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Nur harte Corona-Regeln wirken sich auf den Passagierflugverkehr zwischen Deutschland und Mallorca aus

DIW Wochenbericht 39 / 2021, S. 655-662

Albert Banal Estañol, Wolfgang Grimme, Sven Maertens, Jo Seldeslachts, Christina Stadler

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  • Während jedes Jahr fast fünf Millionen Deutsche nach Mallorca fliegen, war der Flugverkehr in der Pandemie auf durchschnittlich etwa 25 Prozent des Niveaus von 2019 reduziert
  • Der Passagierflugverkehr schwankte jedoch je nach Woche stark zwischen zehn und 86 Prozent
  • Strenge Reisebeschränkungen wie Einreiseverbote und Quarantänebestimmungen hatten einen signifikanten Einfluss auf den Flugverkehr
  • Lokale Beschränkungen wie Ausgangssperren und indirekte Maßnahmen wie öffentliche Appelle der Politik wirkten sich nicht aus
  • Impfungen dürften auch bei strengen Reisebeschränkungen einen positiven Effekt haben

„Unsere Studienergebnisse deuten darauf hin, dass harte Restriktionen die wirksamste Maßnahme sind, um in einer Pandemie den Flugverkehr zu beschränken – vorausgesetzt eine Regierung hält das für notwendig.“ Jo Seldeslachts

Mallorca ist das beliebteste ausländische Reiseziel deutscher Urlauber und Urlauberinnen. Jedes Jahr fliegen fast fünf Millionen von ihnen auf die Balearische Insel. Die Corona-Pandemie hatte den Passagierflugverkehr aber praktisch zum Erliegen gebracht. Ab Juni 2020 starteten zwar wieder mehr Flüge nach Mallorca, jedoch schwankte das Sitzplatzangebot je nach Woche zwischen zehn und 86 Prozent des Niveaus von 2019. Der Wochenbericht zeigt, welche Corona-Maßnahmen den Flugverkehr zwischen Deutschland und Mallorca besonders beeinflusst haben. So haben lokale Beschränkungen wie Ausgangssperren oder Maskenpflicht im Freien ihn kaum beeinträchtigt. Infektionsraten zu veröffentlichen oder an Reisende öffentlich zu appellieren hatte ebenfalls kaum einen Effekt. Lediglich strenge Reisebeschränkungen wie Einreiseverbote und Quarantänevorschriften haben sich auf den Flugverkehr erheblich ausgewirkt. Die Politik kann also nur über solche Maßnahmen den Reiseverkehr effektiv steuern. Gleichzeitig zeigen erste Daten zu den Impfungen, dass diese die Effekte der Reisebeschränkungen deutlich abschwächen.

Fast fünf Millionen Deutsche fliegen jedes Jahr nach Mallorca. Aus keinem anderen Land reisen mehr Urlauber und Urlauberinnen auf die Balearische Insel.infoAgència de Turisme de les Illes Balears (2020): El turisme a les Illes Balears. Anuari 2019 (online verfügbar, abgerufen am 1. September 2020. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Die Corona-Pandemie brachte jedoch den Flugverkehr praktisch zum Erliegen. Zum einen haben die Regierungen weltweit Reisebeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie verhängt. Zum anderen hat die Pandemie auch die Lust auf Flugreisen aufgrund des Infektionsrisikos verringert. Auch wenn der Luftverkehr nur zu einem kleinen Teil zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, ist er ein wichtiger Motor für viele Wirtschaftstätigkeiten in zahlreichen anderen Sektoren wie beispielsweise dem Tourismus.infoIn Deutschland sind rund 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 421000 Arbeitsplätze mit dem Luftverkehr verbunden. Vgl. dazu Janina Scheelhaase et al. (2021): Wirtschaftspolitische Implikationen der COVID-19-Pandemie im Luftverkehr. Wirtschaftsdienst Nr. 4, 106–113. Dabei gehören Reisen und Tourismus zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Sektoren.

