DIW Wochenbericht 31 / 2021, S. 519-526
Lukas Boer, Lukas Menkhoff, Malte Rieth
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„Die wirtschaftlichen Kosten einer restriktiven US-Handelspolitik sind für alle Beteiligten erheblich. Hinzu kommen politische Verwerfungen. Das mag die letzte US-Regierung nicht allzu sehr gestört haben, die aktuelle Regierung sollte diese negativen Effekte aber berücksichtigen und zu einer multilateralen Handelspolitik zurückkehren“ Lukas Boer
Mit ihrer America-First-Strategie hat sich die letzte US-Regierung von einer international ausgerichteten Handelspolitik abgewendet. Sie versuchte, ihre Interessen, gerade gegenüber China, mit bilateralen und meist restriktiven Maßnahmen, wie Importzöllen, durchzusetzen. Der Beitrag zeigt, dass die Kosten einer solchen Strategie immens sind, jedenfalls in der hier mittelfristig angelegten Analyse. Fast alle US-Branchen waren negativ von der US-Handelspolitik betroffen. Dies lässt sich an den Finanzmärkten ablesen, die aufgrund ihres vorausschauenden Charakters die möglichen Wirkungen von Zolländerungen antizipieren. Die Aktienkurse fielen signifikant, der Dollar-Kurs stieg infolge der steigenden Unsicherheit. Die Maßnahmen gegen China wirkten darüber hinaus auch negativ auf die Aktienleitindizes vieler anderer Länder. Chinas Vergeltungsmaßnahmen belasteten die US-Unternehmen zusätzlich. Da kaum ein Unternehmen profitierte, liegt die Rationalität dieser Politik offensichtlich nicht in ökonomischen Gewinnen. Die neue US-Regierung behält die restriktive Handelspolitik zwar noch bei. Doch die Studie zeigt, dass eine weitgehende Rückkehr zu einer multilateralen Ordnung im Interesse der meisten Marktteilnehmer ist.
Die letzte US-Regierung hat mit ihrer America-First-Strategie ihre Handelspolitik grundlegend geändert und damit möglicherweise eine Wende für die internationale Handelsordnung eingeleitet. Während die Vereinigten Staaten über Jahrzehnte den internationalen Handel tendenziell ausgeweitet und auch den Abbau von Zöllen unterstützt hatten, nahmen sie im Jahr 2017 einen scharfen Strategiewechsel vor.
Bis zu einem gewissen Grad ist es zwar üblich, dass Handelspolitik, insbesondere die restriktive Zollpolitik, der Durchsetzung von Regierungszielen dient. Doch die letzte US-Administration operierte nicht mehr im Rahmen der multilateralen Handelsordnung. Sie versuchte stattdessen, bilateral ihre Vorteile als dominante Wirtschaftsmacht gegenüber anderen Ländern durchzusetzen, um zum Beispiel das massive Außenhandelsdefizit gegenüber China zu reduzieren.
Auch wenn die alte Regierung inzwischen abgewählt wurde, wirkt ihre Politik bis heute nach. Absehbar ist, dass die gegenwärtige US-Regierung nicht zu einer vollständigen Öffnungspolitik zurückkehren wird. Schon im Wahlkampf hat der damalige Kandidat und heutige US-Präsident Joe Biden durchblicken lassen, dass er gerade gegenüber China weiter einen harten Kurs fahren wird.Joseph R. Biden (2020): Why America Must Lead Again. Rescuing U.S. Foreign Policy After Trump. Foreign Affairs im März/April (online verfügbar, abgerufen am 19. Juli 2021. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). Die Zölle gegenüber China oder der EU hat seine Regierung bisher nicht zurückgenommen.
