DIW Wochenbericht 38 / 2021, S. 651
Lukas Menkhoff, Erich Wittenberg
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Herr Menkhoff, Sie haben untersucht, wie wirksam finanzielle Bildung ist. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen? Wir haben die Literatur umfassend analysiert und kommen zu einem recht klaren Ergebnis. Die von uns betrachteten Studien wurden nach strikten Kriterien ausgewählt und sind qualitativ hochwertig und aussagekräftig. Im Einzelfall finden wir unter Umständen nur eine geringe oder partielle Wirksamkeit, vielleicht auch einmal gar keine Wirksamkeit, aber wenn man sich über alle Studien hinweg das gesamte Bild anschaut, dann ergibt sich sehr klar, dass finanzielle Bildung tatsächlich das Finanzwissen und das Finanzverhalten positiv beeinflusst.
In welchen Bereichen wirken finanzielle Bildungsinterventionen am stärksten? Bei den Dingen, über die wir hier sprechen, geht es sicherlich nicht um Spekulationen an der Börse, sondern es geht um Grundlagen. Es geht darum, dass so gespart wird, wie es den Vorstellungen von Haushalten entspricht und dass diese ihre Haushaltsfinanzen im Griff haben und Überschuldungssituationen vermeiden. Was wir in unserer Metastudie ganz klar sehen, ist, dass finanzielle Bildung im Bereich des Sparverhaltens und des Budgetierungsverhaltens deutliche Erfolge erzielt. Der kritische Bereich ist das Verschuldungsverhalten. Woran das liegt, ist im Moment noch ungeklärt. Meine erste Idee wäre, dass Verschuldungsverhalten möglicherweise stärker in der Persönlichkeit verankert ist und deshalb nicht so einfach gelernt oder trainiert werden kann. Aber das ist lediglich eine Vermutung.
Wie nachhaltig ist die Wirkung finanzieller Bildung? Bei der Nachhaltigkeit ist das erste grundlegende Problem, dass die meisten Studien wenig über die Nachhaltigkeit aussagen können, weil sie die Wirksamkeit von Interventionen in einem relativen kurzen Abstand nach der Intervention messen. Es gibt wenige Studien, die das erst Jahre nachdem interveniert wurde analysieren. Das Bild sieht so aus, dass das Wissen mit der Zeit abnimmt, aber nicht komplett verschwindet. Die Verhaltensänderungen sind tendenziell nachhaltiger. Natürlich verliert man Wissen über die Zeit und man behält auch nicht unbedingt jede Verhaltensänderung bei, aber beim Verhalten ist die Wirkung stabiler als beim Wissen.
Wäre finanzielle Bildung schon in der Schule ein geeignetes Fach? Man würde, glaube ich, im deutschen Kontext finanzielle Bildung nicht als eigenes Fach nehmen, sondern würde es als Teil ökonomischer Bildung sehen. Die Studien, die wir zu den Wirkungen solch eines Fachs in der Schule haben, sind sehr positiv und passen zu dem Gesamtbefund. Es gibt also keinen Grund, warum wir nicht in der Schule schon damit anfangen sollten, nur die Inhalte müssen angepasst sein.
Brauchen wir eine nationale Strategie zu finanzieller Bildung, so wie es sie in anderen Ländern ja auch gibt? Das wäre im Zweifelsfall hilfreich. Denn zurzeit ist es so, dass es einen ziemlichen Flickenteppich gibt. Einzelne Bundesländer preschen vor und führen ein Schulfach „ökonomische Bildung“ ein, in dem auch finanzielle Bildungsinhalte integriert sind. Es gibt praktisch in jedem Land Teile von ökonomischer Bildung in jeweils unterschiedlich genannten Fächern und in verschiedenen Schulstufen. Es würde manches dafür sprechen, sich die verschiedenen Varianten in den Ländern systematisch anzuschauen und zu überlegen, welche Inhalte wichtig sind. Auch nach der Schulzeit wäre denkbar, nochmals Bildungselemente vorzusehen. Eine Strategie sollte dann gezielt folgende Fragen beantworten: Was sind die Ziele, was sind die Inhalte und wie setzt man das Ganze um.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Verbraucher, Finanzmärkte, Bildung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-38-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/245816