Dieser Wochenbericht untersucht, wie sich die Corona-Pandemie und die ergriffenen Maßnahmen auf den Passagierflugverkehr ausgewirkt haben. Der Fokus liegt dabei auf dem Sitzplatzangebot zwischen deutschen Flughäfen und Mallorca, dem beliebtesten Auslandsreiseziel vieler deutscher Reisenden.infoVgl. Informationen auf der Webseite des Deutschen Reiseverbands (DRV). Im Jahr 2018 waren die Balearen bei deutschen Urlaubern und Urlauberinnen beliebter als Griechenland und die Türkei zusammen, vgl. Information auf der Webseite der Deutschen Welle. Es wird das gesamte wöchentliche Sitzplatzangebot aller Fluggesellschaften, die von deutschen Flughäfen nach Mallorca zwischen Januar 2019 und Juli 2021 gestartet sind, analysiert. Mallorca eignet sich auch deshalb für eine Untersuchung, weil nahezu alle deutschen Urlauber und Urlauberinnen mit dem Flugzeug anreisen.infoBalearic Islands Tourism Board (ATB) (2017): Balearic Islands regional context survey. European Projects Dpt (online verfügbar). Lediglich vier Prozent aller Touristen und Touristinnen benutzen den Seeweg.

Seit Beginn der Pandemie boten Fluggesellschaften in Folge der staatlichen Maßnahmen und der geringeren Nachfrage deutlich seltener Flüge zwischen Deutschland und Mallorca an. Der Flugverkehr schwankte im Vergleich zum Jahr 2019 jedoch je nach Woche stark. Beispielsweise hoben Mitte März 2021 die deutschen Behörden die Einstufung der Balearischen Inseln als Risikogebiet und damit alle Reisebeschränkungen auf. Die Reisebranche berichtete daraufhin, dass die Flugbuchungen für Ostern abrupt anstiegen, trotz einer hohen Inzidenz in Deutschland.infoTimo Kotowski und Sarah Obertreis (2021): Mallorca-Reisen sorgen für Streit, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. März (online verfügbar). Die Politik sorgte sich, dass die Inzidenz hierzulande weiter steigt, und einigte sich auf den Nachweis eines negativen Coronatests vor dem Heimflug nach Deutschland ein. Und Vizekanzler Olaf Scholz riet beispielsweise davon ab, in Urlaubsgebiete wie Mallorca zu fliegen.infoBundesministerium der Finanzen (2021): Interview mit dem Finanzminister Olaf Scholz für die Bild am Sonntag. Vom 21. März (online verfügbar).

Das Fallbeispiel Mallorca zeigt, wie in der Pandemie unterschiedliche Maßnahmen das Reiseverhalten der Touristen und Touristinnen beeinflusst hat. Die Reisebestimmungen scheinen sich erheblich auf die Flugreisen ausgewirkt zu haben. Die Beschränkungen vor Ort und die Infektionsraten scheinen hingegen kaum einen Effekt gehabt zu haben.

In der Pandemie schwankten das Sitzplatzangebote für Flüge nach Mallorca stark

Zahlreiche Datenquellen liefern detaillierte Informationen über einzelne Flüge zwischen Flughäfen, wie Flightradar24, OpenSky Network, FlightAware, EUROCONTROL.infoVgl. Daten auf den Webesiten Flightradar24, Opensky Network, FlightAware, Eurocontrol. Ergänzt wurden diese Flugverkehrsinformationen mit Daten zur Sitzplatzkapazität je Flugzeugtype des Fleet Analyzer von Circium, um die Anzahl der pro Flug angebotenen Sitzplätze zu berechnen.infoBerücksichtigt wurden nur Flüge von Flugzeugtypen mit mehr als 21 Sitzplätzen, um die Aktivitäten kleinerer Flugzeuge (Privatjets) auszuschließen. Für den Untersuchungszeitraum Januar 2019 bis Juli 2021 boten mehr als 13 verschiedenen Airline-MuttergesellschafteninfoDie Fluggesellschaften, die Flüge mit mehr als 21 Sitzen (und einem wöchentlichen Marktanteil von mindestens einem Prozent) anbieten, sind Norwegian, EasyJet, TUIfly, Ryanair, Lufthansa-Group, IAG, ThomasCook, Germania, Condor, CoredonAirlines, Sundair, AirEuropa, Wizzair. Flüge von insgesamt 23 deutschen FlughäfeninfoBerlin, Bremen, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt International, Frankfurt Hahn, Friedrichshafen, Hamburg, Hannover, Karlsruhe/Baden-Baden, Kassel-Calden, Köln/Bonn, Leipzig/Halle, Memmingen, Muenster/Osnabrück, München, Nürnberg, Paderborn/Lippstadt, Saarbrücken, Stuttgart und Weeze (Niederrhein). nach Mallorca an. Der finale Datensatz zeigt die wöchentliche gesamte Anzahl an Sitzplätzen von deutschen Flughäfen nach Mallorca für den genannten Untersuchungszeitraum.

