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Rohstoffmangel: Kaum Holz für die Hütten: Kommentar

DIW Wochenbericht 27 / 2021, S. 488

Claus Michelsen

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Für BörsianerInnen war die Corona-Krise ein Segen. Auf die heftigen Kursverluste im vergangenen Frühjahr folgte eine Börsenhausse, die für immer neue Rekordmarken an den großen Finanzplätzen der Welt gesorgt hat. Seit dem Tiefpunkt Ende März des vergangenen Jahres haben beispielsweise die DAX-Unternehmen zusammen mehr als 80 Prozent an Wert gewonnen. Mit Anteilspapieren wie der Aktie des Videokonferenzanbieters Zoom konnte der Einsatz sogar vervierfacht werden – ein Investment in Anteilsscheine des Impfstoffentwicklers BioNTech hat immerhin einen Gewinn von mehr als 200 Prozent gebracht. Den echten Reibach haben allerdings andere gemacht. Die Bewertungen für Rohstoffe und Vorleistungsgüter, insbesondere aber die Holzpreise sind im vergangenen Jahr förmlich explodiert: Innerhalb eines Jahres wurde Bauholz fast 700 Prozent teurer gehandelt.

Dies alles ist symptomatisch für die Schwierigkeiten der Weltwirtschaft, sich von der Corona-Krise zu erholen. Denn die Entwicklung auf dem Holzmarkt zeigt sich unterschiedlich ausgeprägt auch auf anderen Märkten für Vorleistungsgüter und Rohstoffe. Massive Verschiebungen der Nachfrage, heruntergefahrene Produktionskapazitäten, Reibungsverluste im internationalen Handel und eine schnell anspringende Weltkonjunktur führen zu Preissprüngen bei den dringend benötigten Vorleistungen und Verzögerungen in der Produktion. All das bremst die weitere Erholung aus und dürfte zudem für kleine und mittelständische Betriebe zu anders gelagerten Problemen führen. Viele Unternehmen können sich gegen derart starke Preissprünge nicht versichern – dementsprechend drücken höhere Preise bei Vorleistungsgütern die Gewinnmarge.

Die Gründe liegen in einer stark steigenden Nachfrage aus den USA und Fernost. China und die USA importieren große Mengen europäischen Holzes, weil die Baukonjunktur dort ebenso brummt wie hierzulande. Gleichzeitig fällt Kanada als wichtigste Holzexportnation immer mehr aus – da die klimatischen Bedingungen für den Bergkiefernkäfer immer besser werden, breitet sich dieser zunehmend aus und lässt die Holzernte in den großen nordamerikanischen Wäldern immer knapper ausfallen. Die Corona-Krise hat ihr Übriges getan. In Erwartung schwacher Nachfrage wurde der Holzeinschlag reduziert und der Zuschnitt von Bauholz zurückgefahren. Dies macht sich auf den Baustellen hierzulande bemerkbar. Weil Holz für die Hütten fehlt, können Handwerksbetriebe Termine nicht halten und müssen innerhalb kürzester Zeit erhebliche Preissprünge in den schon vor Monaten kalkulierten Angeboten kompensieren.

Was sich in normalen Zeiten und bei üblichen Preisschwankungen problemlos abfedern lässt, kann auch bislang krisenverschonte Unternehmen bei den derzeitigen Preissprüngen in existenzielle Not bringen. Der Erfolg bei der Auftragsakquise vor Monaten könnte die in den letzten Jahren so verwöhnten kleinen Handwerksbetriebe und Bauunternehmen jetzt vor die Situation stellen, in der sie einerseits vertraglich vereinbarte Strafen bei Terminuntreue zu begleichen haben und andererseits Aufträge mit großen Verlusten zu Ende bringen müssen. Die Corona-Krise könnte so weitaus größere Kreise ziehen als bislang gedacht. Die Folge sind womöglich Unternehmenspleiten, geringere Investitionen oder eine vorsichtigere Personalpolitik.

Um die Liquidität zu sichern wäre es sinnvoll, auch für eigentlich erfolgreiche, aber kurzfristig nicht profitable Unternehmen den Zugang zu Corona-Hilfskrediten und anderen Unterstützungen zu öffnen, um so weitere Schieflagen zu vermeiden. Geradezu prädestiniert dafür ist das Instrument des Verlustrücktrags, der ausgeweitet werden sollte. Er wirkt zielgenau dort, wo erfolgreiche Unternehmen plötzlich rote Zahlen schreiben und die liquiden Mittel fehlen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Zumal die in den USA jüngst schon wieder eingebrochenen Holzpreise darauf hindeuten, dass sich die Lage etwas entspannt.

Dies würde auch den Haushalten helfen, bei denen mit dem Bau des Eigenheims die Zeit bis zur Fertigstellung drängt. Denn auch dort gilt in der Regel: Zeit ist Geld. Doppelte Zahlungen der Miete und zur Tilgung der Hypotheken belasten die Haushaltskasse und können auf Dauer nicht funktionieren.

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