Welche langfristigen Folgen diese Kehrtwende in der Handelspolitik haben wird, ist noch nicht in vollem Umfang erkennbar. Bisherige Analysen, die auf Ereignisstudien aufbauen, identifizieren präzise Effekte von so genannten Handelspolitikschocks, konzentrieren sich aber auf partielle und kurzfristige Finanzmarktaspekte.Ein gutes Beispiel sind Peter Egger und Jiaqing Zhu (2020): The US-Chinese Trade War: An Event Study of Stock-Market Responses. Economic Policy 35 (103), 519–559. Die dort angewandte Forschungsmethode (Ereignisstudie) hat Tradition in der Außenhandelsforschung, vgl. zum Beispiel Holger Breinlich (2014): Heterogeneous Firm-level Responses to Trade Liberalizations: A Test Using Stock Price Reactions. Journal of International Economics 93 (2), 270–285; Christoph Moser und Andrew K. Rose (2014): Who Benefits from Regional Trade Agreements? The View from the Stock Market. European Economic Review 68, 31–47. Ein anderer Forschungsstrang nutzt klassische Handelsmodelle, die zwar eine gesamtwirtschaftliche Perspektive verwenden, dafür aber die Annahme einer konstanten Wirtschaftsstruktur benötigen.Diese Art Modelle sind Standard in der Außenhandelsforschung, vgl. zum Beispiel Pablo Fajgelbaum et al. (2020): The Return to Protectionism. Quarterly Journal of Economics 135 (1), 1–55; Mary Amiti, Stephen J. Redding und David E. Weinstein (2019): The Impact of the 2018 Tariffs on Prices and Welfare. Journal of Economic Perspectives 33 (4), 187–210. Der vorliegende Beitrag verfolgt hier einen Mittelweg, indem er eine präzise Identifikation der Schocks mit einer gesamtwirtschaftlichen und längerfristigen Perspektive verbindet.Lukas Boer, Lukas Menkhoff und Malte Rieth (2021): The Multifaceted Impact of US Trade Policy on Financial Markets. DIW Discussion Paper 1956 (online verfügbar).
Dadurch ergeben sich drei Beiträge zur aktuellen Debatte: Erstens wird ein in diesem Zusammenhang methodisch neues Modell angewendet, das eine präzise Identifikation des handelspolitischen Schocks ermöglicht. Zweitens werden zwei Arten von Schockwirkungen, nämlich Unsicherheit und Niveaueffekte, in einem einheitlichen Rahmen betrachtet. Drittens werden inhaltlich differenzierte Aussagen über die betrachteten Finanzmärkte (und damit indirekt über die entsprechenden Firmen, Branchen und Länder) gemacht.
Mit einem empirischen Ansatz soll zunächst untersucht werden, wie die Finanzmärkte auf einzelne handelspolitische Maßnahmen reagiert haben. Daran kann gemessen werden, welche Erwartungen über die realwirtschaftliche Entwicklung, auch längerfristig, die Marktteilnehmer mit den handelspolitischen Maßnahmen verknüpfen. Die Einschätzung ist an den Kursen direkt zu erkennen: Erwarten die Markteilnehmer zum Beispiel, dass Zollerhöhungen der Wirtschaft insgesamt schaden werden, sinken breite Aktienindizes, auch wenn einzelne Unternehmen durchaus profitieren können.
Um diesen Ansatz zu verfolgen, braucht es eine verlässliche Quelle, die die relevanten wirtschaftspolitischen Maßnahmen oder Ankündigungen zum US-Außenhandel erfasst. Der vorliegende Beitrag verwendet hierfür eine einschlägige Datenbank des in den USA ansässigen, unabhängigen Peterson Institute for International Economics.Chad P. Bown und Melinda Kolb (2021): Trump’s Trade War Timeline: An up-to-date Guide. Peterson Institute for International Economics (online verfügbar).