Die Gesamtzahl der wöchentlich verfügbaren Sitze ist in einem typischen Jahr wie 2019 saisonal bedingt und variiert zwischen weniger als 40000 Sitzen in einigen Wochen von November bis Februar und mehr als 160000 Sitzen pro Woche während der Sommermonate (Abbildung 1). Um die Auswirkungen der Pandemie auf die Sitzplatzverfügbarkeit zu bewerten, wird daher die Zahl der wöchentlich verfügbaren Sitzplätze in den Jahren 2020 und 2021 als Anteil an Sitzplätzen im Vergleich zur jeweils gleichen Woche 2019 angegeben.infoDie Sitzplatzverfügbarkeit schwankte auch außerhalb der Pandemie leicht gegenüber dem Vorjahr: In den fast allen Wochen im Januar und Februar 2020 war die Zahl der verfügbaren Plätze etwas geringer als in der gleichen Woche des Jahres 2019 (zwischen 80 und 90 Prozent).

Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den COVID-19-Ausbruch als Pandemie eingestuft und die deutsche Regierung daraufhin eine weltweite Reisewarnung herausgegeben hat, ist die Sitzplatzverfügbarkeit bis Ende März 2020 (Woche 13) auf nahezu null zurückgegangen.infoZu beachten ist, dass sich der Begriff Woche nicht auf die Kalenderwoche bezieht. Woche 1 beginnt jeweils am 1. Januar eines Jahres und umfasst sieben Tage. Sie erhöhte sich im Sommer 2020 teilweise und erreichte in einigen Wochen der Schulsommerferien 80000 Sitzplätze (50 Prozent im Vergleich zu 2019). Einen kleineren Anstieg gab es auch während der Weihnachtszeit (durchschnittlich 20 Prozent der Auslastung in 2019). Am stärksten stieg die Verfügbarkeit von Sitzplätzen nach Mallorca jedoch in der Woche vor Ostern 2021, in der mehr als 57000 Sitzplätze angeboten wurden, das heißt mehr als 80 Prozent im Vergleich zu 2019.infoZu beachten ist, dass Ostern im Jahr 2019 auf Ende April (Woche 16) fiel und im Jahr 2021 auf Anfang April (Woche 14). Danach sank sie deutlich, stieg aber kurz vor Pfingsten 2021 und mit Beginn der Sommerferien 2021 schrittweise wieder an und erreichte gegen Ende Juli 2021 das höchste Niveau mit über 125000 Sitzplätzen (76 Prozent im Vergleich zu 2019).

Insgesamt ist die Sitzplatzverfügbarkeit zwischen Deutschland und Mallorca während der Pandemie also stark zurückgegangen. Allerdings schwankte der Rückgang unterschiedlich stark. Während in der Anfangsphase der Pandemie der Flugverkehr im Wesentlichen zum Erliegen kam, erreichte er in anderen Zeiträumen, insbesondere zu Ostern 2021 und im Sommer 2021, fast das Niveau von 2019. Insgesamt ist der Flugreiseverkehr in den Hauptferienzeiten (Ostern, Sommer, und Weihnachten) weniger stark zurückgegangen als in anderen Zeiträumen.

Die Entwicklung der tatsächlichen Passagieranzahl folgt einem ähnlichen Muster wie die Zahl der monatlich verfügbaren Sitzplätze. Dies verdeutlicht, dass die Auslastung der Flüge auch während der Pandemie vergleichbar hoch ist wie vor der Pandemie (Abbildung 2). Da allerdings die Daten zum Passagieraufkommen nur monatlich verfügbar sind, werden in diesem Wochenbericht die wöchentlich verfügbaren Sitzplätze verwendet.

Reisebestimmungen wirkten sich erheblich auf Flugreisen aus

Die Reisebestimmungen in beiden Ländern wirkten sich erheblich auf Flugreisen nach Mallorca aus (Abbildung 3). Reisebeschränkungen zwischen Deutschland und den Balearen umfassten harte Maßnahmen wie Einreiseverbote für Nicht-Staatsangehörige, Grenzkontrollen, Testnachweise und Quarantänebestimmungen sowie auch weiche Maßnahmen wie eine Reiswarnung für nicht notwendige, touristische Reisen oder das Ausfüllen der Einreiseanmeldung.infoVgl. Informationen auf den Webseiten des Robert Koch-Instituts (RKI) (online verfügbar), des Auswärtigen Amts (online verfügbar), des Bundesministeriums des Innern (BMI) (online verfügbar).

