a.O. Außerdem ermöglicht eine zuverlässige und verpflichtende Offenlegung von Informationen über die Umweltbilanz von Produktverpackungen, etwa in Form eines Labels, es Verbrauchern, umweltfreundliche Produkte besser zu erkennen.Ein Beispiel für ein – allerdings freiwilliges – Label ist das EU Umweltzeichen, das an Produkte und Dienstleistungen vergeben wird, die während der gesamten Lebensdauer hohe Umweltstandards erfüllen. Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit (2021): EU-Umweltzeichen (EU Ecolabel) (online verfügbar). Ergänzend können monetäre Anreize wie verursachergerechte (also gewichtsbezogene) Gebühren auf unsortierte Abfälle eingesetzt werden.Eine Studie zur Einführung einer Bepreisung von unsortiertem Abfall hat zum Beispiel gezeigt, dass eine Erhöhung des Preises um einen Cent (bei relativ hohen Preisen von über neun Cent) die Menge an unsortiertem Abfall um fünf bis zehn Prozent verringern und das Recycling um zwei bis sechs Prozent erhöhen könnte. Vgl. Marica Valente (2020): Heterogenous effects of waste pricing policies (online verfügbar). Pilotprojekte, die sowohl gezielte Information als auch preisliche Maßnahmen kombinieren, wurden in mehreren Städten erfolgreich durchgeführt.So wurden in einem Projekt in Berlin Wedding zwischen 2009 und 2012 solche Gebühren in Kombination mit überwachten Müllschleusen eingeführt, die nur mit Chipkarten zugänglich waren, über die die Abfallmengen auch den Haushalten zugeordnet werden konnten. Zusätzlich fand eine intensive Beratung zur Mülltrennung statt. Das Ergebnis war eine Verringerung der Restmüllmenge um 64 Prozent und eine Steigerung etwa der getrennt gesammelten Leichtverpackungsmenge um 35 Prozent. Vgl. Günter Dehoust und Holger Alwast (2019): Kapazitäten der energetischen Verwertung von Abfällen in Deutschland und ihre zukünftige Entwicklung in einer Kreislaufwirtschaft (online verfügbar). Damit wird insgesamt auch zu einem sparsameren Materialeinsatz bei Verpackungen und zu einer stärkeren Nutzung von Mehrwegsystemen beigetragen.
Für Kunststoffverpackungen, die nicht vermieden oder wiederverwendet werden, sollte das volle Potenzial des Recyclings ausgeschöpft werden. Dafür sind Investitionen in verbesserte Sortier- und Recyclingtechnologien erforderlich. Bisher ist jedoch die Entwicklung der Nachfrage nach recycelten Materialien im Wettbewerb zu Primärkunststoffen schwer zu prognostizieren, wodurch sich notwendige Investitionen verzögern oder verhindern. Dabei könnten Mindestquoten für einen Anteil von Rezyklaten in Kunststoffprodukten oder die Bevorzugung von recycelten Produkten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen eine nachfragestabilisierende Rolle übernehmen. Eine Mindesteinsatzquote für Rezyklate wurde zwar im Jahr 2019 von der EU eingeführt, allerdings nur für Einweg-Getränkeflaschen. Dabei handelt es sich jedoch nur um 13 Prozent des Kunststoffverpackungsaufkommens und in Deutschland ist der Recyclinganteil wegen des Pfandsystems zudem bereits recht hoch.Obwohl ein Großteil der Einwegkunststoff-Getränkeflaschen aus dem Pfandsystem bereits recycelt wird, fließt davon mehr als die Hälfte in Anwendungen abseits von Flaschen, etwa in Kunststofffolien. Der Anteil an Rezyklaten bei neuen Kunststoffflaschen lag im Jahr 2019 bei 34 Prozent, was bereits deutlich über den von der EU für 2025 geforderten 25 Prozent liegt. Vgl. Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (2020): Aufkommen und Verwertung von PET-Getränkeflaschen in Deutschland 2019. Kurzfassung der Studie im Auftrag von Forum PET (online verfügbar); Directive (EU) 2019/904 of the European Parliament and of the Council of 5 June 2019 on the reduction of the impact of certain plastic products on the environment (online verfügbar). Als Teil ihres erneuerten Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft erwägt die EU-Kommission derzeit Zielvorgaben für den Rezyklateeinsatz für weitere Verpackungsarten sowie verbindliche Mindestkriterien und -ziele für eine umweltfreundliche und kreislauforientierte (grüne) öffentliche Beschaffung.Vgl. Europäische Kommission (2020): Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions: A new Circular Economy Action Plan for a cleaner and more competitive Europe (online verfügbar).
Eine Verpflichtung für öffentliche Einrichtungen, recycelbare und recyceltes Material enthaltende Produkte in öffentlichen Ausschreibungen zu bevorzugen, wurde zwar im Jahr 2020 eingeführt;§ 45 Absatz 2 KrWG. da es bei der Umsetzung der Regelung an Konsequenz und Durchsetzbarkeit mangelt, kann dies aber allenfalls als Schritt in die richtige Richtung gesehen werden.Dazu gehört etwa, dass die Verpflichtung, stärker kreislauforientierte Produkte zu bevorzugen, nur dann gilt, wenn ihre Beschaffung nicht mit unzumutbaren Mehrkosten verbunden ist. Ab wann Mehrkosten unzumutbar sind, ist jedoch nicht weiter definiert. Vgl. Naturschutzbund Deutschland (2020): Anmerkungen des NABU Bundesverband zum Entwurf einer Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (online verfügbar). Um sie zu stärken sollten beispielsweise konkretere Vorgaben eingeführt sowie Kriterien für die Bewertung von Produkten festgelegt werden, die vor allem kleineren öffentlichen Einrichtungen mit begrenzten Kapazitäten eine Orientierung bieten.Vgl. Olga Chiappinelli et al. (2019): Klimakriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge können dazu beitragen, deutsche Treibhausgasemissionen zu senken, DIW Weekly Report 51/52, 433–441 (online verfügbar).