Diese Datenbank listet die handelspolitischen Maßnahmen der US-Regierung chronologisch auf und gruppiert sie in sechs Konfliktfelder. Die Analyse konzentriert sich auf die Konfliktfelder 2 und 3: „Stahl und Aluminium als Bedrohung der nationalen Sicherheit“ und „Unfaire Handelspraktiken für Technologie, intellektuelles Eigentum“, die größtenteils und teilweise ausschließlich China betreffen.Robustheitsuntersuchungen nehmen zusätzlich das nach betroffenen Handelsvolumen kleinere Konfliktfeld 1 auf („Solarpanel und Waschmaschinenimporte, die die US-Industrie schädigen“), aber nicht mehr die Felder 4, 5 und 6, die primär Kontroversen mit Mexiko und der EU ansprechen oder lediglich einzelne Firmen betreffen. Es werden immer nur neu eintretende Ereignisse berücksichtigt, also zum Beispiel bereits die Ankündigung einer Maßnahme, nicht aber deren Umsetzung – es sei denn hierbei gibt es zusätzliche (neue) Informationen. Für den Zeitraum Anfang 2017 bis Januar 2020 lassen sich 26 Ereignistage, also Tage mit handelspolitischen Neuigkeiten, identifizieren.
Auch wenn der Trend der Handelspolitik restriktiv ist, so bedeutet dies keinesfalls, dass alle 26 Ereignisse ebenfalls restriktiv sind. Vielmehr werden manchmal auch Umkehrungen vorheriger Maßnahmen verkündet, so dass solche Informationen dann eher expansiv wirken.Für die vollständige Liste und Beschreibung dieser Ereignisse vgl. Boer, Menkhoff und Rieth (2021), a.a.O., 15–17.
Je stärker das Schockmaß in dem Modell nach oben ausschlägt, umso restriktiver ist der Handelsschock. Die restriktivsten Handelsschocks, die mit Zollankündigungen einhergehen, finden sich im Mai und Juli 2019. In diesen beiden Monaten kündigten die USA – nach einer ruhigeren Phase geprägt von Verhandlungsfortschritten – unerwartet schwerwiegende Zollerhöhungen an (Abbildung 1).
Das empirische Modell, ein struktureller vektorautoregressiver (SVAR) Ansatz, identifiziert die Wirkung einer Maßnahme anhand der Volatilität von Finanzmarktpreisen.Die Grundidee ist entwickelt worden von Roberto Rigobon (2003): Identification through Heteroskedasticity. Review of Economics and Statistics, 85, 777–792. Der vorliegende Beitrag folgt der konkreten Anwendung von Jonathan Wright (2012): What Does Monetary Policy Do to the Long-term Interest Rates at the Zero Lower Bound? Economic Journal 122 (564), 447–466. Das Auftreten eines großen Schocks lässt sich daran erkennen, dass an Ereignistagen die Volatilität an den Finanzmärkten größer ist als an anderen Tagen (Kasten). Das SVAR-Modell erfasst die Wirkung von US-Handelsschocks auf Staatsanleiherenditen (kurz- und langfristig), den effektiven US-Dollar-Wechselkurs, die Unsicherheit in der Wirtschaft (gemessen anhand eines Volatilitätsindex, dem VIX, der die Schwankungen am US-Aktienmarkt erfasst) und zwei US-Aktienindizes, den Russell 2000, der auch kleinere Firmen erfasst, sowie einen eigens erstellten Index derjenigen Firmen, die stark im Handel mit China involviert sind. Letzterer wird aus einer Datenbank berechnet, die Finanzberichte von Unternehmen nach Schlagwörtern wie „Handel mit China“ auswertet. Dadurch können 47 der 500 im S&P 500, dem wichtigsten Aktienindex der USA, gelisteten Unternehmen mit starker Handelsabhängigkeit von China identifiziert und in einen Aktienpreis-Index (China-Handelsindex) gefasst werden.Die Datenbank wurde erstellt von Gerhard Hoberg und Katie Moon (2017): Offshore Activities and Financial vs Operational Hedging. Journal of Financial Economics 125 (2), 217–244 (online verfügbar).