Nach der Ausrufung der Pandemie durch die WHO wurden im gesamten Schengen-Raum mehrere Reisebeschränkungen eingeführt, einschließlich Grenzkontrollen, die die Einreise von Nicht-Staatsangehörigen untersagten. Dies bedeutete, dass es sich de facto um gegenseitige Einreiseverbote handelte, da deutsche Staatsangehörige aufgrund des spanischen Verbots nicht nach Spanien einreisen konnten und umgekehrt. Dies brachte den Flugverkehr vollständig zum Erliegen.

Der Reiseverkehr nach Mallorca begann sich ab Mitte Juni etwas zu erholen, als Spanien das Einreiseverbot aufhob und Deutschland seine weltweite Reisewarnung durch regionsspezifische Risikowarnungen für das Ausland ersetze. Mitte August 2020 wurden die Balearen erstmals als einfaches Risikogebiet eingestuft, wodurch Reiserückkehrende sich in eine 14-tägige Quarantäne begeben mussten, die allerdings durch ein negatives Testergebnis nach der Einreise aufgehoben werden konnte.infoVgl. Informationen auf der Webseite des Robert Koch-Instituts (RKI) (online verfügbar). Trotz dieser geringen Einschränkung begann der Flugverkehr wieder deutlich zu sinken, möglicherweise auch aufgrund des Endes der Schulsommerferien.

Die relative Sitzplatzkapazität blieb unverändert sehr niedrig nach der Verschärfung der Quarantänedauer auf mindestens fünf Tage für einfache Risikogebiete (durchschnittlich 15 Prozent im Vergleich zu 2019).infoEs wurde eine obligatorischen zehntägigen Quarantäne, die frühestens nach fünf Tagen durch einen negativen Test beendet werden konnte, eingeführt. Dass die Balearen am 24. Januar 2021 als Hochinzidenzgebiet eingestuft wurden reduzierte das Sitzplatzangebot weiter (durchschnittlich zehn Prozent im Vergleich zu 2019).infoVgl. Informationen auf der Webseite des Robert Koch-Institut (RKI). Grund hierfür könnten auch die Einschränkungen in Deutschland durch den sogenannten Lockdown light ab dem 2. November 2020 (Woche 44) und den darauffolgenden zweiten Lockdown ab dem 16. Dezember 2020 (Woche 51) sein.infoZwischen dem 2. November und dem 15. Dezember bekämpfte Deutschland die hohe Inzidenzrate mit einem sogenannten Lockdown light: Kontaktbeschränkungen und Schließungen von Restaurants und touristischen Einrichtungen wie Hotels. Im Gegensatz zu den zwei Lockdowns (22. März – 4. Mai 2020, 16. Dezember 2020 – 10. Mai 2021) waren die meisten Geschäfte sowie Schulen und Kitas jedoch weiterhin geöffnet. Vgl. Informationen auf der Webseite von NDR.

Das Ende der Einstufung der Balearen als einfaches Risikogebiet und somit der Wegfall der Quarantänebestimmungen ließ die Sitzplatzverfügbarkeit zu Ostern 2021 abrupt ansteigen. Vor dem Hinflug auf die Balearen und vor dem Rückflug nach Deutschland galt es lediglich negative Coronatests vorzuweisen. Das ist etwas überraschend, vor allem da Deutschland sich in dieser Zeit weiterhin im Lockdown befand. Jedoch könnte das auch der Grund für die Reiselust deutscher Touristen und Touristinnen gewesen sein.

Nach Ostern ging die Reisetätigkeit wieder zurück, erholte sich aber danach und während des gesamten Sommers, als negative Testergebnisse und später Impf- oder Genesungsnachweise von einer Quarantäne befreiten.infoZu beachten ist, dass ab 30. März 2021 (Woche 13) Einreisende vor Abflug nach Deutschland einen negativen Coronatest vorweisen mussten. Am 11. Juli 2021 (Woche 24) galten die Balearen wieder als einfaches Risikogebiet. Die generellen Testnachweispflicht im Luftverkehr befreite allerdings im Fall eines negativen Tests ab Tag 1 von der zehntägigen Quarantäne. Obwohl die Daten im Juli 2021 enden, lässt sich vorläufig sagen, dass sich der Flugverkehr auch mit der Neueinstufung der Balearen als Hochinzidenzgebiet ab dem 27. Juli 2021 (Woche 30) nicht geändert hat. Seit Ende der Sommerferien ist er jedoch rückläufig.

