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Klima der Angst oder Respekt auf Augenhöhe? Erfahrungen von Hartz IV-Beziehenden mit Jobcentern im Zuge der Corona-Pandemie

Aufsätze referiert extern - sonstige

Fabian Beckmann, Rolf G. Heinze, Dominik Schad, Jürgen Schupp

In: Sozialer Fortschritt 70 (2021), 10/11, S. 651–669

Abstract

Im Zuge der Corona-Pandemie wurden der Zugang zu Leistungen der Grundsicherung ver-einfacht und die Zugangsvoraussetzungen zur Gewährung von Sozialleistungen sowie die Disziplinierung der Leistungsbeziehenden abgeschwächt. Bislang ist unklar, welche Erfah-rungen Leistungsbeziehende mit diesem vereinfachten Zugang gemacht haben. Der Beitrag untersucht dies auf Basis einer quantitativen Erhebung unter Grundsicherungsbeziehenden des Kreises Recklinghausen. Im Fokus stehen die Beurteilung der Interaktion mit den Job-center-Beschäftigten seitens der Leistungsbeziehenden, die Zufriedenheit mit dem Hartz IV-System und die Einstellungen zum vereinfachten Zugang zur Grundsicherung im Jahr 2020. Die Befunde zeigen: Leistungsbeziehende nehmen das Jobcenter mehrheitlich nicht als Ort der Angst und Disziplinierung wahr, obgleich Scham ebenso Teil der Realität ist. Positive Erfahrungen mit dem Jobcenter gehen einher mit positiven Effekten auf die Beurteilung des Hartz IV-Systems, was die Bedeutung der Jobcenter als street-level bureaucracy unter-streicht. Eine Verstetigung wesentlicher Elemente des vereinfachten Zugangs wird mehrheit-lich befürwortet, allerdings mit der Ausnahme einer dauerhaften Aussetzung von Sanktionen. Der Beitrag diskutiert abschließend sozialpolitische Implikationen für eine neujustierte Grundsicherung.

In the wake of the COVID-19 pandemic, the access to basic security benefits for job seekers was facilitated by promoting unconditional security elements and weakening disciplinary measures for recipients. So far, it is unclear what experiences benefit recipients have had with these new regulations. The article investigates this question on the basis of a quantitative survey of basic security benefit recipients. We focus on the evaluation of the interaction with job centre-employees, the satisfaction with the Hartz IV-system and attitudes towards the pandemic-related regulations. The findings show: benefit recipients do not per se perceive job centres as places of fear and harassment, although feelings of shame are also part of their reality. Positive experiences with job centres show positive effects on the evaluation of the Hartz IV-system, which underlines the important role of job centres as street-level bureaucracies. Making the new regulations permanent is supported by the vast majority, although a permanent renunciation of sanctions is not favoured. Finally, the article discusses social policy implications for a redesigned basic security system.

Jürgen Schupp

Wissenschaftler in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel



JEL-Classification: E24;H83;J40
DOI:
https://doi.org/10.3790/sfo.70.10-11.651

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