Das vektorautoregressive (VAR) Modell bildet die wirtschaftlichen Interdependenzen zwischen den Zeitreihen der gewählten Finanzmarktvariablen ab.Vgl. für eine aktuelle Lehrbuchbehandlung der Methode Lutz Kilian und Helmut Lütkepohl (2017): Structural Vector Autoregressive Analysis. Cambridge University Press. In diesem Zeitreihenmodell hängt jede Variable sowohl von ihrer vergangenen Entwicklung als auch von der Entwicklung der übrigen Variablen im Modell ab. Per Regressionsanalyse werden die Zusammenhänge zwischen den Variablen simultan geschätzt. Ein Bestandteil erfasst dann beispielsweise den Einfluss auf den US-Aktienindex „Einfluss China“ bedingt durch seine eigene Preishistorie sowie durch die Entwicklung der ein- und zehnjährigen Zinsen für US-Staatsanleihen, des Dollar-Wechselkurses, des Aktienindex Russel 2000 und der Finanzmarktvolatilität.
Das Ziel eines „strukturellen“ (SVAR) Modells liegt darin, das reduzierte VAR-Modell durch ökonomisch begründete Restriktionen umzuformen und die Ergebnisse somit interpretierbar zu machen. Strukturell bedeutet dabei, dass die wirtschaftlichen/finanziellen Schocks, die in das Modell eingespeist werden, statistisch unabhängig voneinander sind, so dass beispielsweise ein struktureller Handelspolitikschock den reinen (exogenen) Einfluss einer Änderung der Handelspolitik abbildet. Dies bedeutet auch, dass keine anderen potenziell gleichzeitig auftretenden Schocks den Effekt dieses Schocks beeinflussen.
Die Umformung zum strukturellen Modell (Identifikation) ist nicht direkt möglich, sondern benötigt zusätzliche Informationen beziehungsweise Restriktionen. Die vorliegende Studie nutzt dafür Heteroskedastizität. Diese liegt vor, wenn die Volatilität (Schwankungen) in den Daten (genauer: in den Regressionsresiduen/dem nicht erklärten Teil) nicht konstant ist.
Dazu wird die Stichprobe in zwei Teile geteilt, zwischen denen sich die Volatilität der Daten klar unterscheidet: den Tagen ohne handelspolitische Ereignisse und Tagen mit Ereignissen, die das Peterson Institute erfasst und klassifiziert. An Ereignistagen hat die US-Regierung wesentliche Änderungen in ihrer Handelspolitik gegenüber China bekannt gegeben. Die kritische Annahme besagt, dass der zugrundeliegende strukturelle Handelsschock an diesen Ereignistagen signifikant stärker auftritt als im Rest der Daten, also an diesen Tagen durch eine höhere Volatilität der Finanzmärkte gekennzeichnet ist. Alle übrigen Einflüsse und Schocks wie geldpolitische Entscheidungen sollten an diesen Tagen im Vergleich zum Rest der Stichprobe nicht systematisch ihre Volatilität ändern, also im Schnitt gleich präsent sein. Da der strukturelle Handelsschock dann als einziger ökonomischer Einfluss seine Stärke an diesen Tagen ändert, kann sein Einfluss auf die Variablen in dem SVAR-Modell geschätzt werden.
Die Finanzmärkte der Vereinigten Staaten reagieren in der Regel negativ auf die restriktiven Handelsschocks (Abbildung 2). Die Aktienkurse der Unternehmen (Russell 2000 und China-Handelsindex) fallen signifikant um etwa 0,6 bis 1,0 Prozent und erholen sich erst nach 60 bis 100 Handelstagen, also nach drei bis fünf Monaten. Auch die Anleiherenditen sinken, allerdings nur um einige Basispunkte. Der US-Dollar wertet deutlich auf, und der Volatilitätsindex VIX steigt erheblich um sieben Prozent, für knapp einen Monat.
Gerade der starke Schwankungsanstieg der Aktienmärkte suggeriert, in Einklang mit Vorhersagen anderer Makromodelle,Vgl. Dario Caldara et al. (2020): The Economic Effects of Trade Policy Uncertainty. Journal of Monetary Economics, 109, 38–59. dass der Handelsschock in erster Linie ein Unsicherheitsschock ist. Die Dollaraufwertung deutet darauf hin, dass angesichts steigender Unsicherheit die Nachfrage nach sicherer Währung steigt. Sie verteuert aber auch die US-Exporte. Zusammen mit den durch die höheren Zölle verteuerten Importen wirken sie sich schädlich auf die Wirtschaft aus. Dies betrifft die im Handel mit China besonders aktiven Unternehmen stärker als die Gesamtwirtschaft (Abbildung 2, China-Handelsindex).
