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Qualitätsverbesserung des Preisindexes dürfte die Glaubwürdigkeit der EZB stärken: Interview

DIW Wochenbericht 49 / 2021, S. 803

Geraldine Dany-Knedlik, Erich Wittenberg

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Frau Dany-Knedlik, die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum werden für die Berechnung der Inflation bislang nicht vollständig erfasst. Um welche Kosten geht es da? Im sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), den auch die Europäische Zentralbank (EZB) für ihre geldpolitischen Entscheidungen zugrunde legt, werden zurzeit die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum nur teilweise erfasst. Das sind vor allen Dingen die Kosten für kleinere Reparaturen und Instandhaltungen, sowie Heiz- und Stromkosten. Noch nicht erfasst sind die Kosten, die als Konsumkosten für das Wohnen betrachtet werden können. Für Personen, die ihren Wohnraum nicht besitzen, wären das die Mietkosten; für Eigentümer wären das beispielsweise die Kosten für die Abzahlung eines Immobilienkredits.

Im Gegensatz zu normalen Mietern geht es bei Nutzern einer eigenen Immobilie auch um Vermögensbildung. Inwieweit spielt das eine Rolle? Das Investitionsmotiv spielt eine große Rolle. Wenn ich mir eine Wohnung oder ein Haus kaufe und darin lebe, konsumiere ich sozusagen diesen Wohnraum, aber es handelt sich hier auch um einen Vermögensgegenstand, den ich wieder liquidieren kann. Die Auseinanderrechnung dieses Konsum- oder Vermögensanteils ist der kritische Punkt und ein Hinderungsgrund, warum die Kosten selbstgenutzten Wohneigentums bislang noch nicht im HVPI erfasst wurden.

Künftig will die EZB den harmonisierten Verbraucherpreisindex um die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum erweitern. Was genau ist geplant? Die EZB hat in ihrer letzten Strategierevision einen Fahrplan für die Inklusion der Kosten des selbstgenutzten Wohneigentums für den HVPI vorgelegt. Sie möchte, dass ein offizieller HVPI mit einer Wohnkostenkomponente für selbstgenutztes Eigentum im Jahr 2026 vierteljährlich erscheint. Bis dahin wird sie wahrscheinlich im kommenden Jahr schon einen experimentellen Index für den internen Gebrauch erstellen.

Führt die Nichtberücksichtigung der Wohnkosten selbstgenutzten Eigentums zu einer Unterschätzung der Teuerung im Euroraum? Das kommt darauf an, wie sich die Wohnkosten für selbstgenutztes Wohneigentum entwickeln. In den letzten zehn Jahren sind die Wohnkosten für selbstgenutztes Wohneigentum überwiegend gestiegen. In dieser Zeit lag die Inflationsrate ohne selbstgenutztes Wohneigentum niedriger als mit selbstgenutztem Wohneigentum. Für den Euroraum hat das ungefähr 0,3 Prozentpunkte der Inflation ausgemacht.

Hätte die EZB in der Vergangenheit anders handeln müssen, wenn die Wohnkosten privat genutzten Eigentums mit berücksichtigt worden wären? Unter Berücksichtigung des selbstgenutzten Wohneigentums im HVPI hätte die Inflationsrate zwar etwas höher gelegen, allerdings wäre der Effekt zu gering gewesen, um grundlegende geldpolitische Entscheidungen der EZB zu beeinflussen. Selbst mit einer Anhebung der Inflationsrate um 0,3 Prozent hätte die Inflationsrate in den letzten Jahren größtenteils immer noch unter dem Inflationsziel von 2 Prozent gelegen.

Was bedeutet die Anpassung des Verbraucherpreisindex für zukünftige geldpolitische Entscheidungen der EZB? Für die zukünftige Gestaltung der Geldpolitik der EZB ist die Einbeziehung der Wohnkosten des selbstgenutzten Wohneigentums wichtig, weil sie dazu führt, dass das Hauptmaß der Inflation, der HVPI, den tatsächlichen Warenkorb der KonsumentInnen besser widerspiegelt. Diese Qualitätsverbesserung des HVPI dürfte auch dazu führen, dass die Glaubwürdigkeit der EZB grundlegend gestärkt wird, weil die gefühlte Inflation für diejenigen Haushalte, die Wohneigentum selbst nutzen, viel näher an der von der EZB gemessenen Inflation liegen dürfte.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Geraldine Dany-Knedlik
Qualitätsverbesserung des Preisindexes dürfte die Glaubwürdigkeit der EZB stärken - Interview mit Geraldine Dany-Knedlik

Geraldine Dany-Knedlik

Co-Leitung Konjunkturpolitik in der Abteilung Makroökonomie

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