Da Recyclingquotenziele für die dualen Systeme eine wichtige Rolle bei Investitionsentscheidungen spielen, kann deren konsequente Erhöhung ebenfalls einen Anreiz zu Investitionen in verbesserte Anlagen darstellen.Die dualen Systeme sind bereits zur Einhaltung bestimmter Recyclingquoten verpflichtet. Für Kunststoffverpackungen beträgt sie aktuell 65 Prozent und ab 2022 70 Prozent, wobei sie sich allerdings auf den Input in das Recycling beziehen. § 16 Absatz 2 VerpackG. Dabei muss jedoch sichergestellt werden, dass nicht nur mehr, sondern auch hochwertiger recycelt wird. Darüber hinaus können innovative klima- und ressourcenpolitische Maßnahmen Investitionen anregen, wie etwa eine Absicherung von unsicheren Erlösen für Rezyklate. Schließlich kann auch die EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzen durch Festlegung von Standards für die nachhaltige Kunststoffproduktion Investitionen in weniger emissionsintensive Recyclingtechnologien fördern.Der Zweck der Einbeziehung von Kreislaufwirtschaftskriterien in der EU-Taxonomie ist es, Kapital in Innovationen zu lenken, die kreislauffähiger sind als der Status quo und somit den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Während substanzielle zirkuläre Wirtschaftsaktivitäten breit gefächert sind, könnten hochwertige Recyclingtechnologien wie mechanisches Recycling und energieeffizientes chemisches Recycling in die Kategorisierung aufgenommen werden und so weitere Investitionen erhalten. Vgl. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (2021): Introduction to the EU Taxonomy for a Circular Economy (online verfügbar).
Es reicht aber nicht, dass solche Maßnahmen beschlossen werden, sie müssen auch effektiv umgesetzt werden (Abbildung 5).In dieser Hinsicht können Lehren aus der Klimaschutzgesetzgebung gezogen werden, bei der eine inkonsistente Koordination klimapolitischer Maßnahmen als ein wichtiges Problem für unzureichende Emissionsminderungsmaßnahmen identifiziert wurde. Vgl. Heiner von Lüpke und Karsten Neuhoff (2019): Ausgestaltung des deutschen Klimaschutzgesetzes: Grundlage für eine bessere Governance-Struktur. DIW Wochenbericht Nr. 5/2019 (online verfügbar). Es muss sichergestellt werden, dass die Ausgestaltung und die politische Verhandlung aller einzelnen politischen Entscheidungen auf das Gesamtziel abgestimmt sind. In dieser Hinsicht sind klar definierte Ziele, eine transparente und zeitnahe Berichterstattung über den Fortschritt und eine Koordination über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg notwendig, um eine effektive Umsetzung zu gewährleisten.
Verstärktes und hochwertigeres Recycling von Kunststoffprodukten ist nicht von einzelnen Marktteilnehmern zu leisten. Das Problem der Heterogenität und der Verunreinigung von Abfallströmen erfordert ein Produktdesign für mehr Recycelbarkeit, eine sorgfältigere Trennung der Abfälle bei der Sammlung und eine verbesserte Sortierung und Aufbereitung. Jeder Beteiligte entlang der Wertschöpfungskette von Kunststoffprodukten kann das Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen entweder verbessern oder verschlechtern.
Damit die mit der Kunststoffproduktion verbundenen Emissionen von den Marktteilnehmern berücksichtigt werden, ist eine effektive CO2-Bepreisung essenziell. Darüber hinaus braucht es ein koordiniertes Paket an Maßnahmen, mit dem sichergestellt werden muss, dass auch die nach der Nutzungsphase entstehenden Umweltkosten bereits bei Entscheidungen über das Verpackungsdesign oder Kaufentscheidungen von Kunden berücksichtigt werden. Dazu zählen unter anderem die Einpreisung dieser Umweltkosten beim Produktverkauf, klar definierte Produktstandards und Anreize für eine erhöhte Recycelbarkeit, zuverlässige Informationen über die Umweltauswirkungen sowie die Anregung von weitsichtigen Investitionen in Recyclingtechnologien.
Die Hürden und der Bedarf an politischen Maßnahmen sind aber nicht nur für die hier betrachteten Kunststoffverpackungen relevant. Sie bestehen in ähnlicher Weise auch für andere Grundstoffe und Anwendungen. Zudem kann die Umsetzung der angedachten Maßnahmen nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des effektiven Recyclings leisten, sie können durch die Reduktion und Vermeidung von Verpackungen und die stärkere Nutzung von Mehrwegverpackungen auch zu einem effizienteren Materialeinsatz beitragen. Damit kann insgesamt der Bedarf an primärer Grundstoffproduktion stark reduziert werden und so der Übergang zur Klimaneutralität erleichtert werden.
Themen: Umweltmärkte, Klimapolitik, Energiewirtschaft
JEL-Classification: Q53;Q54;Q58;L51;L65;H23
Keywords: Industrial decarbonization, plastic recycling, circular economy, value chain, policy package
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-26-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/235747