Neben dem dominierenden Unsicherheitsschock führen die US-handelspolitischen Ankündigungen zu einem weiteren, wenn auch schwächeren Handelsschock, der gleichzeitig auftritt, jedoch andere ökonomische Folgen mit sich bringt.Dies wird in einem zweiten empirischen Ansatz gezeigt in Boer, Menkhoff und Rieth (2021), a.a.O., Kapitel 3.2. Dieser erhöht nicht die Unsicherheit, sondern beeinträchtigt das Niveau wirtschaftlicher Tätigkeit direkt. So erhöhen sich die Importkosten für Vorprodukte aus China, und chinesische Konsumartikel werden in den USA teurer. In der Summe gibt es demnach zwei Kanäle, über die sich die Restriktion entfaltet: erhöhte Unsicherheit und ein schwächerer direkter Niveaueffekt.
Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen werden in weiteren Analysen auf verschiedene Segmente der US- und der Weltwirtschaft heruntergebrochen. Im ersten Schritt wird untersucht, wie heterogen die restriktiven Handelsschocks auf (die Aktienkurse von) Firmen wirken. Rund 90 Prozent der Firmen aus dem S&P-500-Index, der die größten US-Firmen umfasst, reagieren signifikant negativ. Zu den am stärksten betroffenen Aktienkursen zählen die von Halbleiterherstellern.
Auch beim Blick auf die US-Branchen ergibt sich ein klares Bild. Branchen mit starker internationaler Handelsorientierung sind am stärksten von dem Handelsschock betroffen. Dazu gehören insbesondere der Technologiesektor (zu dem Halbleiterfertiger gehören), die Industrie und der Finanzsektor (Abbildung 3). Aktienkurse von Unternehmen dieser Branchen fallen nach restriktiven US-Handelsschocks im Schnitt um ein Prozent. Dagegen sind sehr auf die Binnenwirtschaft ausgerichtete Branchen, wie die Versorgungsunternehmen oder die Immobilienwirtschaft, nicht signifikant berührt. Allerdings sind die geschätzten mittleren Effekte für zehn der elf Branchen negativ, davon in neun Fällen in einem statistisch signifikanten Maß.
Der insgesamt negative Effekt zeigt sich qualitativ ähnlich für andere Länder. Die Aktienleitindizes von 49 betrachteten Ländern sind zumeist signifikant negativ von einem restriktiven Handelsschock betroffen. Am stärksten trifft es die lateinamerikanischen Länder und Europa, schon weniger die asiatischen Länder (außer China). Afrika ist kaum betroffen (Abbildung 4).Ähnliche Ergebnisse für Effekte auf Drittländer finden Pablo Fajgelbaum et al. (2020): Global Reallocations in the 2018–2019 Trade War. Slides from NBER Conference, September. Dieses Muster spiegelt die Handelsverflechtungen mit den USA wider, wobei die asiatischen Länderindizes vermutlich von erwarteten Verlagerungen zulasten Chinas profitieren.
Die restriktive US-Handelspolitik, die sich vornehmlich gegen China richtete und dessen Exporte in die USA reduzieren sollte, blieb nicht ohne Reaktion. Deshalb untersucht der letzte Schritt der Analyse, wie sich chinesische Vergeltungsmaßnahmen in Form von Handelsrestriktionen gegenüber den USA auswirken. Auch hierzu hat das Peterson Institute eine Liste an handelspolitischen Ereignissen zusammengestellt. Die Ergebnisse des Modells zeigen, dass die restriktiven Handelsschocks von chinesischer Seite auf die Finanzmärkte ähnlich negativ wirken wie die US-Maßnahmen; die Aktienkurse reagieren sogar noch stärker und nachhaltiger (Abbildung 5). Dies lässt den Schluss zu, dass die Marktteilnehmer möglicherweise erwarten, dass der Konflikt zwischen den USA und China noch länger anhält und sich nicht abschwächen wird. Anscheinend sind (Vergeltungs-)Maßnahmen von China mindestens so schädlich für die US-Wirtschaft wie die US-Maßnahmen selbst, so dass die Gesamtwirkung nochmals schwerwiegender wird.