Insgesamt scheinen sich die Reisemuster an den gegenseitigen Einreiseverboten, den deutschen Einreisebestimmungen von den Balearen nach Deutschland – wo strengere Vorschriften zu weniger Flügen führen – und an den Ferienzeiten zu orientieren, mit mehr Flügen während der Ferien. Lockdowns in Deutschland wirken sich mit der großen Ausnahme zu Ostern 2021 negativ auf die Reisetätigkeit aus.

Örtliche Beschränkungen auf Mallorca wirken sich kaum auf den Flugverkehr aus

Die lokalen Beschränkungen auf den Balearen, einschließlich der für Urlauber und Urlauberinnen wichtigsten wie Schließung von Restaurants und Bars oder Ausgangssperren, haben den Flugverkehr von Deutschland nach Mallorca nicht wesentlich beeinträchtigt (Abbildung 4). Während der (gelockerten) Ausgehverbote auf Mallorca von März bis Juni 2020 war der Flugverkehr nicht existent, aber hauptsächlich wegen der oben erwähnten Reiseverbote.infoWährend des gelockerten Ausgehverbots konnten die Personen einige Stunden am Tag nach draußen gehen, um sich zu bewegen, während sie beim Ausgehverbot nur in Ausnahmefällen nach draußen gehen konnten (zum Beispiel für Arztbesuche, Lebensmitteleinkäufe). Während des gelockerten Ausgehverbots waren Bars und Restaurants teilweise geöffnet, allerdings zu sehr eingeschränkten Zeiten (zum Beispiel nur zum Mittagessen). Nach dem ersten Ausgehverbot gab es fünf Deeskalationsstufen. Diese werden hier als gelockertes Ausgehverbot zusammengefasst, solange es nicht vollständig erlaubt war ohne Grund nach draußen zu gehen. Während der Ausgangssperre war das Leben mehr oder weniger normal bis auf die Tatsache, dass man sich nachts nicht draußen aufhalten durfte. Die Maskenpflicht im Freien ab Mitte Juli 2020 hatte jedoch keinen Einfluss auf die steigende Sitzplatzverfügbarkeit im Sommer 2020. Auch die Ausgangssperre und die Kontaktbeschränkungen Ende Oktober 2020 wirkten sich nicht auf die Zahl der verfügbaren Plätze aus. Die Aufhebung dieser Beschränkungen im Mai 2021 sowie der Pflicht zum Tragen einer Maske auf öffentlichen Plätzen im Juli 2021 fällt mit kleinen Sprüngen in der Zahl der verfügbaren Sitzplätze zusammen. Die Flugreisen könnten in diesem Zeitraum aber auch aufgrund der gestiegenen Impfquoten zugenommen haben.

Inzidenz in Deutschland und auf den Balearen hat keinen Effekt auf den Luftverkehr

Die Infektionsraten scheinen weder in Deutschland noch auf den Balearen die Haupttreiber für die Zahl der verfügbaren Plätze gewesen zu sein (Abbildung 5). Als sich der Reiseverkehr nach Mallorca im Sommer 2020 teilweise erholte, waren die Infektionsraten in Deutschland zwar niedrig. In den Weihnachts- und vor allem in den Osterferien nahm die Reisetätigkeit jedoch zu einer Zeit zu, in der die deutschen Infektionsraten ihren Höchststand erreichten. Während der Osterferien 2021 lagen die Infektionsraten in Deutschland deutlich über 100 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner und Einwohnerinnen, während sich gleichzeitig die Reisetätigkeit dem Niveau von vor der Pandemie annäherte. Die Infektionsraten auf den Balearen stiegen in der Folge nicht an.infoDie Daten bestätigen also, was die deutsche Presse berichtet; siehe etwa Timo Kotowski und Sarah Obertreis (2021): Mallorca-Reisen sorgen für Streit, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. März (online verfügbar). In Deutschland hingegen stiegen sie nach Ostern noch drei weitere Wochen lang an.

