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Es ist möglich, mehr Haushalten zu Immobilienbesitz zu verhelfen: Interview

DIW Wochenbericht 27 / 2021, S. 462

Claus Michelsen, Erich Wittenberg

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Herr Michelsen, wie schwer ist es für Haushalte mit geringeren Einkommen heutzutage eine Immobilie zu finanzieren? Zwei Drittel der privaten Vermögen stecken in Immobilien. Dieses Immobilienvermögen ist aber auf die gut und sehr gut verdienenden Haushalte konzentriert. Rund die Hälfte der Haushalte in Deutschland hat kein Immobilienvermögen und diese Haushalte können auch kein Immobilienvermögen bilden, weil die Einstiegskosten in den Markt zu hoch geworden sind. Viele Haushalte sind überhaupt nicht in der Lage so hohe Ersparnisse zu bilden, dass sie eine Wohnung finanzieren können.

Inwieweit kann die Wohnungsbauprämie hier helfen? Die Wohnungsbauprämie ist im Laufe der Jahre immer bedeutungsloser geworden, weil sie Einkommensgrenzen und Höchstprämiensätze vorgibt, die Jahrzehnte lang nicht angepasst worden waren. Man könnte die Fördergrenzen etwas nach oben anpassen und eine höhere Prämie auch für Einkommensgruppen mit höheren Einkommen gewähren. Damit ließe sich die Ersparnisbildung gerade in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung anschieben. In der Summe müsste man allerdings deutlich mehr Geld in die Hand nehmen als jetzt.

Welche Rolle spielt die Immobilienbesteuerung? Werden Haushalte mit hohen Einkommen begünstigt? Gerade Immobilien sind steuerlich an verschiedenen Stellen privilegiert. Beispielsweise werden bei der Weiterveräußerung und der Vererbung kaum Steuern fällig, aber auch die Besteuerung der Substanz ist im internationalen Vergleich sehr niedrig. Das führt dazu, dass die Konzentration von Vermögen in der Einkommensverteilung bei der oberen Hälfte deutlich zunimmt und das ist etwas, was man durchaus korrigieren könnte. Man könnte beispielsweise die Besteuerung von Grund und Boden im Rahmen der Grundsteuer anpassen und deutlich erhöhen, bei Veräußerungen höhere Steuern erheben oder die Grunderwerbsteuer absenken, um Menschen den Eintritt in den Markt zu erleichtern.

Das DIW Berlin stellt ein alternatives Modell der Immobilienförderung vor, die Sozialkaufprämie. Wie kann man sich das vorstellen? Die Sozialkaufprämie knüpft an bestehende Förderinstrumente an und wird Haushalten gewährt, die in spezifischen Entscheidungssituationen kein ausreichendes Eigenkapital für den Immobilienerwerb ansparen konnten. Gedacht ist die Prämie für Haushalte, deren Wohnung veräußert werden soll. Fehlt das notwendige Eigenkapital zum Erwerb der Wohnung, könnte dies durch eine Prämie teilweise aufgefüllt werden. Ähnliches gilt in Fällen, in denen Bauträger Auflagen zur Schaffung preisgedämpfter Wohnungen erfüllen müssen: Diese könnten alternativ als Eigentumswohnungen an einkommensschwache Haushalte veräußert werden und potenzielle MieterInnen zu EigentümerInnen machen. Auch hier geht es um das Füllen von Eigenkapitallücken. Insgesamt könnte mit relativ geringem Förderaufwand zusätzliches Vermögen gebildet werden.

Vor welchen wohnungsmarktpolitischen Herausforderungen steht die Politik insgesamt? Neben der Frage der Immobilienvermögensbildung stellt sich auch die Frage, wie sich die Mieten und das Angebot von Mietwohnungen insgesamt entwickeln. Es gilt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und sicherzustellen, dass er bezahlbar bleibt. Ein zweiter Aspekt ist der Wohnungsmarktzugang. In den vergangenen Jahren hat der Bestand an Sozialwohnungen erheblich abgenommen. Auch hier gibt es eine große Verantwortung der Politik, für einen Marktzugang zu sorgen und den sozialen Wohnungsbau anzuschieben. Zudem haben wir verschiedene Herausforderungen im Bereich der Energiewende zu meistern, denn im Gebäudebereich wird rund ein Drittel der Energie verbraucht, die in Deutschland benötigt wird. Hier geht es darum, die Energieeffizienz zu steigern. Hierfür Investitionen anzuregen ist ebenfalls eine ganz wichtige Herausforderung für die Politik.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Claus Michelsen
Es ist möglich, mehr Haushalten zu Immobilienbesitz zu verhelfen - Interview mit Claus Michelsen

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