Die restriktive Handelspolitik der letzten US-Regierung wirkt in der Summe negativ – sowohl auf die global agierende US-Wirtschaft als auch auf die meisten anderen Volkswirtschaften, wie die Analyse der Finanzmarktreaktionen gezeigt hat.Vgl. für weitere Effekte der US-Handelspolitik Paul Berenberg-Gossler et al. (2020): Trumps protektionistische Handelspolitik hat ihre Ziele verfehlt. DIW Wochenbericht Nr. 50, 960–969 (online verfügbar). Ökonomische Gründe sprechen also nicht für diese Politik. Es ist nicht einmal klar, ob China stärker als die USA selbst getroffen wird. Zwar dürfte China stärker von den USA abhängig sein als umgekehrt, dafür kann es politisch aber mit weniger Rücksichtnahme agieren. In jedem Fall sind die wirtschaftlichen Kosten für alle Beteiligten erheblich. Hinzu kommen politische Verwerfungen, da die multilaterale Handelsordnung ausgehebelt wird. Das mag die letzte US-Regierung nicht allzu sehr gestört haben, die aktuelle Regierung sollte diese negativen Effekte einer restriktiven Handelspolitik aber berücksichtigen.
Allerdings ist es durchaus möglich, dass aus US-Sicht erwünschte Effekte außerhalb des gewählten Modellansatzes auftreten: So werden viele, überwiegend kleinere US-Firmen des Mittelstandes, die weniger international operieren und dem Handelskrieg daher kaum ausgesetzt sind, nicht in den betrachteten Aktienindizes erfasst. Zweitens mögen die hier dargestellten Wirkungen nach entsprechenden Anpassungen der US-Wirtschaft langfristig abklingen, zum Beispiel, weil inländische Firmen die Güter und Leistungen erbringen, die früher aus China importiert wurden. Und drittens mag der Handelskrieg ein Instrument für andere, politische Ziele sein, die eine rein volkswirtschaftliche Analyse nicht berücksichtigt.
In jedem Fall stellt die diskutierte US-Politik ein Problem für die deutsche und europäische Wirtschaftspolitik dar: Nicht nur, dass die bisherigen Restriktionen die hiesigen Märkte schon belastet haben. Was zwischen den USA und China passiert, kann sich künftig auch gegen Europa wenden. Ansätze in diese Richtung gab es bereits einige, wenngleich die Intensität des Konflikts weitaus geringer ist. Gerade im deutschen Interesse sind Handelskonflikte nicht, da die deutsche Volkswirtschaft stärker in die internationale Arbeitsteilung eingebunden ist als andere europäische Volkswirtschaften. Mit der neuen US-Regierung ist zwar viel Unsicherheit aus dem Markt verschwunden, aber es ist nicht damit zu rechnen, dass sie die Handelshemmnisse gegenüber China schnell aufheben wird. Sie hat aber deutlich gemacht, dass sie im Gegensatz zur Vorgängerin auf internationale Partner setzen will. Eine Rückkehr zur multilateralen Handelsordnung könnte vor allem die negativen Konsequenzen für Drittländer verhindern. Europa sollte diese Chance nutzen, wird aber nur dann das nötige Gewicht haben, wenn es gelingt, gemeinsam aufzutreten. Im Konfliktfall würden die USA oder China dann Zugang zu einem für sie sehr bedeutsamen Markt – der EU – verlieren.
Themen: Geldpolitik, Finanzmärkte
JEL-Classification: F13;F51;G10
Keywords: Trade policy shock; structural VAR; stock prices; exchange rates; interest rates; heteroskedasticity
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-31-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/242061