Die Infektionsraten auf den Balearen scheinen sich auch nicht auf den Flugverkehr ausgewirkt zu haben. Tatsächlich fielen einige der Spitzenwerte bei Flugreisen, wie im Sommer 2020, Weihnachten 2020 und Sommer 2021, mit Spitzenwerten bei den Infektionsraten auf den Inseln zusammen. In einigen Wochen des Sommers 2021 wurden die höchsten Inzidenzraten auf den Inseln verzeichnet (mehr als 300 Fälle pro 100000 Einwohner und Einwohnerinnen), während die Reisetätigkeit nach Mallorca fast 80 Prozent des Niveaus von 2019 erreichte. Diese hohe Reisetätigkeit trotz der hohen Infektionsraten auf Mallorca könnte auf die steigenden Impfquoten zurückzuführen sein.

Flugreisen im Sommer steigen mit den Impfquoten in Deutschland und auf den Balearen an

Die steigende Impfquote könnte einen zunehmenden Anstieg der Reisen in den Sommerwochen 2021 ermöglicht haben. Die Impfungen begannen Anfang 2021 und verliefen in Deutschland und auf den Balearen nach einem ähnlichen Muster, sodass bis Ende Juli 2021 etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung geimpft wurde. In diesen Wochen erreichten die verfügbaren Plätze fast 80 Prozent des Niveaus von 2019 (Abbildung 6). Das ist deutlich mehr als im vorangegangenen Sommer, in dem es ähnliche oder weniger restriktive Reise- und Ortsbeschränkungen (Abbildungen 3 und 4) und ähnliche Infektionsraten in Deutschland und auf den Balearen gab (Abbildung 5). Die Impfungen könnten also einen großen Einfluss auf den Flugverkehr, der über die gesetzliche Wirkung der Reise- und Ortsbestimmungen hinausgeht, haben.

Fazit: Strenge Reisebeschränkungen sind wirksam, um den Flugverkehr zu reduzieren, indirekte Mechanismen nicht

Strenge Reisebeschränkungen wie Einreiseverbote und Quarantänevorschriften beeinflussen das Angebot im Flugverkehr erheblich. Umgekehrt hat sich die Befreiung von der Quarantänepflicht bei Vorlage eines negativen Testergebnisses oder eines Impf-/ Genesenennachweises auf den Flugverkehr deutlich positiv ausgewirkt. Hingegen haben die lokalen Beschränkungen am Reiseziel wie Ausgangssperren den Flugverkehr nicht wesentlich beeinträchtigt. So wirkte sich beispielsweise die im Juli 2020 eingeführte Maskenpflicht im Freien nicht negativ auf die Sitzplatzverfügbarkeit aus.

In den Haupturlaubszeiten war der Rückgang der Flugreisen im Vergleich zum Niveau von vor der Pandemie geringer als in anderen Zeiträumen, was dahingehend interpretiert werden kann, dass die Menschen in diesen Zeiten weniger bereit sind, auf Reisen zu verzichten – und zwar unabhängig von den Infektionsraten. Während der Osterferien, als die Infektionsraten in Deutschland ihren Höhepunkt erreichten, nahmen die Mallorcareisen zu.

Strenge Reisebeschränkungen reduzieren also den Flugverkehr wirksam, lokale Beschränkungen jedoch nicht. Indirekte Mechanismen zur Beeinflussung des Reiseverhaltens wie die Veröffentlichung von Infektionsraten oder die öffentliche Aufforderung, nicht zu fliegen, wie es Vizekanzler Olaf Scholz vor Ostern getan hat, haben ebenfalls keine große Wirkung. Wenn die Politik also verhindern will, dass Touristen und Touristinnen im Falle einer Pandemie ins Ausland reisen, muss sie sehr strenge Maßnahmen ergreifen.

Die Impfungen könnten möglicherweise zu einer schrittweisen Zunahme der Reisen in den Sommerwochen 2021 geführt haben, da sie die Auswirkungen der Reisebeschränkungen abschwächen. Die Neueinstufung der Balearen als Hochinzidenzgebiet hatte sich nicht nennenswert auf den Flugverkehr ausgewirkt, höchstwahrscheinlich weil die mindestens fünftägige Quarantäne mit einem Impfnachweis entfällt. Die Impfungen scheinen also eine Wirkung zu haben, die über die Wirkung der Reisebestimmungen hinausgeht, da die Reisetätigkeit im Sommer 2021 trotz gleichwertiger Einschränkungen für geimpfte Urlauber und Urlauberinnen viel größer ist als im Jahr 2020.

Jo Seldeslachts

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte

Themen: Verkehr, Gesundheit



JEL-Classification: L93;H10
Keywords: Airline, COVID-19
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-39-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/245817

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